DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

23-12-2019 17:01
SXEU31 DWAV 231800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 23.12.2019 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
WIND:
Vorerst nur im höheren Bergland Sturmböen, auf exponierten Berggipfeln Gefahr
schwerer Sturmböen. Am Dienstag (Heilig Abend) von Westen auf den
Mittelgebirgsraum und den Süden übergreifend in freien Lagen einzelne stürmische
Böen, im Bergland Sturmböen Bft 9, exponiert schwere Sturmböen. Alpen- und
Hochschwarzwaldgipfel orkanartige Böen nicht auszuschließen. In der Nacht zum
Mittwoch auf den Gipfeln der Alpen und der östlichen Mittelgebirge noch
Sturmböen bis Bft 9, Tendenz abnehmend.
Am Mittwoch im süddeutschen Bergland Sturmböen Bft 9, exponiert Bft 10. In
freien Lagen des Alpenvorlandes mit geringer Wahrscheinlichkeit einzelne
stürmische Böen. In den anderen Mittelgebirgen nur auf exponierten Berggipfeln
Gefahr einzelner Sturmböen bis Bft 9.
Am Donnerstag (2. Weihnachtsfeiertag) wahrscheinlich keine markanten
Wettergefahren.

GEWITTER:
Heilig Abend im Laufe des Nachmittags von Westen und bis zum Abend auf den
gesamten Süden übergreifend einzelne kurze Gewitter, dabei bis in tiefe Lagen
Gefahr von Sturmböen Bft 9, auch schwere Sturmböen bis Bft 10 nicht
auszuschließen.


SCHNEEFALL / GLÄTTE:
An den Alpen zeitweise Schneefall, mit Unterbrechungen bis in den Dienstag
hinein andauernd. Oberhalb 1000 m bis 30, in Staulagen auch 50 cm Schnee.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 12 UTC
-------------------------------------------------------------
Aktuell ... liegt Deutschland im Bereich eines Resttroges. Dieser ist das
Überbleibsel eines zuvor zur Balkanhabinsel gerichteten Austropfprozesses. Die
aktuell noch vorhandene leichte Schauertätigkeit, die im Wesentlichen aus der in
der unteren Troposphäre vorhandenen Labilität resultiert, kommt allmählich zum
Erliegen. Zum einen greift ein breiter Rücken auf Frankreich über, zum anderen
setzt Warmluftadvektion ein, die bis nach Deutschland vorstößt und den noch
vorhandenen Resttrog, der sich bis Dienstagfrüh nach Westpolen verlagert,
allmählich zuschüttet.
Da aber an der Vorderseite des Rückens eine nordwestliche, zu den Alpen hin
steiler werdende Strömung andauert, sind im Nordstau der Alpen und der
süddeutschen Mittelgebirge weitere Niederschläge zu erwarten, die oberhalb 1000
m als Schnee fallen. Bis Dienstagfrüh können in Staulagen 10 bis über 15 cm
Neuschnee zusammenkommen.
Durch den Rücken wird die Frontalzone nur wenig nach Norden gedrückt, so dass
Deutschland in deren Bereich verbleibt. Dabei greift zwar auf den Süden
Deutschlands ein Zwischenhochkeil über, in dessen Bereich eine leichte
Wetterberuhigung zu erwarten ist. Der Gradient wird hierdurch jedoch nur wenig
auseinandergezogen, so dass in den Kamm- und Gipfellagen der Mittelgebirge und
in den Hochlagen der Alpen weiterhin Sturmböen bis Bft 9, auf exponierten
Gipfeln auch einzelne schwere Sturmböen, auftreten. Aufgrund des nach wie vor
gut ausgeprägten Gradienten sollten Nebel wie auch winterliche Parameter
warntechnisch keine Rolle spielen.

Dienstag ... wird ein in der Frontalzone eingelagertes flaches Tief von
Südengland über die westliche Nordsee hinweg bis in die nördliche Mitte
Deutschlands gesteuert. Betrachtet man die Lage dieses Tiefs in Bezug auf den
nachfolgenden Trog, könnte sich durchaus ein Sturmtief daraus entwickeln. Der
aus Warmluftadvektion resultierende Hebungsantrieb wird durch positive
Vorticityadvektion gestützt; zudem liegt dieses Tief am linken Ausgang des Jets.
Allerdings ist dieser Trog relativ breit und bietet kein eindeutig
diagnostizierbares Vorticitymaximum, wodurch letztendlich das
Entwicklungspotential dieses Tiefs begrenzt ist und keine ausgewachsene
Sturmlage droht. Dennoch sollte dieses Tief nicht unterschätzt werden. Da ist
zum einen die Gradientzunahme an dessen Südflanke. Etwa ab dem Vormittag kommen
in Westen und Südwesten und später im gesamten Mittelgebirgsraum sowie im Süden
Wind- und in freien Lagen einzelne stürmische Böen auf, im Bergland muss mit
Sturmböen, exponiert mit schweren Sturmböen gerechnet werden. Der Norden (und
wahrscheinlich auch der nördliche Mittelgebirgsraum) bleibt von dieser
Windentwicklung ausgespart.
An der Südflanke des Tiefs, d.h. in dessen Warmsektor, erfolgt ein Einschub
labil geschichteter Luft. Vom Westen auf den Süden und Südosten übergreifend
erreicht die Temperaturdifferenz zwischen 850 und 500 hPa rund 30 K, hinzu kommt
die trogvorderseitige Hebung. Aufgrund der kräftigen, vor allem
niedertroposphärischen Scherung wären sogar organisiertere Strukturen
hochreichender Konvektion vorstellbar. Zumindest sollte die Labilität für kurze
Gewitter hinreichend sein. Da der Oberwind im 850 hPa-Niveau 60 kt und in 925
hPa 50 kt erreicht, besteht in Verbindung mit Gewittern auch in tieferen Lagen
die Gefahr schwerer Sturmböen.
Die Tageshöchsttemperaturen erreichen 4 bis 9, in tieferen Lagen West- und
Südwestdeutschlands bis 11 Grad.
In der Nacht zum Mittwoch wird das o.g. Bodentief unter Auffüllung rasch über
den Erzgebirgsraum hinweg nach Osten gesteuert. Während an der Südwestflanke
dieses Tiefs, d.h. im östlichen Mittelgebirgsraum und im Südosten, bis
Mitternacht noch Wind- und in freien Lagen stürmische Böen sowie in den Kamm-
und Gipfellagen teils schwere Sturmböen auftreten (wobei im Alpenvorland durch
Leitplankeneffekt noch eine leichte Windverstärkung erfolgen kann), fächert
ansonsten der Gradient rasch auf, so dass einzelne Sturmböen auf höhere
Berggipfel beschränkt bleiben. Bis Mittwochfrüh flaut auch dort der Wind
zusehends ab.
Die Schneefallgrenze sinkt auf etwa 800 m (in den östlichen Mittelgebirgen etwas
darunter, im Schwarzwald und an den Alpen etwas darüber). Während in den
östlichen Mittelgebirgen kaum mehr als 10 cm Neuschnee zusammenkommen, dürfte
die andauernde Stausituation an den Alpen durchaus mehr als 20 cm Neuschnee
ergeben.

Mittwoch ... wölbt sich der über Westeuropa liegende Rücken noch etwas auf, was
die über Deutschland andauernde nordwestliche Strömung aufsteilen lässt.
Hierdurch dürfte sich die Stausituation an den Alpen eher noch verstärken, so
dass innerhalb von 12 Stunden oberhalb von etwa 1000 m noch einmal um 20 cm
Neuschnee hinzukommen können. In den östlichen Mittelgebirgen und im Schwarzwald
reicht es wahrscheinlich nur für wenige Zentimeter Neuschnee. Ansonsten sind vor
allem an den Nordseiten der Mittelgebirge Schauer zu erwarten, wobei die
flüssige Phase vorherrscht. Vom westlichen Alpenraum und von Ostfrankreich
weitet sich jedoch ein Hoch nach Deutschland aus, wodurch tendenziell die
Schauertätigkeit nachlassen sollte. Im Nordwesten und ganz im Westen können sich
Auflockerungen einstellen.
Der Wind ist in der ersten Tageshälfte in Süddeutschland noch warnrelevant. Dort
können noch Windböen, in freien Lagen des Alpenvorlandes auch einzelne
stürmische Böen auftreten, auf höheren Alpen- und Mittelgebirgsgipfeln muss mit
Sturm- und schweren Sturmböen gerechnet werden. Bis zum Abend flaut aber auch
dort der Wind ab, so dass Böen bis Sturmstärke auf die Gipfellagen der Alpen
beschränkt bleiben.
Die Tageshöchsttemperaturen erreichen 4 bis 9, im höheren Bergland Werte um oder
etwas über 0 Grad.
In der Nacht zum Donnerstag greift der Rücken unter Verkürzung der Wellenlänge
und beginnender Abflachung auf die Nordsee über. Der nachfolgende Trog erreicht
bereits das Seegebiet unmittelbar vor den Britischen Inseln und der Iberischen
Halbinsel. Das korrespondierende Bodenhoch verlagert sich mit seinem Schwerpunkt
nach Süddeutschland, so dass die Schneefälle auch an den Alpen von Westen her
allmählich schwächer werden. Am Alpenrand und auch in den östlichen
Mittelgebirgen oberhalb von etwa 800 m können bis Donnerstagfrüh noch einmal
einige, am östlichen Alpenrand auch mehr als 10 cm Schnee zusammenkommen.
Abgesehen vom Norden und Nordosten stellt sich über dem Vorhersagegebiet eine
schwachgradientige Lage ein. Sobald es aufklart (was im Westen und Südwesten am
wahrscheinlichsten ist) dürfte sich relativ rasch dichter Nebel bilden. Im
westlichen und südwestdeutschen Bergland besteht dabei Glättegefahr.

Donnerstag ... verlagert sich das Zirkulationsmuster unter weiterer leichter
Verkürzung der Wellenlänge nach Osten. Der Rücken, von welchem nur ein flacher
Keil übrigbleibt) gelangt nach Deutschland, der nachfolgende Trog zu den
Britischen Inseln. Das zuvor wetterbestimmende Bodenhoch verabschiedet sich nach
Südosteuropa. An der Ostflanke des mit dem Trog korrespondierenden Bodentiefs
setzt Druckfall ein, wodurch eine schwache südliche bis südöstliche bodennahe
Windkomponente in Gang kommt. Für warnrelevante Böen reicht es sehr
wahrscheinlich noch nicht. Ob diese Windkomponente hinreichend ist, den Nebel
und Hochnebel aus der Nacht zuvor verschwinden zu lassen ist eher
unwahrscheinlich bzw. nur für den Westen Deutschlands vorstellbar. Zudem kommt
alsbald auch wieder Warmluftadvektion in Gang, was einen Aufzug mehrschichtiger
Bewölkung mit sich bringt. Sehr wahrscheinlich bleibt es aber noch trocken.
Ein paar Auflockerungen kommen am 2. Weihnachtsfeiertag im Süden sowie in den
Leegebieten der Mittelgebirge zustande. Ansonsten sind Wolkenlücken eher selten.

Dort, wo sich Nebel oder Hochnebel längere Zeit halten, sind nur Maxima wenig
über null Grad zu erwarten. Ansonsten steigt die Temperatur auf 4 bis 8 Grad.


Modellvergleich und -einschätzung
----------------------------------------------------------------
Die vorliegenden Modelle zeigen eine weitgehend ähnliche Entwicklung. Anhand der
synoptischen Basisfelder lassen sich kaum prognoserelevante Unterschiede
ableiten.
Prognoseabweichungen ergeben sich jedoch in Bezug auf das Heilig Abend über
Deutschland hinweg südostwärts ziehende Tief. Hier hatte ICON zunächst die
südlichste Zugbahn im Programm, wogegen sämtliche andere Modelle (am
ausgeprägtesten GFS) eine weiter nördlich erfolgende Verlagerung zeigten. Mit
dem 12 UTC-Lauf haben sich jedoch die Unterschiede in der Weise verringert, als
dass ICON einen Schwenk in zu den externen Modellen vorgenommen hat. Sehr
wahrscheinlich dürfte daher der gesamte Mittelgebirgsraum im Starkwindfeld
dieses Tiefs liegen.
Ähnlich verhält es sich mit dem Bodentief, das am 2. Weihnachtsfeiertag auf die
Britischen Inseln übergreift. Hier ergeben sich Positionsunterschiede von ca.
800 km zwischen der Version des EZMW (00 UTC) und ICON. Auf das Wettergeschehen
über Deutschland haben dann diese Modellunterschiede aber noch keine Auswirkung.



Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Thomas Schumann