DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

20-12-2019 08:01
SXEU31 DWAV 200800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 20.12.2019 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
SW z
Heute an und in den Alpen Föhnsturm mit Orkanböen auf höheren Berggipfeln und
teils schweren Sturmböen bis in die Täler. Außerdem auf höheren Berggipfeln der
Mittelgebirge sowie im westlichen Bergland und mit geringer Wahrscheinlichkeit
in einigen Tälern der Lausitz stürmische Böen und exponiert Sturmböen Bft 9. In
der Nacht zum Samstag Föhnzusammenbruch. Auf höheren Mittelgebirgsgipfeln aber
weiterhin Sturmböen Bft 8/9.
Am Samstag meist keine markanten Wettergefahren. In der Nacht zum Sonntag erneut
auflebender Wind mit Sturmböen auf exponierten Berggipfeln.
Am Sonntag im westlichen und südwestdeutschen Bergland Sturmböen Bft 8/9 bis in
mittlere Lagen und in der zweiten Tageshälfte auch am gesamten Alpenrand,
ansonsten sowie auch in der Nacht zum Montag in den Mittelgebirgen auf
exponierte Berggipfel beschränkt.


Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC
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Freitag... gelangt Deutschland an die Vorderseite eines Troges, der vom nahen
Ostatlantik in Richtung Pyrenäen vorstößt, aber mit seiner Hauptachse noch
unmittelbar westlich der Britischen Inseln verbleibt. In der aufsteilenden und
sich verstärkenden süd- südwestlichen Strömung kommt an den Alpen eine
ausgewachsene Föhnsituation in Gang. Zwischen Alpensüd- und Alpennordseite
erreicht der Druckunterschied 15 hPa, die ausgeglichen werden wollen. Am
Alpenhauptkamm erreicht die Windgeschwindigkeit im 700 hPa-Niveau mehr als 70
kt. Somit muss in Hochlagen mit Böen bis Orkanstärke gerechnet werden; in
exponierten Gipfellagen sind auch extreme Orkanböen nicht auszuschließen. Zudem
besteht die Gefahr, dass der Föhn mit teils schweren Sturmböen in einige hierfür
anfällige Täler durchbricht.
An der Vorderseite des o.g. Troges entwickelt sich aus einer flachen Welle über
dem Ärmelkanal heraus ein Tief, das in die westliche Nordsee gesteuert wird. Da
jedoch Kaltluftadvektion in den Bereich dieses Tiefs vorstößt, bleibt dessen
Entwicklungspotential begrenzt. Dennoch sollte es im Westen für eine
Gradientzunahme reichen, was im Westen Windböen und in freien Lagen sowie im
westlichen Bergland einzelne stürmische Böen aufkommen lässt. Ansonsten sollten
warnrelevante Böen auf exponierte Gipfellagen (dort Sturmböen) und auf Teile
Ostsachsens (Böhmischer Wind, meist nur mit Windböen) beschränkt bleiben. Zudem
sollte der zunehmende Gradient eine weitgehende Auflösung von Nebel und
Hochnebel bewirken.
Im Tagesverlauf lässt trogvorderseitige Hebung im Westen mehrschichtige
Bewölkung mit Niederschlägen aufziehen, wogegen im Osten und Südosten nach
Auflösung von Nebel und Hochnebel längere sonnige Abschnitte vorstellbar sind.
Die Tageshöchsttemperaturen erreichen 8 bis 14, am Alpenrand durch Föhn deutlich
mehr als 15 Grad.
In der Nacht zum Samstag verlagert sich das Zirkulationsmuster nach Osten.
Während die Hauptachse des Troges die Britischen Inseln erreicht, weitet sich
der südliche Teil des Troges in Richtung Westalpen aus. Die dem Trog
vorgelagerte Kaltfront überquert, mit einer Druckwelle sowie Wind- und
stürmischen Böen bis ins Alpenvorland einhergehend, Süddeutschland. Der Föhn
bricht rasch von der Bodenseeregion her zusammen, in der zweiten Nachthälfte
sollten auch am östlichen Alpenrand keine Föhnböen mehr auftreten. Warnrelevante
Böen (bis Sturmstärke) sind dann auf exponierte Mittelgebirgsgipfel beschränkt.


Samstag... gelangt Deutschland in den Bereich des durch vorstoßende
Warmluftadvektion abflachenden Troges. In der etwas weiter südlich ansetzenden
und ins westliche Mittelmeer gerichteten Frontalzone folgt ein weiterer Trog,
der bis zum Abend die Bretagne erreicht. An der Vorderseite des
korrespondierenden Bodentiefs, das bis in den Westausgang des Ärmelkanals
gesteuert wird, lässt kompensierendes Absinken einen flachen Zwischenhochkeil
entstehen. Die Niederschläge, die aus dem vorherigen Trog resultieren, werden
rasch nach Osten abgedrängt. Da mit Annäherung des Bodentiefs der Gradient auch
wieder zulegt, sollten sich Nebel und Hochnebel alsbald auflösen. Für
warnrelevante Böen reicht es jedoch wahrscheinlich nur im höheren Bergland, in
den westlichen Mittelgebirgen und an der Nordsee; exponiert können stürmische
Böen bis Bft 8 nicht ganz ausgeschlossen werden. Ansonsten sind keine
warnrelevanten Wetterereignisse zu erwarten.
Auflockerungen kommen am ehesten an den Nordrändern der Mittelgebirge und in
Teilen Süddeutschlands zustande. Ansonsten verdichtet sich, bedingt durch rasch
von Westen einsetzende Warmluftadvektion, mehrschichtige Bewölkung. Mit
Höchstwerten zwischen 6 und 11 Grad wird es nicht mehr ganz so mild wie heute.
In der Nacht zum Sonntag greift der "neue" Trog auf den Westen Deutschlands
über. Das korrespondierende Bodentief erreicht unter beginnender Auffüllung die
holländische Küste. Gleichzeitig weitet sich dieser Trog in Richtung Oberitalien
aus, was südlich der Alpen eine Zyklogenese induziert. Diese Entwicklung raubt
dem Frontensystem des in die Nordsee ziehenden Tiefs die Wetterwirksamkeit,
wodurch zwar Niederschläge vom Westen auf Teile der Mitte übergreifen, aber
selbst in Staulagen wahrscheinlich nicht mehr als 10 mm innerhalb von 12 Stunden
zusammenkommen. Zwar frischt der Wind erneut auf; Windböen bleiben jedoch auf
das Bergland und Böen bis Sturmstärke auf exponierte Gipfellagen beschränkt.
Nebel und Hochnebel sollten dann auf den Südosten Deutschlands beschränkt
bleiben.

Sonntag... verbleibt Deutschland im Bereich des o.g. Troges, der in seiner
weiteren Ostverlagerung durch einen breiten, über Russland liegenden Höhenrücken
blockiert wird. Das korrespondierende Bodentief verlagert sich über die Nordsee
hinweg in Richtung dänischer Grenze. An dessen Südflanke erfolgt erneut eine
Gradientzunahme, wodurch im Westen und Südwesten in freien Lagen sowie an der
Nordsee Windböen, im Bergland und im Alpenvorland (dort bis zum Abend)
stürmische Böen auftreten und in exponierten Gipfellagen mit Sturmböen Bft 9
gerechnet werden muss. Auf den Gipfeln des Hochschwarzwaldes sind schwere
Sturmböen nicht auszuschließen. In den nördlichen und östlichen Mittelgebirgen
bleiben Sturmböen auf exponierte Berggipfel beschränkt.
Im Bereich des Troges nehmen die Niederschläge einen konvektiven Charakter an.
Für Gewitter sollte die Labilität nicht hinreichend sein. Mit dem Vorrücken des
Troges weiten sich die Niederschläge weiter ostwärts aus. Wahrscheinlich bleibt
es nur im Nordosten noch weitgehend trocken. Dort sowie im Lee der östlichen
Mittelgebirge sind Wolkenlücken noch am wahrscheinlichsten. Bei Temperaturen,
die im 850 hPa-Niveau um 0 Grad liegen, sollte die feste Phase selbst in den
Kamm- und Gipfellagen der Mittelgebirge warntechnisch keine Rolle spielen.
Gegenüber Samstag zeichnet sich in der relativ gut durchmischten Luftmasse keine
wesentliche Temperaturänderung ab.
In der Nacht zum Montag stößt der Trog weiter in Richtung östliches Mittelmeer
vor. Für das Vorhersagegebiet ergibt sich eine zyklonale Nordwestströmung und
abgesehen von einem geringfügigen Temperaturrückgang in der unteren Troposphäre
keine wesentliche Änderung. Allenfalls in den Staulagen des Schwarzwaldes und im
Allgäu können die Niederschläge länger andauern, wodurch eine Überschreitung
warnrelevanter Schwellenwerte durch wiederholte Niederschlagsereignisse, d.h.
mehr als 30 mm innerhalb von 24 Stunden, nicht auszuschließen ist.
Der Gradient, der nur wenig auseinadergezogen wird, lässt auf höheren
Berggipfeln Böen bis Sturmstärke andauern. Auch am Alpenrand sind, bedingt durch
den Leitplankeneffekt, Windböen zu erwarten. Nebelneigung sowie Frost- und
Glättegefahr bleiben gering.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die vorliegenden Modelle zeigen eine weitgehend ähnliche Entwicklung. Anhand der
synoptischen Basisfelder lassen sich keine prognoserelevanten Unterschiede
ableiten.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Thomas Schumann