DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

19-12-2019 17:01
SXEU31 DWAV 191800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 19.12.2019 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Markanter Föhn an den Alpen, Höhepunkt am Freitag mit Sturmböen in den Tälern
und Orkanböen auf den Bergen. Ansonsten abgesehen von Böen Bft 8 bis 10 auf
einigen Mittelgebirgsgipfeln keine markanten Wettererscheinungen.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 12 UTC
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Aktuell ... befindet sich Deutschland auf der Vorderseite eines umfangreichen
Langwellentroges über dem Nordostatlantik, dessen Drehzentrum sich in Form eines
Zentraltiefkomplexes im Seegebiet südlich Islands im Bodenfeld widerspiegelt. Am
Südrand des Troges greift im Laufe der Nacht von Westen her ein Kurzwellentrog
auf die Biskaya über und erreicht morgens die bretonische Küste bzw.
Südwestengland. Dadurch verschärft sich vor allem über dem westlichen
Mitteleuropa die südliche Höhenströmung weiter und entsprecht setzt zunächst
einmal im westlichen Alpengebiet eine markante Föhnlage ein, die allmählich auch
die Bayerischen Alpen erfasst. Die Druckdifferenz zwischen Lugano und Zürich
überschreitet wohl in der zweiten Nachthälfte die 10 hPa, die zwischen Innsbruck
und Bozen voraussichtlich erst etwas später. Somit gibt es auf den Alpengipfeln
vermehrt Sturm- und schwere Sturmböen (Bft 9 bis 10) aus Süd, ausgangs der Nacht
vielleicht auch erste Orkanböen. Zünglein an der Waage, was eine detaillierte
Abschätzung der Intensität des Föhns angeht, ist die Zugbahn eines
kleinräumigen, mit dem Kurzwellentrog korrespondierenden Wellentiefs über
Westeuropa. Der aktuelle ICON-EU-Lauf lässt ein solches über die Biskaya bis
Freitagfrüh unter Intensivierung zum Ärmelkanal ziehen, wo es mit einem
Kerndruck von etwa 979 hPa am Freitagfrüh aufschlägt und auch die meisten
anderen vorliegenden Modelle weichen nicht (mehr) großartig von dieser Variante
ab, wenngleich es im Detail noch Unterschiede gibt, in erster Linie, was die
genaue Position des Tiefs Freitagfrüh angeht.
Insgesamt ist somit davon auszugehen, dass der Föhn spätestens im Laufe der
zweiten Nachthälfte auch in einige Täler durchbricht, mit stürmischen Böen oder
Sturmböen, in den Frühstunden vielleicht sogar schweren Sturmböen aus Süd bis
Südost, am ehesten vom Bodensee bis zum Karwendel. Das wird von den
hochauflösenden Regionalmodellen im Großen und Ganzen auch so mitgetragen.
Auch im übrigen Mittelgebirgsraum legt der Süd- bis Südostwind etwas zu, in
einigen Kamm- und Gipfellagen kann es - auch unterstützt durch lokale
Windsysteme bzw. Low Level Jets - stürmische Böen geben, im Lee auch bis in die
Täler steife Böen, im östlichen Bergland bleibt der Böhmische Wind aktiv mit
steifen Böen in dafür prädestinierten Tälern.
Ansonsten steht eine wettertechnisch ruhige Nacht ins Haus. Durch die
Wellentiefs wird der Frontenzug über dem westlichen Mitteleuropa weiter
zurückgehalten, dennoch werden die Wolken ganz im Westen allmählich dichter, es
bleibt aber noch trocken. Im übrigen Land bleibt es teils aufgelockert, teils
gering bewölkt, gebietsweise auch trüb durch Hochnebel, mancherorts kann sich
wieder dichter Bodennebel bilden. Wie schon in den Vornächten dürfte MOSMIX das
Frostpotenzial wieder ein wenig unterschätzen, vor allem in Süddeutschland und
im zentralen Mittelgebirgsraum ist wohl vielerorts zumindest kurzzeitig mit
leichtem Frost zu rechnen.

Freitag ... kommt der Kurzwellentrog über Westeuropa allmählich ostwärts voran,
abends greift er die südwestliche Nordsee über. Somit kann sich die südliche
Höhenströmung über dem Vorhersagegebiet weiter verschärfen und die Föhnlage
erreicht ihren Höhepunkt.
Das Wellentief entlang der Kaltfront zieht unter weiterer Vertiefung bis
zunächst zur nordwestlichen Nordsee, wird dann am Abend aber mehr und mehr als
Randtief in den nordostatlantischen Zentraltiefkomplex eingebunden. Die leicht
wellende Kaltfront greift nachmittags auf Westdeutschland über. Damit dauert die
markante Föhnlage an den Alpen bis zum späten Nachmittag oder Abend an und
erreicht etwa am Vormittag bzw. um die Mittagszeit ihren Höhepunkt. In 700 hPa
werden seitens C-D2 gebietsweise 50 bis 60 kn simuliert, zwischen Luzern und
Zürich eine Druckdifferenz von etwa 16 hPa, zwischen Bozen und Innsbruck
immerhin noch nahe 12 hPa. Unter diesen Rahmenbedingungen wohl von (extremen)
Orkanböen bis über 140 km/h auf den exponierten Alpengipfeln und Sturmböen in
den dafür prädestinierten Tälern auszugehen, schwere Sturmböen, im Extremfall in
höher gelegenen Tälern vielleicht sogar orkanartige Böen nicht ausgeschlossen.
Der Zeitpunkt des Föhnzusammenbruchs ist noch etwas unsicher, einige Modelle
simulieren den Durchgang einer der Kaltfront vorauslaufenden Druckwelle bereits
am späten Nachmittag, andere erst am späteren Abend. So oder so - mit der
Druckwelle frischt der Wind deutlich aus West auf und vor allem vom Bodensee bis
ins schwäbische Alpenvorland, vielleicht auch bis ins südliche Oberbayern kann
es kurzzeitig starke bis stürmische Böen geben.
Im Vorfeld der Kaltfront frischt der Süd- bis Südostwind bei zunehmendem
Druckgradienten auch im übrigen Land auf. In den Kamm- und Gipfellagen einiger
Mittelgebirge gibt es stürmische Böen, exponiert auch Sturmböen, an den
Nordrändern kann es bis in die Täler bzw. Niederungen steife Böen geben. Auch im
Nordseeumfeld muss mit Böen Bft 7, exponiert (Helgoland) 8 gerechnet werden.
Mit Annäherung der Front setzt im Westen bzw. Südwesten schauerartiger Regen ein
(im westlichen Bergland örtlich über 15 mm bis zum Abend), der sich nur zögernd
bis zum Bodensee, zum zentralen Mittelgebirgsraum und zur Nordsee ausweitet,
weiter östlich bleibt es noch trocken. Mit Frontpassage frischt der Wind im
Westen und Nordwesten am Nachmittag und Abend vorübergehend böig aus Südwest auf
und es gibt auch in den Niederungen bzw. im Binnenland recht verbreitet steife,
in freien Lagen eventuell auch stürmische Böen.
Während die Wolken im Westen alsbald dichter werden, kann sich im Südosten und
Osten vor allem an den Nordrändern der Mittelgebirge und im südlichen
Alpenvorland nochmals die Sonne durchsetzen. Entlang der Donau und in Teilen
Ostbayerns hält sich eventuell auch ganztägig Hochnebel. Es bleibt sehr mild mit
Höchstwerten zwischen 8 und 14 Grad, bei Föhn an den Alpen kann es mit 15 bis 19
Grad auch noch deutlich milder werden. Bei Dauernebel bleibt es entsprechend
kühler.

In der Nacht zum Samstag überquert der Kurzwellentrog unter Konturverlust
Deutschland nordostwärts. Ihm folgen ein flacher Rücken und ein ebenso flacher
Kurzwellentrog, der morgens von der Biskaya her auf Frankreich übergreift.
Die Kaltfront des nun vollständig in den Zentraltiefkomplex integrierten
Bodentiefs überquert Deutschland rasch ostwärts und der Föhn bricht in der
ersten Nachthälfte endgültig zusammen. Mit Annäherung des flachen Rückens und
aufgrund von KLA verliert sie zunehmend an Wetterwirksamkeit, Wind und
Niederschlag im Frontbereich schwächen sich rasch ab (lediglich in den Staulagen
vom Allgäu bis zum Werdenfelser Land fallen örtlich mehr als 10 mm), auch auf
den Bergen weist der Wind im Laufe der zweiten Nachthälfte wohl kaum
Warnrelevanz mehr auf (am ehesten wohl noch auf dem Brocken). An den Alpen kann
es bei bzw. nach Frontdurchgang in den Frühstunden kurzzeitig bis auf nahe 1000
m schneien. Postfrontal sinken die Temperaturen in 850 hPa auf etwa +2 bis -2
Grad und die Wolken lockern auf, vor allem im Süden und in der Mitte kann sich
gebietsweise Nebel bilden. Frost tritt wohl nur in wirklich exponierten
"Kältelöchern" auf.

Samstag ... greift der flache Kurzwellentrog von Frankreich her auf das
Vorhersagegebiet über. Korrespondierend dazu überquert ein ebenso flacher
Bodentrog im Tagesverlauf mit höchstens einzelnen leichten Schauern den Westen
und Südwesten des Landes, wodurch der Wind vorübergehend aus Südwest bis Süd
auffrischt, es aber wohl lediglich auf exponierten Mittelgebirgsgipfeln einzelne
stürmische Böen gibt.
Im Südosten klingen die Niederschläge der abziehenden Kaltfront (an den Alpen
oberhalb von etwa 1000 bis 1200 m als Schnee) im Laufe des Vormittags ab, was
nach GFS nach wie vor etwas länger als nach Lesart der meisten anderen Modelle,
nämlich bis um die Mittagszeit, dauert. Im großen Rest des Landes steht ein
trockener Tag ins Haus, dabei lockern die Wolken gebietsweise auch mal stärker
auf. Im Einflussbereich subpolarer Meeresluftmassen mit Temperaturen zwischen -1
und +3 Grad in 850 hPa wird es vor allem in den Föhnstrichen nicht mehr so mild
wie an den Vortagen, dennoch erreichen die Höchsttemperaturen mit 6 bis 12 Grad
für diese Jahreszeit nach wie vor übernormale Werte.
Vom nahen Ostatlantik her greift am Abend südlich des Zentraltiefs ein weiterer,
etwas breiter als seine Vorgänger aufgestellter Randtrog zum Abend hin auf den
Westausgang des Ärmelkanals bzw. auf die Biskaya über. Vorderseitig wölbt sich
aufgrund kräftiger WLA ein flacher Höhenrücken über Ostfrankreich und Belgien
auf.
Ein mit diesem Trog korrespondierendes kräftiges Bodentief (Kerndruck
Samstagabend bei 967 hPa) zieht bis zum Abend zum Westausgang des Ärmelkanals,
das okkludierte Frontensystem greift dann auf Frankreich über, so dass auch im
Südwesten Deutschlands die Wolken wieder dichter werden. Der Wind frischt dort
mit der Gradientzunahme ebenfalls auf und dreht auf Süd bis Südost zurück, im
Hochschwarzwald kann es erste stürmische Böen geben.

In der Nacht zum Sonntag schwenkt der mit mehreren kurzwelligen Anteilen
ausgestattete Randtrog nach Benelux bzw. Nordwestdeutschland, wobei ein Teil
über Norditalien austropft und der Trog somit an Kontur verliert.
Das korrespondierende Bodentief zieht bis Sonntagfrüh Richtung Ostfriesland und
schwächt sich dabei auf Kosten einer Zyklogenese über Norditalien etwas ab. Das
Frontensystem ist im thermischen Feld als solches im Laufe der Nacht nicht mehr
auszumachen, dennoch kann durch PVA - unterstützt durch WLA - Hebung generiert
werden, so dass von Südwesten her schauerartige Niederschläge auf das
Vorhersagegebiet übergreifen und bis Sonntagfrüh, mit Ausnahme des Nordostens,
des äußersten Nordens und vielleicht auch des Südostens, weite Teile des Landes
erfassen. Im Stau der westlichen Mittelgebirge und im Südschwarzwald fallen
dabei gebietsweise mehr als 10 mm in 12 Stunden, ansonsten sind die Mengen aber
weit unterhalb jeglicher Warnrelevanz. Auch die Schneefallgrenze spielt
warntechnisch wohl keine Rolle, da an der Südflanke des Tiefs wieder etwas
mildere Biskayaluft (+1 bis +4 Grad in 850 hPa) eingesteuert wird.
Somit rückt einmal mehr der Wind in den Fokus der Warntätigkeit. Bzgl. der
genauen Zugbahn und Intensität des Bodentiefs gibt es von Modell(lauf) zu
Modell(lauf) zwar noch Differenzen (IFS von 00 UTC simuliert das Tief z.B. in
der Früh etwa über der Doggerbank, GFS von 12 UTC gar noch ein wenig weiter
westlich), dennoch ist an dessen Südflanke im Laufe der Nacht wohl zumindest in
den Kamm- und Gipfellagen der Mittelgebirge mit stürmischen Böen, exponiert auch
Sturmböen aus Süd bis Südwest zu rechnen. Ob es bis in die Niederungen Südwest-
bzw. Westdeutschlands ausgangs der Nacht für warnrelevante Böen reicht, bleibt
abzuwarten.
Vor allem im Nordosten und im Südosten lockern die Wolken vorübergehend auf, für
Frost dürfte es aber wohl nur in ungünstigen Lagen vereinzelt reichen.

Sonntag ... schwenkt der Randtrog weiter Richtung Südskandinavien, an dessen
Südflanke verlagert sich ein weiterer kurzwelliger Anteil von Frankreich und
Benelux her ins Vorhersagegebiet und nimmt Verbindung zum abgetropften Höhentief
über Norditalien auf, kommt dabei nach Osten voran, bis zum Abend ergibt sich
dadurch eine langgestreckte, von der Nordsee über die Nord- und Osthälfte des
Vorhersagegebietes bis zum Balkan reichende Potenzialrinne. Rückseitig schiebt
sich ein flacher Höhenrücken nach Südwestdeutschland.
Das mit dem Randtrog korrespondierende Bodentief füllt sich weiter auf und zieht
bis zum Abend nach Lesart des ICON etwa nach Dänemark, IFS von 00 UTC simuliert
es dann, ähnlich wie der 12 UTC-Lauf des GFS, erst über der Deutschen Bucht bzw.
knapp westlich davon. An dessen Südflanke bleibt der Gradient vor allem über der
Mitte und dem Süden des Landes scharf ausgeprägt, zumal die Annäherung des
Rückens von Südwesten her zu recht markantem Druckanstiegt führt. Abhängig von
der genauen Zugbahn des Tiefs, die noch mit gewissen Modellunsicherheiten
behaftet ist, gibt es zumindest in den Kamm- und Gipfellagen der Alpen und der
meisten Mittelgebirge stürmische Böen oder Sturmböen, exponiert vielleicht auch
schwere Sturmböen aus West- bis Südwest, in den Niederungen ist mit steifen Böen
zu rechnen.
An der Südflanke des Tiefs gelangt subpolare Meeresluft ins Vorhersagegebiet,
innerhalb derer sich weitere Schauer entwickeln, für kurze Gewitter dürfte die
Labilität voraussichtlich nicht ausreichen (etwa -2 bis +2 in 850 hPa, -25 Grad
in 500 hPa). Vor allem im Stau des Schwarzwaldes und des Oberallgäus werden
dabei 10 bis nahe 20 mm in 12 Stunden simuliert, die Schneefallgrenze schwankt
wohl so um die 1000 bis 1300 m. Am wenigsten Schauer gibt es im Nordosten.
Insgesamt macht sich die Sonne rar, am ehesten lässt sie sich vielleicht noch im
Osten und im Nordwesten blicken und die Höchstwerte bewegen sich zwischen 5 und
11 Grad.



Modellvergleich und -einschätzung
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Anhand der synoptischen Basisfelder lassen sich keine großartig warn- bzw.
prognoserelevanten Modellunterschiede ausmachen. Im Detail ergeben sich kleinere
Differenzen, in erster Linie, was die genaue Zugbahn des Tiefs in der Nacht zum
und am Sonntag betrifft. Diese wurden im Text bereits grob angesprochen.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff