DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

17-12-2019 17:30
SXEU31 DWAV 171800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 17.12.2019 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Allmählich nachlassender Föhn. Heute Nacht im Westen und Norden verbreitet
Windböen, in Schauernähe und exponiert vorübergehend auch stürmische oder
Sturmböen. Brocken Orkan. Örtlich Gewitter. In den Folgenächten zunehmende
Nebelneigung und gebietsweise leichter Frost. Tagsüber weiterhin mild.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 12 UTC
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Aktuell ... verbleibt Deutschland unter einem weiten Warmsektor. 12Z
Radiosondenaufstiege zeigen in den meisten Regionen eine abgehobene und
durchmischte Luftmasse mit einer von Süd nach Nord leicht ansteigenden Inversion
(950 bis 900 hPa). Dadurch werden bei der vorherrschenden Süd- bis
Südwestströmung besonders im Lee der Gebirge für diese Jahreszeit sehr milde
Temperaturwerte gemeldet, wie in Bad Ahrweiler mit 17.0 Grad und Olbersleben mit
16.6 Grad (Werte um 1330 UTC und noch keine Maximalwerte). Noch wärmer ist es in
den Föhnstrichen nördlich der Alpen z.B. mit 18.5 Grad in Rosenheim. Teils
ungewöhnlich mild und ruhig verlaufen nun auch die Abendstunden. Zeitweise
ziehen dichte Wolkenfelder von Südwesten durch und bringen besonders im Westen
einzelne Schauer. Abgesehen davon bleibt es trocken und das bei abendlichen
Werten von nur wenig über Null Grad im Umfeld der Donau (wo es teils bis weit in
den Tag dunstig oder neblig blieb), bei 9 bis 4 Grad in der trockenen Föhnluft
im Süden bis hin zu 14 bis 10 Grad im Westen. Am direkten Alpenrand sorgt noch
der Föhn für strichweise zweistellige Werte. Bleiben wir gleich beim Wind: der
Föhn schwächt sich weiter ab (Bozen-Innsbruck mittlerweile bei unter 8 hPa
Druckunterschied), weht jedoch bis in die Abendstunden im Bergland in
Sturmstärke (exponiert mit schweren Sturmböen) und greift in prädestinierten
Tallagen noch zeitweise stark böig (Bft 7) durch. Die teils schweren Sturmböen
auf dem Brocken dauern auch weiterhin an. Zum späten Nachmittag sind auch im
Saarland vorübergehend einzelne stürmische Böen aus Südwest in Verbindung mit
Schauern nicht ausgeschlossen (Verdunstungsabkühlung und über 40 kn in 950 hPa),
die jedoch bereits in den Abendstunden wieder nachlassen sollten.

In der Nacht zum Mittwoch müssen wir den Blick etwas gen Westen richten, wo sich
ein Langwellentrog über Westeuropa in ein über Nordalgerien ostwärts driftendes
Residuum in Form eines eigenständigen Tiefdruckgebietes und in einen
kurzwelligen Anteil in Form einer agilen Kurzwelle aufspaltet, wobei letztere
von England zügig nach Südschweden zieht. Der eigentliche und für diese Region
ungewöhnlich heftige Intensivierungsprozess des die Welle begleitenden bzw. sich
entwickelnden Bodentiefs beginnt erst über Südschweden und mündet in ein
kompaktes und kräftiges Sturmtief, das in der Folge über die zentrale Ostsee in
Richtung Südfinnland zieht.
In Deutschland macht sich diese Entwicklung zweierlei bemerkbar. Zunächst sei
der Niederschlag erwähnt, der gekoppelt an eine Kaltfront abends und in der
ersten Nachthälfte den Westen und in der Folge auch den Norden und Nordosten
erfasst. Besonders vom Niederrhein bis nach Hamburg deuten Modelle wie ICON_6
und GFS recht kräftige Niederschläge an (6-std. bis Mitternacht um 10 l/qm).
Diese kann man sich an Hand der gesunden Natur der Kaltfront erklären, die in
Form einer kräftigen konvektiven Linie von Benelux/Ostfrankreich in den Westen
und Nordwesten von Deutschland zieht, dabei den Entwicklungshöhepunkt im
Nordwesten aufweist und sich nach Mitternacht auf dem Weg nach Nordosten wieder
abschwächt. Vorhersagesoundings um 21Z zeigen präfrontal eine neutrale bis
leicht labile Schichtung und cross sections deuten in den untersten 1-2 km AGL
die stärkste Frontogenese an, sodass entlang der Kaltfront organisierter
Konvektion vorstellbar ist. Daher muss bei Kaltfrontdurchzug vorübergehend mit
kräftigem Regen gerechnet werden, der sich u.a. auch wie oben angesprochen in
den 6-std. Niederschlagssummen zeigt. Ein kurzes Gewitter kann nicht
ausgeschlossen werden.
Das andere Thema ist der Wind, denn postfrontal der Welle/Kaltfront baut sich
ein stärkeres Druckanstiegsfeld auf und in Verbindung mit der konvektiven
Umlagerung und 950 hPa Winden von 35 bis 40 kn sind dann auch in tieferen Lagen
bei Kaltfrontpassage einzelne stürmische Böen oder Sturmböen (Bft 8-9) zu
erwarten. Ansonsten wird für den Westen und Norden die Ausgabe einer
großflächigen Gelbwarnung für einen stark böigen Südwestwind erwartet. Im
Bergland der westlichen zentralen Mittelgebirge treten präfrontal im "warmen
Jet" exponiert Sturmböen auf, der Brocken wird dann ohne Weiteres in den Bft
12-Bereich gelangen. Etwas uneins ist die Numerik bei der Böenentwicklung im
Nordosten nach Mitternacht. Zwar verstärkt sich das niedertroposphärische
Windfeld im Einklang mit der generellen Intensivierung des Bodentiefs (950 hPa
Winde bei 50-60 kn und auch etwas postfrontal noch hochreichende Windzunahme),
gleichzeitig schwächt sich die Front durch eine zunehmend strömungsparallele
Komponente ab (ausgenommen das Umfeld der Ostsee). Zusammengefasst bedeutet das
nach Mitternacht, dass die höchsten Wahrscheinlichkeiten für stürmische Böen
oder Sturmböen im äußersten Norden bzw. Nordosten zu finden sind (u.a. im Norden
von Mecklenburg-Vorpommern). Dies wird auch innerhalb der Numerik (COSMO-D2 EPS
und ICON) mitgetragen. Ansonsten schwächt sich der Wind von Westen rasch ab.
Einzig exponierte Berglagen des Thüringer Waldes und Erzgebirges können bis in
die Frühstunden noch einzelne stürmische Böen vermelden, da sie im sich
abschwächenden "warmen Jet" verbleiben.
Ansonsten verläuft die Nacht im Süden und Osten teils stark, teils aufgelockert
bewölkt und besonders im Süden muss dank Ausstrahlung und scharfer (abgehobener)
Föhninversion erneut mit Nebel (Donauumfeld) und teils auch mit leichtem Frost
gerechnet werden. Der Föhn an den Alpen beschränkt sich immer weiter auf die
Gipfellagen, wo noch markante Böen auftreten. Besonders vom Saarland bis nach
Niedersachsen kann es im Umfeld der schleifenden Kaltfront zeitweise regnen.
Die Tiefstwerte liegen zwischen 8 und -1 Grad, wobei im Südosten allgemein mit
leichtem Frost in Bodennähe gerechnet werden muss (besonders bei längerem
Aufklaren).

Mittwoch ... gelangt Deutschland rückseitig des zur Ostsee ziehenden
Tiefdruckgebietes unter einen breiten Höhenrücken, der mit seiner Achse abends
den Westen erfasst. Die Folge ist, dass die Kaltfront quer über Deutschland zu
liegen kommt (von der Pfalz über die Mitte bis ins südliche Brandenburg). Hier
verläuft der Mittwoch bedeckt und zeitweise kann es leicht regnen. Nördlich und
südlich davon zeigt sich jedoch neben dichteren Wolkenfeldern teils länger die
Sonne (wobei im Süden in den Nebelgebieten wieder mit einer zähen Auflösung
gerechnet werden muss - wenn überhaupt). Der meist südliche Wind (im Süden eher
Südost, im Nordosten eher Südwest) weht schwach bis mäßig, schwächt sich an der
Ostsee und auf den Alpengipfeln rasch ab, sodass warntechnisch voraussichtlich
nicht eingegriffen werden muss (wenn überhaupt, dann markante Böen auf
exponierten Alpengipfeln). Die Höchstwerte liegen zwischen 8 und 15 Grad. Die
höchsten Werte werden in den noch föhnig angehauchten Tälern erwartet. In
hartnäckigen Nebelgebieten bleibt es natürlich deutlich kälter.

In der Nacht zum Donnerstag wandert der Keil über Deutschland nach Osten und
sorgt durch Absinken für eine ruhige Nacht. Mit der sich unter dem Keil
auflösenden Front ist ein üppiger Feuchteeintrag vorhanden, der sich durch recht
verbreitet auftretenden Nebel äußert, was besonders die Mitte und den Süden,
teils auch den Osten betrifft. Trocken bleibt es überall und das bei
Tiefstwerten von 5 bis 0 Grad. Vielerorts muss mit leichtem Frost in Bodennähe
gerechnet werden.

Donnerstag ... ändert sich das Bild in der Höhe nur geringfügig. Der nun über
Polen liegende Keil verliert zögernd seinen Einfluss auf unser Wetter. Derweilen
gelangen wir zunehmend auf die Vorderseite eines umfangreichen
Tiefdruckkomplexes über dem gesamten Nordostatlantik. Dadurch kippt die Strömung
in der Höhe auf Südwest bis Süd und nimmt im Tagesverlauf an Fahrt auf. Bedeutet
eine Windzunahme in der Höhe mit markanten (Sturm-) Böen auf Alpengipfeln und
zunehmend auch auf den Kammlagen der östlichen Mittelgebirge. In tiefen Lagen
weht der Wind hingegen schwach bis mäßig aus Südost (mit einzelnen Böen auf
Helgoland). Abgesehen davon wird es jedoch über der Mitte und dem Süden ein
vielerorts nebliger Donnerstag. Dort, wo sich der Nebel lichtet, scheint
hingegen häufig die Sonne und es bleibt trocken. Die Höchstwerte liegen bei
milden 6 bis 15 Grad, mit den höchsten Werten im Westen.

Die Nacht zum Freitag verspricht aus heutiger Sicht ebenfalls eine ruhige zu
werden. Zwar überquert uns ein schwacher Höhentrog, der jedoch in den Keil
laufend kaum Wetteraktivität aufweist. Daher lockert die Bewölkung erneut teils
stärker auf und es muss vielerorts mit teils dichtem Nebel gerechnet werden.
Abgesehen von einem geringen Schauerrisiko im Küstenumfeld bleibt es trocken und
bei einem schwachen, im Westen zeitweise leicht böig auffrischenden Wind aus
Südost werden Tiefstwerte von +9 Grad im Westen und -2 Grad im Süden erwartet.
Auf den Alpengipfeln nimmt der Südföhn weiter zu, sodass exponiert mit schweren
oder orkanartigen Böen gerechnet werde muss.

Freitag ... Der Freitag könnte, ich wiederhole "könnte", im Zeichen einer
markanten Föhnlage für die Nordalpen stehen. Grund hierfür ist ein mobiler Trog
über Frankreich, der zügig nach Nordost in Richtung Schweiz schwenkt. Allerdings
ist noch unsicher, auf welcher Zugbahn dieser Trog an die Westalpen geführt wird
und ob er somit westlich über die Schweiz nach Norden zieht (markante Föhnlage),
oder sich teilweise nach Norditalien abspaltet (was die Föhnlage mindern würde).
Aktuell überwiegen aber noch die Anzeichen, dass sich präfrontal einer mit dem
Trog ostwärts schwenkenden Kaltfront eine dynamische Föhnlage einstellen könnte
(700 hPa Winde aus Süd mit mehr als 50 kn, Druckdifferenz Bozen-Innsbruck von
mehr als 10 hPa). Erneut würde das für teils stürmische Böen bis in
prädestinierte Föhntäler und für Orkanböen auf exponierten Alpengipfeln
sprechen, bevor im Tagesverlauf die Kaltfront oder eine vorgelagerte Druckwelle
von Westen für einen Föhneinbruch sorgen. Durch die Föhnlage wäre es
deutschlandweit erneut ein zunächst freundlicher Tag mit Höchstwerten um 10
Grad, bevor sich im Nachmittagsverlauf mit Kaltfrontannäherung von Westen die
Bewölkung verdichtet. Abends kann dann vor allem vom Saarland bis Niederrhein
Regen nicht ausgeschlossen werden. In Föhntälern wäre bei Durchbruch mit
ungewöhnlich milden 15 Grad zu rechnen. Diese Entwicklung ist jedoch noch
unsicher und vieles hängt von der Intensität des Föhns ab.


Modellvergleich und -einschätzung
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Bis Freitag sind die Vorhersagen der Numerik auf einer einheitlichen Linie. Erst
zum Freitag nehmen die Unsicherheiten mit dem Trog über Frankreich etwas zu,
sind für diesen Vorhersagezeitraum jedoch noch in einem überschaubaren Rahmen.
Leider haben jedoch geringe Änderungen der Geometrie des Druckfeldes große
Auswirkungen auf die Intensität des Föhns. GFS ist aktuell am aggressivsten mit
einer Norditalientiefentwicklung und zeigt auch den schärfsten Trog, während IFS
und ICON eine etwas schwächere und langsamere Lösung andeuten.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Helge Tuschy