DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

12-12-2019 09:01
SXEU31 DWAV 120800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 12.12.2019 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: WW (Winkel West), am Wochenende Übergang zu SWz (Südwest zyklonal)

Heute vergleichsweise ruhiges Fahrwasser mit schlaffer Trogpassage. Ab Freitag
Windzunahme, am Samstag verbreitet stürmisch. Dazu Niederschläge, vor allem am
Freitag bis in tiefe Lagen vorübergehend als Schnee.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 24 UTC
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Donnerstag... steht im Zeichen einer Trogpassage, ein kurzwelliges Exemplar, das
sehr spitz konfiguriert und mit Höhenkaltluft unter -30°C in 500 hPa angefüllt
ist. Derweil verläuft die Frontalzone vom mittleren Nordatlantik kommend bis
nach Südwesteuropa respektive in den Mittelmeerraum, was der gesamten
Potenzialverteilung das Muster WW (Winkel West) verleiht. Auf der kalten Seite
der Frontalzone bringt sich im Tagesverlauf bei UK/Irland ein weiterer KW-Trog
in Stellung, der durch einen flachen Rücken (WLA) von seinem Vorgänger getrennt
ist und heute Abend von Westen her auf Deutschland übergreift. Die damit
einhergehende Wetterberuhigung ist aber nur von sehr kurzer Dauer, weil Trog Nr.
2 nebst vorgelagertem Frontensystem rasch nachfolgt, doch dazu später mehr.
Zunächst mal gilt festzuhalten, dass die mittlerweile im Osten angekommene
Okklusion an Alterserscheinungen leidet und schon einiges an Wirksamkeit
eingebüßt hat. Gleichwohl reicht es heute Morgen und am Vormittag noch für etwas
Schneefall oder Regen, wobei die Glättegefahr aufgrund steigender
Belagstemperaturen mehr und mehr abnimmt. Bis Mittag hat sich die Angelegenheit
aber weitgehend erledigt, die Okklusion verabschiedet sich gen Osten bzw. löst
sich wahrscheinlich sogar auf.
Auf der Rückseite gelangt mit einer beruhigten südwestlichen Grundströmung - das
steuernde Sturmtief SIRO liegt weit im Norden über dem Nordmeer - ein Schwall
erwärmter und leicht labil geschichteter (sub)polarer Meeresluft in den
Vorhersageraum (T850 um -4°C), in der sich vor allem im Süden und in der Mitte
(im Norden weniger, weil dort etwa bei 800 hPa ein kleiner "Deckel" simuliert
wird) schauerartige Niederschläge entwickeln. Diese teils zusammengewachsenen
Schauer ziehen langsam von West nach Ost, wobei die Intensität eher überschaubar
bleibt. In mittleren Lagen oberhalb 400 bis 600 m fällt etwas Schnee von "fast
nix" bis 1-3 cm, so dass größtenteils sogar eine Glättewarnung ausreicht. Am
Nachmittag und Abend beruhigt sich das Wetter wie gesagt von Westen her, was
nicht nur dem sich nähernden Rücken, sondern auch der zunehmenden Stabilisierung
der maritimen Luftmasse (Erwärmung in der Höhe) geschuldet ist. Dabei lockert
die Wolkendecke sogar gebietsweise auf. Der Wind gönnt sich am Tage
vorübergehend ein Schläfchen des Gerechten, fängt aber in den Abendstunden ganz
langsam wieder an aktiv zu werden. Als erstes tut der das auf den Bergen (bis 8
Bft) sowie über der Nordsee (7 Bft), jeweils aus Süd bis Südost.
Temperaturmäßig stehen heute Höchstwerte zwischen 0°C im höheren Bergland und
bis zu 7 oder auch mal 8°C den Rhein entlang sowie zwischen Ruhrpott und Nordsee
auf der Karte.

In der Nacht zum Freitag kommen wir alsbald auf die hebungsintensive diffluente
Vorderseite (Überlappung von WLA mit PVA) des o.e. Höhentroges sowie des
vorgeschalteten okkludierenden Frontensystems. Bereits zuvor hat sich am
Okklusionspunkt das Teiltief TONI gebildet, das via England langsam in Richtung
Nordsee zieht. Es sorgt bei uns für eine kontinuierliche Gradientverschärfung
ergo auffrischenden Süd-Südostwind, der aufgrund der stabilen Schichtung
zunächst aber nur auf den Bergen (in den Alpen Föhn) sowie auf der Nordsee
richtigen Zugriff bekommt (8-9 Bft, exponierte Hochlagen 10-11 Bft). In den
frühen Morgenstunden treten dann auch in tieferen Lagen Westdeutschlands
vermehrt steife Böen 7 Bft, im Lee der Mittelgebirge vereinzelt auch stürmische
Böen 8 Bft auf.
Darüber hinaus setzt schwerpunktmäßig in der zweiten Nachthälfte im Westen teils
mäßiger Niederschlag ein, der sich bis in die mittleren Landesteile (Hessen,
Unterfranken, Südthüringen) ausbreitet. Zwar steigt die Temperatur in 850 hPa
etwas an, sie bleibt aber um den Gefrierpunkt, was für die Phase von
entscheidender Bedeutung sein kann. Aufgrund der - präfrontal! - geringen
Durchmischung sowie der starken Hebungs- und Niederschlagsabkühlung kann sich
vorübergehend eine quasi-isotherme Schichtung nahe 0°C ausbilden, was
Schneefälle bis in tiefe Lagen garantiert. Hinzu kommt ein relativ niedrig
liegendes 850-hPa-Geopotenzial (etwa zwischen 110 und 120 gpdm). Erst mit
Durchgang der Okklusion im Westen am frühen Morgen steigt die Schneefallgrenze
mit einsetzender Durchmischung rasch auf rund 800 m. Zuvor reicht es in tiefen
Lagen durchaus für 1 bis 5 cm nassen Schnee bzw. Schneematsch, der am Morgen
aber relativ zügig wieder wegtaut. Im Bergland stehen binnen 6-8 Stunden 5 bis
10 cm, im höheren Südschwarzwald lokal sogar noch etwas mehr Neuschnee auf der
Karte (markante Warnung). Im Hochschwarzwald kommt es zudem zu
Schneeverwehungen, allerdings ist die Phase der Verfrachtung trockenen Schnees
zu kurz, um hier die "rote Karte" zu ziehen (gegen Morgen steigt die
850-hPa-Temperatur auf etwas über 0°C).
Nach Osten zu bleibt es bis zum Morgen noch niederschlagsfrei, z.T. lockert die
Bewölkung sogar auf. Leichter Frost stellt sich vor allem im Osten und Süden, in
Teilen der Mitte sowie allgemein in höheren Lagen ein, wobei es auch in den
niederschlagsfreien Arealen streckenweise glatt werden kann durch gefrierende
Nässe (die Straßen trocknen heute nur schleppend ab).

Freitag... greift der negativ geneigte Höhentrog langsam aber sicher auf
Deutschland über. Im Norden bleibt die korrespondierende Höhenkaltluft moderat
(T500 nahe -25°C), im Süden etwas niedriger temperiert (T500 -30°C). An der nur
sehr langsam ost-nordostwärts schwenkenden Okklusion bildet sich ein zweites
Teiltief, das über Norddeutschland ostwärts zieht, während es sich das o.e.
erste Teiltief über der Doggerbank gemütlich macht.
Die Niederschläge breiten sich ostwärts aus, was im Süden aufgrund der
Konstitution des Troges deutlich progressiver vonstattengeht als weiter
nördlich. Im Nordosten (vor allem MV und große Teile von BB) bleibt es bis zum
Abend sogar noch niederschlagsfrei. Präfrontal fällt anfangs bis in tiefe Lagen
Schnee, was vor allem weiten Teilen Bayerns vorübergehend eine dünne Schneedecke
präsentiert. Weiter nördlich schneit es zwar auch, wegen des zurückhängenden
Troges und geringerer Höhenströmung aber schwächer.
Ansonsten gilt es festzuhalten, dass sich in der postfrontal einströmenden
erwärmten Meereskaltluft (T850 bei -2°C) schauerartiger Niederschlag in Form von
Schnee, Regen und Graupel entwickelt. Je nach Intensität liegt die
Schneefallgrenze etwa zwischen 400 und 600 m. Staubedingt kommt es oberhalb rund
600 m insbesondere in den westlichen und südwestlichen Mittelgebirgen zu einem
nennenswerten Neuschneezuwachs von über 10 cm (markante Warnungen).
Modellübergreifend auffällig ist dabei ein konvektiv geprägtes
Niederschlagsmaximum am Nachmittag auf der Südwestflanke des norddeutschen
Teiltiefs, das auf das Rothaargebirge zusteuert und dort in den höheren Lagen
durchaus etwas mehr als 10 cm innert 6 h abladen kann.
Thema neben dem Niederschlag bleibt auch der Wind, wenn auch etwas im
Hintergrund. Besonders im Süden, wo eine Druckwelle durchgeht und die
Winddrehung auf Südwest erfolgt, werden Böen 7 Bft, exponiert 8 Bft erwartet. Im
sächsischen Elbtal könnte der Böhmische Wind einen Auftritt mit Böen um 7 Bft
bekommen. In höheren Lagen stehen Böen je nach Ausrichtung Böen 8-10 Bft auf der
Karte, vereinzelt sogar 11 Bft, Schneeverwehungen inclusive. Nach Norden und
Nordosten hin, wo der Wind auf glatt Südost rückdreht, stehen zumindest im
Binnenland keine warnwürdigen Böen an. Das Sturm- bzw. Starkwindfeld an und über
der Nordsee verlagert sich unter deutlicher Abschwächung zur Ostsee (meist nur
Böen 7 Bft).
Die Tageshöchsttemperatur liegt zwischen wenig über 0°C in Ostbayern und bis zu
8°C im Oberrheingraben.

In der Nacht zum Samstag nähert sich unter der Ägide von Nordseetief TONI von
Westen her eine Frontalwelle, während die vorlaufende Okklusion mit Regen oder
Nassschnee den Nordosten überquert. Dahinter fallen noch einzelne Regen- oder
Schneeschauer (Schneefallgrenze rund 600 m), bevor in der zweiten Nachthälfte im
Westen und Südwesten stratiforme Niederschläge einsetzen. Dabei fällt kurzzeitig
Schnee bis in tiefe Lagen, bevor mit rascher Winddrehung von Süd auf Südwest und
niedertroposphärischer WLA (Anstieg T850 auf 0°C bzw. leichte Plusgrade) die
Schneefallgrenze deutlich ansteigt (800 bis 1000 m, je nach Timing vielleicht
noch etwas höher).
Der Wind bleibt in der Südhälfte am Ball mit Böen 7 Bft, in höheren Lagen
entsprechend auch darüber. Zum Morgen hin erfolgt im Südwesten mit der o.e.
Winddrehung auf Südwest eine Zunahme des Windes mit verbreitet 7er-, vereinzelt
8er-Böen im Tiefland.
Leichter Frost steht vor allem im Bergland, an den Alpen, punktuell aber auch im
Nordosten auf dem Zettel, wobei diesbezüglich noch nicht das letzte Wort
gesprochen ist.

Samstag... gelangt Deutschland zunehmend unter die Frontalzone, die nun nicht
mehr zum Mittelmeer, sondern nach Mitteleuropa ausgerichtet ist. Damit ist
bereits eine erste Weichenstellung zur bevorstehenden Umstellung der
Großwetterlage vollzogene, deren Details in der am Mittag erscheinenden
Synoptischen Übersicht Mittelfrist nachgelesen werden können. Fakt ist, dass die
besagte Frontalwelle mit der zugehörigen Okklusion zackig über die nördliche
Mitte (Lesart ICON) ostwärts über den Vorhersageraum hinwegzieht. Nach einem
kurzen niedertroposphärischen Warmlufteinschub sinkt T850 in der einströmenden
subpolaren Meereskaltluft wieder auf -1 bis -4°C ab; einzig im Süden Bayerns und
BWs bleibt die Luftmasse leicht positiv temperiert.
Mit der Okklusion zieht auch der stratiforme (oder auch skalige, da nicht
konvektive) Niederschlag zügig ost-nordostwärts, wobei es am Vormittag anfangs
bis unten kurzzeitig schneien kann. Der Übergang in die flüssige Phase erfolgt
aufgrund der Progression der gesamten synoptischen Struktur sowie der rasch
einsetzenden Durchmischung aber ziemlich schnell. Postfrontal kommt es noch zu
Schauern, im Norden mit Höhenkaltluft (T500 unter -30°C) auch kurzen Gewittern
(mit stürmischen Böen). Schnee fällt nur in den höchsten Lagen der
Mittelgebirge, im Süden steigt die Schneefallgrenze auf 1000 bis 1500 m.
Ganz vorne im Blickpunkt des Warngeschehens bleibt der Südwest- Westwind, der
südlich und westlich der durchziehenden Welle merklich auffrischt. Auch wenn es
noch Unschärfen in den Detailabläufen gibt, zeichnet sich tagsüber doch eine
veritable Starkwindlage mit Böen 7 bis 8 Bft, vereinzelt sogar 9 Bft bis in
tiefe Lagen ab. Auf den Bergen geht es teilweise hoch bis in den Orkanbereich,
während die Küste wohl mit "normalem" Sturm 8-9 Bft auskommt (erst Nord-, später
Ostsee).
Die Höchsttemperatur liegt bei 4/5°C im Nordosten und bis zu 12°C im
Oberrheingraben.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle simulieren die Großwetterlage sehr ähnlich, Unschärfen finden sich
eher im Detail. Bei der Zugbahn der Welle am Samstag ist mittlerweile eine
Anpassung erfolgt, auch wenn noch keine 100%ige Kongruenz besteht.
Aufgrund der Komplexität der Wetterlage mit diversen Warnparametern kann es
sein, dass dem Verfasser durchaus mal was durch die Maschen gefallen ist bzw. er
etwas vergessen hat. Sorry dafür, aber passiert halt in der Kürze der Zeit. Die
Konkretisierung des Warnmanagements für die Entwicklung ab der kommenden Nacht
erfolgt in den Nachmittagskonferenzen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann