DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

11-12-2019 12:01

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 11.12.2019 um 10.30 UTC



Umstellung der GWL von WW auf SWa bis Sa - tapfer bleiben, liebe Winterfreunde!

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Synoptische Entwicklung bis zum Mittwoch, den 18.12.2019


Mann und Frau können ja sagen und denken über das Wetter, was sie wollen, aber
Inaktivität und Langeweile kann man der Atmosphäre derzeit wahrlich nicht
vorwerfen. Sie bemüht sich in höchstem Maße, uns eine abwechslungsreiche und
interessante Vorweihnachtszeit zu bescheren, was ihr auch grandios gelingt. Dass
dabei für Vorhersagemeteorologen ´ne ordentliche Hucke Arbeit anfällt, sei nur
am Rande erwähnt, schließlich werden die dafür ja bezahlt. Vor dem Hintergrund
der Tatsache, dass wir uns langsam aber sicher auf Weihnachten zubewegen -
kommenden Sonntag ist bereits der dritte Advent -, stellt sich ebenso langsam
aber sicher die Frage, in welche Richtung das Wetter denn so tendiert: weiter so
forsch, aber nur bedingt winterlich (Bergland) oder doch mal ´ne Portion
"richtiger" Winter mit Frost und Schnee?
Nun, weder das eine noch das andere lautet die Antwort. Schon der flüchtige
Blick auf die Modelle signalisiert unisono für die kommende Woche eine
Umstellung der Großwetterlage in Richtung SWa bis Sa (Südwest bis Süd
antizyklonal). Wem das zu schematisch klingt, hier kurz die Features einer
solchen Lage: wenig Niederschlag (kein Schnee), wenig Wind (Starkwind allenfalls
als Föhn), oben warm, unten nur bedingt (Inversion) oder gar nicht kalt. Für die
echten Winterfreunde unter uns sind das alles andere als gute Nachrichten, mit
Verlaub, es sind sogar Sch...nachrichten. Aber nun, wat willste machen, wir müssen
es nehmen, wie es kommt, und wie genau es kommt, kommt jetzt.

Am Samstag - wie befinden uns zu Beginn des mittelfristigen Prognosezeitraums -
liegt Deutschland am stark diffluenten Ausgang der Frontalzone, die gut
gebündelt über dem mittleren Nordatlantik bis zum Europäischen Kontinent
verläuft. Dort splittet sie sich in zwei Streaks, von denen der südliche in den
westlichen und zentralen Mittelmeerraum abgleitet, während der nördliche über
dem östlichen Mitteleuropa nach Norden abgewinkelt. Auf der kalten Seite der
Frontalzone befindet sich nördlich von Schottland ein steuerndes, nur wenig
mobiles Tief, das mit flotten westlichen Winden erwärmte Meereskaltluft (T850 0
bis -4°C) subpolaren Ursprungs in den Vorhersageraum spült. Dabei kommt es zu
schauerartigen Niederschlägen, unten als Regen, oben als Schnee (wobei über die
Höhe des Phasenübergangs noch gefeilscht werden muss; first guess: im Süden eher
1000 m oder darüber, sonst 500 bis 1000 m).

Am dritten Advent setzt über dem Ostatlantik eine mordsmäßige Austrogung ein,
die stromab ein kontinuierliches Rückdrehen des Höhenwindes zur Folge hat. Dabei
geht bei uns zunächst noch ein flacher Höhenrücken durch, bevor auch wir im
Tagesverlauf unter die weitgehend indifferente (also fast gar nicht) gekrümmte
südwestliche Höhenströmung gelangen. Von Frankreich her greift dabei eine
Frontalwelle auf Deutschland über, die nicht nur Regen (nur anfangs im Bergland
etwas Schnee), sondern auch mildere Meeresluft heranführt. Bis zum Datumswechsel
steigt die 850-hPa-Temperatur auf -2°C an der Grenze zu DK und rund +7°C an den
Grenzen zu A und CH.

Zu Beginn der neuen Woche setzt sich die Austrogung über dem nahen Ostatlantik
weiter fort. Am Tagesende reicht seine Achse (500 hPa) bereits bis vor die
Atlantikküste Marokkos. Kein Wunder also, dass die Höhenströmung bei uns weiter
rückdreht, im Zuge einer gleichzeitig vom östlichen Mittelmeer nordwärts
ausgerichteten Aufwölbung eines Rückens aber auch immer antizyklonaler wird.
Während die Höhenwinde noch aus Südwesten wehen, dreht der Bodenwind bereits auf
südliche Richtungen (hoher Luftdruck über Südost-, tiefer Luftdruck über
Westeuropa). Damit wird die leicht schleifende Luftmassengrenze (der inzwischen
schon weit abgezogenen Frontalwelle) mit dem zugehörigen Regen immer weiter nach
Norden gedrückt. Vor Süden her stößt niedertroposphärisch milde bis sehr milde
Luft nach (Anstieg T850 im Süden mit Hilfe des aufkommenden Föhns auf rund
+10°C), die sich aufgrund der wahrscheinlich sehr tief liegenden Inversion und
dem noch vorhandenen Gradienten (=> Durchmischung) zumindest teilweise bis ganz
unten durchsetzt.

Bis Mittwoch tropft der Trog über der Iberischen Halbinsel, spätestens über dem
westlichen Mittelmeer ab. Das nördliche Trogresiduum schwenkt am Mittwoch über
den Norden ostwärts, wobei er die dort angelandete und mittlerweile etwas
eingeschlafene Luftmassengrenze noch mal kurzzeitig aktiviert. Ansonsten
verbleibt Deutschland unter niedertroposphärischer Warmluft (T850 teils über
10°C), allerdings sorgen Gradientabnahme (meist nur noch schwacher Süd- bis
Südostwind, in den Alpen aber weiterhin föhnig) und nächtliche Ausstrahlung
zunehmend für die Bildung einer vertikal nicht sehr hochreichenden Kaltlufthaut.
Dabei sinkt nicht nur die Temperatur allmählich, auch die klassische
Grenzschichtproblematik (Nebel/Hochnebel ja/nein und wenn ja, wie lange) tritt
wieder mehr in den Fokus der Vorhersagen.

Kurz noch ein Blick in die erweiterte Mittelfrist bis Samstag (immerhin schon
der 21.): fette "Acryl-Schallplatte" über dem Ostatlantik (meint umfangreiches
quasistationäres Sturmtief), wir auf der niedertroposphärisch warmen Vorderseite
mit unspektakulärem Nullwetter.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Nach Sichtung des aktuellen IFS-Modelllaufs (ECMF) von 00 UTC lässt sich eine
gute bis sehr gute Konsistenz konstatieren. Die Umstellung der Großwetterlage
von anfangs WW (Winkel West, gerne aber auch Windig/Wechselhaft) hin zu einer
eher antizyklonal geprägten Südwest-, im weiteren Verlauf der Woche vielleicht
sogar Südlage (SWa, Sa) wird bestätigt, auch wenn es im Finetuning noch ein paar
typische Unschärfen gibt (z.B. Timing und genaue räumliche Zuordnung beteiligter
Systeme).
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Egal, auf welches der großen Globalmodelle schaut - der Verfasser bevorzugt
traditionsgemäß ICON, GFS, GEM und UKMO -, alle haben irgendwie die gleiche
Idee: abtropfender Trog West-/Südwesteuropa, Rücken Südosteuropa, wir dazwischen
unter weitgehend antizyklonal konturierter südwestlicher bis südlicher
Höhenströmung, dazu milde bis brühwarme Höhenluft. Dass dabei die eine Mutter
oder die andere Schraube nicht immer an der gleichen Stelle sitzt, ändert wenig
bis nichts an der Kernaussage. Als kleines Beispiel sei die am Sonntag von
Westen übergreifende Frontalwelle nebst Luftmassengrenze genannt, die je nach
Modell mal weiter nördlich, mal weiter südlich ansetzt. Am besten ausmodelliert
präsentiert sich die Welle bei GFS (00 und 06 UTC), wo sie mit einem veritablen
Starkwindfeld (auf der Südflanke) über Norddeutschland hinwegfegt. Die anderen
Modelle simulieren die Grundströmung glatter mit etwas weniger Wind, außer ICON,
das in Teilen Mittel- und Norddeutschlands auch ganz gut zuschlägt (verbreitet
Böen 8-9 Bft).

FAZIT: Der Umstellung zu einer winterfeindlichen Süd-Südwestlage in der nächsten
Woche steht zumindest deterministisch nichts im Wege. Der Weg dorthin weist
derzeit noch ein paar interessante Freiheitsgrade auf, die es mit den nächsten
Modellläufen zu tilgen gilt.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Die Rauchfahnen verschiedener deutscher Städte (IFS- und GFS-EPS) zeigen bis
kommenden Dienstag einen relativ eng gebündelten Verlauf (Pot500 und T850) mit
jeweils steigender Tendenz. Danach setzt eine vergleichsweise moderate Streuung
ein, bei der das Gros der Ensemblemitglieder aber im warmen Bereich (Zwischen 5
und 10°C) bleibt. Bei GFS-EPS allerdings zeigen am Mittwoch mehr Lösungen nach
unten, weil offensichtlich die o.e. Passage des Trogresiduums etwas kräftiger
ausfällt. Auffallend ist bei allen die abnehmende Signaldichte für Niederschlag.

Die IFS-EPS-Clusterung bietet für T+120...168h (Montag bis Mittwoch) vier
Schubladen an, die bezogen auf unseren Raum aber alle in eine antizyklonale
Süd-Südwestlage münden. Kleine Unterschiede ergeben sich vor allem in Bezug auf
den beschriebenen Abtropfprozess sowie das Wirken des Trogresiduums. Am
Donnerstag (T+192...240h) bleibt es bei vier Clustern, die in der Minderheit eine
mehr zyklonale, sonst mehr antizyklonale Süd- bis Südwestlage im Portfolio
haben. Eine substanzielle Änderung der großräumigen Strömung ist nicht wirklich
erkennbar.

FAZIT: Es gilt die gleiche Aussage wie beim Modellvergleich, nur auf Basis der
Probabilistik halt.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Für das Wochenende gibt es genügend probabilistische Hinweise auf starken bis
stürmischen Wind: am Samstag eher für den Süden und die Mitte, am Sonntag noch
sehr "verschmiert", was offensichtlich der unsicheren Zugbahn der Frontalwelle
geschuldet ist. Gleichwohl kann es auf der Südflanke der Welle - wenn auch nur
kurzzeitig - sturmmäßig ganz gut zur Sache gehen, was wohl aber erst in den
nächsten Tagen belastbar vorherzusagen ist (wo genau wie stark). In exponierten
Höhenlagen stehen jeweils schwere Sturm- oder orkanartige Böen 10 bis 11 Bft auf
der Karte. Ab Montag nimmt die Wahrscheinlichkeit für Starkwind und Sturm mehr
und mehr ab, allerdings stellt sich in und an den Alpen Südföhn ein mit
(schweren) Sturmböen in anfälligen Hochlagen.
Zweites Thema ist der Niederschlag, das aber nur zu Beginn der Mittelfrist am
Samstag. Für diesen Tag liegen schwache Signale für markanten Dauerregen
>30mm/24h im Allgäu sowie im Schwarzwald vor. Es gilt aber zu bedenken, dass
diese Hinweise in einigen Vorläufen schon mal deutlicher waren, so dass hier das
Attribut "nicht ausgeschlossen" angebracht scheint. Da die Schneefallgrenze bei
1000 bis 1200 m zu verorten ist, besteht für diese Höhenlagen die Möglichkeit
eines höheren Neuschneezuwachses.
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Basis für Mittelfristvorhersage
MOS-Mix, IFS-EPS, Modellmix.
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann