DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

10-12-2019 09:01
SXEU31 DWAV 100800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 10.12.2019 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
Heute vorübergehend Brücke Mitteleuropa (BM), morgen Übergang zu West/Südwest
zyklonal (Wz/SWz)

Vorübergehend Zwischenhocheinfluss, an den Alpen abklingende Schneefälle.
Kommende Nacht von Nordwesten neue Regenfälle, am Mittwoch vermehrt in Schnee
übergehend. Lokal Glatteisgefahr. Nasskalt.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 24 UTC
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Dienstag... ist ein Trog ostwärts über Polen abgezogen. Mit der nördlichen
Anströmung sind in der schwach instabil geschichteten Luftmasse noch einzelne
Schauer unterwegs, die in der eingeflossenen polaren Meeresluft (T850 hPa um -6
Grad) teils bis in tiefe Lagen mit Schnee vermischt sein können. Niederschläge
treten anfangs vor allem noch in einem Streifen vom Vogtland bis ins Allgäu und
am Alpenrand auf. Nur bei letztgenanntem kommen vor allem staubedingt noch
signifikante Mengen von 5, in Staulagen bis 10 cm bis heute Mittag dazu.

Alsbald setzt von Westen aber Wetterberuhigung ein. Das ist einem Rücken
geschuldet, der sich im Vorfeld der Fronten eines Sturmtiefs bei Island aufwölbt
und im Tagesverlauf nach Deutschland schwenkt. Dieser stützt ein bodennahes
Zwischenhoch, das aktuell mit etwa 1030 hPa im Zentrum nahe Lyon unter
Abschwächung über Süddeutschland ostwärts wandert. Dadurch dreht die bodennahe
Strömung über West auf Süd, womit Stau und Feuchtezufuhr von der See unterbunden
werden. Somit erwartet uns vielfach ein freundlicher Tag mit längeren heiteren
Abschnitten bei Höchstwerten zwischen 2 und 8 Grad.

Allerdings wird der Rücken vor allem in der Nordwesthälfte rasch von
Warmluftadvektion überlaufen. So ist auch mithilfe aktueller
Remote-Sensing-Verfahren bereits zu sehen, dass sich von der Nordsee kompakte
hohe und mittelhohe Bewölkung "vorarbeitet". Zum Abend fallen in Ostfriesland
mit Ankunft der Warmfront erste Tropfen. Für Flocken ist die
niedertroposphärische Erwärmung bereits wieder zu stark (Höchstwerte nahe 8
Grad, T850 hPa Anstieg im Warmsektor auf positive Werte ... und
Windauffrischung!).

Nach kurzer Windpause erreicht dieser in Böen zum Abend in Kammlagen der
westlichen Mittelgebirge Stärke 7, auf der freien Nordsee Sturmstärke 8 bis 9
Bft.

In der Nacht zum Mittwoch wird der Keil unter Verkürzung seiner Amplitude
zögernd nach Osten abgedrängt. Zwischen Lausitz und Alpenrand bleibt es unter
Absinken längere Zeit sternenklar, bevor zum Morgen auch dort von Nordwesten
hohe und mittelhohe Wolkenfelder aufziehen. Zuvor kann sich die Luft aber auf 0
bis -5 Grad, über Schnee um die -10 Grad abkühlen. Vor allem in Flussnähe
besteht eine geringe Nebelneigung und die Gefahr von Reifglätte.

Deutlich turbulenter geht es unterdessen in der Nordwesthälfte des Landes zu.
Unter der präfrontalen Südkomponente kommt die Warmfront kaum landeinwärts
voran. Da ist die frontensenkrechte Windkomponente der Kaltfront über England an
der Südflanke des Sturmtiefs deutlich besser ausgeprägt, so dass ein rascher
Okklusionsprozess einsetzt. Mittwoch Früh sollte die Front bereits größtenteils
okkludiert sein und sich in etwa von Fehmarn bis zum Saarland erstrecken.

Temperaturverhältnisse: Wind und Bewölkung verhindern in tiefen Lagen die
Ausstrahlung, so dass Glätteerscheinungen verbreitet kein Thema sein werden. In
Tal- und Muldenlagen der westlichen Mittelgebirge bilden sich aber bei
Auflockerungen in der ersten Nachthälfte Kaltluftseen aus, deren Werte in den
leichten Frostbereich abrutschen.

Niederschlagsverhältnisse: Die Mengen liegen im Frontbereich meist zwischen 1
und 5 mm binnen 6 Stunden, das heißt Prozesse der Niederschlagsabkühlung spielen
nur eine untergeordnete Rolle. Trotz Okkludierung ist die warme Nase noch sehr
stark ausgeprägt. Bei positiven Temperaturen bis +4 Grad wenige Meter über Grund
bis eta 800 hPa muss man fast schon von einem "warmen Bauch" sprechen. Insofern
ist die Wetterinterpretation des ICON_Nest mit erhöhtem Schneeanteil an der
Vorderkante des Niederschlagsbandes anzuzweifeln und eher auf IFS und C-D2 zu
setzen, die so gut wie gar keinen Schneefall simulieren.
Im Glatteisfokus liegen windgeschützte Lagen von Südniedersachsen bis nach
Rheinland-Pfalz, wobei eine Unwetterlage aus jetziger Sicht unwahrscheinlich ist
(nur lokal, geringe Niederschläge, geringe Frosteindringtiefen).

Der Wind erreicht mit Frontdurchgang seinen Höhepunkt. Auf Helgoland und den
Nordfriesischen Inseln sind kurzzeitig schwere Sturmböen sehr wahrscheinlich,
vereinzelte orkanartige Böen nicht ausgeschlossen (Cosmo-D2 EPS immerhin 30%).
Auch höhere Berglagen sind verbreitet mit Sturmböen mit dabei. In tiefen Lagen
sind neben den küstennahen Regionen vor allem die Leelagen der westlichen
Mittelgebirge von Windböen aus Süd betroffen.

Mittwoch... schwenkt der Haupttrog vom Atlantik zur Bretagne, womit Deutschland
ganztägig auf dessen Vorderseite in einer südwestlichen Höhenströmung liegt. Die
Front liegt somit nahezu strömungsparallel. Sie wird zwar von Westen von
schwacher Kaltluftadvektion überlaufen, aber kompensatorisch von einem
Kurzwellentrog in 700 hPa wetteraktiv bleibt. In der Summe konzentriert sich
dadurch der Aufgleitprozess mehr und mehr auf den postfrontalen Bereich, womit
die die Okklusion eher Anafrontcharakter annimmt. Dabei reden wir über 850 hPa
Temperaturen um die -2 Grad, womit sich vor allem in Lagen oberhalb etwa 400
Metern auf der Rückseite mehr und mehr die Schneephase durchsetzt. Bei stärkeren
Niederschlägen kann es auch bis ganz runter zeitweise nasse Flocken geben. Diese
Wahrscheinlichkeit ist durch die Windabnahme und den schleifenden Charakter der
Front im Vergleich zur Vornacht deutlich erhöht.
An der östlichen Niederschlagskante besteht vor allem noch von Thüringen und
Unterfranken bis zum Vogtland und der Oberpfalz bis weit in den Tag hinein noch
die Gefahr lokalen Glatteises.

Der Gradient fächert deutlich auf, so dass die Sturmböen an der See und im
höheren Bergland bis zum Mittag rasch nachlassen. Die Sonne zeigt sich lediglich
zwischen Oberlausitz und Niederbayern sowie nachmittags an der Nordsee auch mal
längere Zeit. Die Temperaturen steigen auf 1 bis 6, im Nordwesten auf 6 bis 9
Grad.

In der Nacht zum Donnerstag schwenkt die Haupttrogachse in den Westen
Deutschlands und im Südteil bis in den Golf von Genua. Durch die dort angefachte
Zyklogenese wird die alte Okklusion über uns weiterhin ein Stück weit gebremst
und liegt in den Frühstunden immer noch in einem Bereich von den Alpen über
Sachsen bis nach Vorpommern. Für tiefe Lagen bedeutet das in der gealterten
Meereskaltluft nasskaltes Wetter mit Regen oder Schneeregen bei wenig über 0
Grad. Oberhalb von rund 300 bis 400 Metern überwiegt aber die Schneephase, mehr
als 1 bis 3 Zentimeter Neuschnee sind aber kaum zu erwarten. Unmittelbar
westlich davon schließt sich ein Bereich kompensatorischen Absinkens an, bevor
der Trog im Westen wetterwirksam wird. Dabei zeichnet sich zum einen auch im
Bodenfeld eine Trogachse im Nordwesten ab, die auch an eine kleine
Warmluftschliere im ThetaFeld gebunden ist. Insofern ist zu erwarten, dass sich
die schauerartigen Niederschläge (T500 hPa unter -30 Grad) linienhaft
organisieren werden und je nach vorheriger Auskühlung bis in tiefe Lagen zu
Schnee und Glätte führen können.

Donnerstag... verlagert sich der Trog bis zum Abend in den Osten des Landes.
Dabei fällt auf, dass beim ICON die Höhenkaltluft im Süden sehr schnell
aufgebraucht wird, was beim IFS und GFS nicht der Fall ist. Für die
Schauerentwicklung ist das aber irrelevant, da sich aufgrund der tiefen 0 Grad
Grenze auf rund 600 Meter die für Schauer ausreichende Labilität ohnehin
unterhalb bis etwa 700 hPa (-15 Grad beschränkt). Auch einzelne Graupelgewitter
sind dadurch nicht ausgeschlossen, aber unwahrscheinlich. Grob gesprochen muss
in kräftigen Schauern vor allem oberhalb von 400 Metern mit Schneeglätte
gerechnet werden, darunter tagsüber eher nicht bei Höchstwerten zwischen 2 und 8
Grad. Der Wind legt zum Abend hin wieder zu und erreicht in Gipfellagen und auf
Nordseeinseln Sturmstärke aus südlichen Richtungen.

In der Nacht zum Freitag wird der Trog durch kräftige WLA von Westen rasch
zugeschüttet. Von den Britischen Inseln nähert sich ein neuerliches Sturmtief,
an dessen Südflanke sich Subtropen- und Polarfrontjet vereinigt haben mit
Windgeschwindigkeiten bis 160 Knoten. Dieser ist stromab zum (vorgefertigten)
Langwellentrogresiduum Richtung zentrales Mittelmeer orientiert, um diesen zu
regenerieren. Daraus ergibt sich für unser Wettergeschehen der Unterschied, dass
der Wind mit Annäherung der dazugehörigen Okklusion stärker rückdreht auf
Südost. Nun lagert über Österreich und dem Böhmischen Becken zwar keine polare
Festlandsluft. Dennoch sind durch diese Advektion die Voraussetzungen für den
Abbau der warmen Nase und ein Temperaturprofil durchgehend im negativen Bereich
beim Eintreffen der Niederschläge bis in tiefe Lagen mit höherer
Wahrscheinlichkeit gegeben. Niederschlagssummen in der Größenordnung zwischen 5
und 10, im Südwesten bis 20 l/qm sind realistisch. Detailfragen zu Schnee, evtl.
doch gefrierendem Regen, Leiterseilschwingungen und Verwehungen im
Hochschwarzwald sind jetzt aber noch nicht zu klären. Fest steht aber, eine
überaus spannende und in höheren Bergland und an der Nordsee erneut stürmische
Lage ins Haus steht.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die vorliegenden Modelle zeigen in den synoptischen Basisfeldern keine
gravierenden Abweichungen. Vorhandene Unterschiede - beispielsweise in der
Wetterinterpretation - wurden bereits oben im Text angesprochen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Robert Hausen