DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

02-12-2019 10:30

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Montag, den 02.12.2019 um 10.30 UTC



Übergang von einer antizyklonalen zu einer zyklonalen Westlage; zunehmend
windig, zumindest auf den Bergen und an den Küsten zeitweise stürmisch,
unbeständig und mild.
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Synoptische Entwicklung bis zum Montag, den 09.12.2019


Die Wetterentwicklung im Mittelfristzeitraum lässt zwar Winterfreunde weiterhin
in die Röhre schauen, dennoch kommt nach der wettertechnisch häufig gepflegten
Langeweile der letzten Wochen zumindest etwas Bewegung ins Wettergeschehen.
Ursache dafür ist der allmähliche Übergang von einer antizyklonalen zu einer
klassischen zyklonalen Westlage, was zu dieser Jahreszeit (eingangs des Winters)
nicht selten der Fall ist.
Der Donnerstag ist aber vor allem in der Mitte und im Süden des Landes noch
geprägt von der typischen "Grenzschichtmeteorologie": Zwischen der recht weit im
Norden verlaufenden Frontalzone (von Neufundland über Island und dem Nordmeer
bis nach Nordwestrussland) und einem Dipol-Höhentief über dem westlichen
Mittelmeerraum befindet sich Mitteleuropa im Einflussbereich eines flachen,
zonal ausgerichteten Höhenrückens. Dieser wird allerdings von Norden her mit
Passage eines ersten flachen Randtroges über Norddeutschland abgebaut, stützt
aber dennoch eine Hochdruckbrücke über Süddeutschland und dem Alpenraum. Die
Kaltfront eines Nordmeertiefs greift zwar noch abgeschwächt auf Norddeutschland
über, löst sich jedoch mit Annäherung an die Brücke auf. Vorderseitig eines von
den Britischen Inseln auf die Nordsee übergreifenden Frontensystems verschärft
sich allerdings der Gradient zum Nachmittag und Abend hin über Norddeutschland
deutlich, der Wind nimmt zu und an den Küsten sowie in den Kamm- und Gipfellagen
der nördlicher gelegenen Mittelgebirge (in erster Linie auf dem Brocken) gibt es
stürmische Böen bzw. Sturmböen.
Dem Süden und der Mitte des Landes steht dagegen nochmals ein wettertechnisch
ruhiger Tag bevor, wobei sich in einigen Regionen ganztägig Nebel bzw. Hochnebel
halten kann, ansonsten scheint dort aber häufig die Sonne. Auch die Nacht zum
Freitag fällt dort noch vielerorts frostig aus, während es im Norden unter
dichten Wolken frostfrei bleibt.
Am Freitag greift ein etwas markanterer Höhentrog auf die Britischen Inseln und
die Nordsee über. Das Frontensystem eines korrespondierende, etwa von den
Färöer-Inseln bis Samstag, 00 UTC nach Mittelschweden ziehenden Bodentiefs
überquert Norddeutschland, die Kaltfront erreicht in der Nacht zum Samstag in
etwa die Mitte des Landes. Damit geht auch in der Mitte bzw. in der Nacht im
Süden das ruhige Hochdruckwetter allmählich zu Ende. Ob die (nicht sonderlich
ergiebigen und schon gar nicht warnrelevanten) Regenfälle nachts bereits auch
auf Süddeutschland übergreifen, ist noch unklar, in den "Kältelöchern" (die
Nacht beginnt dort noch teils gering bewölkt und somit frostig) könnte es, wenn
es "blöd" läuft, in dem Fall für Glatteisregen reichen. Der Wind frischt
allerdings bereits am Freitag tagsüber auch in den Gipfellagen der süddeutschen
Mittelgebirge, spätestens nachts schließlich auf den Alpengipfeln auf, während
er mit Kaltfrontpassage tagsüber an den Küsten wieder nachlässt.
Am Samstag verlagert sich der Höhentrog über Skandinavien hinweg ostwärts,
gefolgt von einem Höhenrücken, der bis Sonntagfrüh die Nordsee erreicht. Die
Kaltfront des zur nördlichen Ostsee ziehenden Bodentiefs erreicht mit nach wie
vor nur leichten Niederschlägen Süddeutschland, vorderseitig des Höhenrückens
stößt im Tagesverlauf allerdings ein Bodenhochkeil von Westen her ins
Vorhersagegebiet vor, so dass sie sich mehr oder weniger auflöst. Ihr folgt ein
Schwall erwärmter Polarluft, Schauer gibt es nur noch vereinzelt und auf den
Bergen anfangs auch noch Sturmböen, insgesamt schwächt sich der Wind aber ab. Es
bleibt tagsüber recht mild (T 850 hPa zwischen -4 Grad im Norden und +1 Grad im
Süden), nachts gibt es aber vor allem im Osten und Süden bei teils klarem Himmel
(im Westen und Norden ziehen bereits wieder dichtere Wolken auf) leichten Frost.

Am Sonntag schwenkt der Höhenrücken rasch über Deutschland hinweg ostwärts. Von
Nordwesten her greift ein markanter Trog auf die Britischen Inseln über und dazu
korrespondierend ein Frontensystem auf die Nordsee, das ab dem Sonntagnachmittag
und in der Nacht zum Montag Deutschland ostwärts überquert. Mit Frontpassage
sind verbreitet Niederschläge zu erwarten, die aber erneut nicht sonderlich
ergiebig ausfallen. Dazu gibt es zumindest auf den Bergen und an den Küsten
stürmische Böen oder Sturmböen, in den Niederungen bzw. im Binnenland reicht es
wohl kaum und wenn, dann nur vorübergehend für markante (stürmische) Böen. Der
Kaltfront folgt erneut erwärmte Polarluft (um -3 Grad in 850 hPa) so dass es
lediglich in höheren Mittelgebirgslagen für einen Hauch von Winter reicht,
allerdings ist die Luftmasse im Trogbereich labil geschichtet (unter -30 Grad in
500 hPa), so dass es vor allem ab der Nacht zu Montag recht verbreitet Schauer
und auch Graupelgewitter geben kann.
Montag greift der Trog auf Mitteleuropa über und beginnt sich, nach Süden
auszuweiten. Das korrespondierende Bodentief "nistet" sich über der Nordsee ein.
Somit gibt es verbreitet Regen- und Graupelschauer, vereinzelt auch kurze
Gewitter, im höheren Bergland fällt etwas Schnee. Der Wind schwächt sich im
gradientärmeren Trogbereich etwas ab, auf den Bergen kann es aber weiterhin
markante Böen geben.
In der erweiterten Mittelfrist kommt der Trog über Mitteleuropa nur zögernd nach
Osten voran, über den Britischen Inseln deutet sich aber erneut ein Trogvorstoß
an und der flache Höhenrücken dazwischen steht nur auf "tönernen Füßen". Somit
dürfte das Wettergeschehen auch über die Mitte kommender Woche hinaus
überwiegend zyklonal geprägt bleiben.

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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Den Übergang zu einer zyklonalen Westlagen hatten auch die beiden Vorläufe auf
der Karte. Allerdings wurde der "entscheidende" Trogvorstoß Richtung
Mitteleuropa am Freitag bzw. in der Nacht zum Samstag vom gestrigen 00 UTC-Lauf
des IFS weniger markant simuliert als von den beiden Nachfolgern. Die
progressivste Variante hatte der gestrige 12 UTC-Lauf auf der Karte, wonach die
Kaltfront bereits Samstagfrüh die Alpen überquert hatte, während sie nach Lesart
des gestrigen 00 UTC-Laufes zu dem Zeitpunkt erst auf den Nordwesten des Landes
übergreifen sollte.
Der nächste Trogvorstoß am Sonntag/Montag auf die Britischen Inseln und
schließlich auch auf Mitteleuropa wurde dagegen vom gestrigen 00 UTC-Lauf
progressiver und auf südlicherer Zugbahn simuliert. Die Trogachse kam - ebenso
wie beim gestrigen 12 UTC-Lauf - rascher nach Osten voran und rückseitig stößt
die maritime Polarluft über das Nordmeer und die Nordsee ab Dienstag auf
direkterem Wege nach Mitteleuropa vor als dies im aktuellen Lauf der Fall ist.
Vor allem nach Lesart des gestrigen 12 UTC-Laufes ging dieser Vorstoß am Montag
bzw. in der Nacht zum Dienstag mit einer kräftigen Sturmtiefentwicklung im Lee
des Norwegischen Küstengebirges über Dänemark bzw. der westlichen Ostsee einher,
was eine markante Sturmlage über der Nordsee bzw. Nordwestdeutschland zur Folge
hätte.

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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Alle vorliegenden Modelle haben den ersten, etwas markanteren Trogvorstoß auf
die Britischen Inseln bzw. die Nordsee am Freitag/Nacht zum Samstag auf der
Agenda. Allerdings fällt dieser nach Lesart des GFS etwas markanter aus mit
einem kurzwelligen Randtrog in der Nacht zum Samstag über Norddeutschland und
einer kräftigeren Sturmtiefentwicklung über Südskandinavien, was vermehrt
Sturmböen auf den Bergen, an den Küsten und vielleicht auch im Norddeutschen
Tiefland zur Folge hätte, als das nach IFS und ICON der Fall wäre.
Den folgenden Höhenrücken am Sonntag simulieren GFS und ICON, aber auch GEM
flacher und progressiver als das IFS. Das mit dem nachfolgenden, zu den
Britischen Inseln bzw. in der Nacht zum Montag dann zur Nordsee vorstoßenden
Trog korrespondierende Frontensystem kommt nach Lesart aller drei Modelle auch
entsprechend rascher über dem Vorhersagegebiet ostwärts voran.
Zu Beginn kommender Woche ähnelt die vom GFS, aber auch vom GEM simulierte
weitere Entwicklung eher den beiden gestrigen IFS-Varianten als der aktuellen.
Beide Modelle lassen den Trog rascher ostwärts vorankommen, am Dienstag, 00 UTC
befindet sich die Trogachse nach Lesart des GEM bereits über dem östlichen
Mitteleuropa. Die trogrückseitige Kaltluft kann somit auf direkterem Wege nach
Deutschland vordringen. Das macht sich vor allem anhand eines deutlicheren
Rückgangs der Temperaturen in 850 hPa bemerkbar: Während IFS am Dienstag, 00 UTC
lediglich Werte um -3 Grad simuliert, hat GEM zum gleichen Zeitpunkt verbreitet
Werte zwischen -5 und -10 Grad auf der Agenda, so dass es auch in tieferen Lagen
Schneeschauer geben könnte. Allerdings steht im erweiterten Mittelfristzeitraum
nach allen vorliegenden Modellen eine mehr oder weniger ausgeprägte
Zonalisierung ins Haus.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Unstrittig erscheint auch bei Betrachtung der Ensemblevorhersage der Übergang zu
einer zyklonalen Westlage im Mittelfristzeitraum. Die Rauchfahnen verschiedener
Orte in Deutschland zeigen mit dem ersten Trogvorstoß am Freitag/Samstag und vor
allem mit dem Vorstoß zu Beginn kommender Woche einen in einem relativ engen
Spread verlaufenden deutlichen Geopotenzialverlust in 500 hPa. Auch die
Kurvenschar der 850 hPa-Temperatur der verschiedenen Member verläuft zunächst in
einem recht engen Spread, wobei es nur wenige Ausreißer nach oben und unten
gibt. Beim GFS und vor allem beim GEM fällt der Spread am Sonntag/Montag etwas
größer aus, wobei die "Extremvariante" des GEM-Hauptlaufes (siehe weiter oben,
bis -10 Grad in 850 hPa am Dienstag, 00 UTC) ein deutlicher Ausreißer nach unten
ist.
In der erweiterten Mittelfrist, also etwa Mitte kommender Woche, wird der Spread
größer, dann hat auch das IFS einige Ausreißer nach "unten" (die 850
hPa-Temperatur betreffend) auf der Agenda. Der Hauptlauf bewegt sich dabei meist
im Mittelfeld, der Kontrolllauf im oberen Bereich der Kurvenschar der 850
hPa-Temperatur.
Die Ensemblemember, Haupt- und Kontrolllauf verteilen sich beim Übergang von der
Kurz- zur Mittelfrist (T+72-96 Stunden) auf 6 Cluster, die sich hinsichtlich der
Wetterentwicklung in Mitteleuropa kaum unterscheiden.
Im nächstfolgenden Zeitraum (T+120-168 Stunden) haben alle 5 Cluster (jeweils
15, 13, 12, 6 und 5 Member, Haupt- und Kontrolllauf in Cluster 1)
erwartungsgemäß den ersten Trogvorstoß Richtung Nordsee und Skandinavien am
Samstag auf der Karte. Etwas größer werden die Differenzen dann mit dem nächsten
Vorstoß zu Beginn kommender Woche. Vor allem Cluster 3 und 4 tendieren dann
Richtung atlantischer Rücken, wodurch die maritime Polarluft - ähnlich wie bei
den deterministischen Läufen von GEM und GFS - auf direkterem Wege nach
Mitteleuropa vordringen könnte. Die übrigen Cluster tendieren dagegen eher
wieder zu einer rascheren Zonalisierung bzw. zu einem "Einnisten" des Troges
über Mitteleuropa.
Auch in der erweiterten Mittelfrist (T+192 bis 240 Stunden, 4 Cluster, jeweils
21, 15, 8 und 7 Cluster, Hauptlauf in Cluster 1) bleibt das Wettergeschehen in
Mitteleuropa eher zyklonal geprägt. Versuche, einen Höhenrücken über dem
mittleren Nordatlantik aufzubauen, an dessen Ostflanke von Norden her Polar-
oder gar Arktikluft auf direkterem Wege nach Mitteleuropa vordringen könnte,
gibt es immer wieder mal (zunächst vor allem nach Cluster 1, 2 und 4, am Ende
dagegen eher nach Cluster 3), diese werden aber relativ rasch wieder
zunichtegemacht.

FAZIT:
Winterfreunde müssen weiterhin warten, dennoch steht ab Freitag ein durchaus
abwechslungsreicher und nicht unspannender Wetterabschnitt ins Haus. Auch, wenn
es momentan noch keinerlei Hinweise darauf gibt und zumindest bis Anfang
kommender Woche keine markante Sturmlage ins Haus steht, ist eine derartige
Entwicklung im erweiterten Mittelfristzeitraum durchaus nicht ausgeschlossen.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Mit Übergreifen der Frontalzone ab Donnerstag frischt der Südwestwind zunächst
an den Küsten, in der Nacht zum Freitag von Nord nach Süd dann auch in den Kamm-
und Gipfellagen der Mittelgebirge deutlich auf. Dabei treten dort stürmische
Böen und Sturmböen auf, auf exponierten Gipfeln auch schwere Sturmböen. Vor
allem mit Kaltfrontpassage am Donnerstagabend bzw. der Nacht zum Freitag steigt
auch im nordwestdeutschen Binnenland die Wahrscheinlichkeit für stürmische Böen
vor allem nach Lesart des COSMO-LEPS vorübergehend etwas an, ICON-EU-EPS und
ECMWF-EPS haben aber kaum Signale dafür auf der Agenda.
Nach vorübergehender Wetterberuhigung am Samstag nimmt dann die Neigung zu
stürmischen Böen bzw. Sturmböen an den Küsten und auf den Bergen am Sonntag und
Montag wieder zu, wenngleich eine markante Sturmlage nach aktueller Modelllage
erst einmal voraussichtlich nicht ins Haus steht.
Mit dem Übergreifen der Frontensysteme ist zwar verbreitet mit Niederschlägen zu
rechnen, diese dürften aber zunächst nicht warnrelevant ausfallen, zumindest
geben sowohl die deterministischen Läufe als auch die Ensembleverfahren keine
entsprechenden Hinweise.
Nicht ausgeschlossen ist mit dem Übergreifen der Niederschläge auf
Süddeutschland in der Nacht zum Samstag nach zuvor noch frostiger Nacht eine
kleinräumige Glatteislage.
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Basis für Mittelfristvorhersage
ECMWF-EPS, MOSMIX
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Winninghoff