DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

01-12-2019 17:01
SXEU31 DWAV 011800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 01.12.2019 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Im Süden anfangs Schnee und Regen mit örtlicher Glätte. Zum Wochenbeginn
zunehmend Hochdruckeinfluss, nur im Norden leicht wechselhaft und mild.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 12 UTC
-------------------------------------------------------------
Aktuell ... liegt Deutschland im Sattelpunkt eines Viererdruckfeldes, womit sich
die Wetterlage recht komplex gestaltet. Hochdruckgebiete westlich von Irland und
über dem Balkan werden von Tiefs über Frankreich und der Iberischen Halbinsel
sowie einem Sturmtief über dem Nordkap flankiert. Im Bereich des relativen
Druckmaximums hält sich über der Mitte des Landes und Teilen der Norddeutschen
Tiefebene noch zäher Nebel. In Küstennähe sind über der noch knapp 10 Grad
warmen Nordsee einzelne Schauer unterwegs, die unter Abschwächung landeinwärts
ziehen. Die konvektiven Umlagerungen sind vorrangig der Höhenkonfiguration
geschuldet. Ausgehend vom umfangreichen Höhentief über dem Nordkap erstreckt
sich ein stark amplifizierten, positiv geneigten Langwellentrog zur Iberischen
Halbinsel, der aktuell dem Abtropfvorgang über der Straße von Gibraltar
eingeleitet hat. Somit macht dann in den nächsten Stunden auch die Progression
der Trogachse bei uns Fortschritte und erreicht in den Frühstunden etwa eine
Linie Rügen-Schwarzwald. In Küstennähe schwenkt dabei neben Geopotential auch
ein achsenparalleler thermischer Trog mit Temperaturen unter -30 Grad in 500 hPa
durch.

Das ist von wichtiger Bedeutung für die Niederschlagsprozesse im Süden und
Südwesten des Landes, die das Warnwesen derzeit so herausfordernd gestalten.
Solange die Trogpassage noch nicht stattfindet, bleibt die Gegenstromlage (in
der Höhe Südwest - am Boden Nordost) noch bestehen und Warmluftadvektion
wirksam. Diese führt zu Aufgleitniederschlägen, die zwar leichter Natur sind,
aber bei teils isothermen Temperaturprofilen um die 0 Grad vom Boden bis 850 hPa
(Temp 12z Idar-Oberstein) sowohl Regen und/oder Schnee als auch tauend und/oder
gefrierend am Boden zulässt. In der Südeifel an der derzeitigen Trogspitze ist
das Maximum mit Niederschlagsraten von 1 mm/h und Gesamtschneemengen bis 10 cm
zu finden - tendenziell abnehmend. Sonst fallen - wenn überhaupt - nur wenige
Zentimeter Neuschnee, am ehesten im Alpenvorland und den Alpen selbst. Nach
Durchschwenken der Achse und Rechtdrehung des Windes auf nördliche Richtungen
auch in mittleren Troposphärenschichten, wird die feste Phase mit Rückgang der
850 hPa Temperaturen auf -5 Grad (neben der nächtlich bedingten Abkühlung) auch
im Süden im Laufe der Nacht immer wahrscheinlicher.

Die Temperaturen liegen dabei verbreitet im leichten Frostbereich. So muss man
auch in den Flussniederungen (Rhein, Donau, etc.) bei noch vorhandener Restnässe
stellenweise Glätte durch Überfrieren befürchten. Ausnahme bildet der Norden, wo
mit Durchschwenken des Troges der Wind allmählich zulegt und auf Nordwest dreht
- seit jeher ein tödliches Argument für frostige Nächte. Auf den Inseln treten
in der zweiten Nachthälfte die ersten Windböen 7 Bft auf. Die Schauer, die teils
mit Schnee oder Graupel vermischt sein können, gilt es trotz Abschwächung im
Landesinneren im Auge zu behalten, wenn sie in etwa auf Höhe von Aller und Havel
auf die Frostluft treffen. Auch hier könnte lokal das Thema Glätte nochmal ins
Spiel kommen.

Montag ... ist der Trog vor der Atlantikküste Marokkos vollständig abgetropft
und das nördliche Residuum bereits zum Nachmittag bei uns nach Osten abgezogen.
Somit befindet sich das Vorhersagegebiet dann unter einer recht glatten
Nordwestströmung, bei der die Zufuhr polarer Meeresluft mit 850 hPa Temperaturen
um die -5 Grad anhält. Am Boden sind aus den Vortags 4 Protagonisten nur noch 2
verblieben. Zum einen das umfangreiche Hoch SARENA über Irland, das im Laufe des
Tages seinen Keil nach Süddeutschland richtet und zum anderen das Sturmtief
NICOLAS über dem Nordkap. Der Gradient reicht dabei für Windböen 7 Bft,
exponiert und in Schauernähe auch mal eine stürmische Böe an der See aus. In
Schleswig-Holstein öffnet sich ein kleines "Skandinavienföhnfenster". Bei 850
hPa Winden von 35 Knoten über dem Norden und Osten des Landes ist es auch nicht
verwunderlich, dass auch die "üblichen Verdächtigen" wie Brocken und Fichtelberg
auf den Trog mit Sturmböen anspringen.

Obwohl die höhenkälteste Luft mit unter -30 Grad in 500 hPa bis 12z bereits zur
Oder abgezogen ist, bleibt die Schaueraktivität bis zum Abend im Norden und
Osten aufrecht. Die vertikale Erstreckung macht eh bei etwa 700 hPa auf rund -15
Grad halt, bevor sich darüber die markante Absinkinversion anschließt. Die
"gedeckelten" Schauer stauen sich bei der Anströmung vor allem am Erzgebirge, wo
sich bis zum Abend 1 bis 3, im Stau um 5 cm Neuschnee akkumulieren.

Gleiches gilt für den Alpenrand, bei dem der Niederschlagsschwerpunkt aber noch
am Vormittag liegt. Die Hebungsmechanismen sind dort noch der reinen
Staukomponente geschuldet, die Labilisierung durch den Höhentrog greift so weit
südlich nicht mehr. Im Westen und Südwesten überwiegt das Absinken am Rande des
Hochs. Die feuchte Grundschicht und die nordwestliche Anströmung sollten
Sonnenscheinfans aber nicht allzu euphorisch stimmen, häufig überwiegt kompakte
Grenzschichtbewölkung. Die Temperaturen liegen in der Südhälfte zwischen 0 und 5
Grad, in der besser durchmischten Nordhälfte bei maximal 5 bis 8 Grad. Oberhalb
etwa 600 Metern herrscht leichter Dauerfrost.

In der Nacht zum Dienstag wird der Rücken über Großbritannien durch WLA an
seiner Westflanke gestützt und kann sich somit weiter nordwärts zur Norwegischen
See ausweiten. Dadurch dreht die Höhenströmung zunehmend auf Nord, während sich
das Hoch bodennah über den Englischen Kanal, Luxemburg bis nach Österreich
ausweitet. Das macht den Nordwesten anfällig für neuerliches Aufgleiten.
Wetterentscheidend bleibt aber wohl zumindest vorerst noch die Restlabilität in
unteren Troposphärenschichten, die im Zusammenspiel mit dem (vergleichsweise)
warmen Nordseewasser weiterhin schwache Schauer produziert.

Sonst fallen am Nordrand des Erzgebirges weitere 1 bis 3, lokal bis 5 cm
Neuschnee, wobei die Schneeschauer auch dort seltener werden und die
Staukomponente bei allgemein auffächerndem Gradienten auch nicht mehr so zu
Buche schlägt. Aus der vielerorts dichten Hochnebeldecke, kann es - vor allem im
Mittelgebirgsraum - hier da aber mal etwas rausnieseln mit geringer
Glättebildung. Die Tiefstwerte liegen meist um den Gefrierpunkt, im Alpenvorland
kann es bei Auflockerungen über Schnee aber auch rasch in den mäßigen
Frostbereich gehen. Das muss letztlich aber das Nowcasting klären. An der See
und im Nordwesten bleibt es gebietsweise frostfrei.

Dienstag ... verkürzen die ost- und westwärts gelegenen Tröge an den Flanken des
für uns wetterbestimmenden Höhenrücks ihrer Wellenlänge, wodurch der gesamte
(Omega-)Komplex etwas nach Osten vorankommt. Zum Abend liegt das Hoch mit seinem
Schwerunkt in der Höhe etwa über der Straße von Dover, am Boden über Bayern und
Österreich mit Keil nach England. Dadurch verstärkt sich über dem Süden und
Südwesten das Absinken bei gleichzeitiger Alterung der Luftmasse, wobei die 850
hPa Temperaturen mit Werten um den Gefrierpunkt noch verhältnismäßig niedrig
bleiben. Somit besteht noch nicht so sehr die Gefahr einer (unüberwindbar)
starken Inversion und vermehrte Auflockerungen sind vor allem vom Alpenrand bis
zur Vorderpfalz zu erwarten.

Nördlich davon wird der Rücken von einer Warmfront überlaufen, die sich zum
Abend ausgehend von einem Tief östlich von Grönland langgestreckt über Schweden
und Bornholm bis nach Norddeutschland erstreckt. Weit im Vorfeld setzt in diesem
Zusammenhang schon Warmluftadvektion ein und mehrschichtige Bewölkung gelangt in
etwa bis zur Schwelle der zentralen Mittelgebirge. Aufgrund der Keilvorderseite
in der Höhe ist die Wetteraktivität aber doch sehr überschaubar. In der
Norddeutschen Tiefebene sind lediglich 1 bis 5 mm binnen 12 Stunden
modellübergreifend simuliert. Aufgrund der frühzeitigen Gegenstrahlung mitsamt
Windauffrischung sollte die Frage nach möglichen Glätteerscheinungen guten
Gewissens negiert werden können.

A propos Wind: Der erreicht an der Küste die Warnschwelle von 7 Bft aus
westlichen Richtungen, laut Deterministik und auch probabilistischen Verfahren
(COSMO-LEPS >30%) mit erhöhter Wahrscheinlichkeit vom Darß bis nach Rügen in
Böen auch Sturmstärke.

Der Warmfrontdurchgang schlägt sich im Norden und Nordwesten mit Höchstwerten
zwischen 7 und 10 Grad nieder. Sonst gibt es gegenüber den Vortagen mit maximal
0 bis 6 Grad keine gravierenden Änderungen.

In der Nacht zum Mittwoch schwenkt die Warmfront rasch ostwärts nach Polen ab.
Der Schwerpunkt des Höhenhochs verlagert sich dabei allmählich nach
Mitteleuropa. Somit ist der Norden und Nordosten des Landes im Endeffekt leicht
zyklonal mit abziehendem leichten Regen oder Sprühregen, der Rest aber
durchgängig antizyklonal geprägt. Dabei setzt sich landesweit höhenmilde Luft
von 3 bis 6 Grad, an der Küste bis nahe 10 Grad in 850 hPa durchsetzt. Ein Glück
(könnte man sagen) ist die Grundschicht einigermaßen trocken mit simulierten
spezifischen Feuchten unter 3 g/kg in 200m Höhe. Daher nebelt Deutschland wohl
nicht komplett zu, sondern es konzentriert sich mehr oder weniger auf die
Bodenhochachse mit Schwerpunkt Hessen bis Franken. Das deuten auch die Mos-Mix
Wahrscheinlichkeiten mit mehr als 50% für Nebel in den genannten Gebieten an.
Aufgrund der Trockenheit verschärft sich der Nachtfrost, womit Tal- und
Muldenlagen der Schwäbischen Alb, von Allgäu und Alpen vermehrt in den mäßigen
Frost unter -5 Grad abrutschen. In Norddeutschland bleibt es unterdessen mit 3
bis 7 Grad mild.

Mittwoch ... verbleibt Deutschland genau im Bereich der höhenwarmen Antizyklone.
Das Bodenhoch hat sich inzwischen zwar zum Balkan verabschiedet, es verbleibt
aber eine schwache Brücke über Deutschland und England hinweg bis zum
Azorenhoch. In den Norden gelangt mit einer westlichen Strömung weiterhin
feucht-milde Atlantikluft, die in zäher tiefhängender Bewölkung, aber kaum
nennenswerten Niederschlägen mündet. Im übrigen Land bestimmt nach wie vor eine
gealterte, in der Grundschicht kalte Luftmasse unser Wetter. Mit Ausnahme
exponierter Flussniederungen, in denen sich Nebel teils ganztägig halten kann,
scheint doch vielfach die Sonne - und das nicht nur auf den Bergen.

Der Ostwind an der Südflanke der Brücke reicht für eine warnwürdige Bisenlage
nicht aus und auch an der See bleibt der Wind (dort aus West) zwar lebhaft, aber
nur an exponierten Orten im Grenzbereich zur Windböe 7 Bft.

Temperaturtechnisch zeichnet sich im dauergrauen Norden bei 7 bis 10 Grad ein
eher geringer, im Süden bei Höchstwerten von 2 bis 7 Grad ein großer Tagesgang
ab. Im Dauernebel winkt bei "günstigem" Timing ein Eistag.


Modellvergleich und -einschätzung
----------------------------------------------------------------
Die vorliegenden Modelle liefern eine ähnliche Entwicklung. Vor allem bis
Mitternacht sind in der Wetterinterpretation im Süden alle Niederschlagsformen
vertreten, was den aktuellen Beobachtungen entspricht. Danach sollte die
Schneephase überwiegen. Eine (erneute) kurzzeitige markante Warnung vor
örtlichem Glatteis ist bis dahin nicht ausgeschlossen, aber gewissermaßen das
"höchste der Gefühle". Gleiches gilt für die Schauer, die von der Küste
landeinwärts ziehen.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Robert Hausen