DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

28-11-2019 17:01
SXEU31 DWAV 281800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 28.11.2019 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Nachts und am Freitag vor allem auf den Bergen noch Sturm- oder schwere
Sturmböen, an den Küsten vorübergehend stürmische Böen. Allmählich kälter, im
Alpenstau bis Samstagvormittag teils markante Schneefälle.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 12 UTC
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Aktuell ... befindet sich Deutschland im Einflussbereich eines Langwellentroges,
der sich etwa von Spitzbergen südwärts über Skandinavien bis nach Mitteleuropa
erstreckt. Eine aus einem ehemaligen hochreichenden Tiefdruckgebiet
resultierende Teiltrogachse überquert dabei bis zum späteren Abend die Osthälfte
des Landes ostnordostwärts. Im Laufe der Nacht wird der Langwellentrog durch
einen mit der Überströmung des Norwegischen Küstengebirges sowie durch kräftige
trogrückseitige KLA sich verstärkenden kurzwelligen Randtrog regeneriert, an der
Trogspitze entwickelt sich sogar ein kleinräumiges Höhentief, das sich
Freitagfrüh in etwa über der Südspitze Schwedens befindet.
Im Bodenfeld verlagert sich das mit dem weiter oben erwähnten Teiltrog
korrespondierende Tiefdruckgebiet von der westlichen Ostsee bis Freitagfrüh nach
Gotland. Mit der vom Nordmeer zur Nordsee vorstoßenden maritimen Polarluft hat
sich eine Kaltfront formiert, die im Laufe der Nacht auf Norddeutschland
übergreift und in den Frühstunden in etwa die Mitte des Landes erreicht. Im
Vorfeld der Kaltfront, vor allem im Einflussbereich einer mit der
durchschwenkenden Teiltrogachse korrespondierenden Bodenrinne, ist die Luftmasse
leicht labil geschichtet und es gibt recht verbreitet schauerartige Regenfälle,
die von den mittleren Landesteilen allmählich ostsüdostwärts schwenken. Anfangs
sind auch kurze Gewitter nicht ausgeschlossen. Dabei werden präfrontal in der
Fläche meist weniger als 10 mm simuliert, lediglich in den Weststaulagen einiger
Mittelgebirge können bis nahe 15 mm fallen, im Schwarzwaldstau bis Freitagmittag
gebietsweise auch über 30 mm (Dauerregen). ICON-EU simuliert in exponierten
Staulagen des Nordschwarzwaldes sogar mehr als 40 mm.
Die Kaltfront selbst wird von kräftiger KLA überlaufen und erweist sich als
wenig wetterwirksam. Postfrontal klingen die Niederschläge über Norddeutschland
rasch ab, lediglich von der Deutschen Bucht können noch einzelne schwache Regen-
Graupel- und vielleicht auch Schneeregenschauer landeinwärts ins östliche
Niedersachsen ziehen.
Zwar sinkt die Temperatur in 850 hPa postfrontal rasch auf -2 bis -5 Grad und im
Bergland gehen die Niederschläge in Schnee über, allerdings klingen diese so
rasch ab, dass es wohl auch in den höchsten Lagen kaum für eine dünne
Schneedecke reicht. Eventuell tritt in den Frühstunden in einigen Kammlagen
Glätte durch Schneematsch oder überfrorene Nässe auf.
Von Warnrelevanz bleibt aber der Wind. Mit Abzug des Tiefs fächert der Gradient
zwar vor allem im Südwesten, Westen und in der Mitte auf, so das dort zumindest
in den Niederungen keine warnrelevanten Böen mehr zu erwarten sind, in den
Hochlagen bleibt es aber stürmisch mit Sturm- und schweren Sturmböen (Bft 8 bis
10) in den Gipfellagen, auf dem Brocken anfangs sogar noch mit einzelnen
orkanartigen Böen (Bft 11) aus West, später Nordwest. Mit Kaltfrontpassage
verschärft sich der Druckgradient allerdings über Norddeutschland wieder, so
dass es auch an den Küsten zunehmend steife, entlang der ostfriesischen Küste
und der Ostseeküste auch stürmische Böen (Bft 7 bis 8) aus Nordwest, über der
Nordsee vorübergehend aus Nord gibt. Im Alpenvorland kommt mit Annäherung der
Front der Leitplankeneffekt in Gang, dort treten von der zweiten Nachthälfte bis
Freitagvormittag vermehrt steife Böen aus West bis Südwest auf.
Postfrontal lockern die Wolken in Norddeutschland zwar auf, es bleibt aber recht
windig, so dass es wohl kaum für Frost reichen dürfte.

Freitag ... schwenken das kleinräumige Höhentief samt Trogachse weiter ins
Baltikum, ein weiterer kurzwelliger Troganteil streift den Nordosten des Landes.
Ansonsten stellt sich aber zwischen dem Langwellentrog über Nord- bzw. dem
östlichen Mitteleuropa und einem Höhenrücken, der sich über die Britischen
Inseln hinweg nordwärts aufwölbt und schließlich in einer Höhenantizyklone
südlich von Island mündet, eine relativ glatte nordwestliche Höhenströmung über
dem Vorhersagegebiet ein.
Die Kaltfront des nach Südfinnland ziehenden Bodentiefs erreicht am späten
Nachmittag bzw. gegen Abend die Alpen. Im Vorfeld gibt es weitere schauerartige
Niederschläge, wobei die Schneefallgrenze allmählich auf etwa 400 m im
Schwarzwald und auf etwa 1000 m an den Alpen sinkt. Zumindest im Hochschwarzwald
sowie im höheren Bayerwald (oberhalb von etwa 600 bis 800 m) dürfte es vor
Abklingen der Niederschläge noch für eine dünne Schneedecke reichen, in den
Staulagen der Alpen setzen zum Abend hin zunächst oberhalb von etwa 1000 m
markante Schneefälle ein.
Die postfrontal einströmende polare Meeresluft ist zwar bis etwa 700/650 hPa
leicht labil geschichtet, zeichnet sich aber ob ihres Ursprungs durch einen sehr
geringen Gehalt an spezifischer Feuchte (in 200 m lediglich 1 bis 3 g/kg) und
entsprechend durch einen niedrigen PPW-Gehalt (5 bis 9 mm) aus. Somit entwickeln
sich zwar recht verbreitet flache Quellwolken, nennenswerte Niederschläge treten
aber kaum mehr auf. Am ehesten kann es ganz im Nordosten (Vorpommern,
Nordbrandenburg) vereinzelte unergiebige Schauer (als Graupel, bzw. bei knapp -7
Grad in 850 hPa vielleicht sogar als Schnee/Schneeregen bis in tiefe Lagen)
geben. Daran schließt sich nach Westsüdwest allerdings ein zunehmend gering
bewölkter Streifen an, der dem Skandenlee geschuldet ist und bis in die Regionen
knapp westlich der Elbe reicht. Noch weiter westlich, also in etwa von der
Deutschen Bucht südostwärts über das nördliche und östliche Niedersachsen bis
zum Erzgebirge, simulieren die Modelle ebenfalls einzelne unergiebige Schauer
(dort meist Graupel, Regen, eventuell Schneeregen). Diese sind wohl einem
bodennahen Feuchteinput durch die Nordsee geschuldet, zusammen mit einem leicht
konvergenten Windfeld entlang der Übergangszone zur gering bewölkten Region.
Noch weiter westlich sowie in den mittleren Landesteilen sollte es überwiegend
trocken bleiben.
Der Wind schwächt sich zwar im Tagesverlauf von Westen bzw. Südwesten her auch
in den höheren Lagen mehr und mehr ab. Dennoch kann es zunächst in den Hochlagen
der ost- und süddeutschen Mittelgebirge noch Sturm- und schwere Sturmböen aus
Nordwest geben, anfangs im östlichen Alpenvorland und in freien Lagen
Ostdeutschlands auch noch steife Böen. An den Küsten weht starker Nordwestwind
mit steifen Böen im Nordseeumfeld und stürmischen Böen an der Ostsee, rund um
Rügen vielleicht auch mit Sturmböen. Dort nimmt der Wind erst gegen Abend
allmählich ab.
Die Höchsttemperaturen werden im Süden meist schon am Vormittag erreicht und
bewegen sich zwischen 5 Grad im Nordosten und 10 Grad im südlichen
Oberrheingraben.

In der Nacht zum Samstag kommt der Langwellentrog zumindest mit seinem Südteil
etwas nach Osten voran. Das Höhenhoch im Seegebiet südlich von Island wird
abgebaut, übrig bleibt ein Höhenrücken über Frankreich und den Britischen
Inseln. Somit ändert sich kaum etwas an der glatten nordwestlichen Höhenströmung
über Deutschland.
Mit der kräftigen KLA steigt auch im Bodenfeld der Druck deutlich, Samstagfrüh
erstreckt sich eine Hochdruckzone vom Seegebiet südlich Islands über den Norden
der Britischen Inseln, die Nordsee und Benelux bis nach Südwest- bzw.
Süddeutschland. Am Alpenrand und im südlichen Vorland gibt es vor allem in der
ersten Nachthälfte noch Niederschläge, die bis in die Täler in Schnee übergehen
und sich dann mehr und mehr in die Staulagen zurückziehen. Dort fallen bis
Samstagvormittag mehr als 10 cm Neuschnee, in höher gelegenen Staulagen vor
allem des Oberallgäus auch mehr als 20 cm. Eine dünne Neuschneedecke ist
Samstagfrüh auch im südlichen Alpenvorland denkbar.
Ansonsten werden keine nennenswerten Niederschläge mehr simuliert. Mit der
nordwestlichen Strömung nördlich der Hochachse kann sich einströmende, bodennah
recht feuchte Nordseeluft an Harz und Erzgebirge stauen und dort für leichte
Niederschläge, meist als Schnee, sorgen, für eine nennenswerte Schneedecke
reicht das aber wohl nur in höheren Lagen. Ansonsten bleibt es trocken und vor
allem im Nordosten sowie im Westen lockern die Wolken auch mal stärker auf. Dort
gibt es dann recht verbreitet leichten Frost. Glätte kann vor allem in den
Mittelgebirgen durch überfrorene Nässe auftreten.
Der Wind schwächt sich weiter ab, anfangs kann es an der vorpommerschen
Ostseeküste noch einzelne steife, auf exponierten Erzgebirgsgipfeln stürmische
Böen geben.

Samstag ... verlagert sich ein kleinräumiges, aber recht markantes Höhentief vom
Seegebiet südwestlich Irlands zur nördlichen Biskaya. Dadurch kommt der
Höhenrücken über Westeuropa etwas nach Osten voran, wird von Norden her mit
Annäherung an den nord- und osteuropäischen Langwellentrog mehr und mehr
abgehobelt. Morgens erstreckt er sich über
Ostfrankreich und Belgien bis zur südwestlichen Nordsee.
Die Hochdruckzone im Bodenfeld wird dadurch allmählich in die Zange genommen;
der nordwestliche Teil verbleibt im Seegebiet südlich von Island, der
südöstliche Part verlagert seinen Schwerpunkt allmählich Richtung
Ostösterreich/nördlicher Balkan. Die Achse der übrig gebliebenen, aber noch
recht breit angelegten Hochdruckbrücke kommt von Süddeutschland etwas nach
Norden voran und verläuft abends über die mittleren Landesteile. Vor allem
nördlich der Achse bildet sich erneut vermehrt Quellbewölkung, die sich an der
Absinkinversion (in etwa 800 bis 750 hPa) horizontal ausweitet, so dass es
gebietsweise stärker bewölkt bleibt. Nennenswerte Niederschläge werden aber kaum
simuliert, am ehesten fällt noch an den Küsten etwas Regen oder Nieselregen.
Auch an den Alpen lockert die Staubewölkung nur zögernd auf, am Vormittag fallen
dort noch letzte Schneeflocken. Ansonsten lässt sich auch mal die Sonne blicken.
Zum Nachmittag und Abend hin macht sich die den Höhenrücken überlaufende WLA
anhand hoher Wolkenfelder bemerkbar.
Die Temperatur in 850 hPa liegt tagsüber zwischen -7 Grad im östlichen Bergland
und -2 Grad am Hochrhein, im Südwesten wird es zum Abend hin schon wieder
"höhenmilder". Das lässt Höchstwerte zwischen +2 Grad in den Tälern der
östlichen Mittelgebirge und +7 Grad an Hoch- und Niederrhein sowie im
Nordseeumfeld erwarten.

In der Nacht zum Sonntag kommt das Höhentief nur zögernd nach Osten voran und
nimmt eine Dipolstruktur an mit Drehzentren (am Sonntag, 06 UTC) über dem
Ärmelkanal und vor der Nordküste Spaniens. Der vorgelagerte Höhenrücken wird von
Norden her weiter abgebaut und schwenkt ins Vorhersagegebiet.
Ausgehend vom Bodentief über der südlichen Biskaya reicht morgens eine
Tiefdruckrinne ostnordostwärts bis nach Süddeutschland. An der Nordflanke der
Rinne kommt eine Gegenstromlage in Gang (Zunehmend Südwest in der Höhe, Ostwind
am Boden) und von Frankreich her greifen leichte Niederschläge ausgangs der
Nacht auf den äußersten Südwesten Deutschlands (Saarland, Südpfalz, Nordbaden)
über. Aufgrund kräftiger niedertroposphärischer WLA - die Temperatur in 850 hPa
steigt in diesen Regionen auf etwa 0 bis 3 Grad - dürften diese zunächst als
Regen fallen. Sollten die Temperaturen zuvor dort noch in den Frostbereich
gesunken sein, besteht somit Glatteisgefahr, allerdings weist diese "Gleichung"
noch viele Unbekannte auf, wie z.B. die Frage, ob es aufgrund aufziehender
WLA-Bewölkung für ein derartiges Absinken der Temperaturen reicht. MOSMIX
simuliert im aktuellen Lauf immerhin recht verbreitet Frost.
Im übrigen Land dominiert noch Hochdruckeinfluss, wenngleich sich die
Hochdruckbrücke allmählich nach Norden zurückzieht und sich abschwächt. Vor
allem im Norden und Nordosten hält sich gebietsweise dichtere Sc-Bewölkung,
südlich daran anschließend ist es aber teilweise gering bewölkt. Außer an den
Küsten und im Nordosten tritt recht verbreitet leichter Frost auf, im östlichen
und ostbayerischen Mittelgebirgsraum auch mäßiger Frost.
Der Wind frischt vor allem in höheren Lagen Südwestdeutschlands aus Ost bis
Südost auf, für warnrelevante Böen dürfte das aber nicht reichen.

Sonntag ... schwenkt der nördliche Dipol des Höhentiefs nordostwärts und wird
von einem am Rande des nordeuropäischen Langwellentroges südostwärts zur
südlichen Nordsee bzw. Benelux schwenkenden Kurzwellentrog absorbiert.
Vorderseitig des Troges dreht die Höhenströmung über dem Vorhersagegebiet auf
West. Das übrig gebliebene Höhentief wird von einem sich von den Azoren nach
Nordosten ausweitenden und sich etwas nach Süden verlagernden markanten
Höhenrücken nach Spanien abgedrängt.
Im Bodenfeld wird die nach Süddeutschland reichende Tiefdruckrinne allmählich
nach Süden abgedrängt und die Hochdruckbrücke über Norddeutschland endgültig
abgebaut. Allerdings verstärkt sich vorderseitig des Höhenrückens das
Hochdruckgebiet westlich der Britischen Inseln, wobei sich ein flacher Hochkeil
über England und den Ärmelkanal bis nach Westdeutschland ausweitet. Somit
verschärft sich der Druckgradient am Nordrand der Rinne vorübergehend, womit
sich auch die Gegenstromlage verstärkt. Somit können sich die Niederschläge über
dem Südwesten des Landes etwas intensivieren und ein wenig nach Norden sowie
Osten ausweiten. Mit Rückzug der Rinne sickert allerdings niedertroposphärisch
etwas kältere Luft ein, die Temperatur in 850 hPa geht in den
Niederschlagsregionen auf -1 bis -4 Grad zurück. Somit dürfte es (inklusive
bodennaher KLA durch den Ostwind und der daraus resultierenden stabilen
Schichtung) bis in tiefere Lagen schneien, vor allem in einem Streifen von
Rheinland-Pfalz/Saarland/südliches NRW bis nach Südhessen und Unterfranken. Ob
es für Schnee bis "ganz unten" reicht (wie vom aktuellen ICON-EU-Lauf, aber auch
vom 00 UTC-IFS simuliert), ist aber noch unklar, zumindest kann es oberhalb von
300 bis 500 m einige Zentimeter Neuschnee (meist wohl unter 5 cm, in Staulagen
auch darüber) geben.
Vor allem in den Vormittagsstunden ist allerdings auch die gefrierende Phase
noch nicht so wirklich vom Tisch und weiter im Südwesten dominiert generell die
flüssige Phase.
Allerdings ist die Gesamtentwicklung im Südwesten noch mit größeren
Modelldifferenzen verbunden, so hat z.B. der aktuelle GFS-Lauf so gut wie keine
Niederschläge auf der Agenda.
Mit Annäherung des oben erwähnten Kurzwellentroges steigt die Obergrenze der
Labilität ganz im Norden im Tagesverlauf wieder etwas an (auf etwa 700 hPa oder
knapp darüber), was primär an den Küsten für einzelne kurze Schauer (meist Regen
oder Graupel, vielleicht nach Osten zu auch mit Schnee vermischt) reichen
könnte. Ansonsten bleibt es bei zunehmend gradientschwachen Verhältnissen
wettertechnisch ruhig. Vor allem in der Nordhälfte und ganz im Osten kann sich
auch mal die Sonne blicken lassen, sonst bleibt es vielerorts bewölkt. Die
Höchstwerte liegen meist zwischen 0 Grad im westlichen Bergland und 6 Grad an
den Küsten.



Modellvergleich und -einschätzung
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Alle vorliegenden Modelle simulieren im Kurzfristzeitraum eine sehr ähnliche
Wetterentwicklung. Im Detail ergeben sich aber Differenzen, was die räumliche
Verteilung und Intensität der Niederschläge am Sonntag im Südwesten angeht.
Diese können durchaus auch von Warnrelevanz sein, in erster Linie, was deren
Phase angeht.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff