DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

22-11-2019 09:01
SXEU31 DWAV 220800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 22.11.2019 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: SEz (Südost zyklonal)

In und an den Alpen aufkommender Föhn, teils bis in die Täler durchbrechend.
Auch an der See sowie in höheren Lagen vorübergehend windig. Sonst aber eher
dröges Novembergeplänkel ohne die ganz großen Highlights, dabei vergleichsweise
mild.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC
--------------------------------------------------------------
Freitag... bleibt erstmal alles beim Alten. Höhentrog respektive -tief mit
korrespondierendem Bodentief (LUIS) im Westen, Höhenrücken mit
Monunmentalhoch(QUINCY) im Osten. Diese Säulen werden das sehr stabile
Großwetterlagenkonstrukt auch noch am bevorstehenden Wochenende zusammenhalten,
allerdings unternimmt die Atmosphäre bereits erste Anstrengungen, substanzielle
Veränderungen einzuleiten, die am Ende sehr wahrscheinlich auch von Erfolg
gekrönt sein werden. Mehr dazu dann in der am Mittag erscheinenden "Synoptischen
Übersicht Mittelfrist".
Zurück zum heutigen Freitag, wo sich das westliche Höhentief aktuell knapp
südlich von Irland dreht. Es wird von einem kleinen Randtrog umlaufen, der im
Tagesverlauf zu einem zweiten Drehzentrum erwächst, so dass am Ende ein
dipolares System vorliegt mit dem nördlichen Hauptkern über Irland und dem
südlichen Sekundärkern über der Biskaya, wo dann auch das Bodentief mit einem
überaus soliden Kerndruck von rund 980 hPa zu finden ist. Auf der anderen Seite
schwächelt das Hoch über Russland zwar geringfügig, bringt aber immer noch über
1045 hPa auf die Waage, was über 65 hPa unterschied macht. Der daraus
resultierende Gradient weist zwei Maxima auf, die jeweils west- und östlich von
uns liegen. Aber auch im Vorhersageraum nimmt der Gradient langsam zu. Die
daraus resultierende Windauffrischung wird vornehmlich auf den Bergen spürbar
sein, wo mit östlicher bis südlicher Strömung niedertroposphärisch milde Luft
advehiert wird. Bis zum Abend steigt die 850-hPa-Temperatur auf 4°C an der
Nordsee und punktuell föhnmodifizierten 10°C im Süden.
Ansonsten lassen sich in Deutschland aktuell zwei schwache Regengebiete
detektieren, eines im Nordosten, das andere im Westen. Beide stehen in
Verbindung mit sekundären Höhentrögen und gammeligen Okklusionen, die mit der
südlichen Höhenströmung gen Norden schwimmen. Beim westlichen Gebiet hilft noch
WLA mit, die sich von Süd nach Nord ausbreitet. Entsprechend verlagert sich auch
der Regen in den nächsten Stunden mehr und mehr nach Nordwestdeutschland und am
Nachmittag hinaus auf die Nordsee, wobei auch SH noch ein paar Tropfen
abbekommen kann. Der Regen im Nordosten verzieht sich noch im Laufe des
Vormittags in Richtung Ostsee und Südskandinavien.
Im großen Rest des Landes bzw. nach Abzug des Regens gibt weiterhin die typische
Novembermischung aus Nebel/Hochnebel, einigen Wolken und Auflockerungen mit
sonnigen Abschnitten den Ton an. Letztere sind vor allem in höheren Lagen sowie
an den Alpen zu erwarten (die Inversion liegt bei etwa 900 hPa), aber auch die
West- und Nordwestränder der Mittelgebirge profitieren teilweise von
orografischen Überströmungseffekten, auch wenn der ost-südöstliche
Grundschichtwind nicht besonders flott unterwegs ist.
Apropos Wind, der nimmt zunächst in den Hochlagen der Alpen zu, wo sich zum
wiederholten Mal in diesem Monat Südföhn einstellt. Exponierte Kamm- und
Gipfellagen bringen es auf erste Sturmböen 8-9 Bft, für einen Durchbruch in die
Täler sollte es angesichts einer bis zum Abend gerade mal auf rund 6 hPa
ansteigenden Differenz zwischen Bozen und Innsbruck noch nicht reichen. Die
Temperatur steigt ganz im Osten auf etwas über 10°C, an den Alpen sowie in der
Kölner Bucht und im Ruhrpott auf rund 10°C und sonst je nach Verhältnis von
Sonne zu Nebel/Hochnebel auf 2 bis 8°C.

In der Nacht zum Samstag verschärft sich der Luftdruckgradient nicht nur von Ost
nach West, auch der Unterschied zwischen Alpensüd- und Alpennordseite wird
größer (Bozen-Innsbruck etwa 10 hPa). Letzteres führt zu einer Intensivierung
des Föhns, die zusätzlich aber auch noch von einer allgemeinen Zunahme der
nieder- und mitteltroposphärischen Windzunahme profitiert. Kurzum, die
Erwartungshaltung für exponierte Hochlagen steigt auf schwere Sturmböen 10 Bft
und selbst einzelne orkanartige Böen oder Orkanböen 11 bis 12 Bft können nicht
ausgeschlossen werden. Gleichzeitig steigt die Wahrscheinlichkeit, dass der Föhn
zumindest in föhnaffine Täler durchbricht (7-8 Bft, ganz lokal auch 9 Bft nicht
ausgeschlossen), auch wenn das Thema Föhn trotz verbesserter Vorhersagemethoden
immer noch über eine gewisses Wundertütenpotenzial verfügt. In den Hochlagen der
Mittelgebirge sowie an und auf der Nordsee bzw. der schleswig-holsteinischen
Ostseeküste legt der Ost- bis Südostwind ebenfalls zu (7-8 Bft). Aufgrund der
Tatsache, dass der Wind überwiegend ablandig weht, sollten Warnungen nicht im
gesamten genannten Küstenbereich nötig sein (am ehesten Kieler Bucht und
Flensburger Förde auf der einen sowie Helgoland und vielleicht noch die
Ostfriesischen Inseln auf der anderen Seite). Fraglich ist zudem, ob in Sachsen
der Böhmische Wind (light version, das Böhmische Becken ist zu warm für
klassische Verhältnisse) ein Stelldichein gibt (Böen 7 Bft). Wahrscheinlich wird
der antreibende Gradient erst tagsüber stark genug sein, den Böhmermannwind in
Gang zu bringen.
Ansonsten verläuft die Nacht bei wenig geänderter Wetterlage ruhig mit einigen
Nebelfeldern, die sich entweder verdichten oder neu bilden (vornehmlich Mitte
und Süden). Leichten Luftfrost gibt es am ehesten im Süden Bayerns sowie in
Teilen BWs und vereinzelt noch in der Mitte. Der Norden, Osten und Westen
bleiben weitgehend frostfrei.

Samstag... zieht das südliche der beiden Höhentiefs zum westlichen Mittelmeer,
wo es zum Datumswechsel Sardinien ansteuert. Seinem nördlichen Partner hingegen
gefällt es auf (oder besser über) der Grünen Insel so gut, dass es sich nur
extrem zauderlich nach Norden verabschiedet. Bei uns steigt das Potenzial von
Osten her etwas an, was - verursacht auch durch die sich öffnende Schwachstelle
zwischen den auseinanderdriftenden Höhentiefs - der weiterhin südlichen
Höhenströmung einen zunehmend antizyklonalen Anstrich verleiht. Gleichzeitig
fächert der Potenzialgradient von Osten her auf, was eine Abnahme der Höhenwinde
zur Folge hat - zumindest in der mittleren Troposphäre um 500 hPa herum und
höher.
Bodennah füllt sich Tief LUIS auf seinem Weg zur Bretagne bzw. dem Ärmelkanal
deutlich auf, während es gleichzeitig etwa zwischen Löwengolf und Balearen zu
einer Neubildung kommt. Übrig bleibt eine meridional angeordnete, rinnenartige
Tiefdruckzone, der nach wie vor das kräftige Russlandhoch QUINCY gegenübersteht
(maximal immer noch zwischen 1040 und 1045 hPa). Dazwischen wird eine
geostrophische Süd- bis Südostströmung generiert, die an den Alpen das typische
Föhnmuster mit Staukeil und Leetrog erzeugt. Trotz der abnehmenden Höhenströmung
bleibt der Föhn also auch tagsüber noch dicke im Geschäft, wenn auch vielleicht
mit geringfügig abschwächender Tendenz ab dem Nachmittag. Abschwächen tut sich
der ageostrophisch aus Osten wehende Wind am Nachmittag und Abend definitiv in
den Hochlagen der Mittelgebirge, so dass dort eigentlich keine Böen >= 8 Bft
mehr auftreten sollten. Dafür dürfte mindestens bis zum frühen Nachmittag der
Böhmische Wind in einigen prädestinierten Tälern des ostsächsischen Berglands
ein paar Duftmarken setzen (7 Bft) und auch an und auf der Nordsee sowie im
Westteil der Ostsee plus Rügen sind steife, exponiert stürmischen Böen 7-8 Bft
keine Seltenheit.
Wettertechnisch bleibt es im Norden und auch in weiten Teilen Ostdeutschlands
(dort später aber Auflockerungstendenzen) stark bewölkt bis bedeckt aber
trocken. Ansonsten stehen die Chancen gar nicht mal so schlecht, dass sich Nebel
und Hochnebel - wenn z.T. auch nur schleppend - auflösen. Dort, wo das erst spät
der Fall ist, bleibt die Temperatur bei 5/6°C hängen. Ansonsten stehen für Ende
November milde 7 bis 12°C auf der Karte (T850 am Nachmittag in der Südwesthälfte
10 bis 13°C!) und am Alpenrand sorgt der Föhn sogar für biergartenfreundliche
Höchstwerte über 15°C.

In der Nacht zum Sonntag bleibt das Geschehen weiterhin antizyklonal geprägt,
was vor allem dem weiteren Potenzialgewinn in der Höhe geschuldet ist.
Entsprechend bleibt es trocken und zudem weitgehend frostfrei, wenn man mal von
ein paar lokalen Ausnahmen im westlichen Bergland absieht. Besonders in der
Mitte und im Süden bildet sich gebietsweise Nebel.
Der Föhn in den Alpen verliert zwar etwas an Stärke, bricht aber noch nicht ganz
zusammen. Gegen Morgen dürfte es dann aber nur noch einzelne Böen 8-9 Bft geben.
Auch der Ostwind an der Küste nimmt allmählich ab, wird aber ebenfalls noch
nicht ganz den Schlaf des Gerechten antreten, meint, in einigen
Küstenabschnitten muss bis in die Frühstunden gewarnt werden.

Sonntag... formiert sich westlich von UK/Irland ein neuer Höhentrog, der aber
deutlich flacher aufgestellt ist als sein Vorgänger. Korrespondieren tut er mit
MARIO, einem gemäßigten Sturmtief mit etwas unter 980 hPa Kerndruck, das vom
mittleren Nordatlantik kommend das Seegebiet südwestlich Irlands anpeilt. Der
Gradient zwischen dem Tief und dem immer noch über 1040 hPa stehenden Hoch
fächert über Mitteleuropa deutlich auf, was bei uns abnehmenden Wind bedingt. So
sollten die Sturmböen auf einigen Alpengipfeln spätestens am Nachmittag
Geschichte sein und auch an der See bleiben nur noch ein paar steife Restböen um
Ost übrig, vor allem an der Ostseeküste SHs.
Ansonsten gilt es der interessierten Öffentlichkeit mitzuteilen, dass sich der
bis dato über Deutschland liegende Höhenrücken langsam aber sicher nach Osten
zurückzieht, wodurch wir zunehmend auf die Vorderseite des o.e. Höhentrogs
gelangen. Genau genommen handelt es sich aber um die wenig wetterwirksame
Vorderseite eines vorgelagerten Randtrogs, der von UK via Nordsee nordwärts
schwenkt. Die auf Südwest drehende Höhenströmung bleibt schwach und erzeugt
lediglich etwas WLA im Norden, die zwar dichte Wolken, aber keinen Niederschlag
produziert. Ansonsten bietet uns der Sonntag noch mal eine Runde
Grenzschichtlotterie mit Teil-teils-Bedingungen, teils beständig bedeckt oder
neblig-trüb durch Nebel/Hochnebel, teils aufgelockert mit Sonnenschein. Da die
Inversion wahrscheinlich auf unter 900 hPa gedrückt wird, haben höhere
Mittelgebirgslagen sowie das höhere Alpenvorland ziemlich gute Karten in Sachen
Sonne. Weiter unten wird es schwieriger, was u.a. auch am relativ schwachen Wind
liegt. Die Temperatur erreicht Höchstwerte von 6 bis 12°C, am Alpenrand noch
etwas mehr, bei zähem Nebel eher etwas weniger.

Die Nacht zum Montag bleibt trotz Annäherung des Höhentrogs sowie des Tiefs
nebst Frontensystem an den europäischen Kontinent noch antizyklonal geprägt.
Kurz gesagt heißt das kein Niederschlag, Nebelverdichtung und -ausbreitung
respektive Neubildung und so gut wie kein Frost (lokal am Alpenrand und im
Donautal).

Modellvergleich und -einschätzung
--------------------------------------------------------------
Die Modelle ziehen an einem Strang, was bleibt sind die klassischen
Grenzschichtunwägbarkeiten sowie kleine Unsicherheiten beim Föhn.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann