DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

21-11-2019 11:30

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 21.11.2019 um 10.30 UTC



Trog dankt ab - zur nächsten Woche Umstellung auf W-SWz (West bis Südwest
zyklonal).
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Synoptische Entwicklung bis zum Donnerstag, den 28.11.2019


Das Wichtigste zuerst: Er steht vor dem Aus! - Hää, wat will er uns sagen und
vor allem, wer ist "Er"? "Er" ist kein Geringerer als der langwellige Höhentrog,
der aktuell über Westeuropa respektive dem nahen Ostatlantik liegt und nun schon
seit Wochen - mal etwas weiter östlich, mal etwas weiter westlich, mal durch
kurze Wellen modifiziert - die Großwetterlage in weiten Teilen Europas bestimmt.
Freilich schafft das ein solcher Trog nicht ganz allein, denn wo ein Trog, da
auch irgendwo ein Rücken. Und richtig, dieser befindet sich aktuell ziemlich
breit und gut durchtrainiert über dem nahen Osteuropa, wo ein kräftiges
Bodenhoch stützt. QUINCY heißt das gute Stück über Westrussland, wo es heute in
seinem Zentrum fast 1055 hPa auf die Wetterkarten bringt - Respekt! Doch ähnlich
wie der Höhentrog bekommen auch Rücken und Hoch zunehmend Schwierigkeiten, sich
dem Bestreben der Atmosphäre, den Zonalindex zu erhöhen, zu widersetzen.

Steigen wir ein in die Vorhersage, und das tut man in der Mittelfrist für
gewöhnlich mit Tag 3, im heutigen Fall also dem kommenden Sonntag. Hier muss der
stark negativ geneigte LW-Trog bereits Federn lassen in Form eines Abtropfens in
Richtung westliches bzw. zentrales Mittelmeer, wo man die Schnauze von
Tiefdruckgebieten inzwischen auch gestrichen voll haben dürfte. Übrig bleibt ein
Trogresiduum mit eigenständigem Drehzentrum knapp westlich der Grünen Insel, wo
es mit einem nahezu senkrecht darunterliegenden Bodentief kooperiert. Der
nächste kurzwellige Trog liegt noch weit draußen auf dem mittleren Nordatlantik
und somit zu weit weg, um das Residuum zu regenerieren bzw. neu zu
amplifizieren, wie das in vorangegangenen Fällen meist der Fall war. Somit
bleibt der Trog relativ flach mit leichter Progression nach Osten.
Für unseren Raum reicht es am Sonntag aber noch nicht, wir müssen uns mit einem
schlappen Sekundärtrog und einer altersschwachen Okklusion begnügen, die den
äußersten Westen peripher tangieren, ohne dabei nennenswert Wetter aufs Parkett
zu zaubern. Mit anderen Worten, trotz erster Rückzugstendenzen von Hoch QUINCY
gen Osten bei gleichzeitiger Abschwächung (nur noch etwas über 1035 hPa) bleibt
das Sonntagswetter noch weitgehend antizyklonal geprägt (Nebel/Hochnebel, einige
Wolken, sonnige Abschnitte, dabei relativ mild).

Zu Beginn der neuen Wochen macht besagter Trog (also das Residuum) deutlich
Boden nach Osten hin gut und erfasst im Tagesverlauf auch deutsches Territorium
- von oben natürlich. Das korrespondierende Tief versucht mitzumarschieren,
scheitert am Ende aber an der "Hürde" England, wo es sich merklich auffüllt und
mit letzter Kraft gerade noch den Übertritt auf die westliche Nordsee schafft.
Für uns wichtig ist die Tatsache, dass trogvorderseitig Hebung übergreift,
zumindest auf die Westhälfte, wo es leicht anfängt zu regnen. Im Osten hingegen
darf man noch einen Tag novembrige Grenzschichtlotterie mit offenem Ausgang
spielen. Tagsüber wird auf alle Fälle noch mal eine Portion niedertroposphärisch
milder Luft zu uns gespült (T850 im Osten und Südosten bis zu 9°C), bevor sich
von Westen her weniger milde, aber keinesfalls kalte Meeresluft subpolaren
Ursprungs durchsetzt.

Am Dienstag schwenkt der Trog unter Abflachung endgültig über Deutschland hinweg
gen Osten, um dort noch am Abbau des inzwischen zwar gezeichneten, aber immer
noch präsenten Höhenrückens mitzuarbeiten. In der mittlerweile stark
zonalisierten Höhenströmung folgt dem Trog ein flacher KW-Rücken, der zum
Tagesende Ostfrankreich und Benelux erreicht. Gleichzeitig peilt der nächste,
ebenfalls sehr flache KW-Trog (der, der es nicht geschafft hat, den LW-Trog am
Leben zu halten) UK/Irland bzw. die Biskaya an.
Wettertechnisch verläuft der Dienstag in der einfließenden, sehr gemäßigten
subpolaren Meeresluft (T850 um +2°C) bei uns unbeständig mit schauerartigen
Regenfällen, vielleicht sogar mal einem kurzen Gewitter und etwas auffrischendem
Südwestwind, der wohl aber nur in höheren Lagen in Böen stürmisch aufmuckt.

Am Mittwoch wandert der immer weiter abflachende Höhenrücken so rasch bei uns
durch, dass er quasi keine Wirkung in Form von Zwischenhocheinfluss erzielt.
Rasch gelangt der Vorhersageraum auf die hebungsintensive diffluente Vorderseite
des Nachfolgetrogs (WLA + PVA), die weitere, sich rasch ostwärts ausbreitende
Niederschläge garantiert. Bei durchweg positiven 850-hPa-Temperaturen braucht
man sich über die Schneefallgrenze - leider werden jetzt einige oder auch einige
mehr sagen - keine Gedanken machen. Das Bodentief zieht via UK/Irland zur
Nordsee, was bei uns einen zunehmenden Süd- bis Südwestwind zur Folge hat. Davon
könnten vor allem der Alpenrand und das südöstliche Bayern profitieren (wobei
"profitieren" Ansichtssache ist), wo es durch föhnige Effekte nicht nur trocken
bleibt, sondern bei zweistelligen Höchstwerten (Anstieg T850 auf 8/9°C)
zeitweise auch noch die Sonne scheint.

Am Donnerstag schwenkt dann der nächste Trog durch, gleichzeitig lenkt das von
der Nord- zur Ostsee ziehende Tief mit flotten südwestlichen Winden einen
Schwall etwas kälterer (relativ gesehen, nicht absolut) Meeresluft heran (T850
um 0°C). Bei guter Durchmischung und wechselhaftem Schauerwetter werden auch am
Donnerstag für Ende November überdurchschnittliche, teilweise zweistellige
Temperaturen erwartet.

Kurzer Ausblick in die erweiterte Mittelfrist bis Sonntag: wieder zunehmende
Meridionalisierung, aber noch leicht progressive Wellenbewegung.

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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Nach Sichtung der jüngsten Läufe des IFS (ECMF) lässt sich konstatieren, dass
sich das Modell mittlerweile eingegroovt hat. Eingegroovt auf eine bevorstehende
Umstellung der Großwetterlage weg vom langwelligen Trog über Westeuropa
respektive dem nahen Ostatlantik hin zu einer deutlich zonaleren, überwiegend
zyklonal geprägten West-Südwestlage. Dass es dabei zu kleineren Unstimmigkeiten
hinsichtlich des genauen Timings sowie der Platzierung kurzer Wellen kommt, ist
nicht ungewöhnlich und ändert nichts an der Grundausrichtung der Entwicklung.
Eine nennenswerte Umstellung der gestern eingeschlagenen Vorhersage ist von
daher nicht nötig.

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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Es herrscht Einigkeit unter den Big Five (IFS, ICON, GFS, GEM und UKMO)
dahingehend, dass die Ära des westeuropäischen Langwellentrogs zu Ende geht.
Auch das kanadische GEM, das gestern noch die Wirksamkeit des Russlandhoch
protegiert und auf Fortdauer des ruhigen Novemberwetters gesetzt hat, ist
inzwischen umgeschwenkt. Allerdings will GEM in der erweiterten Mittelfrist
wieder zurück zu einer Low-Index-Lage.
Dass beim Modellvergleich ähnlich wie bei der intramodellaren
Konsistenzbetrachtung nicht alles in Phase abläuft, versteht sich von selbst. Je
weiter wir uns vom Ausgangszeitpunkt entfernen, desto größer die Diskrepanzen.
Aber auch hier gilt die Aussage, am Grundtenor der Vorhersage ändert das nichts.

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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Die Charakteristik der IFS-EPS-Rauchfahnen (für GFS-EPS gilt das gleiche)
verschiedener deutscher Städte ist eindeutig und jeweils auch sehr ähnlich. Dem
Temperaturmaximum (850 hPa) am Samstag folgt ein moderater Rückgang mit relativ
hochfrequenten Aufs und Abs (die mal für vorderseitige, mal für rückseitige
Bedingungen sprechen) und einem graduell zunehmenden Spread. Ähnlich sieht der
Kurvenverlauf bei Potenzial (500 hPa) aus, allerdings liegt hier das Maximum um
einen Tag nach hinten verschoben (Sonntag). Trotz des zunehmenden Spreads
tendieren beide Parameter zum Ende hin mehrheitlich nach oben. Auffallend ist
die deutliche Zunahme der Niederschlagspeaks am Montag, die sich über die ganze
Woche hinweg fortsetzen.

Angesichts des anfänglich eng gebündelten Kurvenverlaufs verwundert es nicht,
dass für T+72...96h (Sonntag auf Montag) lediglich zwei Cluster angeboten werden.
Beide zeigen den o.e. Abtropfprozess über dem Mittelmeer. Das zum Kontinent
vorstoßende Trogresiduum wird in CL 2 (18 Fälle + KL) geringfügig langsamer
simuliert als in CL 2 (32 Fälle + HL).
Von Dienstag bis Donnerstag (T+120...168h) erhöht sich die Zahl der Cluster auf
satte fünf, was aufgrund des nur langsam zunehmenden Spreads in den Kurven etwas
irritiert. Unter dem Strich läuft aber alles auf eine überwiegend zyklonal
konturierte West-Südwestlage mit hohem Potenzial im Raum Grönland hinaus
(Klimaregime "NAO negativ") mit den bereits angesprochenen Phasenunterschieden.

Ab Freitag (T+192...240h) bleibt es bei fünf Clustern, unter denen von Nordwest-
über Südwestlage bis hin zu TrM (Trog Mitteleuropa) oder HM (Hoch Mitteleuropa)
nahezu alles im Katalog zu finden ist.

FAZIT: Der Generalkurs der Vorhersage (bis nächsten Donnerstag) wird vom EPS
eindrucksvoll gestützt. An den Details gilt es noch etwas zu feilen.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Trotz Umstellung der Wetterlage in Richtung W-SWz (West-Südwest zyklonal), die
in dieser Jahreszeit häufig mit Starkwindereignissen verbunden ist, bleibt es
vergleichsweise ruhig auf dem Vorhersagemarkt. Zwar nimmt die Signaldichte für
Sturm in den Bergen sowohl deterministisch als auch probabilistisch ab Montag zu
(davor steht vor allem Föhnsturm im Fokus), die große Windlage zeichnet sich in
der kommenden Woche aber nicht ab. So liegen so gut wie keine oder nur geringe
Hinweise für das Erreichen von Windstärke 8 Bft (stürmisch) an der Küste vor,
geschweige denn für das Binnenland.
Ähnlich dünn ist die Datenlage für mögliche Dauer- oder Starkregenereignisse,
auch wenn die Niederschlagsneigung allgemein ab Montag deutlich zunimmt. Die
kurzen Gewitter, die bei Passage der Höhentröge durchaus mal auftreten können,
sind geschenkt. Und über das Thema "Schnee" muss man angesichts des
apostrophierten Temperaturniveaus nicht ernsthaft nachdenken.
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Basis für Mittelfristvorhersage
MOS-Mix mit IFS-EPS und Modellmix.
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann