DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

16-11-2019 18:30
SXEU31 DWAV 161800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 16.11.2019 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Zum Sonntag von Süden her Niederschlag, der sich west-nordwestwärts ausweitet.
Dabei im Südwesten Schnee bis relativ weit runter möglich, aber keinesfalls
sicher. Grundsätzlich noch Prognoseunsicherheiten, wie so oft bei Südlagen.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 12 UTC
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Aktuell ... gibt es wenig Neues von der Großwetterlage zu berichten. Meridional
bis zum Anschlag heißt die Devise, meint, wir sind von einer zonalen
Westwetterlage mindestens genau so weit entfernt wie Hannover 96 von der
Bundesliga (gut, dass dieses Wochenende Länderspielpause ist, sonst hätte es
wahrscheinlich wieder ordentlich Dresche gegeben). Deutschland befindet sich
dabei nach wie vor auf der Vorderseite eines sich über tausende von Kilometern
erstreckenden Langwellentrogs, der von Grönland bis hinunter nach Nordwestafrika
reicht. Eingelagert in den Trog sind mehrere abgeschlossene Drehzentren, von
denen das uns nächste im Laufe der Nacht von der Bretagne nach Südfrankreich
zieht. Weil sich gleichzeitig der über dem nahen Osteuropa positionierte
Höhenrücken etwas kräftigt, verstärkt sich auch die Höhenströmung über dem
Vorhersageraum, die von Süd-Südwest auf glatt Süd dreht. Dabei greift von Süden
her WLA über den Alpenhauptkamm hinweg nach Norden aus, wodurch großräumige
Hebung initiiert wird. Als Folge davon setzen von Österreich her, später auch
von Tschechien Niederschläge ein, die bis zum Morgen etwa ein Areal vom
Alpenrand bis hoch nach Sachsen, evtl. bis zum südlichen BB erfassen.
So weit, so gut, die große Frage(n) wird nun sein, wie viel Niederschlag kommt
auf unserer Seite schlussendlich an - immerhin liegt kein geringeres Gebirge als
die Alpen im Weg, die Niederschläge aus dem Süden in der Regel stauen und damit
auf ihrem weiteren Kurs nach Norden mal mehr, mal weniger absorbieren. Vor allem
das hoch angesehene EURO4 von UKMO zeigt in seinen heutigen Simulationen von 00
und 06 UTC nur ganz geringe oder überhaupt keine Ambitionen, den Niederschlag
aus dem Süden auf deutsche Seite übergreifen zu lassen, was zu denken gibt.
Offensichtlich wird in den Hohen Tauern ordentlich abgeladen (was realistisch
ist und von anderen Modellen auch so gesehen wird), so dass bei uns so gut wie
nichts mehr ankommt (was von anderen Modellen NICHT so gesehen wird). Hinzu
kommt das Problem der Phase (fest oder flüssig), das beim derzeit
vorherrschenden thermischen Umfeld alles andere als trivial zu lösen ist.
Während ganz allgemein gesagt im Westen subpolare Meeresluft den Ton angibt,
befinden sich weiter im Osten mildere Luftmassen aus dem mediterranen Raum.
Betrachtet man den Alpenrand, der sicherlich das neuralgischte Gelände in der
kommenden Nacht darstellt, so liegt die 850-hPa-Temperatur um 06 UTC zwischen +2
und +4°C in den Chiemgauer Alpen und bei rund -1°C im Allgäu. Das heißt, dass es
im Allgäu bis etwa 700 m runterschneien kann, während die Schneefallgrenze ganz
im Osten bei rund 1200 m, vielleicht sogar noch etwas höher liegt. Dabei ist es
fast müßig zu erwähnen, dass nur kleine Verschiebungen im Temperaturfeld größere
Auswirkungen auf die Frage Schnee oder Regen haben können. Offiziell wird am
Abend eine Schneefallwarnung für den Alpenrand oberhalb 800 bis 1000 m
herausgegeben (ganz im Osten keine Warnung) mit 1 bis 5, im Werdenfelser Land
bis zu 10 cm Neuschnee.
Abgesetzt vom Süden und Südosten lässt sich die (Gute-)Nacht-Geschichte rasch
und kurz zusammenfassen. Bei leichtem Zwischenhocheinfluss lockert die
Wolkendecke insbesondere in einem von Südwest nach Nordost verlaufenden Korridor
vielerorts auf, was leichten Frost zur Folge hat. Dort, wo noch Restnässe vom
Tag vorhanden ist, also insbesondere in Teilen Norddeutschlands, besteht
Glättegefahr durch gefrierende Nässe, sonst nur lokal durch Reif oder
gefrierendes Nebelnässen - sofern sich Nebel bildet, was in der vom Regen
angefeuchteten Grundschicht durchaus wahrscheinlich ist. Der anfangs noch recht
forsche südwestliche Wind an der Küste und im nördlichen SH (Böen 7-8 Bft)
schwächt sich mit Auffüllen von Tief HEINER über Südskandinavien und der Nordsee
bis zum Morgen kontinuierlich ab.

Sonntag ... verlagert sich das Höhentief von Südfrankreich nach Oberitalien. Auf
seiner Nordostflanke dreht die Höhenströmung etwas rück auf Südost, so dass sich
das Maximum der WLA von Süd-Südost nach West-Nordwest verschiebt. Derweil bildet
sich über dem Ostalpenraum ein flaches Leetief (ein Ableger des südlich der
Alpen sein Unwesen treibenden Tiefs INGMAR), das am Nachmittag entlang der
deutsch-tschechischen Grenze langsam nordwestwärts gen Mitte zieht, wo es zum
Datumswechsel ankommt. Nordwestlich des Tiefs weht der etwas auffrischende Wind
niedertroposphärisch aus Ost bis Nord, um oberhalb etwa 700 hPa auf südliche
Richtungen zu drehen. Damit wird zum wiederholten Male in jüngster Zeit der
"Gegenstromaggregator" angeschmissen, der den morgendlichen Niederschlag aus dem
Süden und Südosten am Leben hält und z.T. sogar etwas intensiviert. Dabei
breitet er sich langsam west-nordwestwärts aus, während er wahrscheinlich noch
im Laufe des Vormittags von Südosten bereits wieder nachlässt respektive ganz
aufhört. Einmal mehr stellt sich auch morgen wieder die Frage nach der
Schneefallgrenze sowie der genauen räumlichen Verteilung des Niederschlags. Fakt
ist, dass von Osten her die niedertroposphärisch mildere Luft (T850 > 0°C; bei
IFS von 00 UTC taucht in Sachsen und der Niederlausitz gegen Abend sogar die
10°C-Isotherme auf!) Boden nach Westen hin gutmacht. Reste der subpolaren
Kaltluft mit T850 von 0 bis -3°C bleiben eigentlich nur noch im Südwesten sowie
in Teilen Westdeutschlands übrig. Von BW bis hoch zur Eifel sinkt die
Schneefallgrenze - Referenz ICON von 12 UTC - im Tagesverlauf auf 1000 bis 700
m, in Südbaden im Falle vorübergehender (keinesfalls sicher) Intensivierung
sogar noch etwas tiefer. Das Ganze bleibt aber weiterhin eine unsichere
Geschichte, nicht zuletzt wegen milderer Lösungen von GFS und EURO4
(06-UTC-Läufe) mit etwas weiter gen Westen (Vogesen) verschobenen
Niederschlagsschwerpunkt. Nach ICON würde es in Lagen oberhalb 600 bis 800 m für
2 bis 7 cm, im Schwarzwald lokal um 10 cm Neuschnee reichen.
Im Nordwesten, etwa vom Niederrhein bis hoch zur Nordsee bleibt es bis zum Abend
noch trocken mit anfänglichen Auflockerungen, die es - nicht anfänglich, sondern
hinterher - auch im äußersten Osten und Südosten geben kann. Dort wird es 8 bis
13°C auch am wärmsten, während sonst 2 bis 8°C, im Südwesten bei
Dauerniederschlag stellenweise nur 1°C auf der Karte stehen. Noch ein Wort zum
Wind, der in den Hochlagen der östlichen und südöstlichen Mittelgebirge, auf dem
Brocken sowie in exponierten Hochlagen der Alpen merklich auffrischt mit Böen
7-8 Bft, vereinzelt 9 Bft. Zum Abend hin muckt Nordostwind auch an der
vorpommerschen Ostseeküste ungeniert auf mit ersten Spitzen der Stärke 7 Bft.

In der Nacht zum Montag bleibt es spannend, vor allem, was die
Niederschlagsentwicklung angeht. Während das Höhentief von Norditalien über die
schöne Schweiz Richtung Oberrheingraben zieht (500 hPa), steuert das o.e.
Bodentief (ein Sohn des mediterranen INGMARs) Nordwestdeutschland an. Auf seiner
Südflanke dreht der niedertroposphärische Wind auf Südwest, wodurch die
subpolare Meeresluft in Süd- und Südwestdeutschland wieder an Boden nach Osten
gewinnt. So werden in 850 hPa am Morgen oberhalb des Oberrheingrabens -4°C
registriert, während an der vorpommerschen Küste die +8°C-Isotherme aufblinkt.
Fakt ist, dass es in den westlichen Landesteilen, grob gesprochen in der
Westhälfte zu teils länger andauernden Niederschlägen kommt, deren Schwerpunkt
modellübergreifend in NRW liegen soll. Dort können gebietsweise 10 bis 15 mm,
lokal (Stau) bis 20 mm innert 12 h zusammenkommen. Dabei kann die
Schneefallgrenze durchaus bis auf 400 m oder noch etwas darunter absinken,
allerdings spricht bei zwar nur schwachen, aber nicht ganz zu negierenden
nordwestlichen Bodenwinden insbesondere in NRW und in Teilen von RP das
Einmischen von eher milder Nordseeluft gegen eine so tiefe Schneefallgrenze. Wie
bereits zuvor erwähnt gilt auch an dieser Stelle, dass das letzte Wort in puncto
Schnee (Grenze, Menge, Raum) noch nicht gesprochen ist.
Relativ klar hingegen die Aussage, dass in der Osthälfte kein oder nur
geringfügig Regen/Nieselregen fällt. Dort, wo es für längere Zeit aufklart
(garantiert in weniger als 50% der Fläche) bildet sich stellenweise Nebel. Frost
ist kein großes Thema, wenn man mal höhere Lagen und den Alpenrand ausklammert.
Noch ein Satz zum Wind, der mit Annäherung des Bodentiefs zunächst an der
Ostsee, in der zweiten Nachthälfte dann auch an der Nordsee (an der Ostsee wird
es dann schon wieder weniger) auffrischt und aus Ost bis Nord kommend Böen der
Stärke 7-8 Bft zustande bringt.

Montag ... zieht das Höhentief weiter nach Nordwestdeutschland, wo es dem auf
die Nordsee rausziehenden Bodentief so nahe kommt, das am Ende eine fruchtbare
Interaktion im meteorologischen Sinne in Gang kommt. Im Klartext, das Tief
vertieft sich über der Nordsee bis Tagesende auf unter 1000 hPa, so zumindest
die Meinung von ICON. IFS (00 UTC) und GFS (12 UTC) sehen das allerdings etwas
anders, sprich, das ursprüngliche Tief füllt sich auf seinem Weg Richtung
Jütland auf, dafür wird über den Niederlanden ein neues generiert.
Bleiben wir bei ICON, auch wenn wir noch nicht wissen, welches Szenario
tatsächlich eintreffen wird. Von daher jetzt auch nur noch kurze Ausführungen.
Die zugehörige Kaltfront schwenkt nordostwärts über Deutschland hinweg, was im
Osten und Nordosten zeitweise etwas Regen bringt. Rückseitig breitet sich die
subpolare Meereskaltluft auf weite Teile des Landes aus (T850 -1 bis -4°C),
einzig im äußersten Norden und Osten bleiben noch Reste milderer Luft übrig. Im
Westen und in der westlichen Mitte kommt es unter dem Höhentief sowie mit
Annäherung eines Bodentrogs zu weiteren, schauerartig geprägten Niederschlägen,
die teils als Regen, teils als Schnee fallen. Wo schlussendlich die
Schneefallgrenze landen wird, ist noch nicht fix. Nach ICON liegt sie je nach
Intensität zwischen 400 und 700 m.
Der Süd- bis Südwestwind frischt in einigen Mittelgebirgen sowie im Lee mitunter
böig auf (7 Bft, exponiert 8 Bft), gleichzeitig gibt er an der Nordsee bereits
am Vormittag auf. Temperaturmäßig läuft es auf 1 bis 8°C, nordöstlich der Elbe
auf 8 bis 12°C hinaus.

In der Nacht zum Dienstag ist das eine Höhentief kaum nach Norden abgezogen,
kommt vom Ärmelkanal schon das nächste angeeiert. Das Bodentief orientiert sich
unter weiterer Vertiefung auf nahe 995 hPa vor die westfriesische Küste, was an
und auf der Nordsee, aber auch an und auf der Ostsee einen merklich
auffrischenden südlichen bis südwestlichen Wind mit stürmischen Böen 8 Bft,
exponiert Sturmböen 9 Bft zur Folge hätte - hätte deswegen, weil Position und
Stärke des Tiefs alles andere als sicher sind. Im Westen und Nordwesten kommt es
zu weiteren Niederschlägen, im Bergland teils als Schnee, unten als Regen. Im
Südosten, wo es häufiger mal aufklart, gibt es gebietsweise leichten Frost.

Dienstag ... orientiert sich das Höhentief nach Nordwestdeutschland, während
sich das Bodentief über der Nordsee auffüllt. Allerdings soll nach ICON vor
Jütland ein zweiter Kern entstehen, der den S-SW-Wind auf und an der Nordsee auf
Sturmstärke konserviert (er soll sich sogar noch etwas verstärken). In der
Westhälfte fällt gebietsweise noch Regen, nach IFS auch im Südosten - wer weiß?
Mehr lohnt sich an dieser Stelle aufgrund bereits mehrfach erwähnter
Modellunterschiede nicht zu sagen.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die gerade für das Thema "Niederschlag" relevanten Modellunterschiede wurden im
Text weitgehend angesprochen. Der neueste Lauf von EURO4 (12 UTC) bleibt
übrigens seiner Linie treu (kommende Nacht kaum alpines Übergreifen auf die
deutsche Seite, am Sonntag Hauptniederschlag im Südwesten auf französischer
Seite), was die Vorhersage nicht sicherer macht. In Bezug auf das Warnmanagement
gilt es also, Sonntagmorgen noch einiges an Kärrnerarbeit zu leisten.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann