DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

13-11-2019 17:01
SXEU31 DWAV 131800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 13.11.2019 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Zeitweise Sturmböen in höheren Mittelgebirgslagen sowie durch Föhn auf
Alpengipfeln (dort exponiert schwere Sturm- und vor allem in der Nacht zum
Freitag auch orkanartige Böen), an der Küste hauptsächlich am Freitag Gefahr von
Sturmböen. Sonst keine markanten Wetterereignisse.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 12 UTC
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Aktuell ... liegt Deutschland unmittelbar an der Vorderseite eines
Langwellentroges, der vom Nordmeer über die Britischen Inseln hinweg nach
Südwesten reicht und dessen südlicher Teil bis Donnerstagfrüh zur Iberischen
Halbinsel schwenkt. Aus diesem Trog läuft ein kurzwelliger Anteil heraus, der
nach Nordosten schwenkt und dabei den Nordwesten Deutschlands streift. Bedingt
durch eine leichte Labilisierung treten von der Nordsee bis ins Rheinland hinein
einzelne Schauer auf, für Gewitter sollte die Labilität nicht hinreichend sein.
Vorderseitige Hebung, gestützt durch leichte Warmluftadvektion, sorgt von der
Lausitz bis zum östlichen Alpenrand noch für geringe Niederschläge, die oberhalb
von 800 m als Schnee fallen und in den Abendstunden nachlassen.
Im weitaus größten Teil Deutschlands macht sich leichter antizyklonaler Einfluss
bemerkbar. Da aber an der Vorderseite des nach Nordfrankreich austropfenden
Haupttroges Warmluftadvektion einsetzt, kann das Absinken nicht so recht
wetterwirksam werden, so dass Auflockerungen eher selten sind. Am
wahrscheinlichsten sind diese noch im östlichen Mittelgebirgsraum sowie im Süden
Deutschlands, so dass dort mit leichtem Frost zu rechnen ist. Zudem kann sich
aufgrund der geringen Luftdruckgegensätze und der feuchten Grundschicht Nebel
bilden. Dabei besteht teils durch Reif, teils durch überfrorene Nässe
Glättegefahr. Ansonsten sollte jedoch kaum Glätte auftreten.

Donnerstag ... weitet sich der o.g. Trog mehr nach Süden, d.h. zum westlichen
Mittelmeer, aus als dass er nach Osten vorankommt. Der mit diesem Trog
korrespondierende Tiefdruckkomplex hat sich über Südfrankreich, dem Pyrenäenraum
und dem Löwengolf etabliert und sorgt vor allem in den See- und Westalpen für
heftige Niederschläge, die in ganz abgeschwächter Form allenfalls den äußersten
Westen Deutschlands erreichen. Mit der trogvorderseitig und somit über dem
Vorhersagegebiet zunehmenden südlichen Strömung kommt an den Alpen Föhn in Gang,
wodurch in den hierfür anfälligen Gipfellagen Sturmböen bis Bft 9 aufkommen,
exponiert sind schwere Sturmböen bis Bft 10 nicht auszuschließen. In
föhnanfälligen Tälern sind Wind- und einzelne stürmische Böen bis Bft 8 möglich.
Auch in einigen Kamm- und Gipfellagen der östlichen Mittelgebirge kann es für
Böen bis Sturmstärke reichen.
Auflockerungen stellen sich am ehesten am Alpenrand, an den Nordseiten der
östlichen Mittelgebirge sowie im Nordosten ein. Ansonsten hält sich meist
mehrschichtige Bewölkung, was im Wesentlichen aus Warmluftadvektion resultiert.
Die Tageshöchsttemperaturen erreichen 3 bis 9, im höheren Bergland nur Werte
wenig über 0 Grad.
In der Nacht zum Freitag läuft an der Vorderseite des Haupttroges ein
Kurzwellentrog nach Norden ab und überquert die Westalpen. Die südliche Strömung
legt hierdurch weiter zu, was zu einer Verschärfung des Föhns an den Alpen
führt. In exponierten Kamm- und Gipfellagen sind dann schwere Sturm- und
orkanartige Böen wahrscheinlicher als tagsüber; in anfällige Täler kann der Föhn
mit stürmischen oder Sturmböen durchschlagen. Auch auf höheren Berggipfeln der
östlichen Mittelgebirge treten dann Böen bis Sturmstärke auf.
Der nach Norden schwenkende Kurzwellentrog bringt eine Zyklogenese in Gang. Das
resultierende flache und ausgedehnte Tief verlagert sich in den Westen und
Südwesten Deutschlands. An dessen Nordflanke verschärft sich ebenfalls der
Gradient, wodurch an der gesamten Küste stürmische Böen und an der
mecklenburgischen und holsteinischen Ostseeküste sowie über der offenen Nordsee
Böen bis Sturmstärke aufkommen.
In einigen Regionen West- und Süddeutschlands kann Kaltluftadvektion und das
hieraus resultierende und zum Teil kompensatorische Absinken für Auflockerungen
sorgen, so dass in diesen Gebieten leichter Frost auftreten kann. Nebel und
warnrelevante Glätte sind jedoch eher unwahrscheinlich. Ansonsten und abseits
der Mittelgebirge sollte es weitgehend frostfrei bleiben.

Freitag ... schwenkt der Kurzwellentrog über die Benelux-Staaten in die Nordsee
und "überläuft" somit das flache, über dem Westen und Südwesten Deutschlands
sowie Ostfrankreich liegende Tief. Nachfolgend setzt von Süden her ein weiterer
Kurzwellentrog an, der vor allem in mittleren Troposphärenschichten ausgeprägt
ist und auf die Zentralalpen übergreift. Hierdurch sind südlich des
Alpenhauptkammes weitere intensive Niederschläge zu erwarten. Diese greifen dann
in abgeschwächter Form in einem breiten Streifen vom Hochrhein, Bodenseegebiet
und vom Allgäu bis nach Unterfranken bzw. Südhessen aus. Im Allgäu und in den
Bayerischen Alpen sinkt dann die Schneefallgrenze auf 1000 bis 800 m.
Der Schwerpunkt des Föhns (mit Sturm- und schweren Sturmböen, anfangs mit
geringer Wahrscheinlichkeit auch noch mit orkanartigen Böen) verlagert sich
zusehends in Richtung Ostalpen. Von Westen her sollte dann mit den einsetzenden
Niederschlägen der Föhn zusammenbrechen.
An der Küste bleibt der kräftige Gradient an der Nordflanke des flachen Tiefs
bestehen, so dass sich an der Windsituation ganz im Norden gegenüber der Nacht
vorerst nicht allzu viel ändert. Vielmehr können Windböen auch bis ins nördliche
Binnenland ausgreifen. Erst zum Abend hin dürfte mit der allmählichen
Verlagerung dieses Tiefs nach Norden unter beginnender Auffüllung der Gradient
etwas aufweichen; wobei nach wie vor in exponierten Küstenlagen noch stürmische
Böen auftreten können.
Ein paar Wolkenlücken sind am ehesten noch ganz im Osten vorstellbar. Ansonsten
hält sich geschlossene mehrschichtige oder teils hochnebelartige Bewölkung. Die
Tageshöchsttemperaturen erreichen 3 bis 9, in der Lausitz und im östlichen
Bayern Werte um 10 Grad.
In der Nacht zum Samstag schwenkt der o.g., "neue" Kurzwellentrog über die Alpen
hinweg nordwärts bis in die Mitte Deutschlands. Da Kaltluftadvektion bis auf die
Vorderseite dieses Kurzwellentroges vorstößt, weist das mit diesem Trog
korrespondierende Bodentief vorerst kein Entwicklungspotential auf und bleibt
folglich flach. Dennoch können durch Hebungsprozesse, die an der Südwestflanke
dieses Tiefs aus der Gegenläufigkeit der Strömung zwischen mittlerer Troposphäre
und bodennahen Schichten resultieren, von Südwesten her auf den Westen und Teile
der Mitte länger andauernde Niederschläge übergreifen. Innerhalb von 12 Stunden
können 10 bis 15, in Staulagen um 20 mm Niederschlag zusammenkommen. Die
Schneefallgrenze sinkt in den westlichen Mittelgebirgen auf 500 bis 600 m, so
dass es dort durchaus einige Zentimeter Schnee geben kann.
Mit der Verlagerung des Tiefs nach Norden flaut der Gradient an der Küste weiter
ab und ist ausgangs der Nacht zum Samstag wahrscheinlich auch an der Ostseeküste
nicht mehr warnrelevant.
Leichter Frost sollte auf die Kamm- und Gipfellagen der Mittelgebirge sowie auf
das alpennahe Vorland beschränkt bleiben.

Samstag ... schwenkt der Kurzwellentrog nach Dänemark, das korrespondierende
Bodentief verlagert sich in die Nordsee. Warmluftadvektion (durch "herumgeholte"
Warmluft in Zusammenspiel mit positiver Vorticityadvektion) bewirkt eine
Intensivierung dieses Tiefs, wodurch der Wind an der gesamten Küste erneut
auffrischt, so dass stürmische Böen auftreten. An der Nordsee sind Sturmböen bis
Bft 9 zu erwarten, an der Nordfriesischen Küste sind schwere Sturmböen nicht
ganz auszuschließen. Mit diesem Tief verlagern sich die Niederschläge nordwärts,
wobei vor allem m Nordwesten und in Nordseenähe noch einmal um 10 mm innerhalb
von 12 Stunden zusammenkommen können.
Relativ weit südlich, d.h. zwischen Tunesien und Sardinien, setzt erneut ein
Kurzwellentrog an. Dieser induziert über dem Tyrrhenischen Meer eine
Zyklogenese. Zwischen diesem Tief und dem Tief über der Nordsee entwickelt sich
eine Hochbrücke, die anfangs noch durch Kaltluftadvektion gestützt wird. Im
Bereich dieser Hochbrücke, d.h. im Süden und größtenteils auch in den mittleren
Teilen Deutschlands, bleibt es weitgehend niederschlagsfrei. Gebietsweise sind
dann auch Auflockerungen vorstellbar, meist bleibt es jedoch neblig-trüb oder
hochnebelartig bedeckt. Die Temperaturen ändern sich gegenüber den Vortagen nur
unwesentlich.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die vorliegenden Modelle zeigen eine weitgehend ähnliche Entwicklung. Anhand der
synoptischen Basisfelder lassen sich keine prognoserelevanten Unterschiede
ableiten.
Hinsichtlich der Niederschläge, die in der Nacht zum Samstag und am
Samstagvormittag von Südwesten her nord- und später nordwestwärts ausgreifen,
lassen GFS und auch EZMW dies weiter im Osten geschehen als ICON, was durch die
entsprechenden EPS-Verfahren gestützt wird. ICON-EU simuliert mit Abstand die
höchsten Niederschlagssummen (was besonders beim 12 UTC-Lauf zu Tage tritt) und
damit auch den meisten Schnee in den westlichen Mittelgebirgen.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Thomas Schumann