DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

08-11-2019 18:01
SXEU31 DWAV 081800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 08.11.2019 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
CARLETTO, ARNE und DETLF im Sammelpack, und dazwischen die einsame, aber tapfere
PALOMA. Anfangs zyklonal ohne die ganz großen Kracher, ab Sonntag vorübergehend
antizyklonal.

Synoptische Entwicklung bis Montag 12 UTC
-------------------------------------------------------------
Aktuell ... befindet sich Deutschland am östlichen Rand eines monumentalen
Höhentrogs, der quasi vom Seegebiet zwischen Spitzbergen und Nowaja Semlja bis
hinunter nach Algerien reicht - wow! Zwar tendiert der Trog im Laufe der
kommenden Nacht dazu, sich nach Osten zu verlagern, viel Boden macht er aber
nicht gut. Es reicht aber, um der vorderseitigen südlichen Höhenströmung etwas
an Fahrt zu nehmen, was wiederum einen Rückgang der anfangs besonders nach Osten
hin noch wirksamen WLA zur Folge hat.
Das zum Trog korrespondierende Bodendruckfeld gestaltet sich über Mitteleuropa
und angrenzender Nachbarschaft etwas unaufgeräumt, aber eindeutig zyklonal. Mit
anderen Worten, bei insgesamt geringen Luftdruckgegensätzen finden wir ein
umfangreiches Tiefdrucksystem auf der Wetterkarte, das mit mehreren Kernen
ausgestattet ist und den Namen CARLETTO trägt. Um 15 UTC sah die Verteilung wie
folgt aus: drei Druckminima von Südfrankreich bis hinüber zur nördlichen Adria,
ein Kern (Leetief) über dem Salzburger Land, ein weiterer über der südwestlichen
Nordsee (Humber) und schließlich noch ein rudimentäres, für unser Wetter
unbedeutendes Resterbe des ehemaligen Tiefs ARNE über Südschweden. Diese
Konstellation ändert sich im Laufe der nächsten Stunden, so dass die Verteilung
Samstagfrüh folgendes Aussehen hat: Ex-ARNE ist weg vom Fenster, das Nordseetief
erreicht die Westfriesischen Inseln und das Leetief Nordwestpolen unweit des
Oderhaffs. Südlich der Alpen wird die Tiefdruckzone durch Druckanstieg über
Frankreich zur Adria bzw. dem Tyrrhenischen Meer "gedrückt".
So weit, so gut, und was bedeutet das Ganze nun für unser Wetter. Nun, zunächst
ist noch eine Gegenstromlage wirksam (nördliche bis östliche Winde bis etwa 700
hPa hinauf, darüber Drehung auf südliche Richtungen), die die von Südwesten bis
in den Nordosten reichenden Niederschläge erklärt. Die Schneefallgrenze lag
tagsüber etwa zwischen 700 und 1000 m (nach Westen hin tiefer als im wärmeren
Osten), bei vorübergehend stärkerer Intensität auch etwas darunter, ohne dass
aber ganz unten etwas auf den noch warmen Böden liegen blieb.
Im Laufe der Nacht zum Samstag geht die Gegenstromlage mehr und mehr in die
Knie, was zum einen den vermehrt auf westliche Richtungen drehenden Bodenwinden
sowie der nachlassenden südlichen Höhenströmung geschuldet ist. Entsprechend
lassen die Niederschläge von Südwesten her allmählich nach, nach ICON sogar
recht zügig, was die externen Modelle aber anders sehen. Tatsache ist, dass es
in der Mitte, in Teilen Ostdeutschlands sowie im Nordosten noch längere Zeit
regnet (etwa 2 bis 10 mm innert 12 h). Die Schneefallgrenze liegt je nach
Intensität zwischen 900 und 600 m, wobei sich aber wohl nur in seltenen Fällen
und weit oben eine Schneedecke ausbilden dürfte. Folglich reicht in den meisten
Fällen auch eine Glättewarnung (geringe Schneemengen/Schneematsch). An den Alpen
sorgen vom System südlich der Alpen ausgehende Hebungsprozesse (vornehmlich WLA)
für zeitweiligen Schneefall, der bei 850-hPa-Temperaturen von -2°C z.T. bis auf
Talgrund fällt. Oberhalb etwa 1000 m können bis zu 10 cm Neuschnee fallen,
entsprechende Schneefallwarnungen wurden bereits herausgegeben.
Trotz der Präsenz des kleinen Nordseetiefs - laut offiziellen Terminus der FU
Berlin handelt es sich um CARLETTO II - ist der Abstand noch ausreichend, um
Teilen West- und Nordwestdeutschlands eine gering bewölkte, gebietsweise sogar
klare Nacht zu bescheren. Der Preis dafür sind zurückgehende Temperaturen bis in
Gefrierpunktnähe oder sogar etwas darunter sowie der Gefahr dichter Nebelfelder.
Vereinzelt muss mit Glätte durch Reif oder gefrierende Nässe (bei Nebel)
gerechnet werden.

Samstag ... legt sich der Höhentrog im Laufe des Tages über den gesamten
Vorhersageraum, wobei er allerdings an Kontur verliert. Grund dafür ist ein
beginnender "Refresh" über dem nahen Ostatlantik respektive UK/Irland, wo nach
Süden vorstoßende Kaltluft für Potenzialverlust sorgt. Bis zum Abend bildet sich
sogar ein abgeschlossenes, elliptisch geformtes Höhentief, das sich von England
her in Richtung Frankreich orientiert.
Die bodennahen Ableger dieser Neubildung sind das kleine Tief DETLEF I westlich
von Island, eine sich von dort weit nach Südosten erstreckende Okklusion sowie
ein sich bei UK/Irland bildendes Teiltief DETLEF II. Familie DETLEF beschäftigt
am morgigen Samstag zwar Teile West- und Nordwesteuropas, für unseren Raum sind
sie aber nur von mittelbarer Bedeutung.
Kommen wir also zur Familie CARLETTO, von denen für uns vor allem die Nummer II
und die Nummer IV von Bedeutung sind. Die restlichen Herrschaften über Südeuropa
verlieren mehr und mehr an Bedeutung für unser Wetter, so dass sie hier nicht
weiter gewürdigt werden sollen. Stattdessen gilt es noch PALOMA zu erwähnen, die
ein Resultat des o.e. Druckanstiegs über Frankreich ist, der sich bis nach
Süddeutschland ausweitet. Dabei wird ein Hochkeil aufgebaut, der den Berlinern
ein Name wert war - herzlich Willkommen PALOMA. Sie sorgt dafür, dass die im
Süden am Morgen und am Vormittag noch auftretenden Niederschläge nachlassen bzw.
seltener werden und sich am Nachmittag sogar die eine oder andere Auflockerung
mit etwas Sonne die Ehre gibt.
Derweil überquert das ehemalige Leetief CARLETTO IV ganz gemütlich das Oderhaff
mit Kurs Gotland bzw. das Seegebiet knapp östlich davon, wo das Tief wohl aber
erst gegen Mitternacht aufschlägt. Interessant in diesem Zusammenhang die
Tatsache, dass sich die Modelle nach den gestern noch auftretenden größeren
Diskrepanzen hinsichtlich Timing und Intensität des Tief mittlerweile angepasst
haben. Dabei darf ruhig mal erwähnt werden, dass ICON hinsichtlich der
Intensität mit kerndruck über 1000 hPa das bessere Näschen hatte. Wie auch
immer, im Schlepptau des Tiefs kommt es im Osten und Nordosten sowie in der
östlichen Mitte noch zu Regenfällen (in höheren Lagen Schnee), die aber im
Tagesverlauf nachlassen bzw. ganz aufhören. In Vorpommern allerdings könnte es
bis in die Abendstunden regnen und auch im östlichen Sachse sowie in der Lausitz
ist das nicht ganz ausgeschlossen. Aufsummiert über den Tag wird es aber nicht
mehr als 2 bis 10 mm Niederschlag geben.
Kommen wir nun noch zum Nordseetief CARLETTO II, ein ganz besonderes Exemplar
seiner Spezies. Unter dem Achsbereich des Höhentroges liegend eiert es etwas
uninspiriert über der Nordsee umher, wo es tendenziell den Westteil der
Deutschen Bucht ansteuert. Dieses Tief generiert nicht nur konvektiv geprägte
Regenfälle und vereinzelte kurze Gewitter, es bietet auf seiner Süd-Südostflanke
zudem ein Windmaximum mit Böen 7-8 Bft an, das durch einen Low-Level-Jet bis zu
40 Kt gestützt wird. Die große Frage lautet nun, wie dicht sich das Tief der
deutschen Nordseeküste nähert. Je dichter, desto wahrscheinlicher, dass die
Küstenregion, ggf. aber auch das angrenzende Binnenland von den Niederschlägen
und dem Wind getroffen werden. Da die Modellergebnisse aber noch leicht
divergieren - immerhin haben alle den "Kollegen" auf der Karte -, lässt sich
wohl erst morgen früh eine wirklich belastbare Prognose erstellen.
Unabhängig vom genauen Ort des Herrn CARLETTO IV können sich in den westlichen
Landesteilen unter höhenkalter Luft (T500 -25 bis -29°C) einzelne Schauer
entwickeln. Dafür gibt es aber auch einige Wolkenlücken zu bewundern. In der
eingeflossenen Meereskaltluft erreicht die Temperatur Höchstwerte zwischen 4°C
und bis zu 11°C, Letztere im Oberrheingraben.

In der Nacht zum Sonntag wölbt sich zwischen dem nach Frankreich ziehenden
Höhentief und dem über dem Osten Deutschlands weiterhin an Gesichtsverlust
leidenden Resttrog ein kleiner aber feiner Höhenrücken auf, der am Sonntagmorgen
aus den Alpen heraus den Süden und Westen des Vorhersageraums überdeckt. Er
stützt das kleine Hoch PALOMA, das sich aus der Keilformation löst und eine
eigenständige Parzelle schafft. Diese wandert allmählich gen Osten, bestimmt
aber gemeinsam mit dem Rücken das nächtliche Geschehen im Vorhersageraum.
Konkret bedeutet das in weiten Teilen nicht nur eine niederschlagsfreie Nacht,
sondern auch zunehmend auflockernde Bewölkung. In Verbindung mit windschwachen
oder gar windstillen Verhältnissen und einer meist feuchten Grundschicht erhöht
sich dadurch die Nebelneigung, vornehmlich im Süden und in den mittleren
Landesteilen. Dort geht die Temperatur zudem vielerorts in den leichten, an den
Alpen in den mäßigen Frostbereich zurück, vereinzelte Glätte durch Reif oder
gefrierende Nässe inclusive.
Im Norden sind Nebel und Frost/Glätte zwar auch nicht kategorisch
ausgeschlossen, die Wahrscheinlichkeit ist aber geringer als weiter südlich. Der
Grund dafür ist eine Art Tiefdruckrinne bestehend aus den "alten Bekannten"
CARLETTO II (bei Gotland), CARLETTO IV (über der Nordsee) und DETLEF II (über
dem Ärmelkanal; Referenz jeweils 00 UTC), die nicht nur mehr Bewölkung
verursacht, sondern in unmittelbarer Küstennähe auch den einen oder anderen
Schauer, vielleicht sogar ein kurzes Gewitter entstehen lässt.

Sonntag ... setzt sich in ganz Deutschland leichter Hochdruckeinfluss durch. Der
kleine Höhenrücken verstärkt sich noch etwas und auch das Bodenhoch bleibt
präsent, wenn auch nicht gerade schwergewichtig (wahrscheinlich noch nicht mal
1015 hPa). Die diversen Tiefs, der Verfasser will sie hier nicht noch mal alle
aufzählen, umkreisen den Vorhersageraum in einem mehr oder weniger großen Bogen,
wobei sie keinen Zugriff auf selbigen bekommen. Gleiches gilt für die zyklonalen
geopotenziellen Bundesgenossen, von denen sich der o.e. Resttrog nach Osten
verabschiedet, während das Höhentief im Westen "Tour de France" spielt. Der
Chronistenpflicht halber sei erwähnt, dass über dem westlichen Mittelmeer eine
weitere Zyklogenese in Gang kommt, die dort für ordentlich Bambule sorgt.
Uns hingegen steht ein ruhiger und unspektakulärer Novembersonntag bevor, an dem
man mit etwas Glück ´ne ordentliche Portion Sonne abgreifen kann. Man kann aber
auch Pech haben und den Tag in tristem Grau verbringen müssen, sprich, Nebel
oder Hochnebel lösen sich spät oder gar nicht auf. Wer zu den Glücklichen und
wer zu den Unglücklichen gehört (wobei, es soll auch Leute geben, die bei Sonne
unglücklich und bei Nebel glücklich sind, sicherlich aber nicht die Mehrheit),
ist derzeit noch nicht abschließend zu beantworten. Wie immer, wenn es im Herbst
und Winter in die grenzschichtgeprägte Meteorologie geht, nehmen die
Unwägbarkeiten zu. Es zeichnet sich aber ab, dass vor allem in der Nordhälfte
vielerorts die Sonne zum Zuge kommt. Richtung Küste könnte es noch mal für einen
Schauer reichen, muss aber nicht. Im Süden und in der Mitte zeigt sich die Sonne
auch, allerdings ist die Wahrscheinlichkeit für zähe Nebel- oder Hochnebelfelder
höher als im Norden, insbesondere in Flussniederungen. Je nach Sonnenangebot
steigt die Temperatur auf 3 bis 9°C, tief im Westen (Gruß an Herbert) lokal
vielleicht auf 10°C.

In der Nacht zum Montag ändert sich wenig an der Großwetterlage. Vereinfacht und
in aller Kürze formuliert bedeutet das eine trockene Nacht (nur an der Küste
leichte Schauerneigung) mit Nebel und Frost. Die geringste Nebel- und
Frostwahrscheinlichkeit ist dabei im Norden und Westen gegeben.

Montag ... wandert der Höhenrücken unter Abflachung langsam nordostwärts. Ihm
folgt von Nordwesten her ein neuer Trog, der offensichtlich das inzwischen über
dem westlichen Mittelmeer angekommene und weiter nach Nordwestafrika ziehende
Höhentief ersetzt. Deutschland gelangt im Laufe des Tages auf seine Vorderseite
unter eine südwestliche Höhenströmung, die zwar zunehmend zyklonale Konturen
annimmt, hinsichtlich dynamischer Hebungsantriebe aber noch sehr defensiv
agiert. Unter dem langgestreckten, von Südgrönland bis nach Westeuropa
reichenden Höhentrog befinden sich zur Mittagszeit gleich drei Tiefdruckgebiete
(namentlich läuft es auf ELVIS hinaus). Eines über der Irminger See, ein zweites
nördlich von Schottland und das dritte über der westlichen Nordsee (Forties).
Die zugehörige teilokkludierte Kaltfront steuert von der Nordsee und dem
Ärmelkanal her den Kontinent an, wird Deutschland wohl aber erst in der Nacht
zum Dienstag treffen. Im Vorfeld frischt der Süd- bis Südwestwind über der
Deutschen Bucht merklich auf, wobei aber noch nicht ganz klar ist, wie stark die
Küste sowie die Inseln davon betroffen sind.
Kurz noch das Wetter: im Nordwesten im Tagesverlauf zunehmend bewölkt, aber noch
längere Zeit trocken. Sonst teils zäher Nebel oder Hochnebel, teils
aufgelockert. 3 bis 9°C in der Spitze.



Modellvergleich und -einschätzung
----------------------------------------------------------------
Es ist alles gesagt, was zu sagen ist.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann