DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

07-11-2019 09:01
SXEU31 DWAV 070800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 07.11.2019 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Übergang von HNz (Hoch Nordmeer zyklonal) zu TrM (Trog Mitteleuropa)

Heute im Westen etwas Wind. Morgen Bildung einer Gegenstromlage mit
Niederschlägen von Süd-Südwest nach Nord-Nordost. Schnee evtl. bis in mittlere
Lagen.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 24 UTC
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Donnerstag... befindet sich Deutschland unter dem östlichen Teil eines sehr
breit angelegten Höhentrogs, der quasi ganz Europa - den Südosten mal
ausgenommen - im Griff hat. Es zeichnet sich aber bereits jetzt ab, dass der
Trog über Westeuropa regeneriert und neu definiert wird, während weiter östlich
an der Verkürzung seiner Wellenlänge gearbeitet wird. So findet man heute früh
ein eigenständiges Drehzentrum im Bereich Irland/Keltische See, welches sich bis
Tagesende nur sehr pomadig zum westlichen Ärmelkanal bewegt. Gleichzeitig
schwenkt ein vom Drehzentrum ausgehender, recht markant ausgeprägter KW-Trog
über Nordostfrankreich, Benelux und Westdeutschland in Richtung Nordsee, was
nicht ganz ohne Bedeutung für die hiesige und heutige Wetterentwicklung ist.
Zunächst aber mal der Blick auf die Bodenwetterkarte, wo erwartungsgemäß ein zum
Trog korrespondierendes Tief vorliegt, das den wohlklingenden Namen CARLETTO
trägt. Es befindet sich derzeit ebenfalls über Westeuropa, genau genommen reicht
es von Irland/UK bis nach Nordfrankreich, wo es über mehrere Kerne verfügt (wie
schlechte Mandarinen, die jetzt zunehmend auf den Markt kommen). Im Tagesverlauf
kristallisieren sich dann aber zwei Hauptkerne heraus, von denen der westliche
heute Mittag unweit von Cornwall und der östliche über Südostengland luncht.
Beide Kerne drehen sich gegen den Uhrzeigersinn um eine gemeinsame Achse, was
Kern numero eins bis 24 UTC zum westlichen Ärmelkanal und Kern numero zwei an
den Nordrand der Deutschen Bucht bringt.
So weit, so gut, und was bedeutet das Ganze nun für uns. Nun, der gute CARLETTO
verfügt über eine Okklusion mit schwachem Kaltfrontcharakter, die heute früh 03
UTC noch über Frankreich lag, von wo aus sie in den nächsten Stunden aber einen
Schwenk bis in den Westen des Vorhersageraums hinbekommt, um von dort im
weiteren Verlauf gen Norddeutschland zu ziehen. Schon jetzt hat leichter
Druckfall weite Teile des Landes erfasst und es wird nicht mehr lange dauern,
bis das frontale Regengebiet den Westen erreicht. Bis zum Abend haben dann große
Teile der Westhälfte etwas mehr ((Westen/Nordwesten) oder weniger (Südwesten) an
Regen abbekommen. Unterstützung bekommt die Okklusion bei ihren Bemühungen,
Hebung zu generieren, vom o.e. KW-Trog, allerdings wird der Support dadurch
limitiert, dass er von KLA überlaufen wird. Immerhin wird die Luftmasse mit
Passage des Troges leidlich labilisiert, was einen auf den Gedanken möglicher
Konvektion bringt. Nun, für schauerartige Verstärkungen könnte es tatsächlich
reichen, für Gewitter wohl aber nicht. So oder so sind die Regenmengen eher
beschaulich, die 5mm-Marke dürfte in 12 h eher selten und wenn, dann nur
geringfügig überschritten werden. Die Osthälfte bleibt von den frontalen und
zyklonalen Unbilden des Herrn CARLETTO weitgehend verschont, trotzdem kann es in
der feuchten Luftmasse vor allem anfangs hier und da noch etwas regnen oder
nieseln. Auflockerungen oder gar längere Zeit Sonnenschein sind am ehesten im
Südosten drin (Erzgebirgsvorland, mit leicht föhniger Unterstützung auch das
Alpenvorland bzw. der Alpenrand).
Bliebe noch der Wind zu erwähnen, der im Westen mit Übergreifen der Front
vorübergehend etwas auffrischt und dabei von Süd-Südost auf Südwest dreht. In
exponierten Lagen sind durchaus ein paar Böen 7 Bft drin, im höheren Bergland
sogar 8er-Böen (Brocken später 9 Bft). Am Nachmittag und Abend zieht der
südöstliche Wind auch in und an der Deutschen Bucht an mit Spitzen 7, vereinzelt
8 Bft, während der Wind dann im Binnenland bereits wieder auf dem absteigenden
Ast ist. In den Alpen wird es leicht föhnig, was anfälligen Gipfel- und
Hochlagen einzelne Böen 8 Bft bescheren könnte (die große Föhnlage steht aber
nicht ins Haus).
Temperaturmäßig hat man schon kältere Novembertage erlebt, 6 bis 12°C stehen auf
der Karte der Höchsttemperaturen, im Südosten mit Hilfe von "Klara" könnten es
sogar 13°C werden.

In der Nacht zum Freitag bleiben wir auf der Vorderseite des Höhentiefs
respektive -troges, wobei die Höhenströmung noch etwas rückdreht auf nahezu
glatt Süd. Da der Höhenwind gleichzeitig etwas zunimmt, wird auch der bis dato
eher schwache Föhn in den Alpen etwas animiert. Auf deutscher Seite bleibt er
aber wahrscheinlich moderat mit maximal stürmischen Böen 8 Bft in exponierten
Hochlagen. Ansonsten ist der Wind eher ein Auslaufmodell, einzig auf und an der
Nordsee bleibt er nach übrigens krasser Winddrehung von Ost-Südost auf Südwest
ein Thema (Böen 7-8 Bft).
Ansonsten gilt es noch zu konstatieren, dass die Okklusion Norddeutschland
überquert, wo der anfängliche Regen von Süden her mehr und mehr nachlässt. Über
der Nordsee kann mit Passage des KW-Troges ein kurzes Gewitter nicht gänzlich
ausgeschlossen werden, allerdings wird mitteltroposphärisch zunehmend trockene
Luft eingemischt, die die Entstehung von Blitz und Donner nicht unerheblich
erschwert.
Frost und Nebel spielen in der kommenden Nacht nur eine untergeordnete Rolle,
auch wenn es im Westen bei auflockernder Bewölkung punktuell durchaus für
gefrierende Nässe reichen kann, vor allem im Bergland (die Frage wird sein, ob
beim Erreichen des gefrierpunkts am Boden noch ausreichend Nässe auf den belegen
vorhanden ist). Ansonsten gilt es seinen Blick in Richtung Süden zu schärfen.
Über dem Ligurischen Meer wird nämlich ein weiteres Tief generiert, das seinen
Einfluss peu á peu auch über den Alpenhauptkamm hinweg bis zu uns ausdehnt.
Konkret bedeutet das, dass der schwache Bodenwind im Süden auf nördliche
Richtungen dreht, während er etwa oberhalb von 800 hPa aus südlichen Richtung
kommt. Damit wird eine hebungsfördernde Gegenstromlage aufgebaut, die im
Südwesten (vor allem südliches und östliches BW, westlicher Alpenrand, Schwaben)
erste leichte Niederschläge bringt. Diese können bei T850-Werten um 0°C und
weitgehend isothermer Schichtung durchaus bis 1000 oder gar 800 m herunter als
Schnee fallen oder zumindest mit Schnee vermischt sein.

Freitag... hat der Höhentrog eine deutlich schlankere Form angenommen mit einer
gut definierten Achse, die in 500 hPa um 12 UTC entlang der norwegischen
Westküste bis fast vor die algerische Küste reicht. Das integrierte Drehzentrum
befindet sich zur gleichen Zeit über Ostfrankreich. Bei uns verstärkt sich die
südliche Höhenströmung noch etwas, während bodennah und auch in der unteren
Troposphäre nördliche Wind vorherrschen. Damit bleibt die Gegenstromlage
erhalten, ja, sie dehnt sich von Süden her sogar noch bis in die mittleren
Landesteile aus. Unterstützend hinzu kommt die Bildung eines Leetiefs über dem
östlichen Alpenvorland bzw. Oberösterreich (12 UTC), das im weiteren
Tagesverlauf via Tschechien gen Polen zieht. Auf der Ostseite des Tiefs wird
vorübergehend föhnig abgetrocknete Warmluft angezapft (T850 um 5°C), während
nach Westen hin kältere Meeresluft liegt (T850 0 bis -2°C). Dieser Umstand wirkt
frontogenetisch, so dass aus der anfänglich vorhanden Warmfront des
"Ligurientiefs" ein wellender Frontenzug wird, der zum Datumswechsel hart an der
deutsch-polnischen Grenze erwartet wird.
Wettertechnisch bedeutet das Ganze eine allmähliche Ausweitung der Niederschläge
aus dem Südwesten nach Nord-Nordost bis in die mittleren Landesteile (18 UTC)
bei gleichzeitiger Intensivierung im Südwesten. Genau diese Intensivirrung, die
von den Modellen (noch) nicht einheitlich simuliert wird, könnte das Zünglein an
der Waage werden, wenn es um die Frage der Niederschlagsphase geht. Sollte der
Niederschlag bei T850 von -1 oder sogar -2°C mal stärker fallen, besteht bei
quasi-isothermer Schichtung durchaus die Möglichkeit, dass die Schneefallgrenze
in Schwaben sowie im südlichen BW s auf 600 bis 500 m absinkt, auch wenn der
Schnee aufgrund des derzeit noch warmen Bodens nicht überall liegen bleibt.
Dieses potenzielle Szenario sollte man zumindest gut im Hinterkopf abspeichern
und auf dem Schirm behalten. Darüber hinaus kann man aber davon ausgehen, dass
es im Allgäu, dem Schwarzwald (Süden eher als Norden) sowie der Schwäbischen Alb
oberhalb 800 bis 1000 m definitiv schneien und auch was liegen bleiben wird.
Recht unspektakulär verläuft der Freitag im Westen und Norden des Landes, wo
sich zwischen dem allmählich abdankenden Tief über der Nordsee und dem Tief
südlich der Alpen leichter Zwischenhocheinfluss greift, der mit
kompensatorischem Absinken weitgehend trockene Verhältnisse und sogar einige
Auflockerungen beschert. Überwiegend trocken, aber meist stark bewölkt bis
bedeckt zeigen sich der Südosten sowie der äußerste Osten, wo die
Hebungsprozesse schwächer ausfallen als weiter westlich. Thermisch sind
gegenüber heute leichte Rückschritte erkennbar, 5 bis 11°C lautet die Spanne der
Höchsttemperatur.

In der Nacht zum Samstag tut sich im Potenzialfeld vergleichsweise wenig,
während das o.e. Leetief auf Vb-artiger Bahn bis zum Morgen das Oderhaff
erreichen soll (zumindest nach ICON; die "Externen" sind etwas langsamer). Damit
verlagert sich auch der Schwerpunkt der Niederschläge mehr und mehr in den Osten
und Nordosten, wobei sich derzeit aber noch teils erhebliche Modellunterschiede
auftun. Insbesondere GFS, wo das Tief am langsamsten zieht, lässt es im Süden
und Südwesten weiterhin regnen und schneien (mehr als im Osten und Nordosten).
Wenn es so käme, könnte es in der Region vom westlichen Alpenrand bis zum
Schwarzwald bis weit runter kräftig schneien! - abwarten.
Im Westen und Nordwesten lockert es in der frisch eingeflossenen Meereskaltluft
(T850 -1 bis -4°C) gebietsweise auf, was einige Nebelfelder und lokalen
Nachtfrost zur Folge hat.

Samstag... schwenkt der Höhentrog langsam aber sicher ostwärts, was Deutschland
genau unter diesen bringt. Über Westeuropa bzw. dem nahen Ostatlantik erfolgt
von Nordwesten her bereits ein neuer Kaltluftvorstoß, der das Potenzial fallen
lässt und schlussendlich für eine vermeintlich retrograde Kehrtwende des
Ausgangstroges sorgt, was aber Thema der Mittelfrist ist. Fakt ist, dass sich
die Höhenströmung bei uns deutlich abschwächt und sich höhenkalte Luft
breitmacht (T500 um oder unter -25°C, aber nicht ganz -30°C; T850 0 bis -3°C).
Das ehemalige Leetief peilt derweil mit einem Kerndruck von etwas unter 1005 hPa
Gotland an, während sich über Süddeutschland ein Hochkeil niederlässt. Unter dem
Strich bedeutet das ein gradientschwaches und somit windarmes Terrain, zumindest
nach Lesart von ICON. IFS und GFS hingegen simulieren das Tief nicht nur
langsamer (wurde schon erwähnt), sondern auch um 5 bis 8 hPa tiefer als ICON, so
dass der Wind zwischen Tief und nachstoßendem Hochkeil doch eine Rolle spielen
könnte (7, exponiert vielleicht 8 Bft). Hier ist noch viel Spekulationsraum
gegeben, was übrigens auch für den Parameter "Niederschlag" zutrifft.
So lässt es ICON nur im äußersten Südosten noch längere Zeit regnen oder in
höheren Lagen schneien, sonst nur etwas schauern. GFS hingegen bringt nahezu der
gesamten Osthälfte sowie anfangs auch noch dem Süden Regen und Schnee. IFS
wiederum sieht den Schwerpunkt der Regenfälle eindeutig im Nordosten, wo es bis
in die Abendstunden schiffen soll. Insgesamt eine sehr undankbare Situation, bei
der mit Hilfe der nächsten Modellläufe noch einige fetter Fragezeichen getilgt
werden müssen.
Eines kann man aber mit Gewissheit sagen, einen Sonnenbrand wird man sich
angesichts des apostrophierten Wolkenüberschusses nicht holen (eine Aussage von
Weltklasseformat im November). Außerdem wird es kaum noch für 10°C
Höchsttemperatur reichen; wenn, dann am ehesten in Rheinnähe.

Modellvergleich und -einschätzung
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Vorerst ist alles gesagt, wenn auch noch nicht entschieden. Die
Modellunterschiede vor allem hinsichtlich des am Freitag auf den Plan tretenden
Leetiefs und die daraus resultierenden Unwägbarkeiten wurden weitgehend
angesprochen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann