DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

28-10-2019 12:30

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Montag, den 28.10.2019 um 10.30 UTC



Zunehmend unbeständige und windige bis stürmische Witterungsperiode, mild bis
sehr mild.
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Synoptische Entwicklung bis zum Montag, den 04.11.2019


Ein neuer Tag, die alte Leier? Was bringt uns der ehemalige Tropensturm Pablo
heute, nachdem er uns gestern für den europäischen Raum mit einem Chaos in der
Modellwelt begeisterte. Dann wollen wir mal pünktlich zu Halloween am kommenden
Donnerstag die Süßigkeitentüte öffnen und mal schauen, was die Modelle am
heutigen Montag für Überraschungen bereithält.

Und siehe da, der ehemalige Tropensturm Pablo verspürt nach den neusten
Berechnungen keinen Drang mehr sich zu intensivieren geschweige denn nach
Mitteleuropa vorzudringen. Stattdessen wird er jäh von dem Mittel- und
osteuropäischen Hoch ausgebremst und im Bereich von Irland unter Abschwächung
nordwärts geführt. Für das Wetter in Deutschland würde Pablo somit keine Rolle
mehr spielen. Doch wie sieht es hierzulande nun aus?

Zu Beginn des mittelfristigen Zeitraums am Donnerstag liegen weite Teile Europas
im Bereich eines Langwellentroges, der sich vom Ostatlantik bis weit nach
Russland aufspannt und nach Süden bis nach Nordafrika reicht. Gestützt wird
dieser Trog von einem Rücken, der von einem Höhenhoch bei den Azoren und den
Kanaren ausgeht und sich an den Küsten Portugals, Frankreichs und Irlands vorbei
nordwärts erstreckt. Der Langwellentrog in sich ist dabei diffus strukturiert
und mit vielen kurzwelligen Anteilen durchsetzt, die sich wiederum mit der
Strömung von West nach Ost verlagern. Im Detail liegt am Donnerstag ein
Kurzwellentrog über den Britischen Inseln und korreliert am Boden mit dem
Tiefdruckkomplex um Pablo. Vorderseitig des Kurzwellentroges kann sich über
Mitteleuropa ein schwacher Rücken mit antizyklonale Strukturen aufbauen, der im
Bodenniveau mit einem Hoch einhergeht, das von Deutschland bis zum Schwarzen
Meer reicht. Somit sollte am Donnerstag in weiten Teilen des Landes zunächst
noch ruhiges Herbstwetter herrschen, bevor am Nachmittag und Abend im Westen
aufkommende WLA im Vorfeld einer Warmfront allmählich wieder eine unbeständige
Witterungsperiode einläutet.

Zum Freitag schwenkt der atlantische Rücken ostwärts und liegt mit seiner Achse
von der Iberischen Halbinsel über Westfrankreich bis zur Nordsee. Allerdings
wird er von einem nachfolgenden markanten Kurzwellentrog rasch abgehobelt und
verliert somit zunehmend an Wetteraktivität. Stattdessen gelangt Deutschland auf
die Vorderseite des zum Kurzwellentrog gehörenden Tiefdruckwirbels am Boden.
Zwar haben es die Frontensysteme weiter schwer gegen das osteuropäische Hoch
vorzudringen, allerdings schaffen sie es dieses allmählich abzudrängen.
Resultierend gerät Deutschland zum Kampfgebiet beider Drucksysteme. Zunächst
werden Niederschläge im Westen und Südwesten erwartet, am Samstag sind dann wohl
auch der Norden und Osten dran.

Da sich der Kurzwellentrog immer wieder regeneriert und dabei weiter vertieft
sowie seine Amplitude vergrößert und schließlich ein eigenständiges, intensives
Höhentief über den Britischen Inseln formt, welches zudem weiter mit einem
kräftigen Tiefdruckkomplex am Boden korreliert, bleibt Deutschland auf der
Vorderseite des hochreichenden Systems überwiegend in einer südwestlichen
Grundströmung. Dabei wird zunächst ab Samstag milde bis sehr milde Subtropikluft
ins Land geführt, sodass die Temperaturen auf 850 hPa am Sonntag zwischen 6 und
13 Grad liegen. Erst zum Montag gehen die Werte rückseitig einer Kaltfront
wieder zurück. Da es sich bei der Luft um herumgeholte und deutlich erwärmte
Polarluft handelt, bleiben die 850 hPA-Temperaturen mit Werten zwischen 1 und 6
Grad noch im positiven Bereich. Doch schon in der Nacht zum Dienstag deutet sich
mit Vordringen eines Randtiefs von der Iberischen Halbinsel nach Frankreich
wieder ein Schwall mildere, aber auch feuchter Luft an.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Die Konsistenz des IFS bleibt auch am heutigen Montag bescheiden. Schon zu
Beginn des mittelfristigen Zeitraums am kommenden Donnerstag ergeben sich
bezüglich der Vorläufe schon größere Unterschiede der Geopotential- und
Luftdruckmuster. Zwar zeigen alle betrachteten Modellläufe den ausgeprägten
Langwellentrog, der nahezu ganz Europa einnimmt. Die eingebetteten kurzwelligen
Anteile sowie die dazu korrelierenden Bodentiefs samt Frontensysteme, die
wiederholt von West nach Ost über Europa hinweg schwenken bzw. sich am
blockierenden Hoch kaputtlaufen, werden von den Modellläufen jedoch in Phase,
Amplitude und Intensität sehr verschieden simuliert. Resultierend kann man
festhalten, dass mittelfristig eine unbeständige und milde Witterungsperiode
ansteht, die genaue Niederschlagsverteilung sowie das Timing derzeit kaum
vorhersagbar sind.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Nachdem am gestrigen Sonntag jedes Globalmodell führender Wetterdienste (ICON,
GFS, IFS, GEM, UKMO) eine eigene Lösung für den mittelfristigen
Vorhersagezeitraum präsentierte, steigt nun die Spannung für die neusten
Berechnungen. Und siehe da, zumindest für Donnerstag und Freitag zeigen die
Modelle größtenteils Einigkeit. Die großskaligen Strukturen werden vergleichbar
simuliert. Nur geringe Unterschiede gibt es bei der Phase sowie der Amplitude
der Tröge, was wiederum kaum Auswirkungen auf die Niederschlagsverteilung hat
und wohl nur in der Intensität dieser auswirkt.

Ab Samstag nehmen vor allem die Unterschiede des ICON bezüglich des IFS und GFS
zu. Während das GFS und das IFS weiter vergleichbare Strukturen liefern, nimmt
das ICON Fahrt auf. Zwar wird das Höhentief ähnlich zu GFS und IFS weiter im
Bereich der Britischen Inseln gezeigt, die kurzwelligen Anteile ziehen im
Vergleich zu den anderen Modellen jedoch rascher und auch mit größere Amplitude
ostwärts. Zwischen GFS und IFS sind die größten Abweichungen ab Samstag bei der
Intensität der Drucksysteme zu verzeichnen. Das IFS simuliert das Tief über den
Britischen Inseln dabei 5 bis 10 hPa stärker als GFS und ICON.

Das UKMO zeigt zum ICON vergleichbare Strukturen, lässt das Tief bei den
Britischen Inseln ab Samstag aber ähnlich stark wie beim IFS ausfallen.
Das GEM beschreibt eine eigene Lösung, die von den anderen betrachteten Modellen
signifikant abweicht. Demnach soll sich der hochreichende Tiefdruckkomplex um
Pablo durch die Einbindung eines neuen kleinräumigen Höhentiefs regenerieren
sowie zunächst sogar intensivieren und schließlich von Irland in die Nordsee
ziehen. Der nachfolgende Komplex wird dadurch ausgebremst. Deutschland würde
dabei im Trogbereich und auf der Vorderseite des Bodentiefs liegen.

Insgesamt sind die Modellinterpretationen im Vergleich zu gestern nicht wieder
zu erkennen. Während die Modelle nun überwiegend an einem Strang ziehen und
vergleichbare Aussagen zulassen, waren diese am Vortag noch auf einem Egotrip
unterwegs.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Auch die Rauchfahnen ausgewählter Städte in Deutschland zeigen heute die bessere
Modellperformance. Im Süden und Mitte kann abgesehen von einzelnen Ausreißern,
die einen kühleren Verlauf zeigen, bis einschließlich Samstag bei dichter
Drängung vieler Member auf engstem Raum von einer recht hohen Vorhersagegüte
ausgegangen werden. Im Norden sind sich der größte Teil der Ensemble Mitglieder
auch einig und tummeln sich um den Haupt- und Kontrolllauf. Allerdings spannen
einzelne Läufe die Rauchfahne enorm auf, sodass der Spread der Temperatur in 850
hPa am Samstag von -5 bis +7 Grad reicht. Die größte Wahrscheinlichkeit gibt es
allerdings für Werte um 6 Grad, also im oberen Bereich des Ensembleraums. Ab
Sonntag nehmen dann die Unsicherheiten landesweit zu. Analog zum Haupt- und
Kontrolllauf zappeln auch die anderen Member bei der Temperatur auf und ab, was
wiederum die Streuung erhöht. Auch die Rauchfahne des Geopotentials spreizt sich
zum Sonntag zunehmend auf, wobei sich der Haupt- und Kontrolllauf im unteren
Drittel befinden. Eine Aussage ist somit ab Sonntag nur noch bedingt möglich.
Die Meteogramme der Städte spiegeln diese Entwicklung durch entsprechende
Boxplots wieder.

Bei der Clusteranalyse werden im Zeitraum +72 bis +96h insgesamt drei Cluster
benötigt, um die Unsicherheiten im Geopotential- und Luftdruckfeld zu erklären.
Alle Cluster können dabei dem Schema eines atlantischen Rückens zugeordnet
werden. Die Unterschiede über dem europäischen Kontinent sind als eher gering
anzusehen. Über dem Atlantik gibt untereinander Abweichungen in der Lage und
Ausprägung des Höhentiefs sowie der Stärke des Rückens. Vor allem Cluster 1 und
2 sind nur wenig zu unterscheiden. Der Hauptlauf befindet sich dabei in Cluster
2, der Kontrolllauf in Cluster 1.

Im Zeitraum von +120 bis +168h reichen im Gegensatz zum gestrigen Sonntag nur
anstatt sechs nur vier Cluster aus, um alle Modellläufe in vergleichbare Muster
einzuordnen. Einigkeit zeigt sich zudem beim Schema. Während gestern ein buntes
Puzzle vorherrschte, dominiert nun nahezu ausschließlich das Schema einer
negativen NAO mit zonalen Strömungsverhältnissen über dem Atlantik. Die
Unterschiede zwischen den Clustern beziehen sich überwiegend auf die Lage,
Intensität sowie Amplitude des Troges über dem Ostatlantik und Westeuropa. Zudem
simulieren die Läufe in Cluster 1 und in Cluster 4 vor dem Haupttrog noch einen
weiteren kurzwelligen Anteil, denn die anderen Muster so nicht sehen. Cluster 1
mit insgesamt 17 Member ähnelt dabei den Ausführungen des GEM. Bei Cluster 2 mit
dem Haupt- und Kontrolllauf und Cluster 3 wird dagegen der Haupttrog rascher
ostwärts geführt und viel intensiver gerechnet. Deutschland würde demnach rasch
in eine südwestliche Grundströmung mit Zufuhr milder bis sehr milder Luft
geraten. Vernachlässigt man die Unterschiede, die hauptsächlich den Rücken über
Osteuropa betreffen und somit für das Wetter in Deutschland nur bedingt von
Bedeutung sind, werden die Aussagen der Cluster 2 (15 Mitglieder) und Cluster 3
(11 Mitglieder) insgesamt von 26 Member gestützt. Cluster 4 mit 8 Repräsentanten
hat zwar Ähnlichkeit mit den Strukturen des ersten Clusters, im Detail sind aber
auch größere Abweichungen zu erkennen, die das Cluster dann doch als
unterrepräsentative Einzellösung zeigen.

In der erweiterten Mittelfrist können die Geopotential- und Luftdruckstrukturen
ebenfalls in 4 Cluster eingeordnet werden. Dabei verbleiben die ersten beiden
Cluster mit insgesamt 35 Mitgliedern auf der Schiene einer zonalen Strömung
(negativen NAO). Bei beiden Interpretationen ist ein ausgeprägter Trog, vom
Nordatlantik bis nach Mitteleuropa reichend, Trumpf. Unterschiede sind zwischen
diesen Lösungen in der Ausdehnung nach Süden und Westen sowie der Intensität zu
verzeichnen. Deutschland würde dabei weiter auf der Trogvorderseite liegen.
Cluster 3 zappelt zwischen negativer NAO, Blocking und positiver NAO hin und
her, was daran liegt, dass die Drehzentren der Höhentiefs eine Art Dipolstruktur
aufweisen und herumeiern.
Bei Cluster 4 steht das sehr stark prognostizierte Blocking über dem östlichen
Mitteleuropa und Osteuropa im Vordergrund. Der Trog würde demnach die
Wellenlänge verkürzen und zumindest zeitweise nach Süden abtropfen. Deutschland
wird bei dieser Lösung von sehr milder Luft aus Süden geflutet.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass mittelfristig eine Trogstruktur
das Wetter in Deutschland bestimmt. Der überwiegende Teil des Ensembles lässt
das Land dabei auf der Trogvorderseite in einer Südwestströmung, was
unbeständiges aber auch mildes bis sehr mildes Wetter zur Folge hätte.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Vom EFI gibt es in der Mittelfrist keine Hinweise auf klimatisch
außergewöhnliche Wetterereignisse.
Bezüglich des Niederschlags gibt es von der Probabilistik (C-Leps, ICON-EPS) von
Donnerstagmorgen bis Samstagnacht geringe Signale für 24-stündige Regenmengen
über 30 l/qm im Schwarzwald und den Vogesen. Am Donnerstag und in der Nacht zum
Freitag werden entsprechende Mengen im Schwarzwald von bis zu 15% gestützt. Von
Freitagmorgen bis Samstagmorgen werden dort 5 bis 30%, im Allgäu 5 bis 10%
simuliert.
Bezüglich des Windes sind auch aus Sicht der Probabilistik bis Freitag keine
markanten Ereignisse zu erwarten. Am Freitag gibt es vom C-Leps im Südwesten
sowie in den Hochlagen, in den Folgetagen vom EZ-EPS bevorzugt in der Westhälfte
sowie im Küstenumfeld gering Hinweise bis 20% für stürmische Böen oder Sturmböen
(Bft 8-9). In der Eifel werden am Sonntag beim EZ-EPS zeitweise bis 40% für
entsprechende Windspitzen simuliert.
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Basis für Mittelfristvorhersage
EZ-EPS, teilweise det. EZ, Temperatur auch MOSMIX
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Lars Kirchhübel