DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

27-10-2019 18:01
SXEU31 DWAV 271800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 27.10.2019 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Zu Wochenbeginn nachlassender Wind an der Küste und meist ruhiges
Hochdruckwetter, dabei frischer als bisher mit allmählich zunehmender
Nachtfrostgefahr. Im äußersten regnerisch durch quasistationäre Front.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 12 UTC
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Aktuell ... hat die Kaltfront eines vom Baltikum nordostwärts ziehenden Tiefs
(es handelt sich um keinen Geringeren als YAROSLAV) bereits einen Großteil
Deutschlands hinter sich gelassen. Nun gilt es noch den Süden des Landes zu
bearbeiten, wo es heute noch mal verbreitet sonnig und sehr mild war (teils über
20°C). Damit ist jetzt Schluss, denn die Kaltfront ist zwar nicht besonders
flott unterwegs, ansonsten aber ein echtes Musterexemplar seiner Zunft mit
veritablem Windsprung (an manchen Stellen von Südwest auf Nord bis Nordost)
sowie einem merklichen Temperatur- und Taupunktsrückgang auf seiner Rückseite.
Dazu kommt ein wohldefiniertes, etwa 100 bis 150 km breites Regenband, das
mittlerweile komplett auf der Rückseite der Front zu finden ist, der somit
Anacharakter zu attestieren ist. Dieser Regen erreicht am Abend und in der Nacht
zum Montag Süddeutschland, wobei der meiste Regen im Schwarzwald und der
Schwäbischen Alb fallen soll (stellenweise um 10 mm innert 12 h).
Postfrontal breitet sich polare Meeresluft mit 850-hPa-Temperaturen um 0°C bis
zur Mitte aus, wobei sie unter den Einfluss eines Hochkeils kommt, der sich
ausgehend von einem Hoch über dem nahen Ostatlantik (OLDENBURGIA) bis nach
Mittel- und Süddeutschland ausweitet. Da die ohnehin nicht überbordend feuchte
Luft unter Hochdruckeinfluss noch etwas abtrocknet, hält sich die Nebelneigung
trotz des vorherigen Regens in Grenzen, was lokale Sichtreduzierungen
insbesondere in der Mitte aber nicht völlig ausschließt. Darüber hinaus geht die
Temperatur vornehmlich in der westlichen Mitte soweit zurück, dass gebietsweise
leichter Frost in Bodennähe und in höher gelegenen Tallagen sogar leichter
Luftfrost unweit von -1°C zu erwarten ist.
Im äußersten Norden, der von einem umfangreichen Höhentrog mit etwas höhenkalter
Luft gestreift wird (T500 anfangs um oder sogar etwas unter
-25°C, später allmählicher Anstieg), können sich mit Hilfe diabatischer
Unterstützung besonders über See Schauer oder sogar kurze Gewitter entwickeln,
die sich bis ins küstennahe Binnenland verirren können (evtl. markant durch
stürmische Böen 8 Bft). Der Wind frischt an der Küste in Verbindung mit einem
von der Nordsee via Jütland zur Ostsee schwenkenden Bodentrogs in den
Abendstunden vorübergehend noch mal auf mit Böen 7-8 Bft, in Nordfriesland
vereinzelt 9 Bft. Im Laufe der Nacht nimmt der Wind mit Drehung auf West bis
Nordwest von Westen her aber bereits wieder ab.

Montag ... wird der Höhentrog über Nordeuropa in seinem Westteil durch einen vom
Nordmeer südwärts schwenkenden Randtrog regeneriert, wodurch er eine extrem
positive Achsneigung bekommt. Am Abend weist die Achse über der nördlichen
Nordsee sogar eine quasizonale Exposition auf. Deutschland gelangt auf seiner
Südseite unter eine leicht zyklonal konturierte west-nordwestliche
Höhenströmung, die dem weiterhin antizyklonal aufgestellten Bodendruckfeld
diametral gegenübersteht. Hoch OLDENBURGIA legt weiter an Gewicht zu (auf über
1035 hPa im Bereich des Zentrums), wodurch sich auch der nach Mitteleuropa
respektive Deutschland gerichtete Keil noch etwas verstärkt. Derweil macht es
sich die Kaltfront an den Alpen bequem, zumal sie mangels ausreichend
frontsenkrechter Schubkomponente und nicht unerheblicher orografischer Hürden
namens Alpen kaum Chancen hat, ihren Weg nach Süden fortzusetzen.
Das erklärt, warum die Gebiete südlich der Donau sowie im südlichen BW einen
bedeckten und regnerischen Wochenstart hinlegen. Immerhin, im Laufe des Tages
zieht sich der Regen mehr und mehr an den Alpenrand bzw. in den inneralpinen
Bereich zurück, wo staubedingt durchaus an die 10 mm/12 h fallen können.
Ansonsten stellt sich im großen Rest des Landes ein wechselnder Wolkencharakter
ein. Etwa zwischen 900 und 800 hPa etabliert sich eine Inversion, unter der sich
Quellungen bilden, die sich gebietsweise auch mal ausbreiten. In Norddeutschland
liegt die Inversion höher bzw. ist durch die Nähe zum Trog gar nicht vorhanden.
Bei bis etwa 650/600 hPa reichender leichter Labilität entwickelt sich der eine
oder andere Schauer. Der West- bis Nordwestwind an der Küste nimmt weiter ab, so
dass bereits am Vormittag keine Warnungen mehr vonnöten sein werden.
Temperaturmäßig wird Deutschland in der frisch eingeflossenen Polarluft auf
Normalmaß gestutzt (T850 zwischen -2°C im Norden und bis zu 6°C weit im Süden),
meint, mehr als 7 bis 13°C sind nicht mehr drin, was vor allem für die
Süddeutschen einen veritablen Temperatursturz gegenüber heute bedeutet.

In der Nacht zum Dienstag schwenkt der positiv geneigte Höhentrog in seinem
Südwestteil langsam nach Deutschland rein, ohne dabei aber allzu stark auf sich
aufmerksam zu machen. Vor allem auf See sowie an den Küsten, weniger im
Binnenland entwickeln sich einzelne Schauer. Regnen wird es zeitweise auch noch
am Alpenrand, im südlichen Vorland sowie im Grenzbereich zur Schweiz, was der
wenig mobilen und zeitweise wiederaktivierten Front geschuldet ist. Es deuten
sich sogar eine leichte Ausweitung des Regens nach Norden bis in Donaunähe sowie
gegen Morgen eine Intensivierung an.
Ansonsten stellt sich in weiten Teilen des Landes eine trockene, teils bewölkte,
teils klare Nacht ein. Die Luft trocknet weiter ab, was den Taupunkt mit
Ausnahme des äußersten Südens auf unter 5°C sinken lässt. Trockene Luft ist kein
Freund des Nebels, der sich zwar bei längerem Aufklaren bilden kann, ohne dabei
aber allzu große Areale einzunehmen. Achtgeben muss man auf die Temperatur, die
- ebenfalls bei längerem Aufklaren - bis an den Gefrierpunkt sinken kann.
Leichter Frost ist lokal am ehesten in den Mittelgebirgen zu erwarten, eine
Garantie, dass es andernorts frostfrei bleibt gibt es angesichts der heterogenen
Bewölkungsvorhersage aber nicht.

Dienstag ... schwenkt der o.e. Südwestteil des Höhentrogs langsam über
Deutschland hinweg südwärts - so langsam, dass er bis Tagesende nicht mal die
Alpen erreicht. Dahinter steigt das Potenzial von der Nordsee her langsam an,
was auf den etwas nach Osten vorankommenden Höhenrücken geschuldet ist. Dieser
fungiert auch weiterhin als Stütze für unser Bodenhoch OLDENBURGIA, das sich
ebenfalls etwas ostwärts ausdehnt. An ihrem Südostrand dreht die schwache bis
mäßige Bodenströmung auf nördliche bis östliche Richtungen, wodurch relativ
frische und trockene Luftmassen über das ganze Land verteilt werden. In 850 hPa
geht die Temperatur bis zum Abend auf Werte zwischen 0°C am Hochrhein und an den
Alpen und bis zu -6°C in Vorpommern zurück. Projiziert auf das handelsübliche
2m-Niveau bedeutet das Tageshöchstwerte von 6 bis 11°C, im höheren Bergland
naturgemäß etwas darunter.
Wettermäßig verläuft der Tag vielfach heiter bis wolkig, im Norden (insbesondere
vom Emsland bis hinüber nach Vorpommern) auch längere Zeit sonnig. Dort macht
sich die Abtrocknung durch das Überströmen der skandinavischen Gebirge
bemerkbar. Im zentralen Mittelgebirgsraum sowie im Erzgebirge kann es dagegen
zeitweise auch mal stärker bewölkt sein, es bleibt aber weitgehend trocken (hier
und da ein paar Tropfen, die in schwacher Schauerform auch im ostdeutschen
Binnenland auftreten können). In der Hinterhand bleibt der äußerste Süden, wo
die Luftmassengrenze durch die Annäherung des Troges einigermaßen fit gehalten
wird. Das sorgt nicht nur für einen ganztägig bedeckten Himmel, es fällt auch
weiterer Regen, wobei der neueste Lauf von ICON (12 UTC) das höhere Alpenvorland
immerhin mit 10 bis 15 mm inert 12 h versieht - abwarten. Die Schneefallgrenze
sinkt im Laufe des Tages auf etwas unter 1500 m.

In der Nacht zum Mittwoch erreicht der Höhentrog ganz allmählich die Alpen, was
dem o.e. Höhenrücken die Möglichkeit eröffnet, sich noch etwas stärker über den
Vorhersageraum vorzuschieben. Relevanter ist aber die Tatsache, dass sich der
südöstliche Teil des Bodenhochs bis nach Norddeutschland verlagert. Dadurch
fächert der Gradient noch mehr auf und der Wind kommt - außer im Süden - mit
Unterstützung des Tagesgangs völlig zum Erliegen. Trockenkalte Luft, kein Wind
und eine relativ lange Oktobernacht, beste Voraussetzungen also, die Temperatur
erstmalig in diesem Herbst auf breiter Fläche in die Nähe des Gefrierpunktes
respektive in den leichten Frostbereich bis zu -3/-4°C zu bringen. Überall wird
es aber noch nicht für Luftfrost reichen, vor allem unmittelbar an der See sowie
gebietsweise im Süden und Westen bleibt das Thermometer im Plus. Allerdings
besteht auch in diesem Fall die Gefahr von leichtem Frost in Bodennähe. Neben
Frost muss stellenweise auch mit Nebel gerechnet werden.
Noch ein Satz zum Alpenrand, wo die Schneefallgrenze noch etwas absinkt,
gleichzeitig aber auch der Niederschlag immer weiter nachlässt bzw. sich in die
Alpen zurückzieht.

Mittwoch ... verlagert das Bodenhoch seinen Schwerpunkt endgültig nach
Mitteleuropa, wohingegen der zugehörige Höhenrücken leicht westlich von uns
verharrt. Das ändert aber wenig an der Tatsache, dass das Geschehen vor Ort
eindeutig antizyklonal geprägt ist. Mit anderen Worten, nach Nebelauflösung
scheint häufig die Sonne von einem wolkenlosen oder nur locker bewölkten Himmel.
Einzig Richtung Alpen hält sich noch frontale Restbewölkung, aus der aber kein
oder zumindest kein bedeutender Niederschlag mehr fällt. Bei schwachem, nach
Süden hin teils mäßigem östlichen Wind ändert sich an der Höchsttemperatur nur
wenig gegenüber dem Vortag.


Modellvergleich und -einschätzung
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An der grundlegenden synoptisch-skaligen Ausrichtung bestehen im Modellvergleich
keine Zweifel. Interessant werden vor allem die Nächte hinsichtlich des
Zusammenspiels "genaue Wolkenverteilung - potenzieller Frost". Die erste
"richtige" Frostnacht dürfte die von Dienstag auf Mittwoch sein.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann