DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

11-07-2016 21:00
SXEU31 DWAV 111800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 11.07.2016 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Im Südosten Unwettergefahr durch Dauerregen und heftige Gewitter.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 12 UTC
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Aktuell ... liegt Deutschland auf der Vorderseite eines Troges in einer
westsüdwestlichen Höhenströmung. In dieser schwenkt heute Abend ein flacher
Kurzwellentrog über Norddeutschland hinweg. Im Bodendruckfeld dominiert ein
umfangreicher Tiefkomplex mit Schwerpunkten über Skandinavien und Nordrussland
die Wetterkarte. Eine dazugehörige Kaltfront liegt derzeit diagonal über
Deutschland (in etwa von der Südpfalz bis zur Lausitz) und kommt langsam
südostwärts voran. Auf ihrer Rückseite liegt über der gesamten Nordwesthälfte
eine mäßig warme Luftmasse (um 10 Grad in 850 hPa), die vor allem direkt
rückseitig der Kaltfront recht stabil geschichtet ist, ganz im Nordwesten im
Einflussbereich etwas kälterer Luft in der Höhe (unter -15 Grad in 500 hPa)
wieder leicht labil. Somit kommt es dort zu einigen Schauern. Zudem herrscht
über dem Norden und Nordwesten Deutschlands auch ein etwas stärkerer Gradient,
in dem es an der Nordsee noch zu Windböen bis 60 km/h aus Südwest kommt. Auch
auf einigen höheren Bergen in der Mitte ist es stürmisch. Das
Hauptwettergeschehen spielt sich aber südlich der Kaltfront ab. Dort liegt eine
sehr warme, feuchte und potenziell instabil geschichtete Luftmasse. CAPE-Werte
bis über 1000 J/kg sind vorhergesagt und heute Mittag auch gemessen worden
(MU-CAPE Oberschleißheim bei etwa 1600 J/kg). Dazu kommen moderate
Scherungswerte, die länger lebende Multizellencluster möglich machen, die
derzeit auch auftreten und zum Teil sehr großen Hagel bringen, aber auch wegen
Starkregens können Unwetterschwellen erreicht werden, zumal das niederschlagbare
Wasser teils um 40 l/qm liegt.
In der Nacht zum Dienstag kommt die Kaltfront weiter voran und erreicht in den
Frühstunden in etwa eine Linie vom Bodensee bis nach Niederbayern. Der Trog
westlich von uns weitet sich nach Süden aus und seine Achse erreicht die
Bretagne. Hebungsantriebe werden vor allem noch entlang der Kaltfront simuliert.
Somit kommt es vor allem in deren Vorfeld anfangs noch zu teils starken
Gewittern, wobei im Laufe der Nacht die Labilität abgebaut wird, weil sich die
Grenzschicht deutlich abkühlt. Die mittlere Troposphäre bleibt aber noch labil,
so dass bei entsprechender Hebung weiter Gewitter möglich sind, die bei ppws von
teils 40 bis 50 l/qm auch heftigen Starkregen bringen können. Zudem setzt in der
zweiten Nachthälfte von Richtung Hochrhein und Alpen her kräftiger stratiformer
Regen ein, der - mit stark wechselnden Intensitäten - bis zur Nacht zum Mittwoch
oder sogar Mittwochmittag (Südostbayern) anhalten kann. Davon betroffen dürften
vor allem die Regionen südlich der Donau sein. Dort bringen die vorliegenden
Modelle bis Mittwochmittag übereinstimmend flächendeckend über 40 mm, weiter im
Süden auch über 60 mm mit Spitzen über 100 m bei ICON-EU, GFS, Cosmo-EU und
Euro4. Nur EZMW (00 UTC) fällt etwas schwächer aus. Auch die Ensembles
(Cosmo-LEPS und EZMW-EPS) sprechen für eine Dauerregen-Unwetterlage mit
Wahrscheinlichkeiten von teils über 80 % im Alpenvorland für mehr als 60 mm in
48 Stunden. Dementsprechend fiel auch die Entscheidung für die
Unwetterwarnungen.
Im Norden zieht der Kurzwellentrog rasch nordostwärts ab. Dann lassen die
Schauer nach und die Wolken lockern zunehmend auf. Auch der Gradient fächert
auf, so dass nur noch an der Nordsee Böen der Stärke 7 Bft erreicht werden.
Somit stellt sich in den Regionen nördlich der Kaltfront eine recht ruhige Nacht
ein.

Dienstag ... schwenkt der Haupttrog weiter nach Frankreich hinein, die
Höhenströmung über Deutschland steilt dabei auf südwestliche Richtung auf. Damit
gerät die Kaltfront ins Schleifen, wobei noch nicht ganz sicher ist, ob dies
außerhalb Deutschlands oder im äußersten Süden geschieht. Nach Cosmo-EU und GFS
ist am Dienstag die Luftmasse schon bis in den äußersten Süden hinein stabil,
ICON und Euro4 bringen Labilität nur im äußersten Südosten, das WRF der
Modellzentrale sowie Cosmo-DE zeigen im ganzen Alpenvorland und Bayerwald starke
Konvektion. Aufgrund der günstigen Scherungsbedingungen simulieren die
letztgenannten Modelle eine markante Gewitterlinie, die nicht nur größeren
Hagel, sondern auch Orkanböen bringen könnte. Dies simuliert der aktuelle
Cosmo-DE-Hauptlauf sowie einzelne EPS-Läufe. Auf jeden Fall wird im Bereich der
Kaltfront durch PVA einiges an Hebung simuliert, ob die Niederschläge aber
großflächig und kräftig sein werden, oder eher kleinerräumige Starkregengebiete
über Süddeutschland hinweg ziehen, kann noch nicht ganz sicher gesagt werden.
Auf jeden Fall ist die Ausgabe einer Dauerregenwarnung (Unwetter) für die
Gebiete südlich der Donau sicherlich nicht ganz verkehrt. In den Nordwesten
Deutschlands gelangt dabei mit zunehmend westlichem Wind eine noch etwas kühlere
Luftmasse, wobei sich in der Prognosekarte noch eine schwache Kaltfront
identifizieren ließ. Diese Luftmasse ist im Norden und Westen etwas labil
geschichtet, so dass moderate CAPE-Werte zustande kommen. Zudem steht durchaus
auch um 25 l/qm niederschlagbares Wasser zur Verfügung, so dass auch
stellenweise Starkregen möglich ist. Häufig werden die einzelnen Gewitter auch
die gelbe Farbe bekommen, zumal auch die Windverhältnisse in der unteren
Troposphäre recht schwach sind. Am freundlichsten wird das Wetter in einem
Streifen von der Pfalz bis nach Vorpommern, wo es wohl weitgehend trocken
bleibt, häufiger die Sonne heraus kommt und Temperaturen um 25 Grad erreicht
werden.
In der Nacht zum Mittwoch schwenkt der Trog weiter ostwärts und seine Achse
erreicht Ostfrankreich. Mit dem Trog wird hochreichend labile subpolare
Meereskaltluft nach Deutschland geführt und in 850 hPa sinkt die Temperatur fast
überall auf Werte unter 10 Grad ab. Dadurch werden vor allem im Westen und
Norden Schauer und Gewitter simuliert, die lokal auch mit Starkregen verbunden
sein können. Der Dauerregen (wenn es denn einer ist) soll aber in der zweiten
Nachthälfte von Westen her nachlassen, im Südosten simulieren die Modelle
weiterhin kräftigen Regen, der aber dann stratiformer Natur sein dürfte. WRF
simuliert dann schwächere schauerartige Niederschläge.

Mittwoch ... gelangt das Vorhersagegebiet in den unmittelbaren Trogbereich. Im
Bodenfeld verstärkt sich am Südwestrand eines umfangreichen Tiefdruckkomplexes
über Skandinavien die Advektion polarer Meeresluft, die Temperaturen in 850 hPa
sinken auf 5 Grad im Nordwesten und 8 Grad in der Lausitz. In der hochreichend
labilen Luftmasse (unter -20 Grad in 500 hPa) innerhalb des Troges entwickeln
sich im Tagesverlauf zahlreiche Schauer und Gewitter, wobei sich die
Begleiterscheinungen meist auf starke bis stürmische Böen und Graupel bzw.
kleinkörnigen Hagel beschränken. Die simulierten Mengen bewegen sich - erneut
mit Modelldifferenzen bzgl. der räumlichen Verteilung - meist zwischen 2 und 10
mm, gebietsweise, am ehesten in den West- bis Nordweststaulagen der
Mittelgebirge und an den Alpen, werden Mengen bis an die 20 mm simuliert.
Erheblich mehr simuliert Cosmo-EU im Hunsrück und Vogelsberg. Der Druckgradient
verschärft sich noch etwas und unterstützt durch den Tagesgang kann es dann auch
außerhalb der Gewitter vereinzelt starke Böen geben - am ehesten in
Süddeutschland - auf einigen Mittelgebirgs- und Alpengipfeln sind auch
stürmische Böen oder Sturmböen möglich. Die Sonne zeigt sich am ehesten noch in
den Küstenregionen, zwischen den Schauern kommt sie aber auch anderswo mal zum
Vorschein, vor allem im Lee der Mittelgebirge. Die Höchstwerte erreichen in den
westlichen Mittelgebirgen kaum 15 Grad, sonst etwa 16 bis 22 Grad, mit den
höchsten Werten am Oberrhein und in der Lausitz.

In der Nacht zum Donnerstag erreicht die Achse des Troges die Mitte Deutschlands
und bodennah stellt sich eine nordwestliche Strömung ein. Mit dieser gelangt die
5-Grad-Isotherme in 850 hPa bis in den Süden und Osten Deutschlands. Aufgrund
der Labilität im Trogbereich kommt es zu häufigen Schauern, wobei die deutschen
Modelle (ICON und Cosmo-EU) deutliche Verstärkungen in einem Streifen von Hessen
bis Brandenburg zeigen. Bei Cosmo-EU werden dabei extreme Werte bis über 100 mm
simuliert, die nicht realistisch erscheinen.

Donnerstag ... verbleibt Deutschland im Bereich des Troges, allerdings spaltet
sich über den Alpen ein Höhentief ab, das südwärts zieht und die Achse des
nördlichen Trogresiduums verlagert sich ostwärts. Das Temperaturniveau steigt in
höheren Schichten wieder etwas an, bodennah wird es eher noch etwas kühler,
womit die Labilität allmählich etwas abnimmt. Der Wind kommt am Rande eines
Hochs mit Schwerpunkt über der Biskaya weiterhin aus Nordwest und weht aufgrund
eines verstärkten Gradienten mitunter frisch, wobei im Bergland und an den
Küsten teils mit starken bis stürmischen Böen zu rechnen ist. Überwiegend ist es
wieder stark bewölkt, im Süden teils auch bedeckt. Dort kommt es aufgrund der
Staukomponente zu stärkeren Regenfällen, vor allem an den Alpen. Warnschwellen
werden aber voraussichtlich nicht überschritten. Im übrigen Land gibt es zwar
noch häufigere, meist aber nur noch leichte Schauer. Die Temperatur erreicht
meist nur noch 16 bis 21 Grad, im Süden bleibt es bei längerem Regen noch
kühler.


Modellvergleich und -einschätzung
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Auf synoptischer Skala simulieren die vorliegenden Modelle die Lage ähnlich.
Unterschiede, insbesondere bezüglich der Niederschläge, wurden oben diskutiert.



Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Peter Hartmann