DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

20-10-2019 17:01
SXEU31 DWAV 201800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 20.10.2019 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Allmählicher Übergang zu hochdruckbeeinflusstem Wetter mit jahreszeitüblicher
Grenzschichtproblematik.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 12 UTC
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Aktuell ... ist das Wochenende dabei, sich dem Ende entgegen zu neigen. Im
Grunde kann man das auch von der Großwetterlage sagen, die uns nun schon seit
Tagen begleitet. Während allerdings die Sache mit dem Wochenende unweigerlich
und ohne Diskussion vonstattengeht, ist die bevorstehende Wetteränderung eher
eine zähe Angelegenheit.
So dürfen wir davon ausgehen, dass auch zum morgigen Wochenstart noch immer die
wenig mobile, von Südwest nach Nordost exponierte Luftmassengrenze in Form einer
schleifend-wellenden Kaltfront auf den Wetterkarten erscheint, auch wenn der
Druck beginnt allmählich zu steigen. Die Trennung gealterter und
föhnmodifizierter Warmluft im Südosten (T850 10 bis 15°C, anfangs auch darüber)
von kühlerer subpolarer Meeresluft im Nordwesten (3 bis 8°C) ist zunächst
jedenfalls noch wiederzufinden. Doch bevor wir auf den Montag zu sprechen
kommen, erst noch ein paar Sätze zur kommenden Nacht.
Auf der Vorderseite des nach wie vor über West- und Südwesteuropa positionierten
Höhentrogs mit positiver Achsstellung wird ein flaches Tief (URBAN, Kernisobare
1010 hPa) mit südwestlicher Höhenströmung über Frankreich in Richtung
Belgien/Ostausgang des Ärmelkanals gesteuert. Derweil verkümmern die letzten
Reste des ehemals stolzen Zentraltiefs THILO über den grauen Fluten des Blanken
Hans. Anhängern dieses Tiefs sei aber zum Trost gesagt, dass es so etwas wie
Reinkarnation gibt. Konkret, aus einem kleinen unscheinbaren Teilkern von THILO,
der heute Mittag über Ostschweden lag, erwächst bis Montagmittag ein veritables
neues Tief, das via Finnland Nordwestrussland ansteuert. Es übt zwar keinen
Einfluss mehr auf unser Wetter aus, aber die Vita ist schon interessant.
Zum Wetter, da kommt es in der Nacht im Westen und Norden noch zu weiteren
Regenfällen, die sich tendenziell aber abschwächen. Zum einen bröckelt die
Baroklinität an der Luftmassengrenze etwas, zum anderen wird die bis dato
hebungsfördernde WLA von Südwesten her durch KLA abgelöst. Damit kann auch die
zwischen Saarland und Eifel bis 21:00 MESZ laufende, kleinräumig auf Unwetter
(z.T. läuft es auf rund 50 mm innert 24 h hinaus) aufgestockte Dauerregenwarnung
auslaufen. Im Süden und Osten bleibt es trocken, allerdings nicht überall klar.
Entsprechend hält sich die Nebelneigung in Grenzen, gleichwohl können örtlich
Felder insbesondere an den Flussniederungen nicht ausgeschlossen werden.
Noch das Thema Föhn, der auf deutscher Seite bisher hinter den Erwartungen
zurückgeblieben ist. In den nächsten Stunden deutet sich eine Verringerung der
Druckdifferenz zwischen Süd- und Nordalpen an, was eine allmähliche Abschwächung
des Südföhns zur Folge haben sollte. Trotzdem, ganz zusammenbrechen tut er noch
nicht (Böen 8-9 Bft in den Hochlagen), ein Durchbrechen bis in die Täler wird
aber unwahrscheinlicher.

Montag ... wird der o.e. Höhentrog ordentlich in die Mangel genommen. Gleich
zwei substanzielle Höhenrücken (einer über dem Ostatlantik, der andere über Süd-
und Südosteuropa) arbeiten daran, dem Trog den Garaus zu machen, was zunächst
aber (noch) nicht vollständig gelingt. Immerhin kommt es zur Vollendung des
Prozesses, der sich heute schon angedeutet hat - einem multiplen Cut-Off.
Während der südliche Kern vom Westrand der Biscaya vor die portugiesische
Westküste zieht, positioniert sich das zweite, kleinere Höhentief unweit der
Rheinmündung, wo es unserem Freund URBAN (das flache Bodentief, das von
Frankreich gekommen ist) noch etwas Begleitschutz gewährt. Knapp nördlich davon,
also über der Nordsee, ist die Sollbruchstelle am vielversprechendsten, sprich,
die Erfolgsaussichten, eine Potenzialbrücke zwischen den beiden Rücken zu
schlagen, sind dort am besten.
Wie auch immer, die süd-südwestliche Höhenströmung über dem Vorhersageraum nimmt
zunehmend antizyklonale Konturen an, zudem greift im Westen und Nordwesten
weiterhin leichte KLA. Beides ist wenig bis gar nicht förderlich für dynamische
Hebungsprozesse, so dass der weiterhin präsenten, von SW nach NO ausgerichteten
Kaltfront mehr und mehr die Unterstützung entzogen wird (etwas PVA ist noch da).
Trotzdem bleibt es auch zu Beginn der neuen Woche nicht überall trocken. Vor
allem im Norden (teils an der Kaltfront, teils an der nordseeküstennahen
Okklusion) und im Südwesten regnet es zeit- und gebietsweise weiter, auch wenn
die Mengen verhalten bleiben und die 5mm-Marke (12 h) nur selten überschreiten
(am ehesten in SH und im Schwarzwald). Dass in der Luftmassengrenze tatsächlich
noch etwas Leben ist zeigt sich auch an der Tatsache, dass der Regen im
Südwesten kein Auslaufmodell ist, sondern im Laufe des Nachmittags und Abends
frisch und zollfrei aus der Schweiz importiert wird.
Im Osten und Südosten der Republik ist man über jeden Zweifel erhaben. Zwar
bricht der Föhn im Laufe des Tages zusammen und es mogeln sich auch einige
Wolken von Südwesten herein, gleichwohl scheint zeitweise die Sonne und trocken
bleibt es sowieso. Mit 18 bis 23°C, im Berchtesgadener Land vielleicht sogar bis
25°C wird es dort ein sehr milder bis warmer Oktobermontag, doch auch in den
übrigen Landesteilen sind die avisierten 13 bis 19°C alles andere als kalt.

In der Nacht zum Dienstag wird weiterhin am Aufbau der Potenzialbrücke
gearbeitet und auch am Boden steigt der Luftdruck langsam aber stetig an. Die
Folge ist eine breite Brücke über Teilen Mitteleuropas respektive Deutschland,
die das leicht nach Norden verschobene Azorenhoch mit einem Hoch über Russland
verbindet. Gleichzeitig wird Tief URBAN seine Karriere über der südwestlichen
Nordsee beenden und nur noch als alternder, unbedeutender Resttrog in
Erscheinung treten. Angesichts solcher Rahmenbedingungen hat es die besagte
Luftmassengrenze über Deutschland - so kämpferisch sie sich auch geben mag -
schwer, noch nennenswerte Impulse zu setzen. So lassen die anfänglichen
Regenfälle im Süd- und Nordwesten mehr und mehr nach, es bleibt aber noch eine
Menge frontaler Restbewölkung übrig, die sehr wahrscheinlich eine überregionale
Nebellage verhindern wird.

Dienstag ... setzt sich der Trend in Richtung Hochdruckeinfluss weiter fort.
Zwar wird es wohl nichts mit der angestrebten Potenzialbrücke, auf der anderen
Seite scheint der Höhenrücken über Süd-Südosteuropa potent genug, die
Bodenhochdruckbrücke über Mitteleuropa noch etwas zu kräftigen. Ob es am Ende
für die vom 00-UTC-Lauf noch ins Spiel geworfene 1025-hPa-Hochparzelle reicht,
ist nach der neuesten Version von 12 UTC zwar fraglich, an der Grundausrichtung
ändert sich aber nichts. Der Widerstand der Luftmassengrenze wird endgültig
gebrochen, mit Ausnahme des Nordwestens, wo es hin und wieder noch mal etwas
tröpfeln oder nieseln kann, bleibt es am Dienstag trocken. Im Osten und Süden
scheint zeitweise die Sonne bei Temperaturmaxima zwischen 16 und 21°C. Ansonsten
stehen bei überwiegend stark bewölktem Himmel 13 bis 18°C auf der Karte.

In der Nacht zum Mittwoch ändert sich wenig an der Großwetterlage, was im
Umkehrschluss bedeutet, dass nun die herbstliche Grenzschichtmeteorologie
zunehmend in den Fokus der Betrachtungen rückt. Mit anderen Worten Parameter wie
"Niederschlag, Gewitter und Wind" weichen so schönen Begriffen wie Nebel und
Hochnebel. Dieser bildet sich unterhalb der zwischen 900 und 800 hPa liegenden
Absinkinversion, sofern sich die Restbewölkung auflöst, was wohl noch nicht
überall der Fall sein wird. Von daher belassen wir es an dieser Stelle mit
Allgemeinplätzen und widmen uns erst morgen detaillierteren Angaben. Nur so viel
für den Augenblick, ein wirklicher Luftmassenaustausch findet nicht statt.
Trotzdem wird es tendenziell kühler, was auf die strahlungsbedingte nächtliche
Abkühlung und nicht auf advektive Prozesse zurückzuführen ist. Im Falle längeren
Aufklarens geht die Temperatur im Norden und Westen stellenweise auf unter 5°C
zurück, die Bodenfrostgefahr bleibt zunächst aber noch gering.

Mittwoch ... sorgt Druckfall über Westeuropa für eine Unterbrechung der
Hochdruckbrücke. Vom westlichen Mittelmeer her zieht ein flaches Tief gen
Biscaya/Westfrankreich. Gleichzeitig verlagert sich der Schwerpunkt der
Hochdruckzone etwas nach Osten, was Deutschland bodennah in eine schwache
ost-südöstliche, darüber mehr südliche Strömung bringt, mit der auf
antizyklonaler Spur milde bis sehr milde, im Süden durch Überströmung der Alpen
sogar warme niedertroposphärische Luftmassen zu uns gelangen (Anstieg T850 bis
zum Abend auf rund 10°C im Küstenbereich und bis zu 20°C am Alpenrand.
Nun ist klar, dass sich diese Werte zu dieser Jahreszeit nicht mehr so einfach
auf die 2m-Temperatur projizieren lassen, was auch gut so ist, würden wir doch
sonst Ende Oktober dem Hitzekollaps nahekommen (etwas übertrieben formuliert).
Kurzum, die Grenzschicht entkoppelt sich mehr und mehr von der unteren
Troposphäre, wenn auch nicht vollständig. Die genaue Temperaturentwicklung hängt
letztlich von der Verteilung des Nebels und Hochnebels ab, die sich zum Teil
erst recht spät auflösen oder dies hier und da überhaupt nicht mehr tun. Nun
will der Verfasser an dieser Stelle nicht Cassandra bemühen und nur grauen
Trübsal blasen. Es wird noch genug Regionen in Deutschland geben, die reichlich
Sonne abbekommen und in denen die Temperatur in die Nähe des
"Kurze-Hosen-Bereichs" ansteigt. Bevorzugt sind diesbezüglich der Alpenrand und
das südliche Vorland, wo erneut der Südföhn seine Finger im Spiel haben dürfte
und sich die Luft auf über 20°C erwärmt. In der Vorhand sind zudem allgemein die
Hochlagen der Mittelegebirge sowie deren Leeseiten (in diesem Fall die West- und
Nordwestseiten), was z.B. weite Teile NRWs nach vorne bringt. Allgemein werden
Tageshöchstwerte von 15 bis 20°C anvisiert, bei stärkerer Bewölkung im Norden um
14°C, bei zähem Nebel aus frischer Nacht z.T. nur rund 10°C.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die bevorstehende Umstellung der Großwetterlage in Richtung antizyklonal ist
unstrittig. Damit nimmt auch die Warnerregung ab bzw. fokussiert sich auf
mögliche Nebelwarnungen, was traditionell immer etwas mit Glücksspiel zu tun
hat. "Zocken im Dienst", auch nicht schlecht.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann