DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

16-10-2019 17:30
SXEU31 DWAV 161800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 16.10.2019 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Wechselhafte, aber recht milde Südwestlage. Mehrfache Wellenbildung quer über
Deutschland. Abseits davon im Nordwesten Schauer und Gewitter, im Südosten
freundlich.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 12 UTC
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Aktuell ... hat kaum nach Abzug des ehemaligen Unwettertiefs aus Vorpommern, das
in der vergangenen Nacht in einem Streifen vom Waldecker Land bis zur Elbmündung
heftige Starkregenfälle mit teils über 30 l/qm binnen einer Stunde brachte, von
Westen bereits das nächste Frontensystem auf Deutschland übergegriffen. Somit
setzt sich in der zyklonal geprägten Südwestströmung der wechselhafte, aber
recht mild geprägte Witterungsabschnitt fort. Das ist der allgemeinen
Druckkonstellation geschuldet, bei der ein wirklich umfangreiches, steuerndes
Sturmtief mit einem Kerndruck um 975 hPa nahezu ortsfest westlich von Irland
liegt. Diesem ist ein Frontensystem vorgelagert. Vom Okklusionspunkt über der
Doggerbank erstreckt sich die Warmfront bis zur Rheinmündung. Die Kaltfront
verläuft über die Straße von Dover über die Bretagne hinweg bis zum Kap
Finisterre bis sie östlich der Azoren in eine neue Welle mündet. Diese zeichnet
sich schon den ganzen Tag über durch sichtbar kräftige Konvektion am Südrand des
Warmsektors im Satellitenbild aus.
In der postfrontalen Subsidenzzone hat sich am Boden ein flacher Keil über den
Britischen Inseln aufgewölbt, woraus letztlich noch eine leichte Schubkomponente
(Westdrehung der niedertroposphärischen Winde) für die Front resultiert. Die
Warmfront erreicht so bis Donnerstag Früh die vorpommersche Küste, die Kaltfront
nähert sich Ems und Niederrhein an. Im Warmsektor gelegen, bleiben die
Tiefstwerte in der erwärmten Atlantikluft vielerorts im zweistelligen Bereich.
Im Stau der westlichen Mittelgebirge kommen über die Nacht hinweg gut und gerne
10 bis 15 l/qm zusammen.

Von dieser Entwicklung ausgenommen bleiben noch längere Zeit große Teile
Baden-Württembergs und Bayerns, wo schwacher Hochdruckeinfluss in einer
kontinentaleren Luftmasse (Taupunkte unter 5 Grad) noch längere Zeit für klaren
Himmel sorgt. Von Niederbayern bis nach Garmisch greift mehrschichtige Bewölkung
erst zum Sonnenaufgang über, weshalb es lokal zuvor für leichten Frost in
Bodennähe reicht. Daran merkt man dann doch, dass wir uns - trotz allgemein eher
milder Witterung - schon in der zweiten Oktoberhälfte befinden. Die Nebelneigung
ist aufgrund der trockenen Luftmasse und Bewölkungszunahme zum Morgen hin eher
gering und voraussichtlich prädestinierten Lagen entlang von Donau und Inn
vorbehalten.

Noch ein kurzes Wort zum Wind: Der bleibt in der Nähe zur Frontalzone vor allem
über den zentralen Mittelgebirgen lebhaft mit starken, in den Gipfellagen
stürmischen Böen. In tiefen Lagen entkoppelt er in der stabilen Schichtung auch
im Osten eingangs der Nacht recht rasch.

Donnerstag ... hat sich der postfrontale Bodenhochkeil auf dem Weg nach Osten
dermaßen abgeflacht, dass das Frontensystem zunehmend strömungsparallel (Südwest
bleibt Trumpf) einmal quer über Deutschland von der Ostsee bis zum Saarland
verläuft. Dabei handelt es sich nach Abzug der Warmfront Richtung Südschweden um
die zur Wellenbildung neigende Kaltfront mit Anacharakter. Bei Vergrößerung der
Auflösung sind zwei Sekundärtröge in der in erster Näherung recht glatten
Höhenströmung auszumachen. Der erste schwenkt bereits am Vormittag über Rügen
nordostwärts ab, der zweite erreicht zum frühen Abend von Ostfrankreich den
Südwesten. Ergo ergeben sich jeweils Niederschlagsschwerpunkte in den
Frühstunden noch in Ostseenähe und zum Abend im Südwesten mit maximal 10 l/qm
binnen 6 Stunden. Dazwischen krümmen sich vor allem im Bodenfeld die Isobaren
vorübergehend mal schwach antizyklonal. Das überlagerte schwache Absinken äußert
sich in einem relativen Minimum der Wetteraktivität, so dass aus der starken
Bewölkung nur vereinzelt etwas Regen fällt.

Postfrontal gibt es an der Nordsee zeitweise Auflockerungen. Südlich der Donau
wird nach Auflösung lokaler Frühnebelfelder durch hohe und mittelhohe
Wolkenfelder längere Zeit die Sonne scheinen und es bleibt trocken bei
Höchstwerten von 20 Grad. Im frontalen Geschehen sind eher Höchstwerte zwischen
14 und 17 Grad zu erwarten, die sich aber trotzdem vergleichsweise mild
anfühlen.

Wind? Wie gehabt! In exponierten Gipfellagen einzelne Wind- und Sturmböen, sonst
eher schwach bis mäßig - südlich der Donau weitestgehend entkoppelt aus
östlichen Richtungen, sonst allgemein aus Süd bis Südwest. Für Föhn ist der
Gradient zu schwach (4 hPa Bozen-Innsbruck) und die generelle Anströmung mit zu
viel Südwesteinschlag. Daher erklären sich die hohen Sonnenanteile eher mit
Erhalt der trockeneren Kontinentalluft im Vergleich zur Atlantikluft über der
Mitte sowie der stärksten Nähe zum (schwachen) Hoch über Italien respektive
Südosteuropa.

In der Nacht zum Freitag schwenkt der o.e. Randtrog einmal quer von Südwest nach
Nordost über Deutschland hinweg und mithin auch ein flaches Wellentief am Boden.
Dessen Scheitel tendiert zum Morgen über Jütland angekommen zu einer
eigenständigen Rotation und kommt in diesem Stadium angelangt dann nicht mehr
ganz so flach daher. Somit ist in einem Streifen vom Saarland und
Rheinland-Pfalz über Südniedersachsen bis nach Vorpommern mit länger anhaltenden
Regenfällen zu rechnen, die flächendeckend 5 bis 10 l/qm, punktuell auch etwas
darüber abwerfen.
Im Südosten gibt es erneut allenfalls einen Streifschuss mittelhoher Bewölkung,
die die Ausstrahlung etwas hemmt, aber keine Niederschläge bringt. Mit
Tiefstwerten von 8 bis 4 Grad bleiben Niederbayern und der Alpenrand - zumindest
in den frühen Morgenstunden - die kälteste Ecke des Landes.

Unterdessen nähert sich im Nordseeumfeld langsam der Haupttrog an, der mit
seinem Schwerpunkt Irland erreicht. In diesem Zusammenhang gehen die
Temperaturen in 500 hPa auf unter -20 Grad zurück und die Schichtung beginnt zu
labilisieren. Unterstützt durch das noch 15 Grad warme oberflächennahe
Nordseewasser kann es mithilfe diabatischer Unterstützung erste Schauer oder
kurze Gewitter geben.

Freitag ... bleibt das Vorhersagegebiet im Einflussbereich des nach wie vor
umfangreichen, steuernden Tiefs mit Kern über Irland. Aufgrund seiner längst
achsensenkrechten Position hat es aber in etwas an Stärke eingebüßt (Kerndruck
noch rund 990 hPa). Dabei bildet es zunehmend einen Dipol Richtung Doggerbank
aus. An dessen Südflanke formt ein zum Englischen Kanal vorstoßendes IPV Maximum
einen scharfen Geopotentialtrog, der im Laufe des Nachmittags über die Deutsche
Bucht hinwegschwenkt. Das begünstigt insbesondere im Nordseeumfeld den Erhalt
und die Neubildung zahlreicher Schauer und Gewitter, die aufgrund des scharfen
Troges und satter Scherung (20-30 m/s zwischen 0 und 6 km, 10-15 m/s zwischen 0
und 1 km) mit hoher Wahrscheinlichkeit in "Kommaform" angeordnet sein werden.
Berücksichtigt man dazu Höhenwinde von rund 45 Knoten in 700 hPa, so muss in
Verbindung mit Gewitter mit Sturmböen gerechnet werden - für mehr reicht es wohl
nicht. Aber auch aus dem Gradienten heraus sind im Nordwesten starke Böen (Bft 6
bis 7), auf den Nordseeinseln und in den Kammlagen stürmische Böen zu erwarten.

Ansonsten herrscht in der Nordhälfte nach Abzug der nächtlichen Welle
"Rückseitenwetter light", da die Labilisierung doch recht schleppend
vonstattengeht. So wird die Auslöse zwar mit 15 bis 18 Grad relativ schnell
erreicht, bis sich die aufsteigenden Luftpakete aber über die 0 Grad Grenze in
etwa 750 hPa kämpfen (gerade nach Osten zu), wird es wohl später Nachmittag und
damit der Höhepunkt der kurzwelligen Einstrahlung bereits überschritten sein.
Abseits der Nordsee erfährt die Konvektion auch keine signifikante dynamische
Unterstützung.

Entlang von Main und Neckar kommt die Front ins Schleifen, wobei die meist nur
leichten Niederschläge dort ebenfalls zunehmend konvektiven Charakter annehmen.
Auch präfrontal kann sich (schwach gedeckelt) etwas CAPE aufbauen, das an
Schwarzwald und Alb mithilfe der Orographie stellenweise auch in Form von
Konvektion umgesetzt wird. Womöglich hilft hier am ehesten noch die sich
südwärts - wenngleich deutlich schwächer - fortsetzende Achse des Nordseetroges.


Die komplett trockenen Gebiete mit Sonnenschein werden dabei immer kleiner und
beschränken sich vorrangig noch auf die Oberlausitz, sowie vom Bayerwald bis zum
Inn. Die Höchstwerte bleiben unverändert (dort weiterhin mit dem größten
Tagesgang) bei 15 bis 20 Grad.

In der Nacht zum Samstag rotiert die Achse des Dipols um etwa 45 Grad zyklonal
weiter. Dadurch spielt der Nordseetrog rasch keine Rolle mehr und schwenkt
weiter nach Mittelschweden. Durch die im Gegenzug zur Biskaya verlagernden
Trogachse des Hauptdrehzentrums steilt die Strömung über Deutschland wieder
etwas auf. Im Lee der Pyrenäen bildet sich eine neue Welle aus und im Laufe der
Nacht kommen im Südwesten bei sich verstärkender WLA neue skalige Regenfälle
auf. Richtung Oberrhein und Schwarzwald sind Mengen über 10 l/qm binnen 6
Stunden wahrscheinlich. Eine Überschreitung von Warnschwellen (>25 l/qm binnen
12h) ist momentan aber nicht absehbar.

Samstag ... arbeitet sich das Zentrum des Höhentiefs nur unwesentlich weiter
nach Osten voran und liegt mit positiver Achsenneigung über England mit Trog zur
Biskaya gerichtet. Die Luftmassengrenze, die milde Kontinentalluft im
Alpenvorland (T850 hPa nahe 10 Grad) von nicht mehr ganz so milder Atlantikluft
(inzwischen eher erwärmte Subpolarluft mit 850 hPa Temperaturen wenig über 0
Grad) über dem Nordwesten trennt, verläuft strömungsparallel quer über
Deutschland. Dabei löst sich eine flache Welle über Südwestdeutschland ab und
wird rasch zur südlichen Ostsee gesteuert. Nach einer kurzen Regenpause greift
voraussichtlich im Laufe des Tages im Zuge einer weiteren Welle auf den
Südwesten erneut Regen über. Je weiter man nach Nordwesten geht, desto näher die
Höhenkaltluft und labiler geschichtet ist die Troposphäre, weshalb vor allem im
Nordseeumfeld eher wechselhaftes Schauerwetter dominiert. Details diesbezüglich
sind aber noch sehr unsicher, da hierfür die Höhenkonfiguration von
entscheidender Bedeutung ist. Ein flacher Kurzwellentrog etwas schärfer und
zeitlich um ein paar Stunden versetzt kann zu völlig anderen
Niederschlagsprognosen führen, von daher lohnt es sich an dieser Stelle auch
nicht weiter ins Detail zu gehen.

Festzustellen bleibt noch, dass Gradientzunahme (Trogannäherung) und Aufsteilen
der Strömung inzwischen für eine Föhnlage an den Alpen ausreichen sollten. Auf
höheren Alpengipfeln sind Sturmböen, auf der Zugspitze auch orkanartige Böen
über 100 km/h zu erwarten.


Modellvergleich und -einschätzung
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Abgesehen von zeitlichen und räumlichen Unschärfen in der
Niederschlagssimulation, die bei derartigen Lagen vollkommen normal sind,
ergeben sich keine signifikanten Modellunterschiede. Bis einschließlich Samstag
sind Überschreitungen von warnwürdigen Dauerregenschwellen unwahrscheinlich (am
ehesten angekratzt evtl. im Schwarzwald und Pfälzerwald).


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Robert Hausen