DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

15-10-2019 17:30
SXEU31 DWAV 151800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 15.10.2019 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
In der Nacht zum Mittwoch im Norden gebietsweise teils gewittriger Starkregen.
Im Süden vorübergehend auffrischender Wind.
In den nächsten Tagen milde aber wechselhafte Südwestlage.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 12 UTC
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Aktuell ... weist die großräumige Potenzialverteilung weiterhin ein stark
mäandrierendes Muster auf. Dabei fällt ein Hauptdarsteller ins Auge, der auf das
hiesige Wettergeschehen bisher noch keinen nennenswerten Einfluss hat. Es
handelt sich um keinen Geringeren als das hochreichende Sturmtief THILO, das
seine Zelte über dem Seegebiet süd-südwestlich von Island aufgeschlagen hat. Wie
es sich für ein steuerndes Zentraltief gehört (Kerndruck am Abend übrigens um
970 hPa) halten sich seine Ambitionen, sich vom Fleck wegzubewegen, sehr in
Grenzen; kurzum, das Tief verlagert sich bis Mittwochfrüh nur geringfügig
ostwärts.
Als Konterpart zum Zentraltief fungiert ein breiter Höhenrücken, der
schwerpunktmäßig über Südosteuropa respektive dem Schwarzen Meer liegt, von wo
aus er seine Fühler bis nach Südskandinavien und dem Europäischen Nordmeer bzw.
dem westlichen Mitteleuropa aussteckt. Damit wäre auch schon die Erklärung für
das heute in weiten Teilen des Landes noch mal sonnenscheinreiche und relativ
hochtemperierte Spätsommerwetter gefunden (erneut wurden einige Sommertage mit
mehr als 25°C registriert).
Für den Verlauf in naher Zukunft sind allerdings Systeme von Bedeutung, die
bisher noch nicht erwähnt wurden. Da wäre zuerst ein negativ geneigter Randtrog
mit gut ausgeprägter Amplitude zu nennen, der sich ausgehend vom hochreichenden
Atlantiktief in südöstliche Richtung erstreckt. Heute Abend 18 UTC reicht seine
Achse in 300 hPa etwa von Mittelengland über Frankreich bis hinunter zum
Löwengolf. Er wird im Laufe der Nacht nordostwärts schwenken und damit den
Vorhersageraum erreichen. Der Trog ist zwar nicht besonders flott unterwegs,
dafür ist er ein recht kraftvoll aufgestellter Geselle, was u.a. an der
IPV-Anomalie erkennbar ist. Auf seiner Vorderseite findet sich ein gut
ausgeprägtes, sehr hebungsförderndes PVA-Maximum, das allerdings durch KLA
teilkompensiert wird.
Neben dem Trog ist eine Kaltfront zu nennen, die zu einem flachen Tief über der
nördlichen Nordsee gehört. Es handelt sich um eine klassische, zur Wellenbildung
neigende Anafront, die Teile West- und Südwestdeutschlands bereits hinter sich
gelassen hat. Sie trennt für Mitte Oktober außergewöhnlich warme Subtropikluft
im Osten (T850 13 bis 17°C) von erwärmter Meeresluft subpolaren Ursprungs im
Westen (Rückgang T850 auf 8 bis 3°C).
Um den Kohl nun noch richtig fett zu machen, sei noch ein flaches, teils
thermisch induziertes, teils durch den alpinen Südföhn entstandenes Tief erwähnt
(inzwischen konnte schon eine bis in die Mitte reichende Rinne analysiert
werden), das sich in den nächsten Stunden in Richtung Ost- und
Nordostdeutschland und von dort weiter gen Ostsee auf den Weg macht.
Jetzt endlich natürlich die alles entscheidende Frage, wir wird denn nun das
Wetter? - Zunächst mal kommen Kaltfront nebst postfrontalem Regengebiet langsam
aber sicher ostwärts voran, wobei die Front durch die negative Achsneigung des
nachstoßenden Randtrogs im Süden schneller vorankommt als im Norden. Apropos
nachstoßender Randtrog, der Abstand zwischen eben diesem und der vorlaufenden
Kaltfront verringert sich sukzessive, was wiederum eine wachsende Interaktion
der beiden zur Folge hat. Gute Zusammenarbeit trägt Früchte, so auch in diesem
Fall, wo die Niederschlagsintensität im Norden deutlich zunimmt. Hinzu kommt
eine andauernde Feuchteflusskonvergenz, die durch die Nordverlagerung des
thermischen Tiefs noch etwas verschärft wird. Spezifische Grundschichtfeuchte
von rund 10 g/kg und PPWs über 30 mm lassen durchaus höhere Regenmengen zu, die
von den Modellen mit 20 bis 30 mm, punktuell um 40 mm innert weniger Stunden
veranschlagt werden. Wahrscheinlich bildet sich in den Abendstunden irgendwo im
Bereich Nordhessen/Ostwestfalen ein teils gewittriger Cluster, der im weiteren
Verlauf über Niedersachsen in Richtung SH/Mecklenburg zieht.
Apropos Gewitter, diese können nicht nur im Bereich des Starkregenclusters,
sondern als diskrete Zellen allgemein im Frontbereich (und somit am Vorderrand
des Regengebiets) auftreten, vor allem im Norden und in der Mitte. Die Luftmasse
ist leicht labil geschichtet und abgehobenes MU-CAPE (einige 100 J/kg) ist
zumindest in der ersten Nachthälfte vorhanden. Wenn Gewitter auftreten, dann
müssen Starkregen und/oder Böen 7-8 Bft ins Kalkül gezogen werden.
In Süddeutschland ist die Gewitterwahrscheinlichkeit deutlich niedriger als
weiter nördlich. Auch regnet es wegen der geringeren dynamischen Unterstützung
weniger, gleichwohl reicht es an den Alpen für rund 10 mm/12 h. Dabei sinkt die
Schneefallgrenze auf etwa 1800 m, inneralpin sogar noch etwas darunter.
Thema Wind, der frischt im Süden von West nach Ost vorübergehend böig auf (7-8
Bft, Hochlagen exponiert 9 Bft) mit einer krassen Winddrehung von Ost auf
westliche Richtungen. Ursache ist die Passage einer markanten Druckwelle nach
Abzug des Föhntiefs, die zum Aufbau eines von Schweiz bis nach Süddeutschland
reichenden Hochkeils führt. Auch in den mittleren Landesteilen verschärft sich
der Gradient zwischen dem abziehenden Tief und dem Hochkeil so weit, dass die
eine oder andere 7er-Böe (im höheren Bergland auch 8 Bft) dabei herausspringt.
Der Chronistenpflicht halber sei noch erwähnt, dass sich Richtung Oder, wo es
bis zum Morgen noch trocken und wolkenarm bleibt, einige Nebelfelder bilden
können.

Mittwoch ... schwenkt der Randtrog nordostwärts durch, was im Süden ziemlich
flott, im Norden hingegen eher widerwillig vonstattengeht. Folglich tut sich
auch die Kaltfront schwer, den Norden oder besser Nordosten zu verlassen, ist ja
auch ´ne schöne Gegend dort. Mittlerweile hat sich die Front dem sich über der
Ostsee intensivierenden ehemaligen Föhntief angeschlossen, während das
ursprüngliche "Muttertief" SEBASTIEN irgendwo im Übergangsbereich von Nordsee
zum Nordmeer sein Leben aushaucht (kurze Anmerkung: die Namensgebung der FU
Berlin sieht in dem Tief über der Ostsee SEBASTIEN, was de facto aber nicht
richtig ist; hier hätte man einen neuen Namen vergeben müssen).
Nun sind Namen nur Schall und Rauch, entscheidend ist, was auf dem Parkett
wirklich abgeht. Und da lässt sich konstatieren, dass es im Nordosten noch
längere Zeit schauerartig verstärkt regnet, am längsten (bis weit in den
Nachmittag) in Vorpommern. Akkumuliert über 12 h können dabei noch mal 5 bis 15
mm zusammenkommen, die von GFS (00- und 06-UTC-Läufe) angebotenen Peaks von
30-40 mm haben Alleinstellungsmerkmal).
Hinter dem abziehenden Randtrog schiebt sich ein flacher Rücken über den
Vorhersageraum, der für schwachen Zwischenhocheinfluss sorgt. So lockert die
Bewölkung nach Abzug des Regens zwischen Nordsee und Sachsen, später auch weiter
nordöstlich vorübergehend mal auf, und in weiten Teilen Bayerns und BWs zeichnet
sich sogar ein sonniger bis locker bewölkter Tag ab. Ansonsten wurde das
Attribut "schwach" beim Zwischenhocheinfluss bewusst gewählt, wird doch der
flache Rücken einmal mehr von WLA überlaufen, die von Westen her nicht nur
reichlich mehrschichtige Bewölkung über die Mitte ost-nordostwärts verfrachtet,
sondern am Nachmittag und Abend gebietsweise auch leichten Regen bringt.
Dann wäre da noch der Wind, der aus Süd bis Südwest kommend in den mittleren
Landesteilen zeitweise böig auffrischt mit Böen 7 Bft in freien Lagen (und im
Lee der Mittelgebirge) und Böen 8 Bft in exponierten Hochlagen (die treten am
Vormittag auch noch in den Hochlagen Süddeutschlands auf). Auf dem Brocken
schwingt sich der Wind in Böen sogar bis in den 9/10er-Bereich auf, was dort
aber nichts Besonderes ist.
In der frisch eingeflossenen erwärmten subpolaren Meeresluft werden immer noch
Höchstwerte zwischen 16 und 21°C erreicht (am wärmsten der südliche
Oberrheingraben und der Hochrhein), lediglich im Dauerregen Nordostdeutschlands
wird es wohl nix werden mit dem Überschreiten der 15°C-Marke.

In der Nacht zum Donnerstag hat sich das hochreichende Zentraltief THILO
inzwischen dichter an Irland herangemogelt. Die zugehörige Okklusion verläuft im
Bogen über die Nordsee und Frankreich hinweg nach Südwesten, ohne dabei den ganz
großen Zugriff auf den Vorhersageraum zu bekommen. Trotzdem steht der
Nordwesthälfte eine wolkenreiche Nacht mit zeitweiligen leichten, im Bergland
auch mal mäßigen Regenfällen bevor. Die nötigen Hebungsimpulse liefern schwache
WLA sowie in der südwestlichen Höhenströmung nordostwärts ablaufende kurze
Wellen.
Nach Südosten hin bleibt die Szenerie leicht antizyklonal geprägt, meint
trocken, vielfach wolkenarm, teilweise sogar klar. In den Flussniederungen (vor
allem an Donau), vielleicht auch im Alpenvorland bildet sich gebietsweise Nebel,
außerdem besteht im Südosten Bayerns Bodenfrostgefahr. Der auf südliche
Richtungen rückdrehende Wind bleibt in exponierten Hochlagen frisch, in Böen
teils stürmisch, auf dem Brocken auch sehr stürmisch.

Donnerstag ... verbleibt Deutschland unter der südwestlichen, leicht diffluent
geprägten Höhenströmung vorderseitig des sich nun noch dichter an Irland
annähernden, sich etwas auffüllenden Zentraltiefs. In dieser SW-Strömung ziehen
weiterhin kurzwellige Troganteile nordostwärts über den Vorhersageraum hinweg,
die die allmählich von Nordwesten übergreifende Okklusion in ihren Bemühungen,
Wetter zu produzieren, tapfer unterstützen. Kurzum, im Westen, im Norden sowie
in weiten Teilen der Mitte präsentiert sich der Donnerstag wolkenverhangen und
vielfach regnerisch, auch wenn unter dem Strich gar nicht so viel Regen fällt.
Bis zum Abend sind es meist weniger als 5 mm/12 h, der Wettercharakter wird
dadurch aber nicht wesentlich freundlicher.
Wer es auf Sonnenschein abgesehen hat, sollte sich gen Süd- und Ostbayern
orientieren, wo leichter Hochdruckeinfluss wolkenauflösend wirkt und es am
Alpenrand sogar etwas föhnig wird. Dort wird es mit rund 20°C auch am wärmsten,
aber auch sonst wird es in Deutschland mit Maxima zwischen 14 und 19°C alles
andere als kalt. Windmäßig wird der Tag auch nicht in die Annalen besonderer
meteorologischer Ereignisse gehen, einzig im Bergland reicht es hier und da für
Böen 7-8 Bft, je nach Exposition.

In der Nacht zum Freitag kommt die Okklusion geringfügig ost-südostwärts voran,
was auch für den zugehörigen Regen gilt. Die Mengen bleiben aber überschaubar
fernab jedweder Warnrelevanz. Hin und wieder gibt es ohnehin auch mal
niederschlagsfreie Phasen und im äußersten Südosten bleibt es wahrscheinlich
ganz trocken (=> Nebelfelder).
Eine besondere Würdigung geht in Richtung Nordwesten, also in die postfrontale
Area, wo ein kleiner Schluck Höhenkaltluft hineingespült wird, die wiederum eine
leichte Labilisierung der einfließenden erwärmten Meereskaltluft initiiert. Die
Folge sind konvektive Umlagerungen bis hin zu vereinzelten Gewittern, vor allem
in Teilen NRWs und NDSs.

Freitag ... erreicht das Zentraltief endlich die "Grüne Insel", wo es sich
weiter auffüllt. Wir bleiben im Genuss der aufgrund ihrer strömungsparallelen
Exposition schleifenden, weitgehend stationären Okklusion. Wo sich dieses
Exemplar genau aufhalten wird, ist noch nicht ganz sicher. Auflockerungen sind
präfrontal im Osten und Südosten sowie postfrontal im Nordwesten am
wahrscheinlichsten, insgesamt gilt es aber, sich auf einen wolkenreichen und
wechselhaften Tag mit zeitweiligen, vereinzelt gewittrigen Regenfällen
einzustellen. Bei weiterhin milden 14 bis 20°C Höchsttemperatur frischt der
Süd-Südwestwind in der Mitte sowie im Westen und Nordwesten mitunter auf mit
Böen 7 Bft, Hochlagen 8 Bft (Brocken mehr), auf der Nordsee später 8-9 Bft.


Modellvergleich und -einschätzung
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An der grundlegenden Entwicklung bestehen keine Zweifel. Mit Unsicherheiten
behaftet sind immer noch der genaue Windablauf im Süden sowie der
Starkregen/Gewitter im Norden. Inzwischen liegen Hinweise vor, dass die
Druckwelle im Süden doch nicht so kräftig ausfällt wie ursprünglich simuliert.
Für den Starkregen/Gewitter wurde sich auf ein vergleichsweises kurzfristiges,
entwicklungsabhängiges In-situ-Warnmanagement geeinigt.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann