DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

10-07-2016 21:00
SXEU31 DWAV 101800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 10.07.2016 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Allmählicher Übergang zu TrM; Montag im Südosten Gewitter mit Unwetterpotential,
Dienstag in Südbayern Stark- oder Dauerregen, dabei ebenfalls Unwettergefahr.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 12 UTC
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Aktuell ... befindet sich Deutschland auf der Vorderseite eines Langwellentroges
über dem nahen Nordostatlantik. Ein kurzwelliger Anteil verlagert sich aktuell
über die Nordsee hinweg nordostwärts und erreicht Montagfrüh Mittelskandinavien.
Dabei werden die WLA- induzierten Hebungsprozesse über dem nördlichen
Mitteleuropa vor allem heute Abend und in der ersten Nachthälfte zusätzlich
durch trogvorderseitige PVA unterstützt.
Im Bodenfeld hat sich ein breiter Warmsektor über dem Vorhersagegebiet aufgetan.
Die verwellende Kaltfront des bis Montagfrüh zur schottischen Nordseeküste
ziehenden Tiefs greift im Laufe der Nacht auf den Nordwesten über.
Die potentiell instabile Luftmasse im Warmsektor ist aufgrund der kräftigen
niedertroposphärischen WLA vor allem in der Mitte und im Süden des Landes stark
gedeckelt, die 12 UTC-Temps von München und Stuttgart weisen eine CIN von -100
bis -200 J/kg auf. Somit sollte die Nacht dort ruhig verlaufen, eventuelle
Gewitter, die sich orographisch getriggert entwickelt haben oder noch entwickeln
werden (am ehesten an den Alpen, dort besteht dann auch rasch Unwettergefahr
durch Starkregen oder großen Hagel), lösen sich spätestens nach Mitternacht
wieder auf. Es bleibt aber sehr mild, die Temperaturen sinken in den
Ballungszentren kaum mehr unter 20 Grad.
Im Westen und Norden schwächt sich die Deckelung aufgrund der oben beschriebenen
Hebungsprozesse dagegen weiter ab. Präfrontal zur Kaltfront hat sich über dem
Nordwesten eine flache Tiefdruckrinne ausgebildet, die sich im Laufe der Nacht
über Norddeutschland hinweg ostwärts verlagert. Dabei können sich in den
kommenden Stunden eventuell noch Gewitter entwickeln. Bei ppw-Werten zwischen 35
und 40 mm und einer simulierten ML-Cape von 1000 bis 1500 J/kg, punktuell auch
darüber, können dann auch unwetterartige Entwicklungen, vor allem, was
Starkregen und Sturm angeht, nicht ausgeschlossen werden. Die markante
hochreichende Scherung (25 bis 30 m/s) in dieser Region lässt auch organisierte
Strukturen in Form einer Squallline oder eines LEWP zu, bei einer Low Level
Shear von 10 bis 15 m/s sind - entsprechende Cape vorausgesetzt - auch Bow Echos
denkbar.
Die Gewittertätigkeit verlagert sich im Laufe der Nacht über Niedersachsen,
Hamburg und das südliche Schleswig-Holstein hinweg ostnordostwärts Richtung
Ostsee und Mecklenburg-Vorpommern. Die Intensität der Gewitter dürfte sich -
sofern sie überhaupt auftreten - im Laufe der Nacht aber mit nachlassender
Hebung abschwächen.
Auch im unmittelbaren Einflussbereich der Kaltfront, die in der Früh in etwa
eine Linie Niederrhein-Vorpommern erreicht, gibt es noch einzelne Schauer und
Gewitter, die aber bei weitem nicht so kräftig ausfallen. Vereinzelt können
diese aber von Starkregen und stürmischen Böen begleitet werden, vor allem in
der ersten Nachthälfte.

Montag ... verlagert sich ein kurzwelliger Randtrog rasch von den Britischen
Inseln zur östlichen Nordsee, ein weiterer Troganteil kommt von Westen her bis
zur Biskaya voran und wölbt sich ein wenig nach Süden aus. Auf dessen
Vorderseite verstärken sich die Hebungsprozesse vor allem über dem präfrontalen
Bereich in Süddeutschland.
Die Kaltfront des nach Südnorwegen ziehenden Tiefs erreicht am Abend in etwa
eine Linie Pfälzer Wald - Oderbruch. Im Frontbereich bleibt die konvektive
Aktivität eher gedämpft, die stärksten Hebungsprozesse spielen sich weiter
südöstlich ab, außerdem wird die Front bereits von KLA überlaufen. Somit dürften
dort nur einzelne Schauer und kurze Gewitter, lokal eng begrenzt mit Starkregen
und stürmischen Böen, auftreten.
Postfrontal gelangt subpolare Meeresluft in den Norden, Westen und in die Mitte
des Landes, die recht stabil geschichtet ist, so dass dort die Schauertätigkeit
nur gering ist bzw. es meist trocken bleibt. Erst mit Trogannäherung kann es im
Nordseeumfeld am Nachmittag und Abend wieder vermehrt zu kurzen Schauern und
Gewittern kommen. Auch im Bodenfeld bildet sich über der Nordsee eine
Trogstruktur aus, so dass sich der Gradient verschärft und der Südwestwind
auffrischt. Im Nordseeumfeld kann es im Tagesverlauf somit starke Windböen (Bft.
7), exponiert - ebenso wie auf exponierten Mittelgebirgsgipfeln - auch
stürmische Böen (Bft. 8).
Warntechnisch dürfte somit der Focus auf die südlichen Bundesländer gerichtet
sein. Im präfrontalen Bereich dürfte sich mit Unterstützung durch die dynamische
Hebung erneut eine flache Tiefdruckrinne bzw. eine Konvergenz ausbilden, wobei
noch unklar ist, wo diese genau verläuft. Recht wahrscheinlich dürfte in etwa
eine Linie Südschwarzwald - Fichtelgebirge oder südöstlich davon sein. Dort
sowie an den Alpen und eventuell auch noch am Erzgebirge ist ab den
Nachmittagsstunden mit Auslöse zu rechnen, zumal der zuvor starke Deckel dann
zunehmend "zerbröselt". Die Umgebungsbedingungen (ML-Cape von gebietsweise über
1000 J/kg, WRF 4 km sogar punktuell um 2000 J/kg, ppw-Werte 35 bis 40 mm) lassen
auf jeden Fall wieder unwetterartige Entwicklungen erwarten. Die hochreichende
Scherung verstärkt sich am Nachmittag und Abend mit Frontannäherung auch in
Südbayern auf 15 bis 20 m/s, entlang der Donau und nördlich davon auf 20 bis
über 30 m/s.
Die Prognosetemps zeigen inverted V- Profile, die eine relativ hohe Wolkenbasis
erwarten lassen, so dass die Tornadogefahr als gering anzusiedeln ist. Dazu ist
eine trockene mitteltroposphärische Schicht erkennbar. Insgesamt dürfte also
sowohl mit größerem Hagel als auch mit stärkeren Downburstereignissen - im
Extremfall bis Orkanstärke - zu rechnen sein.
Die hochaufgelösten, Konvektion zulassenden Modelle geben vor allem an den Alpen
Signale für stärkere konvektive Entwicklungen, teilweise aber auch entlang von
Schwäbischer und Fränkischer Alb, die probabilistischen verfahren legen die
höchsten Wahrscheinlichkeiten für Unwetter auch direkt an die Alpen.
Die Sonne zeigt sich vor allem im Südosten noch für längere Zeit, aber auch
postfrontal lockern die Wolken wieder stärker auf. Im Südosten werden noch
einmal heiße 28 bis 33 Grad erreicht, ansonsten steigen die Temperaturen auf
Werte zwischen 21 und 27 Grad, an den Küsten auf 17 bis 21 Grad.

In der Nacht zum Dienstag zieht der Nordseetrog weiter nach Südschweden. Der
Trog über der Biskaya verlagert sich mit seiner Achse zögernd nach
Westfrankreich. Trogvorderseitig wird insbesondere nach Südosten zu, im Bereich
der schleifenden Bodenfront, die inzwischen den Alpenraum und den Südosten
Bayerns erreicht hat, Hebung simuliert, während weiter nördlich im
trogvorderseitigen Bereich KLA die Hebungsprozesse stark dämpft.
Vor allem südlich der Donau ist somit weiterhin mit konvektiv durchsetzten
Niederschlägen zu rechnen. Nach Abzug der Gewitter sollte vorübergehend eine
gewisse Wetterberuhigung einsetzen, bereits in der zweiten Nachthälfte setzen
nach ICON-Nest und COSMO-EU aber bereits wieder verstärkt gewittrige Regenfälle
ein. ICON-Nest simuliert im Zeitraum 18 bis 06 UTC die höchsten Mengen mit 25
bis 40 mm /12 h im südlichen Alpenvorland, COSMO_EU hat vom Bodensee bis zum
Donauried und Großraum Ulm sogar stellenweise mehr als 40 mm (Unwetter) auf der
Karte. In den probabilistischen Verfahren (noch von 00 UTC) fallen die Signale
für Unwetter eher schwach aus. Lediglich COSMO-LEPS zeigt Wahrscheinlichkeiten
von über 10 % für mehr als 40 mm/12 h im bayerischen Schwaben.
Im übrigen Land verläuft die Nacht im Großen und Ganzen ruhig, zeitweise lockern
die Wolken stärker auf, örtlich bildet sich Nebel. Lediglich im Nordseeumfeld
und in Schleswig-Holstein gibt es noch einzelne Schauer oder kurze Gewitter mit
starken bis stürmischen Böen.

Dienstag ... weitet sich der Höhentrog über Frankreich ein wenig nach Süden aus,
wobei sich die Hebungs- und Aufgleitprozesse auf dessen Vorderseite über dem
Alpenraum und Südbayern noch verstärken. Ein weiteres PVA-Maximum ist
vorderseitig eines zur Deutschen Bucht ziehenden kurzwelligen Troganteiles über
West- und Nordwestdeutschland erkennbar.
Im Bodenfeld bleibt die Kaltfront etwa entlang einer Linie Bodensee - Passau
quasistationär. Nach wie vor kommt es in ihrem Einflussbereich in
voraussichtlich mehreren Schüben zu teils ergiebigen konvektiv durchsetzten
Regenfällen, womöglich sogar in Form eines oder mehrerer mesiskaliger Systeme,
die über Süd- und Südostbayern hinweg nordostwärts ziehen. Vor allem WRF 4 km
von 03 UTC simuliert ein derartiges Szenario. Bei ppw-Werten zwischen 35 und 40
mm können somit auch sehr große Mengen in kurzer Zeit fallen.
Die Niederschlagssimulationen der deterministischen Modelle springen voll auf
dieses Szenario an. ICON-Nest simuliert im Alpenvorland südlich und südwestlich
von München verbreitet mehr als 40 mm in 12 Stunden, punktuell im Oberallgäu
sogar über 60 mm. COSMO_EU legt noch eine Schippe drauf und hat nicht nur im
Alpenvorland mehr als 40 bis 50 mm auf der Karte, sondern auch im Bayerischen
Wald. Westlich von München und im Oberallgäu werden kleinräumig sogar extreme
Mengen über 70 mm, im Raum Kempten bis 100 mm simuliert.
ECMWF zeigt lediglich im 24-Stundenzeitraum (Mo, 18 bis Di, 18 UTC) im südlichen
Alpenvorland unwetterartige Mengen.
Anbetracht der Tatsache, dass zumindest bzgl. der räumlichen Verteilung zwischen
den Modellen relative Einigkeit besteht und die meisten Modelle zumindest im 24
Stundenzeitraum auch unwetterartige Mengen simulieren, macht es durchaus Sinn,
in der morgigen Frühkonferenz über die Ausgabe einer Vorabinformation vor
intensiven Stark- oder Dauerregen zu diskutieren.
Im Norden und Westen Deutschlands setzt mit Trogannäherung, der im Bodenfeld mit
einer Kaltfront korrespondiert, die mittags den Nordwesten erreicht, ebenfalls
eine verstärkte Schauer- und Gewittertätigkeit ein. Punktuell wird dabei um 500
J/kg ML-Cape simuliert bei ppw-Werten zwischen 20 und 25 mm. Somit dürften die
auftretenden Gewitter von Starkregen, kleinem Hagel und stürmischen Böen
begleitet werden, das Unwetterpotential bleibt aber eher gering und ist am
ehesten, wenn überhaupt, noch wegen Starkregen gegeben. Die Modelle simulieren
dort im Mittel etwa 2 bis 10 mm Niederschlag in 12 Stunden, ECMWF in Staulagen
des westlichen Berglandes auch bis 15 mm.
Etwas begünstigt bleiben ein schmaler Streifen von Rheinland-Pfalz über Baden
und Unterfranken bis nach Thüringen sowie weite Teile der Osthälfte. Dort gibt
es kaum Schauer und vor allem nach Osten zu scheint auch zeitweise die Sonne.
Die Höchstwerte liegen im Dauerregen und an den Küsten zwischen 17 und 20 Grad,
sonst zwischen 19 und 24 Grad, in der Lausitz können nochmals um die 25 Grad
erreicht werden.

In der Nacht zum Mittwoch greift der Trog allmählich auf das westliche
Mitteleuropa über, die vorderseitigen Hebungsprozesse über dem Alpenraum lassen
in der ersten Nachthälfte rasch nach.
Auch im Bodenfeld kommt die Kaltfront über dem Alpenraum etwas rascher
südostwärts voran. Die kräftigen Niederschläge im Süden Bayerns lassen im Laufe
der Nacht allmählich nach, bis Mittwochfrüh werden lediglich im Berchtesgadener
Land noch Mengen über 25 mm simuliert, wobei das Groß der Niederschläge vor
Mitternacht fallen dürfte.
Das übrige Land wird im Laufe der Nacht mit Trogannäherung zunehmend von
hochreichend labiler subpolarer Meeresluft geflutet, wobei eine erste Staffel
über Nordwestdeutschland im Laufe der Nacht in die Osthälfte zieht und eine
zweite Staffel, der polare Meeresluft folgt, erreicht in der Früh den
Nordwesten.
Dabei gibt es häufig Schauer und Gewitter, wobei lokal eng begrenzt auch
Starkregen möglich ist. Die räumliche Verteilung wird von den Modellen noch
recht unterschiedlich simuliert, wobei es sicherlich auch Regionen geben wird,
in denen es trocken bleibt. Meist liegen die 12- stündigen Mengen aber zwischen
1 und knapp über 10 mm, lediglich COSMO_EU simuliert in einem schmalen Streifen
vom Münsterland bis zur Weser warnwürdige Mengen von über 25 mm.

Mittwoch ... gelangt das Vorhersagegebiet in den unmittelbaren Trogbereich. Im
Bodenfeld verstärkt sich am Südwestrand eines umfangreichen Tiefdruckkomplexes
über Skandinavien die Advektion polarer Meeresluft, die Temperaturen in 850 hPa
sinken auf 4 Grad im Nordwesten und 8 Grad in der Lausitz.
In der hochreichend labilen Luftmasse (unter -20 Grad in 500 hPa) innerhalb des
Troges entwickeln sich im Tagesverlauf zahlreiche Schauer und Gewitter, wobei
sich die Begleiterscheinungen meist auf starke bis stürmische Böen und Graupel
bzw. kleinkörnigen Hagel beschränken. Die simulierten Mengen bewegen sich -
erneut mit Modelldifferenzen bzgl. der räumlichen Verteilung - meist zwischen 2
und 10 mm, gebietsweise, am ehesten in den West- bis Nordweststaulagen der
Mittelgebirge und an den Alpen, werden Mengen bis an die 20 mm simuliert.
Der Druckgradient verschärft sich noch etwas und unterstützt durch den Tagesgang
kann es dann auch außerhalb der Gewitter vereinzelt starke Böen geben - am
ehesten in Süddeutschland - auf einigen Mittelgebirgs- und Alpengipfeln sind
auch stürmische Böen oder Sturmböen möglich.
Die Sonne zeigt sich am ehesten noch in den Küstenregionen, zwischen den
Schauern kommt sie aber auch anderswo mal zum Vorschein, vor allem im Lee der
Mittelgebirge. Die Höchstwerte erreichen in den westlichen Mittelgebirgen kaum
15 Grad, sonst etwa 16 bis 22 Grad, mit den höchsten Werten am Oberrhein und in
der Lausitz.



Modellvergleich und -einschätzung
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Die externen Modelle simulieren eine der deutschen Modellkette sehr ähnliche
Wetterentwicklung.
Der genaue Ablauf der Stark- bzw. Dauerregenlage am Dienstag in Südbayern ist
noch unsicher, allerdings haben nahezu alle Modelle zumindest im
24-Stundenzeitraum Mo, 18 UTC bis Di, 18 UTC unwetterartige Mengen auf der
Karte, so dass über die Ausgabe einer Vorabinformation - vielleicht am morgigen
Vormittag - nachgedacht werden sollte.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff