DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

12-10-2019 17:30
SXEU31 DWAV 121800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 12.10.2019 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Im Süden und Südosten "goldener Oktober". Im Norden und Nordwesten
unbeständiger, am Sonntag und Montag vereinzelt Gewitter mit Sturmböen. Auch auf
Berggipfeln zeitweise Sturmböen.
Ab Dienstag von Westen vollziehender Kaltfrontdurchgang mit Gewitter- und
Starkregenpotenzial.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 12 UTC
-------------------------------------------------------------
Aktuell ... ist Deutschland in verhältnismäßig ruhiges Fahrwasser gelangt.
Verantwortlich dafür ist eine Umstellung der Großwetterlage von einer zyklonalen
Westlage zu einer Südwestlage, als Folge eines stärkeren Austrogungsprozesses
über dem nahen Ostatlantik, der die Höhenströmung über Mitteleuropa langsam
aufsteilen lässt. Großräumig betrachtet erweist sich die Strömung über
Deutschland antizyklonal konturiert. Dass wir es trotzdem nicht mit komplett
makellosem "goldenen Oktoberwetter" zu tun haben, hat zwei Gründe.

Zum einen befindet sich der Norden noch im Einflussbereich eines schleifenden
bzw. durch eine Wellenbildung (ROCCO) über der Biskaya zurückgehaltenen
Frontensystems. Durch das überlagerte, großräumige Absinken ist die
Wetterwirksamkeit zwar recht limitiert, dennoch bleibt es in weiten Teilen des
Nordens wolkenverhangen und es regnet zumindest zeitweise leicht.

Zum anderen erfolgt in der im Vorfeld der Biskaya-Welle ROCCO forcierten
Südwestströmung ein Einschub feuchterer Subtropikluft. Wahrscheinlich ist auch
ein kurzwelliger Troganteil, der von Frankreich her auf den Südwesten
Deutschlands übergreift, mit von der Partie, auch wenn sich dieser in den
synoptischen Basisfeldern kaum diagnostizieren lässt. Der schwache
PVA-induzierte Hebungsantrieb und die vor allem in der unteren Troposphäre
wirksame WLA labilisiert die Schichtung oberhalb der stabilen Grenzschicht (der
12Z-TEMP von Trappes analysierte immerhin knapp 200 J/kg MUCAPE). In der Folge
konnte sich mehrschichtige, konvektiv durchsetze Wolkenfelder von Frankreich her
in den Südwesten und die Mitte schieben, aus denen es mitunter auch schauerartig
verstärkt regnet. Ob die Labilität, insbesondere im Hinblick auf ihre vertikale
Mächtigkeit, ausreicht, um auch einzelne Gewitter zuzulassen, ist fraglich.

Da ein zwischen dem nach Karelien abgezogenen Tief QUENTINO und der Welle ROCCO
von Westen hereinschwenkenden Keil der Gradient auffächert, flaut der Wind
insgesamt ab. Davon ausgenommen sind die höheren Berggipfel (Bft 8-9, Brocken
Bft 10) und exponierte Küstenabschnitte (insbesondere Nordfriesland Bft 7).

Weiter nach Süden und Südosten zu herrscht dann aber doch das o.e. goldene
Oktoberwetter.

In der Nacht zum Sonntag steilt die Höhenströmung mit Annäherung des sich weiter
amplifizierenden Troges über Westeuropa noch etwas auf. Kräftige WLA stützt
einen Rücken, der mit seiner Achse die Nordsee erreicht. Die Frontalwelle ROCCO
positioniert sich unter die diffluente Vorderseite eines Kurzwellentroges, kann
sich folglich weiter vertiefen und erreicht am Sonntagmorgen mit Kerndruck von
wahrscheinlich knapp unter 995 hPa Südengland. Durch die WLA setzt im
Nachtverlauf von Westen Druckfall ein, wodurch die schleifende Front über
Norddeutschland als Warmfront wieder ein Stückchen nach Norden vorankommt.
Überlagerte NVA des Höhenrückens dämpft die frontalen Prozesse, sodass weiterhin
nur geringe Niederschlagsraten zu erwarten sind. Die durch kurzwellige
Troganteile bzw. den Warmlufteinschub forcierten schauerartigen Regenfälle über
dem Westen und der Mitte ziehen nach Osten ab. Gewitter sind nach wie vor eher
unwahrscheinlich.

Warnrelevant bleibt der Wind, zumindest in den Kamm- und Gipfellagen der
zentralen Mittelgebirge (Bft 8-9, Brocken Bft 10). Zwar schwächt er sich mit
Durchschwenken des Hochkeils vorübergehend ab, mit Annäherung der Frontalwelle
legt er aber im Laufe der zweiten Nachthälfte bzw. morgens wieder etwas zu.

Ansonsten verläuft die Nacht wettertechnisch ruhig und vor allem im Süden auch
gering bewölkt. Dort kann sich gebietsweise Nebel bilden.



Sonntag ... verlagert sich der in die südwestliche Höhenströmung eingebettete
und mit der Frontalwelle ROCCO interagierende kurzwellige Randtrog rasch von der
Irischen See über den Süden Schottlands bzw.
Nordengland zur nördlichen Nordsee. ROCCO kann sich noch etwas vertiefen und
erreicht (zumindest nach Lesart von ICON und GFS) mit einem Kerndruck von nahe
990 hPa die mittlere Nordsee. IFS ist etwas zurückhaltender und sieht ROCCO
weiter südlich, nahe der Deutschen Bucht nur mit einem minimalen Druck von gut
1000 hPa. Die Warmfront zieht im Tagesverlauf nordwärts ab, sodass Deutschland
komplett in den Zustrom warmer Subtropikluft kommt (850-hPa-Temperaturen
zwischen 10 und 15 Grad, am föhnigen Alpenrand bis nahe 18 Grad). Die Kaltfront
von ROCCO greift am späten Abend von Belgien und Holland auf den Nordwesten
über.

Nahe an der Warmfront gelegen bleibt es im Nordwesten und Norden des Landes
überwiegend stark bewölkt, im Nordseeumfeld auch meist bedeckt und dort kann es
auch immer wieder regnen. Mit der vor allem in der unteren Troposphäre kräftigen
WLA geht eine deutliche Labilisierung der Luftmasse einher (MLCAPE verbreitet
200 bis 500 J/kg). Der Jahreszeit entsprechend kann die Grundschicht aber nicht
mehr vollständig "durchgeheizt" werden, sodass etwaige Konvektion mit CIN meist
>100 J/kg überwiegend gedeckelt sein wird. Da zudem keine synoptisch-skaligen
"Trigger" in Form von Konvergenzen auszumachen sind, die den Deckel "sprengen"
könnten, wird es kaum für Auslöse reichen. Am wahrscheinlichsten sind Schauer
und vereinzelte Gewitter noch an der Warmfront (Warmlufteinschubgewitter) im
Norden und am Abend an der Kaltfront im Nordwesten und äußersten Westen. Die
Gewitter an der Kaltfront erreichen am ehesten den Status eines "markanten
Ereignisses", denn durch starke hochreichende Scherung (20-30 m/s) kann es
durchaus zu linienhaft organisierter Konvektion kommen, die Sturmböen mit sich
bringen können. Die konvektionserlaubenden Modelle C-D2 und AROME simulierten
zuletzt ein solches Szenario. PPWs von gebietsweise 30 bis 35 mm, was für diese
Jahreszeit wirklich außergewöhnlich viel ist, rufen auch Starkregen auf den
Plan, der aber aufgrund der recht hohen Zuggeschwindigkeit eine eher
untergeordnete Rolle spielen wird.

Der Wind frischt mit Annäherung des Tiefs mit Ausnahme des Südostens wieder
etwas aus südlichen Richtungen auf. Dabei sind die Unterschiede in Position und
Ausprägung des Tiefs nur bedingt prognoserelevant, beschränken sich die
warnwürdigen Böen so oder so auf das Nordseeumfeld (Bft 7) sowie Kamm- und
Gipfellagen Mittelgebirge (Bft 8-9, Brocken Bft 10). Ob die einzelnen Böen Bft 7
im Lee der Mittelgebirge eine warnrelevante räumliche Ausprägung erreichen, ist
derweil fraglich. Auch die Sturmböen auf den Alpengipfeln werden wahrscheinlich
nur Einzelfälle sein, da sich aufgrund fehlender Baroklinität und dadurch nur
mäßiger Südwestströmung keine klassische Föhnsituation einstellen kann. Dafür
könnte mit Übergreifen einer etwaigen (ungewittrigen) Schauerlinie auch im
Westen und Nordwesten vorübergehend eine Windwarnung fällig werden.

In der Mitte und im Süden scheint dagegen wieder überwiegend die Sonne, wobei es
an der Donau gebietsweise länger dauern kann, bis sich der Nebel auflöst. Vor
allem in mittleren Höhenlagen und im Lee einiger Mittelgebirge sowie im
südlichen Alpenvorland wird es mit 24 bis 28 Grad wieder außergewöhnlich warm.
Auch sonst reicht es vielerorts für warme 20 bis 24 Grad, lediglich ganz im
Norden und Nordwesten werden keine 20 Grad erreicht.

In der Nacht zum Montag verlagern sich der Kurzwellentrog nach Südnorwegen und
das korrespondierende Bodentief zum Skagerrak. Die Kaltfront greift dabei auf
den Nordwesten Deutschlands über, kommt aber kaum weiter nach Osten und Süden
voran, da sich vorderseitig des sich mit seiner Achse jetzt knapp westlich der
Biskaya befindenden Höhentroges entlang des Frontenzuges erneut eine frontale
Welle verstärken kann und Richtung Bretagne zieht.

Da die Kaltfront von KLA überlaufen wird und aus dem ohnehin eher
schwachbrüstigen dynamischen Antrieb herausläuft, verliert sie an
Wetteraktivität. Die etwaige Schauer-/Gewitterlinie rettet sich allenfalls in
die erste Nachthälfte und könnte im Nordwesten und Westen noch für einzelne
starke bis stürmische Böen gut sein. Durch einen neuerlichen,
niedertroposphärischen Einschub feucht warmer Luft im Vorfeld der nächsten
Frontalwelle labilisiert es von Westen wieder, zumindest ICON simuliert als
Reaktion darauf gewittrige Schauer, die ausgangs der Nacht von Benelux auf den
Westen übergreifen.

Der Wind weht an der Südflanke des Tiefs vor allem im Küstenumfeld zunächst noch
lebhaft aus Südwest bis West mit Böen Bft 7 (exponiert vielleicht auch Bft 8).
Ansonsten schwächt er sich ab und auch in den Gipfellagen der Mittelgebirge ist
er im Verlauf der zweiten Nachthälfte kaum mehr warnrelevant.

Im Süden und in der Mitte präsentiert sich die Nacht locker bis gering bewölkt,
örtlich kann sich dort erneut Nebel bilden.

Montag ... greift der Trog auf die Britischen Inseln über und weitet sich nach
Süden bis zur Iberischen Halbinsel aus. Er zeigt dabei Abtropftendenzen. Während
GFS den Abtropfvorgang über Nordwestspanien bereits vollzieht, bleibt es bei
ICON und IFS zunächst nur bei einem "Versuch". Damit steht und fällt auch die
Entwicklung der Frontalwelle. Vollzieht sich der Abtropfvorgang, bleibt die
Frontalwelle nahezu ortsfest über der Biskaya (GFS). Ansonsten kann sich die
Welle auf der entwicklungsgünstigen Vorderseite des Troges durch PVA vertiefen
und wird über England zur westlichen Nordsee (ICON) bzw. Nordfrankreich (IFS)
geführt.

Die prognoserelevanten Unterschiede halten sich für Deutschland aber
einigermaßen in Grenzen. Unklar ist lediglich, wie weit sich der Warmsektor über
Deutschland nach Norden öffnet und ob die Kaltfront schon am Abend oder erst in
der Nacht zum Dienstag auf den Westen übergreift. Wie auch immer, im Warmsektor
steigt die 850-hPa-Temperatur auf 10 bis 15, im Südosten bis auf 18 Grad. Nach
wie vor ist sie potenziell instabil
geschichtet, allerdings auch jahreszeitlich bedingt wieder recht stark
gedeckelt. Konvektive Umlagerungen bleiben somit die absolute Ausnahme. Wie
schon am Sonntag ist die Wahrscheinlichkeit an der Warmfront (Nordwesten/Norden)
und je nach dem ab dem Abend oder in der Nacht zum Dienstag an der der Kaltfront
(Westen) am wahrscheinlichsten.

Der Wind frischt vor allem nach Lesart des ICON zumindest in höheren
Lagen wieder auf, auf dem Brocken könnte das für Böen Bft 8 bis 9 aus südlichen
Richtungen reichen. Für warnrelevante Böen im Tiefland ist das Tief mit seinem
Kern wahrscheinlich zu weit entfernt.

Abseits des Warmfrontregens im Norden und Nordwesten (keine Warnrelevanz) und
der etwaigen Schauer scheint vor allem in der Mitte und im Süden wieder
verbreitet die Sonne, sofern sich die Nebelfelder (insbesondere an der Donau)
auflösen. Dann werden kaum 20 Grad erreicht, ansonsten liegen die Höchstwerte
zwischen 21 und 25 Grad, im Lee einiger Mittelgebirge auch darüber, in
Norddeutschland bleibt es mit 15 bis 19 Grad etwas "kühler".

In der Nacht zum Dienstag zieht das Tief je nach Modell zum Skagerrak (ICON),
zur südlichen Nordsee (IFS) oder zur Bretagne (GFS). Abgesehen von einzelnen
Schauern an der Kaltfront im Westen (ICON) und/oder schauerartigem Regen an der
Warmfront im Norden (GFS, IFS) verläuft die Nacht ruhig und oft auch gering
bewölkt mit örtlicher Nebelbildung.

Der Wind wäre nach ICON im Nordseeumfeld warnwürdig (Bft 7, exponiert 8),
ansonsten beschränken sich Sturmböen auf die höchsten Berggipfel (Brocken etc.).




Dienstag ... tropft der Trog auch nach ICON und IFS über Frankreich ab und zieht
zu den Westalpen. Das Trogresiduum schwenkt über die Nordsee nach Jütland.
Zwischen dem Residuum und dem Cut-Off konturiert sich die südsüdwestliche
Höhenströmung indifferent oder leicht antizyklonal, erst zum Abend könnten von
Ostfrankreich und der Schweiz kurzwellige Troganteile des Cut-Offs
hereinschwenken. Das mit dem Trogresiduum korrespondierende Bodentief wird zum
Skagerrak (IFS) bzw. zur nördlichen Nordsee (ICON) geführt. Ausgehend vom
Bodentief erstreckt sich eine Tiefdruckrinne nach Deutschland, die im
Tagesverlauf mit ihrem konvergenten Windfeld mehr oder weniger schnell nach
Osten vorankommt (ICON zügiger als IFS). Der Rinne folgt von Westen (gestützt
durch KLA) eine Keil des Azorenhochs. Am Westrand der Rinne befindet sich die
(wellende) Kaltfront, die sich allerdings aufgrund fehlender dynamischer
Unterstützung und überlagerte KLA zunächst wenig wetterwirksam zeigt (dichte
Wolkenfelder, etwas Regen). Mit aufkommender PVA der möglicherweise von
Südwesten hereinschwenkenden Kurzwelle, könnten sich die Regenfälle
intensivieren. In der sehr feuchten Luftmasse sind Starkregenereignisse aus
jetziger Sicht nicht auszuschließen. Ferner könnten am warmen Rand des sich
entwickelnden Niederschlagsgebietes sowie an der vorgelagerten Konvergenz in
leicht labiler Luft Schauer und einzelne Gewitter ausgelöst werden. Dabei stellt
sich aber wieder die Frage, ob der Deckel nicht wieder zu schwer sein könnte.

Durch das noch etwas stärkere Aufsteilen der Höhenströmung und zunehmende
Baroklinität ist eine Föhnsituation an den Alpen wahrscheinlicher als an den
Vortagen (Bft 9 auf Alpengipfeln, Bft 7 in Tälern). Ansonsten beschränken sich
warnrelevante Böen auf Berggipfel und Gewitter. Sollte sich allerdings die
progressive ICON-Variante durchsetzen, könnten an einer markanten
Druckanstiegswelle Sturmböen auftreten.

Vor der Kaltfront bzw. den etwaigen Schauern und Gewittern steht im Osten und
Südosten ein weiterer freundlicher und warmer Tag ins Haus mit Maxima bis 25
Grad (an den Alpen mit Föhn vielleicht auch darüber). Doch auch die Abkühlung
hinter der Kaltfront hält sich in Grenzen, sodass auch sonst wohl recht
verbreitet Temperaturen um 20 Grad erreicht werden sollten.



Modellvergleich und -einschätzung
----------------------------------------------------------------
Die großräumigen synoptischen Strukturen werden von allen vorliegenden Modellen
ähnlich simuliert. Im Detail ergeben sich Unterschiede, vor allem, was die
Entwicklung der beiden Frontalwellen angeht. Insbesondere bei der Zweiten ab der
Nacht zum Montag gehen die Modelle recht weit auseinander (auf prognoserelevante
Unterschiede wurden im obigen Text eingegangen). Da das GFS-Szenario für den
Dienstag dann doch recht stark von den anderen abweicht, wurde dieses nicht
explizit erwähnt, sprich erst mal als Außenseiterlösung abgestempelt.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Adrian Leyser