DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

06-10-2019 17:01
SXEU31 DWAV 061800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 06.10.2019 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Im Südwesten und Süden anfangs noch regnerisch (an den Alpen örtlich
Dauerregen). Nach kurzem Zwischenhocheinfluss ab Dienstag Umstellung auf West
zyklonal mit häufigen, aber nicht allzu ergiebigen Regenfällen und stürmischen
Böen oder Sturmböen auf den Bergen.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 12 UTC
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Aktuell ... hat ein aus dem umfangreichen nordatlantischen Langwellentrog
abgetropftes Höhentief das belgisch-französische Grenzgebiet erreicht. Zusammen
mit einem vorgelagerten, sich allmählich abflachenden Höhenrücken ergibt sich
vor allem über dem Südwesten Deutschlands ein stark diffluent konturiertes
Geopotenzialfeld (in 300 und 500 hPa), wobei kräftige PVA, unterstützt durch
sich allerdings abschwächende WLA, markanten Hebungsantrieb liefert. Ein mit dem
Cut-Off-Tief korrespondierendes Bodentief erreicht abends den Westen Belgiens,
vorderseitig haben sich länger anhaltende Regenfälle teils mäßiger Intensität
inzwischen auf weite Teile West- und Süddeutschlands ausgeweitet.
Im Laufe der Nacht verlagert sich das Cut-Off-Tief über Ostfrankreich und die
Westalpen hinweg rasch Richtung Korsika und facht dort eine kräftige Zyklogenese
an. Das Bodentief über Belgien kommt kaum mehr voran und füllt sich auf, auch
der Hebungsantrieb kommt schnell zum Erliegen, so dass die Regenfälle im Laufe
der zweiten Nachthälfte von Norden her nachlassen bzw. aufhören. Mit Passage des
Höhentiefs sind - wie aktuell bereits über Belgien - auch im Südwesten des
Vorhersagegebietes einzelne Gewitter nicht ausgeschlossen (C-D2 und SuperHD
haben ganz vereinzelte auf der Agenda). Nach dessen Abzug stellt sich
niedertroposphärisch über Süddeutschland eine schwache nördliche Höhenströmung
ein, so dass die Regenfälle an den Alpen staubedingt noch längere Zeit anhalten.
Gebietsweise fallen dort bis Montagvormittag oder -mittag mehr als 30 mm in 12
bis 18 Stunden (Dauerregen). Ansonsten werden die Warnschwellen für Dauerregen -
aufsummiert von heute bis morgen früh - allerhöchstens in einigen exponierten
Staulagen der west- und südwestdeutschen Mittelgebirge "gerissen".
Der Norden und Osten des Landes befinden sich dagegen im Einflussbereich eines
umfangreichen Hochdruckgebietes, das seinen Schwerpunkt allmählich vom Nordmeer
nach Südskandinavien verlagert und von dem ausgehend sich ein Hochkeil auch auf
die Mitte Deutschlands und das östliche Mitteleuropa ausweitet. Das Hoch wird
gestützt durch eine Höhenantizyklone über dem Nordmeer, die allerdings mit
Annäherung bzw. Ausweitung des umfangreichen nordatlantischen Langwellentroges,
dessen Drehzentrum sich morgens knapp südlich von Island befindet, mächtig in
die Zange genommen, da der Langwellentrog über Nordost- und Osteuropa
quasistationär bleibt.
Somit steht im Norden und Osten eine wettertechnisch ruhige Nacht ins Haus. Über
dem relativ warmen Ostseewasser (13 Grad Wasser-, -4 Grad 850 hPa-Temperatur)
kann sich vielleicht noch der ein oder andere kurze Schauer entwickeln,
ansonsten ist es aber aufgelockert bis gering bewölkt. Dabei können die
Temperaturen im Einflussbereich der trockenkalten Festlandsluft (-1 bis -4 Grad
in 850 hPa) bis in den leichten Frostbereich absinken. Örtlich bildet sich auch
Nebel.
Etwas höher ist die Nebelwahrscheinlichkeit noch im Westen des Landes, wo die
Wolken nach Abzug des Tiefs gebietsweise auflockern.
Anzusprechen bleibt noch der Wind. Mit Annäherung des Tiefs frischt er aktuell
auf, dabei kann es im Nordseeumfeld (am ehesten im Bereich der Ostfriesischen
Inseln und auf Helgoland) einzelne steife Böen (Bft 7) aus Ost geben, in den
westlichen und zentralen Mittelgebirgen zumindest auf exponierten Gipfeln auch
mal eine stürmische Böe (Bft 8). Auch in den Hochlagen des Schwarzwaldes und auf
exponierten Alpengipfeln kann es stürmische Böen geben - dort allerdings an der
Südostflanke des Tiefs aus Südwest bis West.

Montag ... weitet sich der nordatlantische Höhentrog auch auf West- und
Nordwesteuropa aus. Vorderseitig stützt bzw. überläuft kräftige WLA einen
Höhenrücken, der bis zum Abend über die Nordsee hinweg nach Nordwestdeutschland
schwenkt.
Somit bleibt die schwache nördliche Höhenströmung über dem Vorhersagegebiet
zunächst noch erhalten, so dass die Niederschläge an den Alpen vor allem nach
Osten zu nur allmählich zum Erliegen kommen und ab dem Inn ostwärts bis weit in
den Nachmittag hinein (bei nur noch leichter Intensität) anhalten. Schnee fällt
dabei oberhalb von etwa 1600 m.
Das Bodenhoch bzw. die noch übrig gebliebene Brücke über Skandinavien wird rasch
abgebaut, wobei sich der Schwerpunkt des Hochs über Nordostdeutschland hinweg
nach Ostösterreich bzw. zur Slowakei verlagert.
Das mit dem Langwellentrog korrespondierende zentralsteuernde Tief südlich von
Island kommt kaum ostwärts voran, dessen Frontensystem überquert unter
fortschreitendem Okklusionsprozess bis zum Abend die Britischen Inseln.
Im Vorhersagegebiet dominiert somit Hochdruckeinfluss, vor allem im Norden und
Osten scheint im Einflussbereich trockenkalter Festlandsluft häufig die Sonne,
lediglich Richtung Ostsee bilden sich wieder vermehrt Quellwolken, die aber kaum
mehr für Schauer reichen sollten.
Bewölkter bleibt es im Westen und Süden, wo die feuchte Luftmasse nur sehr
zögernd durch die trockenere Festlandluft ersetzt wird. Dort hält sich
gebietsweise kompakte Sc-Bewölkung, im Tagesverlauf bekommt diese aber auch mal
größere Lücken, vor allem an Ober- und Hochrhein. Dort wird es mit 14 bis 18
Grad auch am mildesten, sonst liegen die Höchstwerte zwischen 10 und 15 Grad, am
östlichen Alpenrand auch darunter.

In der Nacht zum Dienstag schwenkt der Höhenrücken unter Amplitudenverlust und
weiterer Abflachung über Mitteleuropa hinweg ostwärts, die Höhenströmung
zonalisiert somit deutlich. Die WLA vorderseitig des nordatlantischen
Höhentroges greift damit bis weit nach Osteuropa aus.
Das Frontensystem des hochreichenden Zentraltiefs südlich von Island zieht über
die Nordsee hinweg ostwärts und erreicht morgens den Nordwesten bzw. Westen
Deutschlands. Somit setzen im Laufe der Nacht von Westen her meist leichte
Regenfälle ein (in den Staulagen der westlichen Mittelgebirge gebietsweise um 10
mm, sonst meist 5 mm und weniger), die rasch ostwärts vorankommen, in der
Osthälfte und im Süden bleibt es bis zum Morgen aber noch meist trocken. Dabei
lässt ICON-EU die Niederschläge bereits etwas schneller nach Osten vorankommen
bzw. die Warmfrontniederschläge auch deutlich weiter nach Süden (bis zum
Bodensee) ausgreifen als GFS (nur etwa bis zum Hunsrück bzw. Taunus).
Der Wind frischt mit Frontannäherung im Laufe der Nacht in der Nordwesthälfte
wieder deutlich aus Süd bis Südwest auf, im Nordseeumfeld gibt es ausgangs der
Nacht einzelne steife, exponiert auch stürmische Böen, ebenso wie in den Kamm-
und Gipfellagen der west-, südwestdeutschen und zentralen Mittelgebirge, auf dem
Brocken kann es auch Sturmböen geben.
Im Osten und Südosten verläuft die Nacht dagegen anfangs noch teils gering
bewölkt, erst gegen Morgen werden auch dort die Wolken dichter. In ungünstigen
Lagen kann es im Erzgebirge, in der Lausitz und im Südosten Bayerns nochmals für
leichten Frost reichen und stellenweise bildet sich Nebel.

Dienstag ... hat sich die Umstellung auf "West zyklonal" endgültig vollzogen.
Das zentralsteuernde und hochreichende Tiefdruckgebiet bleibt südlich von Island
quasistationär, an dessen Südflanke zieht ein in die kräftige westliche
Höhenströmung eingebetteter flacher Kurzwellentrog rasch über die Britischen
Inseln hinweg zur Nordsee.
Das Frontensystem des Tiefs wird durch eine Teiltiefentwicklung im Lee des
Norwegischen Küstengebirges (das Teiltief zieht nach Südschweden) kurzzeitig
eingebremst, kommt aber ansonsten über Norddeutschland rasch ostwärts voran,
nach wie vor sollen die Warmfrontniederschläge nach Lesart des ICON deutlich
weiter nach Süden ausgreifen (bis nach Südostbayern) als nach GFS bzw. IFS (nur
bis nach Nordbayern). Die Kaltfront nimmt eine zunehmend zonale Ausrichtung an
und kommt nur bis zur (südlichen) Mitte Deutschlands voran und gerät dort
aufgrund höhenströmungsparalleler Exposition zunehmend ins Schleifen. Auch in
der Nacht zum Mittwoch kommt sie nur sehr zögernd nach Süden voran und wird
zusätzlich durch Wellenbildung zurückgehalten. Die Folge sind länger anhaltende
Regenfälle mit einem geringen Risiko für das Überschreiten der
Dauerregen-Warnkriterien in den Weststaulagen einiger Mittelgebirge. Unsicher
ist zudem noch, wo genau die Front ins Schleifen gerät bzw. wie weit der Regen
nach Süden vorankommt. Während es nach Lesart des IFS (von 00 UTC) und auch der
letzten GFS-Läufe südlich der Donau bis zum Abend noch trocken bleiben soll,
lässt ICON die Kaltfront dann schon bis ins nördliche Alpenvorland vorankommen
und die Niederschläge quasi bis zum Alpenrand.
Postfrontal gelangt subpolare Meeresluft (um 4 Grad in 850 hPa) nach
Norddeutschland. Diese ist zunächst noch recht stabil geschichtet, so dass die
Regenfälle nach Frontpassage am Vormittag rasch nachlassen und die Wolken
zeitweise auflockern. Mit Annäherung des oben erwähnten Randtroges kommt es im
Nordwesten im Laufe des Nachmittags und Abends zu einer Labilisierung der
Luftmasse, die 500 hPa-Temperatur sinkt dort bis zum Abend auf -20 bis -24 Grad.
PVA-induziert kommt dann auch etwas dynamischer Hebungsantrieb ins Spiel und es
können (bis in etwa 500 hPa) etwa 100 bis 150 J/kg ML-Cape generiert werden. Das
dürfte für kurze Regen- bzw. Graupelschauer und vielleicht auch für das ein oder
andere Gewitter reichen, die bei etwa 35 kn in 850 hPa auch von stürmischen Böen
(und aufgrund der kräftigen hochreichenden Scherung eventuell auch von
Sturmböen) begleitet werden können.
Von Warnrelevanz ist auch der Wind: Mit Frontpassage lässt er zwar am Vormittag
in Norddeutschland vorübergehend nach, nachmittags und abends legt er aber mit
Annäherung eines mit dem Kurzwellentrog korrespondierenden flachen Bodentroges
wieder zu. Im Nordseeumfeld gibt es dann steife Böen aus Südwest bis West,
exponiert und sowieso in Schauern auch stürmische Böen. Ebenfalls mit Sturmböen
muss in den Kamm- und Gipfellagen der Mittelgebirge und der Alpen gerechnet
werden, auf dem Brocken auch mit schweren Sturmböen.
Von Westen her gelangt bodennah verhältnismäßig milde Meeresluft ins
Vorhersagegebiet. Die Höchsttemperaturen erreichen Werte zwischen 12 und 16
Grad, präfrontal im Süden vielleicht noch einmal bis an die 18/19 Grad.

In der Nacht zum Mittwoch überquert der flache Kurzwellentrog von der Nordsee
her Norddeutschland unter Konturverlust rasch ostwärts, wobei es bei
Temperaturen um -25 Grad in 500 hPa vor allem an den Küsten, aber auch etwas
weiter landeinwärts weitere Schauer und auch kurze Gewitter mit Böen Bft 7 bis 9
geben kann. Auch außerhalb der Schauer gibt es an den Küsten mit Trogpassage
vermehrt steife, exponiert auch stürmische Böen aus West bis Südwest.
Ein weiterer, etwas breiter angelegter Trog greift im Laufe der Nacht von Westen
her auf Frankreich über. Im diffluenten Geopotenzialfeld kann auf dessen
Vorderseite aufgrund von PVA markante Hebung generiert werden und induziert
entlang der nach wie vor über Frankreich und Süddeutschland Kaltfront eine
kräftigere Wellenbildung. Diese wird von den vorliegenden Modellen noch leicht
unterschiedlich simuliert. Der aktuelle ICON-Lauf lässt die Welle mit recht
ergiebigen Niederschlägen über das Alpenvorland hinwegziehen, wobei dort recht
verbreitet mehr als 30 mm, punktuell auch bis an die 40 mm in 12 Stunden fallen
sollen. Nach IFS von 00 UTC setzt die Welle weiter nördlich an (nördliches und
westliches Baden-Württemberg, Nordbayern) mit deutlich geringeren Mengen (bis 15
mm in Staulagen des Schwarzwaldes). GFS ähnelt dagegen eher dem ICON mit
allerdings etwas geringeren Mengen (bis maximal 25 mm in 12 Stunden).
Nördlich der Welle, also in den mittleren Landesteilen, bleibt die Luftmasse
postfrontal relativ stabil geschichtet, so dass die Wolken auch mal stärker
auflockern und es höchstens ganz vereinzelt mal Schauer gibt. Der Gradient in
der Mitte und im Süden des Landes fächert insgesamt etwas auf, so dass auch in
den kamm- und Gipfellagen der Berge der Wind allmählich abnimmt. Im Zustrom
milder Meeresluft sinken die Temperaturen nur noch auf Werte zwischen 11 und 7
Grad.

Mittwoch ... kommt der Höhentrog über Frankreich nur zögernd weiter nach Osten
voran und erreicht abends den Westen Deutschlands. Die Kaltfront kommt nun
zögernd nach Süden voran und überquert im Tagesverlauf die Alpen, wobei wohl ein
weiteres Wellentief die Niederschlagstätigkeit nochmals aufleben lässt. Für die
Regionen vom Schwarzwald bis zum Bayerischen Wald und südlich davon werden
(jetzt relativ einheitlich) nochmals 15 bis 20 mm in 12 Stunden, gebietsweise
(Schwarzwald, Oberallgäu) auch mehr simuliert.
Im übrigen Land führt die Annäherung des Höhentroges zu einer Labilisierung der
Luftmasse, die Temperatur in 500 hPa sinkt - abgesehen vom Südosten - auf etwa
-25 Grad bei etwa +3 Grad in 850 hPa. Dazu liefern in die westsüdwestliche
Höhenströmung eingebettete sehr flache kurzwellige Troganteile immer wieder
Hebungsantrieb. Die Folge sind recht verbreitet auftretende Schauer und kurze
Gewitter, erneut begleitet von Böen Bft 7 bis 9 und Graupel.
Insgesamt nimmt die wellende Kaltfront einiges an Gradient raus, so dass es
außerhalb der Schauer wohl nur im Nordseeumfeld (Bft 7) und in den kamm- bzw.
Gipfellagen der Berge (Bft 8 bis 9) für warnrelevante Böen aus Südwest reicht.
Die Höchsttemperaturen liegen recht einheitlich zwischen 12 und 16 Grad, im Lee
einiger Mittelgebirge bei größeren Auflockerungen auch knapp darüber.



Modellvergleich und -einschätzung
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Die großräumige Wetterentwicklung, also auch die Umstellung auf West zyklonal am
Dienstag, wird von allen Modellen einheitlich simuliert. Unterschiede ergeben
sich in erster Linie bzgl. der Geschwindigkeit der Frontpassagen, vor allem in
der Nacht zum und am Dienstag. Diese wurden bereits im Text erörtert. Auffällig
ist, dass die letzten drei ICON-Läufe durchwegs eine progressivere Variante
fahren als die letzten GFS-Läufe bzw. der IFS-Lauf von 00 UTC.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff