DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

09-07-2016 21:00
SXEU31 DWAV 091800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 09.07.2016 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Sonntag im Norden Gewitter möglich, Unwetter nicht ausgeschlossen. Montag im
Südosten kräftige Gewitter mit Unwetterpotential.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 12 UTC
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Aktuell ... befindet sich Deutschland im Einflussbereich eines Höhenrückens,
dessen Achse Sonntagfrüh von Nord nach Süd quer über die Mitte des
Vorhersagegebietes verläuft. In seinem Nordteil wird der Rücken von kräftiger
WLA vorderseitig eines Richtung Irland schwenkenden ostatlantischen Höhentroges
überlaufen.
Im Bodenfeld verlagert sich die mit der WLA korrespondierende Warmfront eines
Tiefs westlich von Irland über Norddeutschland hinweg ostwärts. Die WLA-
induzierten Hebungsvorgänge führen dabei vor allem präfrontal und im
unmittelbaren Frontbereich zu Regenfällen teils mäßiger Intensität. Mit etwa 2
bis 10 mm in 12 Stunden bewegen sich die Mengen allerdings weit unterhalb
jeglicher Warnrelevanz.
Modelldifferenzen bestehen noch bzgl. des Ausgreifens der Regenfälle nach Süden.
ICON-Nest hat die progressivste Version auf der Karte, danach würden die
Niederschläge bis zu einer Linie Emsland - Oderbruch vorankommen, nach ECMWF
(von 00 UTC) wäre nur der äußerste Norden betroffen. Von Westen her klingen die
Regenfälle später allmählich wieder ab.
Vor allem im Warmsektor, also nach Frontpassage, frischt der Wind aus Südwest
auf, bevorzugt entlang der nordfriesischen Nordseeküste kann es auch einzelne
starke Windböen (Bft. 7) geben.
Im Rest des Landes verläuft die Nacht ruhig und warnfrei.

Sonntag ... bleiben wir anfangs noch im Einfluss des Höhenrückens, bis zum Abend
kommt dessen Achse in etwa bis zur Oder-Neiße Linie voran. Dahinter dreht die
Strömung mehr auf Südwest, wobei sich an der Südostflanke des Höhentrogkomplexes
über dem Nordostatlantik ein kurzwelliger Randtrog im Tagesverlauf zur
nördlichen Nordsee verlagert. Dabei werden die WLA-induzierten Hebungsprozesse
noch zusätzlich durch PVA im vorderseitig diffluent konturierten Isohypsenfeld
unterstützt. Die stärksten dynamischen Hebungsprozesse werden dabei im Laufe des
späten Nachmittags und Abends über Schleswig-Holstein bzw. der südlichen Ostsee
simuliert.
Im Bodenfeld zieht die Warmfront über Nordpolen hinweg weiter nach Osten. Die
Kaltfront des sich nur wenig verlagernden Bodentiefs kommt mangels
Schubkomponente zunächst nur langsam nach Süden voran und erreicht bis zum Abend
die südliche Nordsee.
Innerhalb des breit angelegten Warmsektors gelangt von Südwesten her sehr warme,
nach Süden zu auch heiße Subtropikluft nach Deutschland. Die Temperaturen in 850
hPa steigen bis zum Abend auf Werte zwischen 11 Grad auf Sylt und 20 Grad - oder
knapp darüber - im Alpenvorland. Die Luftmasse ist potentiell instabil
geschichtet und zeichnet sich vor allem in der Nordhälfte aufgrund ihres
teilweise maritimen Ursprungs durch hohe ppw-Werte zwischen 35 und über 40 mm
aus.
Vor allem in der Mitte und im Süden ist die Luftmasse aufgrund der kräftigen
niedertroposphärischen WLA stark gedeckelt (CIN teilweise deutlich unter -100
J/kg), so dass dort kaum mit Auslöse zu rechnen ist. Lediglich an den Alpen
könnte es - orographisch getriggert - zum späten Nachmittag und Abend hin für
einzelne Gewitter reichen. COSMO_EU simuliert punktuell mehr als 1000 J/kg
ML-Cape, WRF 4 km sogar bis an die 1500 J/kg, die ppw-Werte liegen dort um 25
mm, nach WRF bis 30 mm. Sollte es zur Auslöse reichen, sind auf jeden Fall
Gewitter mit Unwetterpotential denkbar, vor allem auch bzgl. Starkregens
(langsame Zuggeschwindigkeit) und Hagels (trockene Schicht in der mittleren
Troposphäre, etwa oberhalb der -10 Grad-Isotherme). Hinweise auf Konvektion
geben die Modelle allerdings kaum.
Interessanter gestaltet sich allerdings die Entwicklung in Norddeutschland. Mit
der sich verstärkenden Hebung und unterstützt durch die Einstrahlung kommt es im
Warmsektor im Tagesverlauf zur Ausbildung einer flachen Tiefdruckrinne über
Nordwestdeutschland, zudem ist dort der Deckel aufgrund der schwächeren
niedertroposphärischen WLA nicht so markant wie weiter südlich. Vor allem
entlang des leicht konvergenten Windfeldes innerhalb der Rinne ist somit Auslöse
denkbar. Dabei simulieren COSMO-EU und WRF am späten Nachmittag und Abend
punktuell mehr als 1000 J/kg ML-Cape, zu deren Generierung natürlich auch ein
gewisses Quantum an Einstrahlung notwendig sein wird. Hochreichende Scherung
zwischen 20 und 30 m/s und nur wenig "gekurfte", stattdessen eher gradlinig
verlaufende Hodographen in den Prognosetemps lassen bei Auslöse eher
multizelluläre Strukturen erwarten, die aufgrund der Scherung aber durchaus
organisiert in Form einer Squallline oder eines LEWP ("line echo wave pattern")
auftreten können. Abhängig von der Cape und der noch recht schwer abschätzbaren
Low Level Shear sind auch Bow Echos denkbar. Sollten zu Beginn der Auslöse
diskrete Einzelzellen auftreten, sprächen der geringe Spread und die daraus
resultierende niedrige Wolkenbasis - selbstverständlich auch abhängig von der
Low Level Shear - für eine leicht erhöhte Tornadowahrscheinlichkeit. Als
Quintessenz bleibt festzuhalten, dass bei auftretenden Gewittern vor allem bzgl.
des Windes und Starkregens (hohe ppw-Werte) durchaus Unwetterpotential vorhanden
ist.
Ob es zur Auslöse reicht und vor allem, wo genau, ist aber aus aktueller Sicht
noch schwer abschätzbar. Auch bzgl. der genauen Lage der flachen Rinne bestehen
noch Modelldifferenzen. WRF 4 km von heute, 03 UTC simuliert ab den frühen
Abendstunden vom nördlichen Niedersachsen über das südliche Schleswig-Holstein
bis nach Rügen immerhin einige kräftige konvektive Entwicklungen im Bereich der
Rinne, während der 03 UTC-Lauf des COSMO-DE diesbezüglich nichts auf der Karte
hatte.
Im Bereich der Kaltfront, die bis zum Abend die Deutsche Bucht und das nördliche
Schleswig-Holstein erreicht, ist wohl mit schauerartigen, teils gewittrigen
Regenfällen zu rechnen, lokal eng begrenzt ist dabei Starkregen nicht
ausgeschlossen, ansonsten bleiben die Mengen aber unterhalb der Warnschwellen.
In der Mitte und im Süden sind bei überwiegendem Sonnenschein Höchstwerte
zwischen 28 und 34 Grad zu erwarten und somit bei recht hohen Taupunkten auch
eine starke Wärmebelastung. Im Norden wird es - je nach Sonne - mit 21 bis 28
Grad nicht ganz so heiß, im Nordseeumfeld werden kaum 20 Grad erreicht.

In der Nacht zum Montag zieht der Kurzwellentrog rasch weiter nordostwärts.
Dahinter stellt sich eine relativ glatt, aber leicht antizyklonal konturierte
Südwestströmung über dem Vorhersagegebiet ein.
Die Kaltfront kommt unter Wellenbildung mangels Schubkomponente nach wie vor nur
zögernd südostwärts voran und überquert allmählich den Nordwesten Deutschlands.
Die Intensität der schauerartigen Niederschläge im Frontbereich nimmt mangels
Hebung allmählich ab, im Westen und Norden bis in die mittleren Landesteile
können lokal eng begrenzt aber noch Gewitter mit Starkregen dabei sein. Auch die
präfrontalen Gewitter über Norddeutschland klingen rasch ab bzw. ziehen über die
Ostsee nordostwärts ab.
Im Osten und Süden steht - wenn sich die eventuellen Gewitter an den Alpen
aufgelöst haben, eine ruhige Nacht ins Haus. Insgesamt bleibt es mit
Tiefstwerten zwischen 21 und 15 Grad sehr mild bis warm.

Montag ... zieht ein weiterer Kurzwellentrog von der Irischen See bis zum Abend
zur nördlichen Nordsee. Im Bodenfeld kommt die Kaltfront nur sehr zögernd
südostwärts voran und erreicht bis zum Abend in etwa eine Linie Pfalz -
Nordbrandenburg. Im präfrontalen Bereich kommt es dabei aufgrund von PVA vor
allem im Süden und Südosten Deutschlands zu recht markanten Hebungsprozessen.
Somit dürfte sich die Hauptwetteraktivität erneut im Bereich einer präfrontalen
Konvergenz abspielen, die sich mit Unterstützung durch den Tagesgang über
Süddeutschland ausbilden sollte. Mit Frontannäherung steigen die ppw-Werte dort
auf 35 bis 40 mm, die ML-Cape auf 1000 bis 1500 J/kg. Insgesamt ist die
Luftmasse nicht mehr so gedeckelt wie am Vortag, außerdem wird der
Hebungsantrieb durch das konvergente Windfeld im Bereich der Rinne verstärkt. Im
Laufe des frühen Nachmittags dürfte es zur Auslöse reichen - wohl beginnend im
Bergland (Schwäbische Alb, Thüringer Wald, Frankenwald, Erzgebirge) bzw. an den
Alpen.
Hochreichende Scherung zwischen 20 und 30 m/s und auch die recht markant
simulierte Low Level Shear (10 bis 15 m/s) lassen erneut organisierte Strukturen
in Form einer Squallline oder Bow Echos zu, eventuell beginnend mit
Einzelzellen, die rasch superzellulär werden. Im Alpenvorland ist auch eine
langlebigere und aufgrund des schwächeren Oberwindes dort als weiter nördlich
langsam ziehende Superzelle denkbar. Warntechnisch dürfte dann auch rasch
Unwetterpotential erreicht werden - und zwar bzgl. Starkregens, Hagels und
Sturms.
Welche Regionen nun betroffen sind - darüber lässt sich aus aktueller Sicht nur
spekulieren. Grob kristallisieren sich momentan die Gebiete in etwa südöstlich
einer Linie Schwäbische Alb - Ostsachsen heraus. Da besteht aber noch Spielraum,
vor allem, wenn die Kaltfront vielleicht doch etwas schneller als erwartet
südostwärts vorankommt (das würde die Lage eher entspannen) oder - umgekehrt -
ein wenig eingebremst wird.
Im unmittelbaren Frontbereich - in etwa von Rheinland-Pfalz bis nach
Vorpommern/Nordbrandenburg - lebt die Schauer- und Gewittertätigkeit im
Tagesverlauf ebenfalls etwas auf, dabei sind lokal eng begrenzt auch Starkregen,
Hagel und stürmische Böen nicht ausgeschlossen.
Postfrontal gelangt erwärmte subpolare Meeresluft nach Nordwestdeutschland, die
stabiler geschichtet ist und innerhalb derer es nur vereinzelt kurze Schauer
gibt.
Im Südosten liegen die Temperaturen in 850 hPa bis zum frühen Nachmittag noch
zwischen 17 und 21 Grad, so dass dort Höchstwerte zwischen 28 und 33 Grad
erreicht werden. Ansonsten liegen sie meist zwischen 23 und 28 Grad, im
Nordwesten zwischen 19 und 24 Grad.

In der Nacht zum Dienstag erreicht die Kaltfront den Südosten Deutschlands,
verwellt dann über dem Alpenraum aber erneut. Vorderseitig eines weiteren, bis
Dienstagfrüh zur Nordsee, nach Benelux und nach Nordfrankreich schwenkenden
Höhentroges kommt es vor allem im Frontbereich zu markanten Hebungs- und
Aufgleitprozessen.
Während die Gewitter im Laufe der ersten Nachthälfte mehr oder weniger rasch
ostwärts abziehen, setzen vom Hochrhein bis zum Bayerischen Wald und südöstlich
davon länger anhaltende und teils ergiebige Regenfälle ein. COSMO_EU und
ICON-Nest simulieren gebietsweise Mengen von mehr als 50 mm in 12 Stunden
(Unwetter), ICON-Nest eher im Alpenvorland, COSMO_EU dagegen weiter
nordwestlich, vom Bodensee und dem schwäbischen Donauraum bis ins südliche
Mittelfranken bzw. nördliche Oberbayern.
Der Nordwesten Deutschlands gelangt zunehmend in den Einflussbereich eines von
der mittleren Nordsee allmählich nordostwärts schwenkenden Bodentroges, wobei
sich der Druckgradient dort etwas verschärft und der Wind aus Südwest
auffrischt. Im Nordseeumfeld reicht es dann eventuell für starke Windböen (Bft.
7). Zugleich nimmt mit Trogannäherung dort die Schauerneigung zu, wobei auch
kurze Gewitter mit stürmischen Böen möglich sind.
Im Rest des Landes verläuft die Nacht ruhig, wobei die Wolken gebietsweise
stärker auflockern und sich örtlich Nebel bilden kann.



Dienstag ... kommt der zunehmend breit angelegte Höhentrog über dem westlichen
Mitteleuropa zögernd nach Osten voran und weitet sich etwas nach Süden aus.
Im Bodenfeld verläuft das verwellende Frontensystem weiterhin quer über den
Alpenraum hinweg nahezu quasistationär nordostwärts. Dabei verstärken sich die
Hebungs- und Aufgleitprozesse an dessen Nordwestflanke über Süddeutschland am
Vormittag und Mittag sogar noch, ehe sie am Nachmittag abklingen und die Front
beginnt, allmählich südostwärts voranzukommen.
Vor allem vormittags werden somit über Südbayern nach wie vor ergiebige
Niederschläge simuliert, COSMO_EU und ICON-Nest haben im Alpenvorland sogar
sechsstündig Mengen über 40 mm auf der Karte. Erst im Laufe des Nachmittags
klingen die Regenfälle dann von Nordwesten her allmählich ab.
24-stündig (Zeitraum: Montag, 18 UTC bis Dienstag, 18 UTC) ergeben sich nach
COSMO-EU und ICON-Nest sogar Mengen bis 100 m, recht verbreitet aber Mengen über
50 mm. Während die ergiebigsten Niederschläge nach COSMO_EU noch den Donauraum
tangieren würden, sind sie nach ICON weiter südlich, im südlichen Alpenvorland
angesiedelt.
ECMWF (von 00 UTC) simuliert insgesamt geringere, im 24-Stundenzeitraum aber
ebenfalls unwetterartige Mengen bis über 50 mm vor allem im schwäbischen
Alpenvorland. GFS verschiebt das Maximum der Niederschlagsintensität eher auf
die zweite Tageshälfte.
COSMO-LEPS (ebenfalls von 00 UTC) hat von Oberschwaben bis zum Donauried
Wahrscheinlichkeiten von 10 bis 25 % für Mengen über 50 mm/24 h auf der Karte,
ECMWF-EPS dagegen nur geringe Wahrscheinlichkeiten von unter 10 % im südlichen
Alpenvorland.
Nahe zum Trogbereich gelangt vor allem in den Westen und Nordwesten bis in die
mittleren Landesteile eine hochreichend labile Luftmasse. COSMO_EU simuliert
teilweise mehr als 500 J/kg ML-Cape bei ppw-Werten zwischen 20 und 25, im
Nordseeumfeld bis 30 mm. Dabei dürften sich im Tagesverlauf verbreitet Schauer
und Gewitter entwickeln. Starke bis stürmische Böen, Starkregen und kleiner
Hagel sind wohl als markanteste Begleiterscheinungen zu erwarten, das
Unwetterpotential ist aber eher gering.
Im Südwesten bleibt, ebenso wie in der Osthälfte, das Schauerrisiko geringer und
vor allem nach Osten zu scheint auch länger die Sonne. Die Temperaturen steigen
im Dauerregen im Süden Bayerns, im Nordseeumfeld und im westlichen Bergland auf
16 bis 20 Grad, sonst werden 19 bis 24 Grad erreicht, in der Lausitz und im
Berliner Raum reicht es eventuell nochmals für einen Sommertag.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die externen Modelle simulieren im Kurzfristbereich eine der deutschen
Modellkette ähnliche Wetterentwicklung. Unsicherheiten ergeben sich im Detail,
zunächst einmal bzgl. der konvektiven Aktivität am morgigen Sonntag im Norden
und am Montag im Südosten. Beides steht noch auf ziemlich "wackligen Beinen",
beide Lagen könnten auch - um es im Chaserjargon auszudrücken - "floppen".
Dennoch wird im Text natürlich auf das Potential hingewiesen, also auf das, was
die Wetterküche hervorzaubern kann, wenn alle Zutaten perfekt passen.
Größere Modelldifferenzen ergeben sich auch bzgl. der Dauerregenlage am
Dienstag. Auf diese wurde im Text bereits eingegangen.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff