DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

02-10-2019 10:30

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 02.10.2019 um 10.30 UTC



Wechselhaftes und kühles Herbstwetter.
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Synoptische Entwicklung bis zum Mittwoch, den 09.10.2019


Der Herbst hat Einzug gehalten in Deutschland. Geht das wechselhafte und kühle
Wetter auch am kommenden Wochenende weiter?

Ja, denn am kommenden Samstag ziehen die Überbleibsel des ehemaligen Hurrikans
LORENZO über Deutschland hinweg ostwärts ab und sorgen somit vor allem noch über
dem Osten und Süden des Landes für längere Regenfälle, am Alpenrand mit mehr als
10 Litern pro Quadratmetern binnen 6 Stunden eventuell sogar noch von
Warnrelevanz. Mit einer rückseitig des Tiefs auf Nord drehenden Strömung gelangt
ein neuer Schwall (erwärmter) Polarluft nach Deutschland bei zurückgehenden 850
hPa Temperaturen unter 0 Grad. Über Skandinavien hat sich im Bereich eines
kräftigen Hochs bereits ein beachtliches Kaltluftreservoir angesammelt (Theta
850 hPa teils einstellig). Dort liegen die Höchstwerte meist nur noch um die +5
Grad, in Küstennähe bis 10 Grad. Hierzulande sind noch 10 bis 15 Grad zu
erwarten. An der Südflanke des Tiefs herrscht vor allem in der ersten
Tageshälfte noch ein strammer Höhenwind vor, worauf die Hochlagen von
Schwarzwald, Alpen und Bayerwald mit Sturmböen reagieren. In Küstennähe sorgt
supergeostrophisch verstärktes Ausfließen aus dem Hoch ebenfalls für windige
Verhältnisse. Dabei sind gebietsweise steife, exponiert stürmische Böen aus
Nordost zu erwarten, die "windchilltechnisch" den Griff zur dicken
"Übergangsjacke" empfehlenswert machen.

Am Sonntag verbleibt Deutschland im Randbereich des umfangreichen Höhentroges
mit Zentrum über der Ostsee und dem Baltikum. Dabei ist am Boden ein flacher
Skandinavienhochkeil wetterwirksam, womit "klassischer" Zwischenhocheinfluss
Einzug hält. Im Tagesverlauf nähert sich von Frankreich ein achsensenkrechtes
Cut-Off Tief, das zum Abend hin im Südwesten voraussichtlich für neuen Regen
sorgt. Sonst überwiegen die Wolken auf dem kühlen Temperaturniveau des Vortages.
Der östliche Wind bleibt besonders in Küstennähe lebhaft. Aufgrund der niedrigen
Nullgradgrenze dort (rund 1300 Meter) sind trotz limitierter Labilität
unterstützt durch das vergleichsweise noch warme Wasser am ehesten an
Abschnitten mit auflandigem Wind einzelne Schauer zu erwarten.

Am Montag wird das Cut-Off Tief vom Haupttrog über dem Baltikum eingefangen und
schwenkt unter starker Amplifizierung (durch die orographisch begünstigte
Region: Rhonetal) hinweg zum Tyrrhenischen Meer. Dadurch wird eine kräftige
Zyklogenese angefacht, die zu Beginn der neuen Woche weite Teile der zentralen
Mittelmeerregion mit Sturm und lokal heftigen Regenfällen beschäftigen wird.
Über Deutschland bekommt man davon wenig mit, lediglich der unmittelbare
Alpenrand ist von leichten Aufgleit-/Stauprozessen tangiert, was zu zeitweiligen
Niederschlägen führt. Die Schneefallgrenze sollte dabei um oder nur wenig über
1000 Meter liegen. Im großen Rest sorgt trogrückseitige NVA für antizyklonal
geprägtes Wetter bei einem weitgehend trockenen Wechsel aus Sonne und Wolken.
Bei -2 bis -5 Grad in 850 hPa besteht nachts bei größeren Auflockerungen erhöhte
Frostgefahr und tagsüber bleibt es in mittleren und höheren Lagen bei
einstelligen Höchstwerten.

Am Dienstag und Mittwoch schwenkt von Nordwesten ein sich rasch abflachender
Rücken nach Mitteleuropa und raubt somit dem blockierende Hoch über Skandinavien
dessen (höhen-)stützende Grundlage. Damit greifen sukzessive atlantische
Frontensysteme auf uns über, die mit einer auf West drehend Strömung
gleichzeitig aber mildere Atlantikluft mit sich bringen.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


An der Grenze zur Kurzfrist angekommen, bereitet die Umwandlung LORENZOs zu
einem außertropischen Tief und dessen nachfolgende Verlagerung nach Mitteleuropa
den Modellen weiterhin große Probleme. Auch wenn der tendenzielle "Fahrplan"
recht klar erscheint, so bestehen vor allem bezüglich des Timings (Wann zieht
der Regen am Samstag wirklich ostwärts ab?) noch größere Unsicherheiten. So hat
der aktuelle 0z IFS Lauf das Tief um 12z schon Richtung Slowakei gerechnet. Über
Deutschland liegt der Druck in der Folge mit 1015 hPa um satte 10 hPa höher als
noch im Vorlauf gestern 12z.
Das hat entsprechende Auswirkungen auf den Sonntag, wo es derzeit nach einem
verzögerten Übergreifen der Regenfälle von Südwesten aussieht. Am
grundsätzlichen kühlen und wechselhaften Witterungscharakter wird aber nicht
gerüttelt.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


ICON ist derzeit noch am langsamsten mit der Verlagerung Ex-LORENZOs und gleicht
der Lösung des gestrigen 12z IFS Laufs. Demnach liegt das Tief am Samstag 12z
noch mitten über Sachsen mit einem ausgeprägten scharfen Trog Richtung
Ostfriesland, was bis auf den Westen noch verbreitet einen regnerischen Tag zur
Folge hätte. Der Trend - auch in den übrigen Globalmodellen geht aber hin zu
einer schnellen Verlagerung, so dass sich Wetterbesserung von Westen einstellen
sollte. Eine eigene und weitere unwahrscheinliche Lösung bietet das ICON dann
zum Ende der Mittelfrist, wo es den Skandinavienblock relativ lange bestehen
lässt. Demnach wäre am Dienstag sogar ein Vb-artiges Szenario denkbar mit
Aufgleitniederschlagen von Südosten. Die anderen gängigen Globalmodelle liegen
konform zum IFS mit rascher (neuerlicher) Zonalisierung bis Mitte nächster
Woche, was auch aus synoptischer Sicht am wahrscheinlichsten ist.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Mit Beginn der Mittelfrist unterliegen die Rauchfahnen schon einem relativ
großen Spread, was die Unsicherheit verdeutlicht. Anhand der sinusförmigen
Schwingung des Geopotentials wird allerdings der wechselhafte Charakter durch
die rasche Abfolge von Trog-Keil-Mustern gestützt. Auch das kühle
Temperaturniveau mit 850 hPa Werten um 0 Grad wird von der Mehrheit der
Ensemblemember mitgetragen. Der Tiefpunkt wird recht einheitlich mit -5 Grad im
Norden und Osten für Montag vorhergesagt, wobei Haupt- und Kontrolllauf am
unteren Rand der Verteilung liegen. Tiefer sollte es entsprechend nicht gehen,
bedeutet aber, dass bei 10 Grad Maximumtemperatur auch das Ende der Fahnenstange
erreicht ist.

Auffällig zudem: vermehrte Niederschlagssignale am Sonntag im EPS im Westen
(z.B. Essen). Somit ist auch das zeitliche und räumliche Übergreifen des
Cut-Offs über Frankreich noch mit größeren Unsicherheiten behaftet.

Die Rauchfahnen des GFS und GEM liefern diesbezüglich keine neuen Erkenntnisse
und sind ebenfalls mit großen Unsicherheiten behaftet. Die Kanadier gehen mit -3
Grad der kältesten Member in 850 hPa nicht ganz so weit runter.

Werfen wir zuletzt noch einen Blick auf die Cluster. Die im Text mehrfach
angesprochenen Unsicherheiten spiegeln sich in 5 gebildeten Clustern wider.
Dabei sind sich im Zeitraum +120-168h (Mo-Mi) die Cluster 1-3 mit insgesamt 41
der insgesamt 51 Member (entspricht rund 80%) einig, was eine rasches
Durchschwenken des Rückens und in der Folge eine neuerliche Zonalisierung zur
Folge hat. Cluster 5 mit 5 Membern repräsentiert den (unwahrscheinlichen)
deterministischen Lauf des ICON mit längerem Hoch über Skandinavien. Cluster 4,
in dem auch der IFS-Hauptlauf (wohl denkbar knapp an den Clustern 1-3 vorbei)
angesiedelt wurde, stellt ein "Mittelding" dar.

FAZIT: Bei uns bleibt bis auf weiteres kühles und wechselhaftes Herbstwetter
wetterbestimmend. Die Höchstwerte erreichen dabei zum Wochenwechsel im Norden
und Osten nur noch schwerlich die 10 Grad Marke. Aufgrund meist bewölkter
Verhältnisse bleibt es in den Nächten aber noch weitgehend frostfrei. Zeit- und
gebietsweise treten Niederschläge auf, wobei die Schneefallgrenze nur wenig
oberhalb von 1000 Metern liegt. Eine genauere Differenzierung der
Niederschlagsvorgänge ist noch mit großen Unsicherheiten behaftet.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Eine negative Temperaturanomalie über Skandinavien, Orkanböen mit Annäherung
LORENZOs an der Westküste Irlands sowie Sturmböen und intensive Regenfälle im
zentralen Mittelmeer - die Hotspots für extreme Wettererscheinungen machen in
den kommenden Tagen einen großen Bogen um Deutschland.

So bleiben bei uns lediglich geringe Wahrscheinlichkeiten (20% COSMO-LEPS) für
stürmische Böen an exponierten Küstenabschnitten am Samstag aus Nordost sowie 30
bis 70% für mehr als 30 l/qm in Staulagen der Alpen in der Nacht zum Samstag und
Samstagvormittag übrig. Was aus Wetterfanatikersicht enttäuschend klingt, lässt
Katastrophenstäbe, die Bahn, Polizei und Feuerwehr u.a. wettertechnisch
entspannt auf die nächsten Tage schauen.
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Basis für Mittelfristvorhersage
IFS, IFS-EPS, Mos-Mix
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Robert Hausen