DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

29-09-2019 07:01
SXEU31 DWAV 290800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 29.09.2019 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
W z, Übergang zu NW z
Sturmlage. Am Abend und in der ersten Nachthälfte von Westen und Südwesten auf
die Mitte übergreifend, in der zweiten Nachthälfte von der Nordsee her im
Nordwesten aufkommend Sturmböen, in Nordseenähe teils schwere Sturmböen. Bis
Montagmittag dann die östlichen Landesteile erfassend, dort ebenfalls Gefahr
schwerer Sturmböen. Bis in den Montagabend hinein an der Ostsee Sturmböen. Kurze
Gewitter, in Verbindung mit kräftigeren Schauern und Gewittern sowie im Bergland
schwere Sturm- und orkanartige Böen, exponiert Böen bis Orkanstärke.
Am Dienstag im Norden gebietsweise Dauerregen möglich. Außerdem in höheren
Berglagen und in der Nacht zum Mittwoch an der Nordsee aufkommend erneut
Sturmböen.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 24 UTC
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Sonntag... liegt Deutschland im Bereich der Frontalzone. Ein darin eingelagertes
Sturmtief wird in die Nordsee gesteuert, an dessen Vorderseite Deutschland
gelangt. Dieses Tief liegt zwar entwicklungsgünstig an der Vorderseite des
nachfolgenden Troges; zudem wirkt Warmluftadvektion noch in die Richtung einer
weiteren Intensivierung, aber der Trog besteht aus kurzwelligen Anteilen, die
bereits zuvor aus dem Haupttrog herauslaufen, so dass eine explosionsartige
Zyklogenese unwahrscheinlich ist. Dennoch dürfte sich der Gradient in der
einfließenden subtropischen, zunächst stabil geschichteten Atlantikluft weiter
anziehen, so dass im Westen und in Teilen der Mitte Windböen bis Bft 7
aufkommen. Im Bergland und an der Nordfriesischen Küste sind stürmische,
exponiert auch Sturmböen und auf höheren Berggipfeln schwere Sturmböen
vorstellbar. Im Osten und Süden sind warnrelevante Böen eher auf höhere
Berglagen beschränkt, zudem kann es an den Alpen leicht föhnig werden, so dass
in den hierfür anfälligen Lagen ebenfalls einzelne Sturmböen auftreten können.
Mit der Warmfront dieses Tiefs fallen Niederschläge, die sich vom Norden und
Westen im Tagesverlauf bis auf Teile der Mitte ausweiten. Südlich der
Mittelgebirge sind dagegen größere Auflockerungen und zum Teil auch längere
sonnige Abschnitte zu erwarten. Dies lässt die Temperatur auf 20 bis 24 Grad
steigen (an den Alpen kann es durch leichten Föhn sogar noch etwas wärmer
werden), wogegen sonst 16 bis 20 Grad erreicht werden.
In der Nacht zum Montag zeichnet sich eine markante Achse ab, die in ihrem
Nordteil nach Norddeutschland, in ihrem südlichen Teil (rascher als der nördlich
Teil der Achse) über Süddeutschland hinweg ostwärts schwenkt. Diese Struktur
bewirkt eine weitere leichte Intensivierung des Sturmtiefs bis knapp unter 985
hPa und daher Gradientzunahme. Abgesehen vom Norden und dem äußersten Südosten
sollten am Abend und in der ersten Nachthälfte von Westen und Südwesten her bis
auf die Mitte übergreifend verbreitet stürmische Böen und einzelne Sturmböen
sowie im Bergland durchweg Sturmböen und exponiert schwere Sturmböen aufkommen.
Mit dem über den Süden hinweg schwenkenden Trog kommt etwas Labilität, aber mehr
Hebung und Scherung (sowohl niedertroposphärisch als auch hochreichend) ins
Spiel. Hierdurch sind in Verbindung mit einer "herumgeholten" Okklusion mit
Kaltfrontcharakter organisierte konvektive Umlagerungen bis hin zu kurzen
Gewittern zu erwarten, die mit Sturm- und schweren Sturmböen einhergehen; auch
orkanartige Böen sind bei entsprechender Organisation nicht auszuschließen. In
höheren Berglagen besteht ohnehin die Gefahr orkanartiger Böen. Der Oberwind
erreicht im 850 hPa-Niveau bis 70 kt und setzt für derartige Böen hinreichende
Signale.
In der zweiten Nachthälfte greift dann der nördliche Teil dieses Troges in das
Wettergeschehen ein. Dieser bildet sich auch eindrucksvoll im Bodendruckfeld ab.
Mit diesem Trog stößt dann labil geschichtete Luft von Nordwesten her in den
Norden Deutschlands vor. Daher sind in der zweiten Nachthälfte die stärksten
Böen zunächst an der Nordsee und bis Montagfrüh auf die "nördliche" Mitte
übergreifend zu erwarten, wobei Sturm- und schwere Sturmböen auftreten (d.h.,
der Wind legt noch etwas zu) und in Verbindung mit organisierter Konvektion (bis
hin zu kurzen Gewittern) orkanartige Böen dabei sind. Im Gegensatz zu der
Situation zuvor im Süden ergeben sich aufgrund des abgesenkten
Kondensationsniveaus auch Indizien für möglicherweise sogar rotierende
Strukturen. Aber auch südlich daran anschließend bis in den östlichen
Mittelgebirgsraum hinein sind verbreitet stürmische bzw. Sturmböen, in höheren
Berglagen orkanartige Böen zu erwarten, wobei auch dort in Verbindung mit
kräftigeren Schauern oder kurzen Gewittern die Böen um mindestens 1 Bft höher
anzusetzen sind. Im Westen und Südwesten beginnt sich hingegen die Lage zu
entspannen, so dass dort stürmische bzw. Sturmböen auf höhere Berglagen
beschränkt sind.

Montag... schwenkt der Trog über Polen hinweg ostwärts. Aus dem Nordmeer heraus
erfolgt ein Vorstoß arktischer Polarluft, der zu Geopotentialverlust und einer
Trogbildung über Norwegen führt, so dass der in der Frontalzone nachfolgende
flache Rücken nicht so recht zum Zuge kommt. Kaltluftadvektion bewirkt jedoch
Druckanstieg, so dass sich von Westen her ein Zwischenhoch nach Süddeutschland
schiebt. Hierdurch bleibt in der ersten Tageshälfte der Gradient noch nahezu
unverändert kräftig, so dass sich die stärksten Böen dann im Nordosten und
anfangs auch noch in der Mitte Deutschlands abzeichnen. In diesen Gebieten sind
verbreitet Sturm- und schwere Sturmböen zu erwarten; bis in den Vormittag hinein
sind in Verbindung mit kurzen Gewittern auch orkanartige Böen nicht
auszuschließen. Dasselbe trifft für exponierte Berggipfel zu.
Mit der weiteren Ostverlagerung des Troges und auch des korrespondierenden
Bodentiefs sollte in der zweiten Tageshälfte auch im Nordosten alsbald
Entspannung einsetzen und die Schauer- und Gewittertätigkeit zum Erliegen
kommen. Mit Wind- und in freien Lagen stürmischen Böen sowie an der Ostseeküste
noch mit Sturmböen ist aber noch zu rechnen.
Nach Süden hin macht sich das Zwischenhoch mit Auflockerungen und Aufheiterungen
bemerkbar, bevor auf den Westen Deutschlands erneut Warmluftadvektion
übergreift. Während im Süden Temperaturmaxima um 20 Grad zu erwarten sind,
bewegen sich sonst die Temperaturen zwischen 15 und 19 Grad.
In der Nacht zum Dienstag wird in der Frontalzone ein weiteres flaches Tief in
die südliche Nordsee gesteuert, das zunächst kein Entwicklungspotential
aufweist. Mit der Warmfront dieses Tiefs greifen kräftige Niederschläge von
Nordwesten her auf den Norden Deutschlands über. Gebietsweise können die
Warnschwellen für Dauerregen erreicht werden. Wo dies der Fall ist, hängt von
der Verlagerungsrichtung dieses Tiefs ab. An dessen Südflanke legt der Gradient
zu, so dass im Bergland dann erneut Sturmböen und exponiert schwere Sturmböen
aufkommen. Im Südosten bleibt es dagegen im Bereich des Zwischenhochs
gradientschwach, so dass sich dort gebietsweise Nebel bilden kann.


Dienstag... wird das o.g. Tief über den Norden Deutschlands hinweg nach Polen
gesteuert. Ein nachfolgender Trog hängt über den Britischen Inseln fest, so dass
eine weitere Intensivierung dieses Tiefs eher unwahrscheinlich ist. An der
Südflanke dieses Tiefs, d.h. im Bereich eines breiten Warmsektors und bei
zunächst stabiler Schichtung, bleibt der Gradient kräftig, so dass erneut im
höheren Bergland stürmische, auf Berggipfeln Sturmböen und exponiert schwere
Sturmböen auftreten können. Aber auch im Tiefland sind in freien Lagen Windböen
möglich. Mit der zunehmenden Labilisierung im Tagesverlauf wird die Böigkeit
stärker, so dass Windböen in tieferen Lagen wahrscheinlicher werden. Entlang der
Zugbahn des Tiefs fällt längere Zeit Regen, wobei gebietsweise
Niederschlagssummen zusammenkommen, die eine Warnung vor Dauerregen erfordern.
Dies dürfte neben Niedersachsen in Teilen von Brandenburg (einschließlich dem
Berliner Raum) und der Altmark der Fall sein. Dabei müssten die 12-std.
Kriterien hinreichend sein.
Im Tagesverlauf greift die Kaltfront von Nordwesten her auf Deutschland über und
arbeitet sich bis zum Abend bis zur Linie Eifel--Berliner Raum vor. Da zuvor in
der eingeflossenen gealterten Subtropikluft eine Labilisierung erfolgte, sind
mit Frontpassage (und auch präfrontal) konvektive Umlagerungen bis hin zu
Gewittern zu erwarten, die dann auch wieder mit Böen bis Sturmstärke einhergehen
können; bei einem Oberwind im 850 hPa-Niveau bis 50 kt sind auch schwere
Sturmböen nicht auszuschließen.
Längere sonnige Abschnitte sind allenfalls präfrontal, d.h. im Süden zu
erwarten, auch im Lee der östlichen Mittelgebirge sind größere Auflockerungen
vorstellbar. In diesen Gebieten steigt die Temperatur auf 20 bis 24 Grad,
unmittelbar an den Alpen bei leicht föhnigem Einfluss auch etwas darüber.
Ansonsten hält sich mehrschichtige Bewölkung, wobei 15 bis 19, im Norden Maxima
um 13 Grad erreicht werden.
In der Nacht zum Mittwoch weitet sich der über Skandinavien liegende Trog
süd-südwestwärts aus, wodurch eine südwestliche, aber stark zyklonale Strömung
bestehen bleibt. Hierdurch rückt die Kaltfront schleifend bis in den
Mittelgebirgsraum vor, wobei mit Frontpassage vor allem im Bergland noch Wind-
und exponiert stürmische Böen auftreten können. Postfrontal dreht die bodennahe
Strömung auf Nord bis Nordwest, was auch an der Nordsee wieder Wind- und an der
Nordfriesischen Küste stürmische Böen aufkommen lässt. Ansonsten sollte der Wind
nicht mehr warnrelevant sein.
Da die Kaltfront zusehends von Kaltluftadvektion überlaufen wird, lässt die
Wetterwirksamkeit der Front nach, so dass entsprechende Dauerregenwarnungen
nicht mehr zu verlängern bzw. noch auf weitere Gebiete auszuweiten sind.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die vorliegenden Modelle zeigen eine weitgehend ähnliche Entwicklung. Anhand der
synoptischen Basisfelder lassen sich keine prognoserelevanten Unterschiede
ableiten. Auch hinsichtlich der Sturmlage heute Abend, Nacht und am
Montagvormittag haben die Modelle eine Linie gefunden.
Unterschiede ergeben sich hauptsächlich in Bezug auf den möglichen Dauerregen am
Dienstag. Während ICON einen weiter südlich liegenden Bereich (etwa Grenze nach
NRW, hauptsächlich aber Niedersachsen bis hin in den Berliner Raum) favorisiert,
halten andere Modelle einen Streifen vom Emsland ostwärts für wahrscheinlicher,
was auch von Seiten der Probabilistik (auch ICON-EU EPS) eher gestützt wird. Mit
geringer Wahrscheinlichkeit werden in Nordseenähe sogar Niederschlagssummen bis
in den Unwetterbereich hinein gezeigt.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Thomas Schumann