DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

28-09-2019 18:01
SXEU31 DWAV 281800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 28.09.2019 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Straffe Südwest- bis Westlage. In der Nacht im Norden noch einzelne Gewitter und
küstennah Böen Bft 7, in Mittelgebirgslagen Böen Bft 7 (höhere Lagen) bis Bft 9
(Kamm- und Gipfellagen). Am Sonntag von Westen erneute Windverschärfung. Im
Westen im Flachland Bft 7, Berglagen Bft 8-10, exponierte Gipfel Bft 11-12. In
der zweiten Nachthälfte und am Montagvormittag dann von der Mitte auf den
Nordosten Deutschlands übergreifend. Danach zögerlich nachlassender Wind.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 12 UTC
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Aktuell ... liegt Deutschland unter einer straffen west- bis südwestlichen
Strömung. In diese ist ein Kurzwellentrog eingelagert, der weite Teile des
Nordens schon überquert hat und der spätestens in der zweiten Nachthälfte Polen
erreicht, wobei ihm ein flacher Rücken folgt, dessen Achse ausgangs der Nacht
vom Westen Deutschlands in Richtung Nordsee gerichtet ist. Der Trog überläuft
dabei auch das zugehörige Bodentief, das in der Nacht von der Nordsee her über
den Skagerrak bis zur schwedischen Südwestküste vorankommt. Der dem Tief
vorlaufende Bodentrog erreicht zum Morgen die Danziger Bucht, und da diesem auch
im Bodendruckfeld ein flacher Rücken folgt, wird der Gradient nicht nur etwas
auseinandergezogen, sondern die Strömung wird auch etwas antizyklonaler. Beides
sorgt in der Nacht für ein Nachlassen der Böen, was nicht nur für den Norden,
sondern auch für den unter leichtem Hochdruckeinfluss liegenden und damit
insgesamt deutlich windschwächeren Süden gilt. So erwarten die deterministischen
Läufe von ICON und ICON6-Nest nur noch an den Küsten Böen der Stärke 7 Bft,
COSMO-D2 und auch EZMW können sich immerhin noch in exponierten Lagen die Bft 8
vorstellen. Eine Ausnahme davon bildet der Brocken, wo die Modelle unisono für
die Nacht noch die Sturmstärke anpeilen. Bei MOSMIX wird die gesamte Lage etwas
aggressiver eingeschätzt, was bedeutet, dass dieses Modell in der Nacht auch in
exponierten Mittelgebirgslagen in der Mitte und im Süden noch Böen der Stärke 7
Bft bis 9 Bft vorhersaget, auf dem Brocken auch einzelne Böen Bft 10. Diesen Weg
gehen allerdings noch nicht einmal die Ensembles mit, EZMW-EPS und ICON-EU-EPS
sehen allenfalls für Böen Bft 7-8 in höheren Mittelgebirgslagen sehr geringe
Wahrscheinlichkeiten. Sicher ist allerdings, dass der Gradient und damit die
Durchmischung für ausgedehnte Nebelfelder zu lebhaft ist.

Da über dem Norden darüber hinaus die Luftmasse auch in der Nacht labil
geschichtet ist, bleibt dort bis in die zweite Nachthälfte ein gewisses
Gewitterrisiko erhalten. Lapse-Rates von unter -0,6K/100m gepaart mit etwas CAPE
(bis um 200 J/kg) lassen weiterhin einzelne Gewitter als wahrscheinlich
erscheinen, die dann bei Oberwinden von bis zu 45 kt durchaus auch mit Sturmböen
einhergehen können, allerdings selbst bei PPW-Werten bis 27 mm ob der schnellen
Verlagerung keinen Starkregen zur Folge haben sollten. Diese aus ICON6-Nest
stammenden Werte werden von den anderen Modellen weitgehend mitgetragen, wobei
sich das niederschlagsaffine COSMO-D2 lokal sogar zu Starkregensignalen
hinreißen lässt. Anzumerken ist allerdings noch die kräftige Scherung über dem
Norden (Deep-Layer bis über 30 m/s, Low-Level bis knapp 20 m/s), so dass sich
dort auch in der ersten Nachthälfte durchaus organisierte Strukturen bilden
können. Die Tiefstwerte liegen dabei meist zwischen 13 Grad im Norden und 6 Grad
im Süden.

Sonntag ... gelangt Deutschland an die Vorderseite des Sturmtiefs "MORTIMER",
das bis zum Abend laut ICON oder auch EZMW von den Britischen Inseln bis über
die südliche Nordsee gesteuert wird. Dieses Tief liegt zwar entwicklungsgünstig
an der Vorderseite des nachfolgenden Troges und zudem wirkt Warmluftadvektion
noch in die Richtung einer weiteren Intensivierung, aber der Trog besteht auch
laut der neuesten Modellläufe aus 3 einzelnen kurzwelligen Anteilen (in 300
hPa), die sich gegenseitig "behindern" und eine regional konzentrierte
Entwicklung nicht zulassen. Damit ist eine kräftige Zyklogenese laut der
gängigen Modelle nicht zu erwarten. Bei ICON soll sich der Tiefkern nur
zögerlich vertiefen, laut EZMW (00 UTC) über den Tag bezüglich des Kerndrucks
sogar weitgehend unverändert bleiben. Unterschiede sind noch in der Zugbahn
auszumachen, die EZMW etwas weiter nördlich sieht als dies bei ICON der Fall
ist. Im Gleichklang sind die Modelle aber bei Wind, wo sie in der einfließenden
subtropischen, aber stabil geschichteten Atlantikluft auf der Vorderseite eines
von der Nordsee in Richtung Südwesten orientierten markanten Bodentroges ein
weiteres Anziehen des Gradienten vorhersagen, so dass im Nordwesten, Westen und
in der Mitte erneut Windböen bis Bft 7 aufkommen. Im Bergland und an der
Nordfriesischen Küste sind stürmische, exponiert auch Sturmböen und auf höheren
Berggipfeln schwere Sturmböen vorstellbar. Im Osten und Süden sind warnrelevante
Böen eher auf höhere Berglagen beschränkt. Dies ist zumindest die Vorstellung
der deutschen Modelle (ICON und seine Derivate, COSMO-D2), EZMW sieht eine in
der Fläche ein verbreiteteres Auftreten der Böen, MOSMIX ist bezüglich der Böen
insgesamt erneut aggressiver und liefert in den Gipfellagen des Südens (u.a.
Feldberg im Schwarzwald, Ochsenkopf, Fichtelberg) auch orkanartige Böen Bft 11.
Über den Gradientwind hinaus kann es an den Alpen leicht föhnig werden, so dass
in den hierfür anfälligen Lagen ebenfalls einzelne Sturmböen auftreten können.

Mit der Warmfront des Tiefs kommen Niederschläge auf, die sich vom Norden und
Westen im Tagesverlauf bis in die südliche Mitte ausweiten. Südlich der Donau
bleibt es laut ICON, COSMO-D2 oder EZMW trocken, dort gibt es auch größere
Auflockerungen, laut GFS ist es auch zwischen Main und Donau niederschlagsfrei.
Im Nordwesten sind die Niederschläge auch kräftig, in Nordfriesland kratzen GFS
und EZMW an der 12-stündigen Warnschwelle von 25 l/qm in 12 Stunden. Dies ist
allerdings wohl nur mit konvektiver Unterstützung "zu haben". Insbesondere an
der am Nachmittag und Abend auf die Nordwesthälfte übergreifenden Kaltfront sind
entsprechende Umlagerungen denkbar, MOS liefert in der Nordwesthälfte
entsprechend leicht erhöhte Gewitterwahrscheinlichkeiten. Interessant wird die
Böenentwicklung an der Front, Oberwinde von bis zu 60 kt in 850 hPa im Westen
lassen Schwere Sturmböen oder auch Orkanartige Böen nicht ausgeschlossen
erscheinen. Bezüglich der Regensummen liefern die Schauer und möglichen Gewitter
wie am Vortag als Einzelerscheinung keine warnwürdigen Mengen, mehrere Zellen
über derselben Region lassen 20 l/qm in 6 Stunden aber im Bereich des Möglichen
liegen.

Bei viel Sonne im Süden liegen die Höchstwerte bei bis zu 25 Grad (an den Alpen
kann es durch leichten Föhn sogar noch etwas wärmer werden), im Norden werden
bei längerem Regen teils nur 16 Grad erreicht.

In der Nacht zum Montag geht die "Dreierstruktur" des Troges verloren; vielmehr
zeichnet sich eine aus der westlichsten Geopotentialwelle hervorgehende markante
Achse ab, die in ihrem Nordteil nach Norddeutschland, in ihrem südlichen Teil
(rascher als der nördlich Teil der Achse) über Süddeutschland hinweg ostwärts
schwenkt. Diese Struktur bewirkt eine weitere leichte Intensivierung des
Sturmtiefs bis knapp an die 985 hPa heran (aber nach den aktuellen Modelläufen
nicht mehr unter 985 hPa) und daher eine weitere leichte Gradientzunahme.
Abgesehen vom Norden und dem äußersten Südosten sollten am Abend und in der
ersten Nachthälfte durchweg Windböen, von Westen und Südwesten her bis auf die
Mitte übergreifend stürmische Böen und im Bergland durchweg Sturmböen und
exponiert schwere Sturmböen aufkommen. Mit dem über den Süden hinweg
schwenkenden Trog kommt etwas mehr Labilität und Hebung ins Spiel, was sich
beispielsweise bei ICON6-Nest auch an etwas CAPE zeigt; die Scherung (sowohl
niedertroposphärisch als auch hochreichend) ist wie schon am Tage sehr hoch.
Hierdurch sind in Verbindung mit einer "herumgeholten" Okklusion organisierte
konvektive Umlagerungen bis hin zu kurzen Gewittern zu erwarten, die mit Sturm-
und schweren Sturmböen einhergehen; auch orkanartige Böen sind bei
entsprechender Organisation nicht auszuschließen. In höheren Berglagen besteht
ohnehin die Gefahr orkanartiger Böen. Der Oberwind erreicht im 850 hPa-Niveau
mehr al 60 kt und setzt für derartige Böen hinreichende Signale.

In der zweiten Nachthälfte greift dann der nördliche Teil des Troges in das
Wettergeschehen ein. Hierdurch zeichnen sich dann die stärksten Böen von der
Nordsee bis nach Mitteldeutschland ausgreifend ab (erneut Sturmböen und schwere
Sturmböen), wobei hinsichtlich des Norddeutschen Tieflandes, abhängig von der
Zugbahn des Sturmtiefs, weiterhin Unsicherheiten bestehen (z. B. bei ICON
raschere Verlagerung des Sturmfeldes als bei EZMW). Mit diesem Trog stößt dann
labiler geschichtete Luft von Nordwesten her in den Norden Deutschlands vor, was
Konvektion bis hin zu kurzen Gewittern Vorschub leistet, worauf auch schwache
CAPE-Signale hindeuten. Dabei sind dann auch orkanartige Böen nicht
auszuschließen. Im Gegensatz zu der Situation zuvor im Süden ergeben sich
aufgrund des sehr abgesenkten Kondensationsniveaus und des mit Werten von bis zu
20 m/s weiterhin sehr hohen Low-Level-Shears auch Indizien für möglicherweise
sogar rotierende Strukturen.

Montag ... schwenkt der Trog über Polen hinweg ostwärts. Der nachfolgende Rücken
wird durch einen Vorstoß arktischer Polarluft etwas abgeflacht, so dass dieser
in der Frontalzone nicht so recht zum Zuge kommt und sich über Deutschland eine
nur schwach antizyklonal gekrümmte, west-nordwestliche Höhenströmung einstellt.
Im Süden sorgt ein sich von Westen hereinschiebendes Zwischenhoch für
Druckanstieg. Hierdurch bleibt zumindest in der ersten Tageshälfte der Gradient
noch nahezu unverändert kräftig, wobei sich die stärksten Böen dann aus der
Mitte allmählich in den Nordosten verlagern. In diesen Gebieten sind Sturm- und
schwere Sturmböen zu erwarten; in den Frühstunden sind in Verbindung mit kurzen
Gewittern auch orkanartige Böen nicht auszuschließen. Dasselbe trifft für
exponierte Berggipfel zu. Mit der weiteren Ostverlagerung des Troges und auch
des korrespondierenden Bodentiefs sollte in der zweiten Tageshälfte auch im
Nordosten allmählich eine Entspannung einsetzen und die Schauer- und
Gewittertätigkeit zum Erliegen kommen. Mit Wind- und in freien Lagen stürmischen
Böen sowie an der Ostseeküste noch mit Sturmböen ist aber im Nordosten noch zu
rechnen. Nach Süden hin macht sich das Zwischenhoch mit Auflockerungen und
Aufheiterungen bemerkbar, bevor auf den Westen Deutschlands erneut
Warmluftadvektion übergreift. Während im Süden Temperaturmaxima bis knapp 22
Grad zu erwarten sind, bewegen sich sonst die Temperaturen zwischen 16 und 20
Grad.
In der Nacht zum Dienstag wird in der Frontalzone ein weiteres flaches Tief in
die südliche Nordsee gesteuert, das aber kein Entwicklungspotential aufweist.
Mit der Warmfront dieses Tiefs greifen kräftige Niederschläge von Nordwesten her
auf den Norden Deutschlands über. Ob diese Niederschläge warnrelevant sind, ist
noch nicht sicher und abhängig von der Verlagerungsrichtung dieses Tiefs, die
EZMW aktuell etwas nördlicher sieht als dies ICON tut. An dessen Südflanke legt
der Gradient erneut zu, so dass im Bergland dann wieder Windböen aufkommen,
exponiert sind Sturmböen nicht ausgeschlossen.

Dienstag ... herrscht weiter eine aktive Westwetterlage. Zwar ist die
Grundzirkulation durch einen kräftigen Keil über Grönland gestört, dennoch
verliert dieser seine blockierende Wirkung, da er von Tiefdruckgebieten und
Trögen am Südrand umlaufen wird. Dem Keil steht tiefes Geopotential über
Skandinavien gegenüber. Im Westen koppelt ein vom Atlantik kommendes
Cut-Off-Tief an den skandinavieschen Trog an. Dieses kommt von Großbritannien
und zieht bis Dienstagmittag nach Süddänemark wobei es sich im konfluenten
Jetbereich (rechter Jet-Eingang) noch etwas entwickeln kann
(Shapiro-Keyser-Typ). Über Mitteleuropa ergibt sich an der Südflanke des Tiefs
eine kräftige zonale Strömung, in der subtropische Meeresluft herangeführt wird
(850-hPa-Temperatur ~ 10 °C). In tieferen und mittleren Schichten verläuft der
Jet nun über Deutschland. Bei dem stärker werdenden Gradienten an der Südflanke
des Tiefs nimmt der Wind auf 850 hPa bis auf 50 kt zu. Trotz relativ stabiler
Schichtung sollte dies für einzelne stürmische Böen bis in tiefe Lagen reichen.
Im Tagesverlauf überquert die schwache Kaltfront Deutschland ostwärts. Diese hat
ihren Kontakt zum Tiefkern verloren und weißt in Bodennähe kaum mehr scharfe
Konturen auf (typisch für SK-Zyklonen). In der Höhe erfolgt jedoch eine etwas
stärkere Abkühlung, sodass sich wahrscheinlich genug CAPE für einzelne Gewitter
aufbaut, die sich eventuell bedingt durch die hohe Scherung in einigen schwachen
Linie organisieren können. Dabei besteht die Gefahr von lokal schweren
Sturmböen. Die eigentliche Frontalzone befindet sich weiter nördlich. Dort wird
durch die Kopplung an den Langwellentrog Frontogenese ausgelöst, wodurch sich
eine im Temperaturfeld stark ausgeprägte Front bildet/gebildet hat, die von
Süddänemark bis Großbritannien reicht. Die Südkomponente ist zunächst nicht
stark ausgeprägt. Dies ändert sich aber in der Nacht zum Mittwoch, wenn das
Tief, (nun nur noch ein Randtief) unter Abschwächung zum Baltikum zieht und sich
der zurückhängende Trog über Mitteleuropa stromabwärts entwickelt.


Modellvergleich und -einschätzung
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Im Grundsatz recht ähnliche Vorhersagen der Modelle. Im Detail Unterschiede
bezüglich der Intensität und Zugbahn der Tiefdruckgebiete, der genauen
Ausprägung und Lage der Tröge sowie der zu erwartenden Labilität und in der
Folge der zu erwartenden Schauer- und Gewittertätigkeit. Insbesondere die
Abläufe in der Nacht zu Montag und am Montag sind von en Modellen noch nicht
sicher erfasst, auch was die Form der Zyklone (Shapiro-Keyser?) angeht.

Im Text sind einige der Unterschiede zwischen den Modellen genauer angesprochen
worden.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Martin Jonas