DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

27-09-2019 17:30
SXEU31 DWAV 271800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 27.09.2019 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Zyklonal geprägtes, zeitweise windiges Wetter mit wiederholten Niederschlägen.
Von Sonntag auf Montag weiterhin eine Sturmlage möglich.

Synoptische Entwicklung bis Montag 12 UTC
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Aktuell ... befindet sich dicht bei Schottland das hochreichende Zentraltief
LYSANDER, das bei genauem Hinschauen zwei Kerne (im Bodendruckniveau) aufweist -
einen knapp außerhalb der Hebriden, der andere am westlichen Rand der Forties
(nordwestliche Nordsee). Während ersterer die Nacht wohl nicht überleben wird,
zieht der andere geringfügig nach Osten.
Viel wichtiger als das ist allerdings die Tatsache, dass die zugehörige
schleifende Kaltfront in der Nacht die Alpen erreicht (präfrontal in Ostbayern
anfangs noch markante Gewitter). Sie bringt dem Alpenrand sowie dem südlichen
Alpenvorland solide Regenfälle der Größenordnung 5-10 mm/12 h, lokal (Stau) auch
etwas mehr. Rückseitig der Front gelangt ein Schwall erwärmter Meereskaltluft
subpolaren Ursprungs, in der die 850-hPa-Temperatur auf 8 bis 5°C zurückgeht.
Die darin auftretende Schaueraktivität kann bis in die Morgenstunden andauern,
die Gewitterneigung - von Vornerein schon nicht überbordend ausgeprägt - nimmt
eher ab.
Eine besondere Würdigung gebührt der Nordsee, über die ein aus dem Zentraltief
herauslaufender, gut ausgeprägter (deutliches IPV-Maximum) KW-Trog nordostwärts
schwenkt. Er bringt nicht nur ein gewisses Quantum an Dynamik auf´s Parkett
(PVA), sondern bewirkt auch eine leichte Labilisierung der Luftmasse, was mit
Unterstützung diabatischer Prozesse (Stichwort: relativ warmes
Oberflächenwasser) eine rege konvektive Aktivität in Form von Schauern und
Gewittern bedingt. Diese werden sich wahrscheinlich nicht nur auf See in Szene
setzen, sondern auch das nordseenahe Binnenland sowie die vorgelagerten Inseln
traktieren. Bei 925-hPa-Winden bis zu 45 Kt sollten begleitende Sturmböen 8-9
Bft keine große Überraschung darstellen, während außerhalb der Konvektion der
durch den Gradienten angetriebene Südwestwind an der Küste und auf den Inseln in
Böen eher die Stärke 7 Bft, exponiert 8 Bft anpeilt.
Abseits der Nordseeküste spielt der SW-Wind lediglich in exponierten Hochlagen
eine prominente Rolle mit Böen 8-9 Bft, auf dem Brocken bis 10 Bft.

Samstag ... verbleibt Deutschland unter der mäßig ausgeprägten, zonal
exponierten Frontalzone, in der die westliche Höhenströmung nur leicht zyklonal
konturiert ist. Das o.e. Drehzentrum des steuernden Tiefs LYSANDER verbringt den
Mittag über der nördlichen Nordsee etwa im Übergangsbereich von Forties zu
Fisher, um von dort bis Tagesende zum Skagerrak zu ziehen. Auf seiner Südflanke
wird mäßiger südwestlicher Grundströmung weiterhin erwärmte subpolare Meeresluft
in den Vorhersageraum gesteuert (T8505-8°C => Tmax bei guter Durchmischung 16
bis 21°C), die für einen wechselhaften Samstag sorgt.
Geht man vom Allgemeinplatz ins Detail - hier willkürlich von Süd nach Nord -,
stellt man zunächst mal fest, dass unsere Kaltfront immer noch über den Alpen
"hängt". Offensichtlich bereitet es ihr mangels ausreichend Schubkomponente
Schwierigkeiten, den Hauptkamm zu überqueren. Ihr Wirkungsradius reicht daher
noch bis zum deutschen Alpenrand, wo sich noch für längere Zeit dichte Bewölkung
hält, der morgendliche Regen aber mehr und mehr in die Knie geht.
Nördlich davon schließt sich ein bis über die Donau reichender Streifen mit
Auflockerungen, z.T. sogar sonnigen Abschnitten und einer vergleichsweise
schwachen Schauerneigung an (stabile Schichtung, geringer Wasserdampfgehalt mit
spez. Grundschichtfeuchten von rund 7 g/kg).
Diese ist im großen Rest des Landes (etwa von der südlichen Mitte bis hoch zu
den Küsten) größer, weil die Luftmasse labiler und feuchter ist. Allerdings
lassen sich auch hier begründetet Unterschiede herausarbeiten. So fallen
integriert über den Tag hinweg im Nordosten weniger Schauer (gebietsweise bleibt
es sogar trocken) als im Nordwesten. So schiebt sich im Tagesverlauf von
Südwesten her ein Feuchteminimum (spez. Feuchte teils unter 7 g/kg, PPW knapp
unter 20 mm) bis nach MV und das nördliche BB, die die Auslöse von Konvektion
erheblich dämpfen.
Ganz anders die Situation im Nordwesten, wo genau das Gegenteil passiert. Dort
nimmt der Wasserdampfgehalt im Tagesverlauf von der Nordsee und den Niederlanden
her kontinuierlich zu auf spez. F. bis zu 9 g/kg und PPWs knapp über 25 mm am
Nachmittag. Hinzu kommt eine zunehmende Zyklonalität vor allem in der mittleren
Troposphäre, die von einem neuerlichen KW-Trog über der Nordsee ausgeht. So
nimmt die Schauer- und Gewitteraktivität nach einer vormittäglichen Pause später
sowohl über der Nordsee als auch im nordwestdeutschen Binnenland (insbesondere
vom nördlichen NRW über Niedersachsen bis nach SH) wieder deutlich zu. Nicht
ausgeschlossen, dass sich über der Nordsee definierte Schauerstraßen ausbilden,
die erst bis nach Nord-, später bis nach Ostfriesland reichen und dort
stellenweise mehrstündigen Starkregen bringen (Signale u.a. von EURO4, COSMO-D2
und SuperHD). Unabhängig davon können die vor allem in Nordseenähe auftretenden
Gewitter im Maximalfall mit Böen 8-9 Bft (925- und 850-hPa-Wind bis zu 45 Kt)
und Starkregen um 15 mm/h einhergehen.
Bliebe aus warntechnischer Perspektive noch der (nicht-konvektive) Wind, der am
Samstag aus Südwesten kommend zumindest gebietsweise soweit aufmuckt, dass
mindestens eine kleine Warnung gezogen werden muss. Vor allem im Westen und
Nordwesten sowie in den mittleren Landesteilen dürften vermehrt steife Böen 7
Bft gemessen werden, während sich im Nordosten und im Süden ein relatives
Windminimum abzeichnet. An der Nordsee schaukelt sich der Wind im Tagesverlauf
bis Stärke 8 Bft auf, exponiert sowie in kräftigen Schauern/Gewittern sind auch
"glatte" Sturmböen 9 Bft drin. Diese Größenordnung (also 8-9 Bft) steht auch in
den Kamm-, Kuppen- und Gipfellagen der höheren Mittelgebirge sowie der Alpen auf
der Karte. Auf dem Brocken reicht es weiterhin für schwere Sturmböen 10 Bft.

In der Nacht zum Sonntag füllt sich das Tief über dem Skagerrak immer weiter
auf. Für Nachschub ist bereits gesorgt, auch wenn wir davon zunächst noch
verschont bleiben. MORTIMER heißt das Nachfolgemodell, das von den Tropenstürmen
JERRY und KAREN mit feuchter und energiereicher Subtropikluft vollgepumpt
wurde (=> warmer Kern) und vom mittleren Nordatlantik knapp nördlich von 50°
Nord Irland ansteuert. Stromab baut sich leichter Zwischenhocheinfluss, der
hauptsächlich in Form eines flachen Höhenrückens sichtbar ist. Dieser wandert
über UK hinweg zur Nordsee, wobei er - man möchte fast sagen "klassisch" - von
reichlich WLA überlaufen wird. Gleichzeitig wird damit die Annäherung einer zu
MORTIMER gehörenden Warmfront angekündigt.
Wettermäßig bedeutet das für die Mitte und den Süden eine zumindest teilweise
auflockernde Wolkendecke, gebietsweise sogar klare Verhältnisse mit einer
relativ geringen Nebelneigung (was ein paar Felder an und südlich der Donau aber
nicht ausschließt). Richtung Norden hingegen wird es schwer, die starke
Bewölkung zu perforieren. Zwar nimmt die Schaueraktivität im Binnenland ab, im
gesamten Küstenumfeld kommt es wahrscheinlich aber zu weiteren konvektiv
geprägten Niederschlägen. In der zweiten Nachthälfte greift dann schon wieder
mehrschichtige Warmfrontbewölkung auf den Nordwesten über, aus der es zum Morgen
hin leicht regnet oder nieselt. In exponierten Hochlagen bleibt es stürmisch,
während der Wind an der Küste vorübergehend abnimmt.

Sonntag ... wird es spannend, wenn nämlich der meereskundige MORTIMER ins
hiesige Geschehen eingreift. Selbst heute Abend, also rund 36 h vor dem
Ereignis, sind immer noch nicht alle Unklarheiten bezüglich des Detailverhaltens
dieses Sturmtiefs beseitigt.
Zunächst mal deutet aber alles darauf hin, dass seine Zugbahn von England über
die Nordsee gen Jütland führt, was nun seit einigen Läufen schon so gerechnet
wurde. Auffallend ist das nach wie vor geringe Entwicklungspotenzial; so weist
das Tief im neuesten ICON-Lauf von 12 UTC zu Tagesbeginn (00 UTC) bei Irland
einen Kerndruck von knapp über 990 hPa auf, um am Tagesende (24 UTC) unweit von
Fünen (DK) bei etwa 987 hPa zu landen, was gerade mal 4 lausige Hectopascal
ausmacht. Nun hängt die Wirkung eines Sturmtiefs weniger vom Kerndruck als
vielmehr vom Kern umgebenden Luftdruckgradienten ab, trotzdem stellt sich die
Frage nach dieser doch eher dünnen Entwicklung. Zum einen dürfte die
vergleichsweise schwach ausgeprägte Frontalzone ohne nennenswerten Jetstreak
eine Rolle spielen; die Höhenwinde sind somit relativ schwach, was natürlich
auch für die omegarelevanten Advektionstherme zutrifft. Kurzum, die
resultierende und für den Druckfall hauptverantwortliche Höhendivergenz fällt
ebenfalls limitiert aus. Hinzu kommt eine zumindest simulierte nicht ganz so
günstige Lage des Bodentiefs zum durchaus vorhanden Höhentrog (zu weit unter der
Achse und nicht am diffluenten linken Ausgang), so dass das Divergenzmaximum
nicht optimal mit dem Bodentief harmonisiert.
Wie auch immer, gerade auch durch die Beteiligung der o.e. energiereichen
Subtropikluft könnten schon kleine Verschiebungen zwischen Tief und
Höhenströmung eine große Wirkung haben, so dass die Folgeläufe weiterhin
genaustens beobachtet werden sollten (wird sowieso - auch ohne langwierige
Erläuterungen vom Hoffmann - gemacht).
Halten wir uns an das, was ICON gerade eben an und hochaktuell ausgespuckt hat,
sieht die Sache wir folgt aus: das Tief zieht wie gesagt via Nordsee gen
Dänemark, wobei es wahrscheinlich einen zweiten Kern ausbildet. Im Norden
breitet sich der WLA-getriggerte stratiforme Regen hinter der nach Norden
abziehenden Warmfront unter Intensivierung ostwärts aus (2-8 mm/12 h, im
Nordwesten gebietsweise etwas mehr), bevor mit der von Westen übergreifenden,
thermisch nur schwach ausgeprägten Kaltfront auch im Westen sowie in der
westlichen Mitte neuer Regen einsetzt (Mengen noch unsicher, aber weit weg
etwaiger Warnschwellen).
Während im norddeutschen Dauerregen kaum mehr als 14 bis 17°C aus der Anzeige
rauszuholen sind, setzt im Süden der Spätsommer noch mal eine fette Duftmarke.
Bei aufkommender Föhntendenz scheint häufig die Sonne, am längsten in den
südlichen Landesteilen von Bayern und BW. Dabei steigt die Temperatur auf satte
22 bis 26°C - Respekt.
Der Wind gibt sich tagsüber noch ziemlich handzahm; zwar frischt er aus Süd bis
Südwest kommend an der Nordsee (7-8 Bft) und in exponierten Hochlagen (7-9, nur
vereinzelt 10 Bft), weniger an der Ostsee (lokal 7 Bft) merklich auf, in tiefen
Lagen bleiben warnwürdige Böen zunächst aber die Ausnahme. Erst am Nachmittag
und Abend nimmt die Wahrscheinlichkeit für Böen 7 Bft, exponiert 8 Bft (z.B.
Leelagen) in den westlichen Landesteilen zu.

In der Nacht zum Montag greift dann der positiv vom Kern weggeneigte Bodentrog
des westlichen Tiefkerns von der Nordsee her auf den Vorhersageraum über.
Gleichzeitig überquert der korrespondieren KW-Trog in der Höhe große Teile
Deutschlands ostwärts. Dadurch gelangt besonders in den Norden sehr feuchte (PPW
über 30 mm, s.F. um 10 g/kg; wir erinnern uns, Subtropikluft ist beteiligt, die
um das Tief rumgewickelt wird und als sogenannte herumgeholte Warmluft
übergreift) und leicht labil geschichtete Luft, in der es zu kräftigen und
schauerartig verstärkten Regenfällen sowie einzelnen Gewittern kommt. Durch
wiederholte, teils organisierte Schauer (sehr hohe LLS von stellenweise rund 20
m/s) ist strichweise mehrstündiger Starkregen drin. Zur Mitte hin, besonders
aber im Süden fallen die Niederschläge geringer aus, z.T. bleibt es bei
gleichzeitigen Auflockerungen sogar ganz trocken.
Windmäßig soll sich in Teilen Norddeutschlands, nämlich in Kernnähe bzw.
innerhalb des Bodentrogs eher wenig tun. Erst rückseitig frischt der auf
Nordwest drehende Wind an der Nordsee und der westlichen Ostsee in Böen steif
bis stürmisch auf (7-8 Bft, exponiert vielleicht 9 Bft). Südlich des Bodentrogs,
also etwa vom Südteil der Norddeutschen Tiefebene bis hinunter in den Süden,
verschärft sich der Gradient und der Südwest- bis Westwind erreicht in Böen
Stärke 7-8 Bft, exponiert 9 Bft, in höheren Lagen je nach Exposition 9-12 Bft.
Noch mal, das geschilderte Szenario beschreibt die 12-UTC-Version von ICON, die
richtig sein kann, nicht muss.

Montag ... zieht das Tief weiter in Richtung Baltikum. Rückseitig strömt in den
Norden relativ direkt polare Meeresluft (T850 1 bis 4°C => 14 bis 17°C), während
die übrigen Gebiete von erwärmter Polarluft (größerer Bogen um das Tief, T850 4
bis 8°C => 17 bis 22°C) geflutet werden. Von Westen und Südwesten her setzt sich
Zwischenhocheinfluss durch, der den Gradienten aufweichen und den Wind sich
abschwächen lässt. In der Osthälfte kann es aber bis in den Nachmittag hinein
stürmisch bleiben, auf den Bergen sowie an der Küste sowieso. Ansonsten trocknet
die Luftmasse mehr und mehr und die Niederschlagsneigung nimmt ab. Südlich der
Donau gibt es sogar gute Chancen auf längere sonnige Abschnitte.


Modellvergleich und -einschätzung
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Wie im Text bereits angeklungen, ist das letzte Wort hinsichtlich Wind- und
Sturmentwicklung am Sonntag/Montag noch nicht gesprochen. Fakt ist, dass
zurückliegende Läufe vor allem externer Modelle schon gefährlichere Lösungen auf
der Karte hat. Trotzdem, noch ist nicht aller Tage Abend und Vorsicht ist die
Mutter der Porzellankiste - okay, 10 Euronen ins Phrasenschwein. Man wird mit
Spannung die nächsten Modellläufe und deren Anschlussprodukte abwarten und dann
die richtige Entscheidung treffen.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann