DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

24-09-2019 17:01
SXEU31 DWAV 241800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 24.09.2019 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
WWW - Wechselhaft Winkel-West mit wenig markanten (im Sinne des Warnmanagements)
Wettererscheinungen.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 12 UTC
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Aktuell ... zeigt uns landesweiter Druckfall an, dass wir alles andere als auf
Hochdruckkurs liegen. Oder mit andern Worten, das Frontensystem des ehemaligen
Tropensturms HUMBERTO (jetzt Ex-HUMBERTO) ist gerade dabei und wird das auch in
der Nacht noch tun, Deutschland von West-Südwest nach Ost-Nordost zu überqueren.
Das Tief selbst hält es nicht nötig, vor Ort vorstellig zu werden, es zieht "Die
Grüne Insel" sowie die Irische See als Nachtlager vor, was man akzeptieren muss.

Egal, Fakt ist, dass sich die frontalen Regenfälle bis morgen früh von Südwesten
her etwa auf eine Linie Lübecker Bucht/Dresden Blasewitz vorarbeiten, wobei die
zusehends okkludierende Kaltfront von einem Randtrog mit diffluenter Vorderseite
(=> PVA) unterstützt wird. Dieser Randtrog mogelt sich übrigens aus dem
Haupttrog heraus, der - korrespondierend zum "Ex" - über Irland/UK verbleibt.
Front hin, PVA her, das Ergebnis haut keinen so wirklich aus dem Sattel, meint,
in der Regel kommen trotz schauerartiger Verstärkungen durch den Trog keine 10
mm innert 12 h Niederschlag zusammen. Einzig im Stau der westlichen
Mittelgebirge sowie an den Alpen sind lokal mal ein paar Millimeter mehr
denkbar, was den Kohl aber nicht wirklich fett macht (die von ICON für das
Allgäu simulierten 30-40 mm/12 h besitzen ein fragwürdiges
Alleinstellungsmerkmal). Laut deutscher Modellkette wird im Südwesten
postfrontal etwas MU-CAPE generiert, was sogar der Bildung einzelner kurzer
Gewitter Vorschub leisten würde. Dahinter steht allerdings auch ein dickes
Fragezeichen. Der Chronistenpflicht halber sei erwähnt, dass die heute Vormittag
noch über dem Nordosten liegende Okklusion mangels Wetteraktivität inzwischen
aus den Analysen gelöscht wurde, auch wenn ein Feuchtemaximum beispielsweise in
700 hPa durchaus noch erkennbar ist.
Nebel ist in der Nacht aufgrund zahlreich vorhandener Bewölkung respektive meist
endlicher wolkenarmer Abschnitte kaum ein Thema (allenfalls aufliegende Wolken
könnten in einigen Höhenlagen für Sichteinschränkungen sorgen). Hinzu kommt ein
vor allem im Süden und Westen geringfügig aufkommender Süd- bis Südwestwind, der
in exponierten Kamm-, Kuppen- und Gipfellagen von Schwarzwald und Alpen in Böen
immerhin auf Stärke 8-9 Bft anwachsen kann.

Mittwoch ... mutiert der gute Ex-HUMBERTO mehr und mehr zu einem Bodentrog, der
zum Lunch Boris Johnson Gesellschaft leistet (also mitten über UK liegt), um
danach unter Konturverlust (wahrscheinlich hat´s nicht geschmeckt) die Nordsee
anzusteuern. Das mittlerweile vollständig okkludierte Frontensystem überquert
gegen Mittag die Elbe, wo es immer weiter augebremst wird. Grund dafür ist der
nachstoßende Höhentrog, der die Front zunächst zwar noch pusht, sich dann aber
an dem über dem östlichen Mitteleuropa respektive Skandinavien liegenden
Höhenrücken die Zähne ausbeißt.
Ein wirklicher Luftmassenwechsel findet mit Frontpassage nicht statt, sowohl in
der prä- als auch in der postfrontalen Meeresluft liegt die 850-hPa-Temperatur
um 7°C, was trotz Sonnenarmut 2m-Maxima im Normalbereich etwa zwischen 16 und
21°C garantiert. Ansonsten traktiert der frontale Regen bis in den Nachmittag
und Abend hinein die östlichen und nordöstlichen Landesteile, wobei aber nicht
allzu viel in die Töpfe fällt (meist unter 5 mm/12 h). Mit dem nachfolgenden,
negativ geneigten Höhentrog kommt zwar keine wirklich höhenkalte Luft in den
Vorhersageraum - die 500-hPa-Temperatur bleibt knapp über der -20°C-Marke) -,
trotzdem reicht es für eine leichte Labilisierung der Meeresluft bzw. etwas
ML-CAPE von wenigen hundert Joule pro Kilogramm. Kurzum, postfrontal entwickeln
sich weitgehend unorganisiert Schauer und auch vereinzelte kurze Gewitter, die
aber ohne markante Begleiterscheinungen über die Bühne gehen sollten (Gewitter
ziehen zu schnell für Starkregen, die Höhenwinde bleiben trotzdem limitiert
(max. 25 Kt in 850 hPa)).
Bliebe noch zu erwähnen, dass der südwestliche Wind mit dem Tagesgang
vornehmlich im Süden und Westen sowie der westlichen Mitte etwas zulegt,
warnrelevante Böen 7-8 Bft bleiben aber exponierten Hochlagen vorbehalten, was
wahrscheinlich unter die Einzelfallentscheidung fallen wird.

In der Nacht zum Donnerstag ziehen Okklusion und Höhentrog ost-nordostwärts aus
dem Vorhersageraum heraus, ohne dass sich nennenswerter Zwischenhocheinfluss
einstellt. Zwar folgt von Westen her ein flacher Rücken nach, der aber einmal
mehr von WLA überlaufen wird. Sie kündigt die Annäherung einer Warmfront eines
Tiefs nordwestlich von UK/Irland an (LYSANDER). So lockert die Wolkendecke von
wenigen Ausnahmen abgesehen gar nicht großartig auf und die anfänglich noch
auftretenden Schauer gehen allmählich in stratiformen Regen oder Nieselregen
über, der insbesondere den Süden und Westen sowie Teile Norddeutschlands
traktiert (1-5 mm/12 h, durch Stau lokal etwas mehr; IFS von 00 UTC simuliert im
Nordwesten teils 10 bis 15 mm, weil sich dort der scheidende Trog mit
schauerartigen Impulsen noch etwas stärker in Szene setzen kann).
Noch zu den o.e. Ausnahmen bei den Auflockerungen: nach Abzug des frontalen
Regens reißt die Wolkendecke im Nordosten für längere Zeit auf, was in der
angefeuchteten Grundschicht die Nebelneigung deutlich ansteigen lässt.

Donnerstag ... wandert der sich noch etwas verstärkende Höhenrücken ostwärts
über weite Teile Deutschlands hinweg. Er wird weiterhin gnadenlos von WLA
überlaufen, die im Tagesverlauf allerdings an Intensität einbüßt. Das hindert
die o.e. Warmfront aber nicht daran, von Westen her auf den Vorhersageraum
überzugreifen und ebenfalls noch Osten vorzustoßen. Die nachfolgende Kaltfront
des wenig beweglichen Tiefs LYSANDER (genau genommen handelt sich um ein
steuerndes Zentraltief) bleibt tagsüber noch außen vor bzw. nähert sich nur
langsam dem Nordwesten, so dass weite Teile des Landes in den breit
aufgespannten Warmsektor gelangen. Dabei wird vorübergehend etwas mildere, aber
ziemlich feuchte Biscayaluft eingesteuert, in der die 850-hPa-Temperatur auf
10/11°C ansteigt.
Was also leicht verlockend klingt, endet wettertechnisch mit einer Enttäuschung,
wobei das eigentlich ja gar nicht stimmt. Sonnenschein und Trockenheit hatten
wir in diesem Montag schon mehr als genug (von den Monaten davor gar nicht zu
reden), so dass das Geräusch prasselnden Regens durchaus als Wohltat bezeichnet
werden kann, auch wenn das vielleicht nicht jeder so sieht. Also, der
(warm)frontale Regen arbeitet sich peu a peu ost-nordostwärts voran, was
aufgrund des nur langsam abwandernden und sich noch etwas amplifizierenden
Höhnrückens ein schleichender Prozess ist. So verwundert es auch nicht, dass die
meisten Modelle die Regionen zwischen Erzgebirge und MV bis zum Abend noch
weitgehend trocken lassen mit der Chance anfänglicher Wolkenlücken (sofern sich
der Nebel rechtzeitig auflöst). Auch and en Alpen kann es leebedingt mitunter
mal etwas auflockern oder aufhellen.
Ansonsten gilt zu konstatieren, dass die Regenmengen fernab jeglicher
Warnschwellen bleiben, häufig reicht es nicht mal für mehr als 5 mm innert 12 h.
Etwas mehr könnte es gebietsweise im Nordwesten geben (bis zu 15 mm), wenn es
tatsächlich am Nachmittag und Abend mit Annäherung der Kaltfront und vielleicht
etwas dynamischer Unterstützung (PVA auf der diffluenten Vorderseite des
hochreichenden Zentraltiefs) zu einer Niederschlagsintensivierung kommen sollte.
Allerdings gehen die Meinungen der Modelle diesbezüglich noch auseinander, vor
allem ICON entpuppt sich aber als Fan eines solchen Szenarios.
Warntechnisch hat der Donnerstag gar nichts zu bieten, auch wenn es in den
schwindelnden Höhen des Hochschwarzwaldes mal für ein oder zwei Böen der Stärke
8 Bft aus Südwest reichen sollte. An den Temperaturen ändert sich nur wenig
gegenüber dem Vortag.

In der Nacht zum Freitag bleibt Tief LYSANDER träge wie ein Mops über dem
Seegebiet nordwestlich Schottlands liegen. Die zugehörigen Fronten legen dagegen
etwas mehr Dynamik an die Nacht. So überquert die Warmfront mit dem zugehörigen
stratiformen Regen die östlichen Landesteile in Richtung Polen und Tschechien.
Gleichzeitig greift die nachfolgende Kaltfront von der Nordsee und Benelux her
auf weite Teile Nord- und Westdeutschland über, wobei sie aufgrund ihrer
zunehmend höhenströmungsparallelen Exposition mehr und mehr ins Schleifen gerät.
Im Bereich des Okklusionspunktes deutet sich über Norddeutschland eine
Verstärkung des Regens an, was punktuell um 10 mm/12 h bringen könnte - mühsam
ernährt sich das Eichhörnchen. ICON simuliert auch im westlichen
Mittelgebirgsraum etwas höhere Niederschlagsraten (teils 10 bis 15 mm), was auf
Staueffekte und das zunehmende Schleifen zurückzuführen scheint. Allerdings
halten sich externe Modelle diesbezüglich noch zurück.
Die postfrontal einfließende subpolare Meeresluft (T850 7/8°C) ist relativ
stabil und wasserdampfarm, so dass Schauer oder gar Gewitter allenfalls über der
Nordsee generiert werden können (Diabasie). Zwar legt der Gradient etwas zu,
warnrelevante Böen bleiben wegen der stabilen Schichtung aber im Wesentlichen
exponierten Hochlagen der zentralen und südwestlichen Mittelgebirge sowie dem
Oberharz vorbehalten. Im Hochschwarzwald und auf dem Brocken stehen Böen 8-9 Bft
auf der Karte.

Freitag ... verschiebt sich das Drehzentrum des hochreichenden Zentraltiefs nur
wenig nach Osten in Richtung der Färöers. Die Kaltfront des inzwischen
abgekoppelten Frontensystems schwenkt mit dem zugehörigen Regenband schleifend
über die Mitte Deutschlands hinweg südostwärts, wobei die Mengen weiterhin
fernab jedweder Warnschwellen liegen. Die Gebiete südlich der Donau bleiben bis
zum Abend wahrscheinlich noch auf der Vorderseite im Zustrom subtropischer
Luftmassen (T850 10 bis 13°C). Dort scheint für längere Zeit die Sonne bei
Höchstwerten bis zu 25°C (mit leichter Föhnunterstützung). Ob es im Tagesverlauf
im Vorfeld der Front für einzelne konvektive Umlagerungen reicht, ist fraglich.
Vor 1-2 Monaten hätte man an dieser Stelle wahrscheinlich mit "ja" geantwortet,
Ende September reicht der Energieinput möglicherweise nicht mehr.
Wie auch immer, der große Rest des Landes wird von subpolarer Meeresluft
geflutet (T850 6 bis 10°C => Tma 16 bis 21°C), in der sich vor allem nach Norden
und Nordwesten hin Schauer und vereinzelte kurze Gewitter entwickeln. Der Süd-
bis Südwestwind frischt auf der Nordsee sowie im höheren Bergland auf mit Böen
7-8 Bft, in exponierten Kammlagen bis zu 9 Bft.



Modellvergleich und -einschätzung
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Mal abgesehen von den Niederschlagsvorhersagen, die im vorliegenden Fall aber
kaum warnrelevant sind, weisen die Modelle kaum Unterschiede auf.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann