DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

15-09-2019 17:01
SXEU31 DWAV 151800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 15.09.2019 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Mit Kaltfrontpassage von Nord nach Süd kälter. Dienstag im Nordosten stürmische
Böen, an den Küsten und in einigen Gipfellagen Sturmböen, exponiert schwere
Sturmböen.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 12 UTC
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Aktuell ... befindet sich Deutschland am Südrand der relativ glatten und kaum
mäandrierenden, vom Nordatlantik bis weit nach Osteuropa reichenden Frontalzone
unterhalb einer westnordwestlichen, vor allem über dem Norden und Osten des
Landes leicht diffluent konturierten Höhenströmung. Der vor allem über
Norddeutschland durch PVA generierte Hebungsantrieb wird dabei durchzunehmende
KLA zumindest teilkompensiert.
Im Bodenfeld hat die Kaltfront eines von Lappland Richtung Nordwestrussland
ziehenden Tiefs inzwischen die Norddeutsche Tiefebene erreicht. Aufgrund
höhenströmungsparalleler Exposition kommt sie nur zögernd nach Süden voran, etwa
bis zum Nordrand der Mittelgebirge, zusätzlich eingebremst durch eine flache
Frontalwelle, die ausgangs der Nacht von Westen her auf den Westen des
Vorhersagegebietes übergreift. Da die frontalen Hebungsprozesse kaum dynamisch
gestützt werden, hält sich die Wetteraktivität der Front in Grenzen, meist
werden nicht mehr als 0,5 bis 2 mm in 12 Stunden simuliert, erst in den
Frühstunden intensivieren sich die Niederschläge im Westen etwas.
Rückseitig gelangt ein Schwall maritimer Polarluft nach Norddeutschland. Die
Temperatur in 850 hPa sinkt auf etwa 1 bis 4 Grad. Die Luftmasse ist zunächst
nur bis etwa 800 hPa labil geschichtet, was zwar für flache Quellbewölkung, aber
selbst im Nordseeumfeld kaum mehr für Schauer reicht. Mit Annäherung der Welle
fächert der Gradient im Laufe der Nacht vor allem im Nordwesten etwas auf und
der Wind im Nordseeumfeld flaut zögernd ab. An der Ostseeküste und entlang der
nordfriesischen Küste reicht es dennoch für steife Böen aus West, an der Nordsee
Nordwest, Richtung Rügen sowie auf dem Brocken auch für einzelne stürmische
Böen.
Süddeutschland bleibt die Nacht über hinweg im Einflussbereich einer vom
Seegebiet südwestlich Irlands bis ins östliche Mitteleuropa reichenden
Hochdruckzone. Südlich von Mosel und Main bleibt es somit gering bewölkt, wobei
sich vor allem ab der Donau südwärts wieder gebietsweise Nebel bilden kann. Die
Tiefstwerte liegen zwischen 14 und 6 Grad.

Montag ... verlagert sich ein Kurzwellentrog mit seinem Drehzentrum von Island
rasch Richtung Haltenbank. Vorderseitig schwenkt ein flacher Höhenrücken nach
Südskandinavien. Über Deutschland bleibt die westnordwestliche Höhenströmung
verhältnismäßig glatt konturiert, dabei dominiert schwache KLA, so dass trotz
leichter Diffluenz kaum dynamischer Hebungsantrieb generiert werden kann. Das
vom Seegebiet südwestlich Irlands über Frankreich und den Westalpenraum bis in
den zentralen Mittelmeerraum reichende Höhenhoch wird ein wenig nach Süden
abgedrängt.
Im Bodenfeld wird die Hochdruckbrücke über Süddeutschland allmählich abgebaut.
Die Kaltfront des Tiefs über Nordwestrussland kommt über der Mitte Deutschlands
erst mit Durchzug der frontalen Welle ein wenig nach Süden voran und erreicht
zum Abend in etwa eine Linie Eifel - Vogtland. Nach wie vor fallen die
Niederschläge eher spärlich aus, mehr als 1 bis 5 mm, im Stau der westlichen und
zentralen Mittelgebirge vielleicht bis an die 10 mm sind nicht "drin".
Postfrontal kommt die maritime Polarluft ebenfalls ein wenig nach Süden voran,
bleibt aber oberhalb von etwa 700 bis 800 hPa recht stabil geschichtet. Somit
kann sich zwar flache Quellbewölkung ausbilden, für kurze Schauer reicht es aber
kaum und wenn, dann am ehesten noch Richtung Küsten. Von Warnrelevanz bleibt der
Wind, in erster Linie im Ostseeumfeld. Dort sind einzelne steife Böen (Bft 7)
aus West bis Nordwest möglich, auf dem Brocken eventuell stürmische Böen (Bft
8).
Präfrontal bleibt der Süden des Landes im Einflussbereich sehr warmer Luftmassen
aus dem südwesteuropäischen Raum (T 850 hPa zwischen 11 und 15 Grad). Vor allem
südlich der Donau labilisiert die Luftmasse zunehmend und bei auf um oder knapp
über 25 mm steigenden PPW-Werten können mehrere 100 J/kg ML-Cape generiert
werden. Ob es allerdings zur Auslöse reicht, ist mehr als fraglich. Auch die
konvektiven Modelle halten sich diesbezüglich sehr zurück, am ehesten gibt AROME
noch schwache Signale dafür. Sollte es reichen, sind die Begleiterscheinungen
maximal im markanten Bereich angesiedelt.
Die Höchsttemperaturen bewegen sich im Bereich der Front und nördlich davon
zwischen 15 und 19 Grad, südlich von Mosel und Main werden noch einmal
spätsommerliche 22 bis 28 Grad erreicht.

In der Nacht zum Dienstag verlagert sich der Höhentrog von der Haltenbank nach
Südschweden und regeneriert den umfangreichen nordeuropäischen Langwellentrog.
An dessen Südflanke greift der Jetstream in 300 hPa auf Nordwestdeutschland
über, der im Vorfeld innerhalb des diffluenten Höhenfeldes durch PVA generierte
Hebungsantrieb wird weiterhin durch KLA teilkompensiert.
Im Bodenfeld kommt die Kaltfront weiterhin nur zögernd nach Süden voran und
greift morgens auf Nordbaden bzw. auf Unter- und Oberfranken über. Dabei bleibt
ein Keil des sich vom nahen Ostatlantik allmählich Richtung Britische Inseln
verlagernden Hochdruckgebietes nach Südbayern gerichtet. Die frontale Welle ist
inzwischen nach Tschechien abgezogen und nach wie vor werden meist weniger als 5
mm Regen in 12 Stunden simuliert, lediglich im Osten/Nordosten Bayerns
gebietsweise mehr.
Ein mit dem Höhentrog korrespondierender Bodentrog greift im Laufe der Nacht von
der Norwegischen See auf Südskandinavien über und kann sich im Lee des
Norwegischen Küstengebirges verschärfen. Stromab frischt vor allem im Laufe der
zweiten nachthälfte der Wind vor allem an den Küsten deutlich aus West, an der
Nordsee Nordwest auf, morgens gibt es dort verbreitet stürmische Böen. Auch auf
dem Brocken und auf exponierten Alpengipfeln muss mit ersten Böen Bft 8 bis 9
gerechnet werden. Mit Annäherung des Troges gelangt allmählich höhenkältere Luft
in den äußersten Norden des Landes, an den Küsten und in Schleswig-Holstein gibt
es erste Schauer und auch kurze Gewitter, die bei hochreichender Scherung von
über 30 m/s und bis 45 kn in 800 hPa durchaus auch von Sturmböen begleitet
werden können.
Im Südwesten bleibt es präfrontal noch trocken, auch postfrontal fällt abseits
der Küsten kaum Niederschlag. Die Tiefstwerte liegen meist zwischen 11 und 7
Grad, an den Küsten und im Süden geht es kaum unter 13 Grad.

Dienstag ... verlagert der Höhentrog sein Drehzentrum zum Baltikum, was dazu
führt, dass sich der gesamte nordeuropäische Trogkomplex nach Süden, Richtung
östliches Mitteleuropa, ausweitet. Gleichzeitig wölbt sich der kräftige
Höhenrücken über dem nahen Ostatlantik, gestützt durch WLA - nordwärts Richtung
Island auf. Die Höhenströmung meridionalisiert also deutlich und dreht über dem
Vorhersagegebiet mehr und mehr auf Nordwest. Die Kaltfront kommt dadurch rasch
nach Südosten voran, wird aber von KLA überlaufen, zugleich verstärkt sich der
vom kräftigen Hoch über den Britischen Inseln bis nach Südwestdeutschland
reichende Keil. Beides wirkt frontolytisch und bis zum Abend fallen höchstens im
Süden und Südosten Bayerns noch wenige mm Niederschlag.
Postfrontal kommt die maritime Polarluft etwa bis zur Achse des Hochkeils nach
Süden voran. Im Südwesten bleibt es mit 8 bis 10 Grad in 850 hPa noch relativ
mild, sonst sinkt die Temperatur auf knapp unter 0 Grad in Norddeutschland und 6
Grad an der Donau. Während die Luftmasse in weiten Teilen des Landes lediglich
niedertroposphärisch (bis etwa 800 hPa) labil geschichtet ist und es somit meist
nur für flache Quellbewölkung, aber kaum für Schauer reicht, gelangt in den
Nordosten nahe des Troges zunehmend Höhenkaltluft, in 500 hPa sinkt die
Temperatur dort auf -25 bis -30 Grad. Somit können sich dort von den Küsten
Schauer und auch kurze Gewitter landeinwärts ausweiten. Wie weit genau, ist noch
unsicher, ICON-EU lässt es in weiten Teilen der Norddeutschen Tiefebene trocken,
während IFS und GFS, aber auch das SuperHD die Schauer bis etwa an den Nordrand
der Mittelgebirge vorankommen lässt. Als Begleiterscheinung spielt vor allem der
Wind eine Rolle, lokal eng begrenzt sind bei hochreichender Scherung teils über
40 m/s und bis 50 kn in 800 hPa durchaus auch schwere Sturmböen zu erwarten,
eventuell sogar mehr.
Der Bodentrog über Südskandinavien kann sich im Tagesverlauf noch deutlich
verschärfen und zieht bis zum Abend als eigenständiges Tiefdruckgebiet über die
südöstliche Ostsee zum Baltikum. Die Trogachse schwenkt dabei nach
Norddeutschland. Mit der damit einhergehenden Gradientverschärfung frischt der
Wind auch außerhalb der Schauer deutlich auf und es gibt in der gesamten Nord-
und Osthälfte steife Böen (Bft 7), nach Osten zu häufig auch stürmische Böen
(Bft 8) aus Nordwest. An den Küsten und auf den Gipfeln vieler Mittelgebirge
(außer der südwestdeutschen) bzw. der Alpen gibt es Sturmböen (Bft 9), an
exponierten Küstenabschnitten und auch dem Brocken auch schwere Sturmböen (Bft
10). Zum Abend hin flaut der Wind in erster Linie im Binnenland allmählich
wieder ab.
Während vor allem im Südwesten im Einflussbereich des Hochkeils oft die Sonne
scheint und sie auch an den Küsten bzw. in der Norddeutschen Tiefebene sowie im
Lee der Mittelgebirge immer mal wieder zum Vorschein kommt, bleibt es im Stau
der Mittelgebirge oft stark bewölkt bis bedeckt. Die Höchstwerte liegen zwischen
14 Grad im Nordosten bzw. im zentralen Mittelgebirgsraum und 24 Grad am
Hochrhein.

In der Nacht zum Mittwoch zieht der Trog mit seinem Drehzentrum weiter nach
Weißrussland, der kräftige Höhenrücken verlagert seinen Schwerpunkt nach Irland.
Über dem Vorhersagegebiet bleibt die nordwestliche Höhenströmung glatt
konturiert, steilt aber etwas auf, so dass die Polarluft allmählich auch die
Alpen erreicht. Dort kann es mit einer durchschwenkenden Kaltluftstaffel
vorübergehend sogar etwas regnen bzw. oberhalb von etwa 1500 m auch schneien.
Ansonsten bleibt es in weiten Teilen des Landes trocken, zumal sich von Westen
her auch der nach West- und Süddeutschland gerichtete Hochkeil verstärken kann.
Das Bodentief über dem Baltikum kommt rasch nach Osten voran, insgesamt fächert
der Gradient im Nordosten aber nur zögernd auf. An den Küsten gibt es somit bis
in die Frühstunden noch steife, exponiert stürmische Böen, auf den Gipfeln der
östlichen Mittelgebirge und auf dem Brücken ebenfalls stürmische Böen aus
Nordwest. Die Höhenkaltluft wird allmählich nach Osten abgedrängt, dennoch
reicht es an den Küsten, insbesondere der Ostsee, noch für einzelne Schauer und
kurze Gewitter, begleitet von Sturmböen, Tendenz allerdings abnehmend.
Die Nacht fällt im Einflussbereich der Polarluft frisch aus mit Tiefstwerten
zwischen 9 und 2 Grad, an den Küsten um 12 Grad. In windschwachen Senken und
Tälern kann es Bodenfrost, eventuell sogar leichten Luftfrost geben.

Mittwoch ... verlagert der gesamte Langwellentrog seine Achse allmählich nach
Nordwestrussland, während der Höhenrücken über Westeuropa nahezu quasistationär
bleibt und sich noch ein wenig nordwärts aufwölben kann. Die daraus
resultierende kräftige nordwestliche Höhenströmung bleibt glatt konturiert,
nennenswerte dynamische Hebungsantriebe sind keine auszumachen.
Niedertroposphärisch wird weiterhin maritime Polarluft nach Deutschland
advehiert, die Temperatur in 850 hPa bewegt sich zwischen -1 Grad im Norden und
+6 Grad am Hochrhein. Das Bodenhoch verlagert seinen Schwerpunkt allmählich nach
England bzw. zur westlichen Nordsee, nach wie vor reicht ein Keil über den
Westen und die Mitte Deutschlands hinweg südostwärts. Vor allem nordöstlich der
Keilachse gelangt niedertroposphärisch etwas feuchtere und leicht labil
geschichtete Nordseeluft nach Norddeutschland, ob die Labilität noch für
einzelne kurze Schauer oder gar Gewitter reicht, ist aber unklar. Erneut
simuliert ICON-EU so gut wie keine Niederschläge, während IFS (von 00 UTC) vor
allem im Nordosten wenige mm auf der Agenda hat und GFS auch im nördlichen
Niedersachsen.
Während der Nordosten eventuell vom Lee des skandinavischen Küstengebirges
profitiert und dort häufiger mal die Sonne scheint, bleibt es ansonsten in
Norddeutschland eher bewölkt, mancherorts kann sich die sich bildende flache
Quellbewölkung auch an der Absinkinversion horizontal ausbreiten, vor allem wohl
in Teilen Niedersachsens uns Ostwestfalens bis zum Weserbergland.
Im Südwesten scheint dagegen häufig die Sonne, einzelne Quellwolken über den
Mittelgebirgen und den Alpen bleiben wohl harmlos. Die 20 Grad werden maximal
noch am Oberrhein erreicht, ansonsten bleibt es mit Höchstwerten zwischen 14 und
19 Grad recht frisch.



Modellvergleich und -einschätzung
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Alle vorliegenden Modelle zeigen im Kurzfristzeitraum eine sehr ähnliche
Wetterentwicklung. Auffällig sind mal wieder die spärlichen bis gar nicht
vorhandenen konvektiven Niederschlagssignale vom ICON am Dienstag und Mittwoch
in Teilen Nord- und Ostdeutschlands.
Ansonsten sind keine warn- und prognoserelevanten Unterschiede auszumachen.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff