DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

10-09-2019 10:30

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 10.09.2019 um 10.30 UTC



Am Wochenende vorläufiger Höhepunkt des Altweibersommers
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Synoptische Entwicklung bis zum Dienstag, den 17.09.2019


Am Freitag, dem Beginn der heutigen Mittelfrist, verläuft die Höhenströmung in
500 hPa zonal und recht glatt über Mitteleuropa hinweg. In tieferen
Troposphärenschichten macht sich dagegen stärker der zu Ex-"Gabrielle" gehörende
Trog über der südöstlichen Ostsee erkenntlich, dessen Achse sich noch bis zur
Mitte Deutschlands nachverfolgen lässt. Darin eingebettet gelangt die nächtliche
Okklusion mit Kaltfrontcharakter des ehemaligen Tropensturms, das kaum noch eine
eigenständige Zirkulation aufweist der Mitte des Landes ins Schleifen und unter
schwaches Absinken. Die Ursache liegt darin begründet, dass sich stromaufwärts
ein flacher Rücken über den Britischen Inseln anschließt, der die Ausweitung des
Azorenhochs Richtung Irland stützt. So verwundert es nicht, dass im Frontbereich
zwischen Eifel und Oder nur marginale Regenfälle mit maximal 1 bis 3 mm binnen 6
Stunden zusammenkommen. Vielerorts wird es auch weitgehend trocken bleiben.
Abseits dieses schmalen Streifens wird es recht sonnig mit Höchstwerten um 25
Grad im Süden und Südwesten. Da in den Norden postfrontal subpolare Meeresluft
mit 850 hPa Temperaturen unter 5 Grad einfließt (daher Kaltfrontcharakter),
verschärfen sich die Temperaturgegensätze (Höchstwerte im Norden 17 bis 20 Grad)
ein wenig, was den Frontolysevorgang als solchen trotz antizyklonalen Umfeldes
etwas verzögert.
In der Nacht zum Samstag gelangt Deutschland vermehrt auf die Vorderseite des
flachen Rückens über Westeuropa, womit sich am Boden der Schwerpunkt des Hochs
mit Kerndruck nahe 1035 hPa allmählich von den Britischen Inseln nach
Deutschland verlagert. Etwa auf Höhe der Mainlinie lässt sich schön die
weitestgehend inaktive Luftmassengrenze identifizieren, die erwärmte Mischluft
im Süden (Theta >40 Grad, T 850 hPa um 10 Grad) von der subpolaren Meeresluft im
Norden (Theta <25 Grad, T 850 hPa <5 Grad) trennt. Lokal wird sich bei nur
schwacher Luftbewegung und längeren Auflockerungen teils dichter Nebel bilden -
im Frontbereich als Mischungsnebel, abseits davon als Strahlungsnebel. Gerade in
der Lüneburger Heide, aber auch in einigen Mittelgebirgstälern wird es frisch
mit Tiefstwerten um die 5 Grad.

Am Samstag tut sich an der großräumigen Druckverteilung kaum etwas, da
mehrheitlich Langwellentröge/-keile an den Vorgängen über Europa beteiligt sind.
Über Mitteleuropa ist weiterhin Hochdruckeinfluss wetterbestimmend, wobei die
sich die Hochachse im Bodenfeld in etwa von der Doggerbank bis zur Leipziger
Tieflandsbucht erstreckt. Die Gebiete nördlich davon sind in der nordwestlichen
Strömung anfällig für flache (gedeckelte) Konvektion und auch in Franken sollte
im Bereich der LMG die Auslösetemperaturen tief genug sein, im dekoratives
Gewölkt auszulösen. Sonst überwiegt nach teils schon zäherer Auflösung von
Frühnebelfeldern der Sonnenschein. Die Temperaturen erreichen in weiten Teilen
erneut die 20 Grad Marke, am Oberrhein sind bis 27 Grad zu erwarten. Im Norden
bleibt es mit 17 bis 20 Grad etwas kühler.

Am Sonntag erreicht ein schweres Sturmtief über Island hinwegziehend die
Norwegische See. Die vorderseitige WLA sorgt für einen Potentialanstieg über
Skandinavien und damit effektiv für eine progressiv ostwärts schwenkende Achse
des Höhenrückens bei gleichzeitiger Amplifizierung. Unterstützend wirkt dabei
zusätzlich ein Cut-Off über der Biskaya. Damit erreicht aller Voraussicht nach
auch nochmal die Warmluftzufuhr über Deutschland einen vorläufigen Höhepunkt,
wobei sich die 15 Grad Isotherme in 850 hPa von Frankreich bis zum Abend bis zum
Niederrhein und ins Vogtland "vorarbeitet". Nun ist es bei nur flacher
Druckverteilung mit der Durchmischung nicht weit her, so dass Mitte September
bei derartigen Bedingungen nicht mehr unbedingt von trockenadiabatischer
Durchheizung und somit heißen Tagen über 30 Grad auszugehen ist. Verbreitete
Höchstwerte zwischen 25 und 29 Grad in der Südwesthälfte Deutschland sind nach
aktuellem Stand aber als ziemlich wahrscheinlich anzunehmen. Der Rekordwert für
einen 15. September liegt beispielsweise in Freiburg im Breisgau bei 30.8 Grad
aus dem Jahre 1964. Es könnte also mancherorts eng werden, was neue Rekorde
anbelangt.

Zum Beginn der neuen Woche ist die weitere Entwicklung noch sehr unsicher. Der
Trend schlägt aktuell eher Richtung kühler und wechselhafter Nordwestlage aus.
Der Südwesten könnte zuvor kurzzeitig noch in den Randbereich des Cut-Off Tiefs
über Frankreich gelangen, womit die Schauer- und Gewitterneigung noch einmal
deutlich zunehmend könnte.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Bis Sonntag ist der Hauptlauf relativ konsistent zu seinen Vorläufen. "Zünglein
an der Waage" scheint nach wie vor die beginnende Austrogung mit Tendenz zum
Cut-Off zum Ende der Woche südöstlich von Neufundland zu sein (wegen folgendem
Downstream Development). Durch die weiterhin gerechnete unmittelbare Verkürzung
seiner Wellenlänge findet die für den Hochaufbau wichtige vorderseitige WLA weit
über dem Atlantik statt, weshalb sich hohes Geopotential zur neuen Woche eher
über bzw. wenig westlich der Britischen Inseln festsetzt. Im Zusammenspiel mit
dem kräftigen Trog über dem Baltikum und Westrussland ist dadurch der Weg für
eine kühle Nordwestlage bei uns geebnet. Neu ist hingegen der "Gedanke" das
Höhentief über der Biskaya im Laufe des Montags ganz nah zu uns heranrutschen zu
lassen, dass vorderseitig eine deutlich labilere Luftmasse in den Südwesten und
Süden Deutschlands geführt würde.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


ICON und auch das kanadische GEM stechen sofort heraus, wenn es um signifikante
Unterschiede am Ende der Mittelfrist geht. Die Strömung über dem Nordatlantik
ist deutlich glatter, folglich ist der Hochaufbau über den Britischen Inseln
fast nicht relevant. Im Gegenteil: Auf der Vorderseite des Cut-Offs wird ein
eigenständiges Tief über Frankreich induziert, das zu einer ordentlichen
Südströmung (anstatt Nordwest) führt. Abgesehen von vereinzelten Schauern im
Westen ginge der Altweibersommer dann in die Verlängerung und würde sich sogar
nach Norden ausweiten, bevor es sich zum Dienstag nach Norddeutschland
verlagert.
GFS folgt im Großen und Ganzen der IFS Lösung.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Die IFS-Rauchfahnen belegen unmissverständlich: Bis Sonntag steht der Fahrplan
auf recht sicheren Füßen, die weitere Entwicklung ist nahezu noch komplett
offen. Zu den sicheren Aussagen zählen:

Freitag bis Sonntag mit hoher Sicherheit deutschlandweit keine signifikanten
Niederschläge.

Sonntag voraussichtlicher Höhepunkt der spätsommerlichen Wärme

mit 850 hPa Temperaturen selbst im hohen Norden über 10 Grad, im Süden um 15
Grad. Bedeutet in 2m Höhe verbreitet nochmal einen Sommertag mit mehr als 25
Grad. Die 18 Grad im äußersten Südwesten aus dem deterministischen Lauf werden
zwar durch den Kontrolllauf gedeckt, liegt aber am oberen Rand der Memberschar,
ist demnach die absolute Obergrenze. Sollte dies so kommen und nur ein Hauch von
Durchmischung einsetzen, fällt punktuell nochmalig die 30 Grad Marke in diesem
Jahr.

In der nächsten Woche zeichnet sich dann eine Bifurkation ab mit einem Ast nur
leicht zurückgehender Temperaturen, was eher die ICON/GFS Variante widerspiegelt
und einem rapiden Abfall auf teils negative 850 hPa Temperaturen im Norden, was
der zyklonal geprägten Nordwestlage entspräche.

2 Varianten in den deterministischen Modellen - 2 Cluster als logische
Konsequenz. Die IFS/EZ-Lösung ist mit 29 gegenüber 22 Membern zahlenmäßig nur
knapp in der Überzahl - also abwarten.

FAZIT: Bis einschließlich am kommenden Wochenende hält der Altweibersommer mit
Höhepunkt am Sonntag bei uns Einzug, wobei es bei viel Sonnenschein im Süden mit
25 bis 29 Grad (30 Grad nicht ausgeschlossen) wärmer wird als im Norden (eher um
20 Grad). Nachfolgend wird es spätestens zum Dienstag leicht wechselhafter und
kühler - aber ohne die ganz großen Niederschlagssummen.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Im gesamten Mittelfristzeitraum sind keine markanten Wettererscheinungen zu
erwarten.

Wenn man die Nadel im Heuhaufen finden will, könnte man sich an dieser Stelle
über ein vereinzelte stürmische Böen am Freitag am Kap Arkona/Rügen und auf dem
Brocken sowie über ein geringes Gewitterrisiko im südwestlichen Bergland am
Montag auslassen.
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Basis für Mittelfristvorhersage
IFS, IFS-EPS, Mos-Mix
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Robert Hausen