DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

09-09-2019 17:01
SXEU31 DWAV 091800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 09.09.2019 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Nachts noch "Höhentiefeierei", aber kaum mehr Stark- bzw. Dauerregen. Im
Ostseeumfeld nachts und am Dienstag stürmische Böen. Zu Wochenmitte vor allem in
der Südhälfte sonniger und wärmer.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 12 UTC
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Aktuell ... befindet sich Deutschland im Einflussbereich eines breit angelegten
Troges, der sich von Nordwesteuropa über die Nordsee hinweg bis nach
Westfrankreich bzw. ins östliche Mitteleuropa erstreckt. Flankiert wird er von
einem umfangreichen Höhenrücken über Ost- bzw. Nordosteuropa und einem Höhenkeil
über dem nahen Ostatlantik. Der Trog ist mit mehreren Drehzentren, respektive
Höhentiefs ausgestattet, von denen aktuell vor allem eines über der Lausitz für
die aktuelle Wetterentwicklung im Vorhersagegebiet von Belang ist. Das
zugehörige Bodentief befindet sich über dem Nordwesten Polens. Somit hat sich
über der Osthälfte Deutschlands eine klassische Gegenstromlage eingestellt:
West- bis Nordwestwinde in der unteren Troposphäre, Ost bis Südost oberhalb von
etwa 650 hPa. Die Rechtsdrehung des Windes mit der Höhe generiert WLA bzw.
Aufgleiten, die Folge sind verbreitete Regenfälle. Betroffen sind aktuell vor
allem der östliche Mittelgebirgsraum nordwärts bis nach Westmecklenburg bzw. ins
östliche Schleswig-Holstein. Ganz im Osten, also Richtung Oder und Neiße, haben
die Niederschläge bereits nachgelassen, allerdings ziehen von Polen her einzelne
Gewitter in die Lausitz, wobei es lokal eng begrenzt dann Starkregen geben kann.

Im Laufe der Nacht verlagert sich das Höhentief allmählich nordwärts, Richtung
polnischer Ostseeküste, wobei sich morgens eine Potenzialrinne westwärts
erstreckt mit einem weiteren Drehzentrum etwa über der Deutschen Bucht. Das
Bodentief zieht bis Dienstagfrüh zur westlichen Ostsee. Mit ihm verlagern sich
auch die Niederschläge allmählich nordwärts und klingen zumindest nach Lesart
des ICON-EU und IFS ab, lediglich im Ostseeumfeld sowie in der Prignitz werden
nach Lesart des aktuellen ICON-EU-Laufes noch um die 10 mm simuliert.
GFS simuliert auch im aktuellen Lauf nach wie vor höhere Mengen als ICON bzw.
IFS, ist allerdings gegenüber den Vorläufen (insbesondere gegenüber dem von 00
UTC) deutlich "zurückgerudert" und hat nur noch etwa von Fehmarn bis zur
Wismarer Bucht grade so warnrelevante Mengen auf der Karte. Beim Blick auf die
Probabilistik fallen noch die leicht erhöhten Wahrscheinlichkeiten des C-D2-EPS
für mehr als 20 mm im Zeitraum 00 bis 06 UTC in Teilen Mecklenburg-Vorpommerns
ins Auge.
Starkregen hin, Dauerregen her, sicher ist, dass sich im Laufe der Nacht als
weitere Warnkomponente der Wind dazu gesellt. Die Osthälfte und vor allem die
Ostseeküste geraten mehr und mehr in den Bereich des stärksten Druckgradienten
an der Südwestflanke des sich noch etwas verstärkenden Tiefs. Somit frischt der
Wind aus West bis Nordwest auf, bereits aktuell gibt es sporadisch immer mal
wieder steife Böen von Ostsachsen bis nach Ostvorpommern und vor allem in der
zweiten Nachthälfte muss dann von der Lübecker Bucht bis zum Stettiner Haff (und
natürlich auch weiter östlich, aber das ist nicht unser Bier) verbreitet mit
steifen, exponiert auch stürmischen Böen (Bft 7 bis 8) gerechnet werden.
Im übrigen Land verläuft die Nacht dagegen wettertechnisch ruhig. Zwischen
"unserem" Höhentief und einem weiteren, das sich im Laufe der Nacht vom
Westausgang des Ärmelkanals zur französischen Biskayaküste verlagert, wölbt sich
ein flacher Höhenrücken über der Südhälfte des Landes auf. Dadurch wird eine
Hochdruckbrücke, die sich von den Britischen Inseln über die Mitte und den Süden
Deutschlands bis ins östliche Mitteleuropa erstreckt, gestützt und kann sich
noch etwas verstärken. Somit lockert die flache Quellbewölkung vor allem im
Westen und Süden, später auch in der Mitte verbreitet auf, teils ist es gering
bewölkt. Mancherorts kann sich dann dichter Nebel bilden. In der eingeflossenen
maritimen Polarluftmasse (T 850 zwischen 3 Grad im Nordwesten und 7 Grad an den
Alpen) kann es auf recht frische 9 bis 1 Grad abkühlen, die tiefsten Werte in
den westlichen und zentralen Mittelgebirgen. Dort kann es in Senken und Tälern
Bodenfrost geben (MOSMIX zeigt das auch für das Westmünsterland), auch Luftfrost
ist in höher gelegenen Tälern nicht ausgeschlossen. Milder bleibt es mit 14 bis
10 Grad unter den dichten Wolken im Osten und Norden.

Dienstag ... zieht das Höhentief weiter Richtung Gotland, wobei von ihm
ausgehend ein Trog zur südlichen Nordsee gerichtet bleibt. Das Höhentief über
Westfrankreich verlagert sich ins westliche Mittelmeer und kann sich deutlich
verstärken, der flache Höhenrücken zwischen beiden Systemen über Süddeutschland
wird abgebaut bzw. "in die Länge" gezogen, so dass sich dort eine recht glatt
konturierte südwestliche Höhenströmung etabliert.
Das Bodentief kommt zusammen mit dem Höhentief ebenfalls nur sehr langsam nach
Norden voran und kann sich vorübergehend sogar noch etwas intensivieren. Somit
bleibt der scharfe Gradient über dem Nordosten des Landes aufrecht, der Wind
legt sogar noch etwas zu. Im Tagesverlauf kann es dann auch an der Nordseeküste
(insbesondere in Nordfriesland) und im nordostdeutschen Binnenland einzelne Böen
Bft 7 aus West bis Nordwest geben, entlang der vorpommerschen Ostseeküste gibt
es recht verbreitet stürmische Böen (Bft 8), Richtung Rügen eventuell auch
einzelne Sturmböen (Bft 9). Ebenfalls Böen Bft 8 kann es auf dem Brockenplateau
geben. Erst zum Abend hin lässt der Wind zumindest an der Nordsee und im
Binnenland wieder nach.
Dazu gestaltet sich das Wetter an der Südflanke des Tiefs in Norddeutschland,
insbesondere Richtung Küsten, unbeständig mit weiteren schauerartigen
Regenfällen, mangels Labilität und Cape bleibt das Gewitterpotenzial, genauso
wie die Wahrscheinlichkeit für kleinräumigen Starkregen, aber eher gering.
Die Hochdruckbrücke über der Mitte und dem Süden des Landes wird zwar ein wenig
abgebaut, bleibt aber noch wetterbestimmend. Vor allem im Süden und Westen
scheint somit häufig die Sonne, nach Osten zu und im Bergland bilden sich zwar
vermehrt Quellwolken, es sollte aber trocken bleiben (Labilität reicht nur bis
etwa 800 hPa). Die Luftmasse kann sich etwas erwärmen (T 850 hPa am Abend
zwischen 5 Grad im Nordwesten und 9 Grad an den Alpen) und somit werden
Höchstwerte zwischen 17 Grad im Nordosten bzw. im Bergland und 22 Grad am
Oberrhein erreicht.

In der Nacht zum Mittwoch kommt das Höhentief samt korrespondierenden Bodentief
langsam nordwärts, Richtung mittlere Ostsee, voran, so dass der Wind im
Ostseeumfeld nur allmählich nachlässt. Morgens reicht es dann aber höchstens
noch rund um Rügen für warnrelevante Böen. Auch die Schauertätigkeit kommt dort
nur zögernd zum Erliegen.
Ansonsten gilt es, den Blick gen Westen zu richten. Auf Nordwesteuropa greift im
Laufe der Nacht ein in die nur leicht mäandrierende kräftige Frontalzone über
dem Nordatlantik eingebetteter Höhentrog (Drehzentrum bei Island) über.
Vorderseitig wird durch WLA ein flacher Rücken gestützt, der von den Britischen
Inseln Richtung südliche Nordsee bzw. Ärmelkanal schwenkt, mit Annäherung des
Troges aber mehr und mehr abgebaut wird. Der vorgelagerte Randtrog wird dadurch
in den Norden und Westen Deutschlands abgedrängt, bleibt aber nicht weiter
wetterwirksam.
Mit Annäherung des flachen Rückens kann sich die Hochdruckbrücke über der
Südhälfte des Landes ein wenig verstärken, von ihr ausgehend, schwenkt ein
Hochkeil auch über Norddeutschland rasch hinweg ostnordostwärts. Rückseitig
dieses Keils setzt im Nordwesten ab der zweiten Nachthälfte mit Annäherung der
Warmfront des mit dem Höhentrog korrespondierenden und aus dem ehemaligen
Hurrikan "DORIAN" hervorgegangenen Sturmtiefs bei Island Druckfall ein. Somit
verläuft die Nacht ganz im Norden Deutschlands überwiegend stark bewölkt -
einerseits durch das abziehende Tief über der Ostsee, andererseits macht sich im
Nordwesten schon die Warmfront anhand dichterer Wolkenfelder bemerkbar.
In der Mitte und im Süden bleibt es dagegen vielerorts gering bewölkt, dabei
kann sich erneut Nebel bilden. Die Tiefstwerte liegen zwischen 12 Grad unter den
dichten Wolken im äußersten Norden und etwa 2 Grad in den westlichen und
zentralen Mittelgebirgen, wo es auch örtlich wieder Bodenfrost geben kann.

Mittwoch ... schwenken der flache Rücken und der vorgelagerte Trog rasch weiter
ostwärts, die weiterhin recht glatte Frontalzone weitet sich von Nordwest- bzw.
Westeuropa Richtung Skandinavien und Mitteleuropa aus und es stellt sich über
dem Vorhersagegebiet eine westnordwestliche Höhenströmung ein.
Das Frontensystem des von Island zum Europäischen Nordmeer ziehenden und sich
noch etwas vertiefenden Sturmtiefs ("Ex-DORIAN") überquert unter
fortschreitendem Okklusionsprozess die Nordsee und erreicht abends den
Nordwesten Deutschlands bzw. Benelux. Innerhalb der glatten Höhenströmung kann
nur wenig dynamische Hebung generiert werden, somit hält sich die
Wetteraktivität des Frontensystems in Grenzen. Mit dessen Annäherung werden die
Wolken in der Nordhälfte und auch im Westen von Westen her dichter und
nachmittags bzw. abends fällt in etwa vom Emsland bzw. Westmünsterland bis nach
Mecklenburg auch etwas Regen (bis knapp über 5 mm gebietsweise im
Nordseeumfeld). Der Wind frischt im Vorfeld der Front am Vormittag deutlich aus
Südwest auf, zumindest im Nordseeumfeld gibt es verbreitet starke bis stürmische
Böen (Nordfriesland vielleicht sogar Sturmböen), nachmittags eventuell auch an
der Ostsee. Ob es auf dem Brocken ebenfalls für stürmische Böen reicht, ist noch
fraglich.
Die Hochdruckbrücke wird zwar etwas nach Süden abgedrängt, bleibt aber noch für
den Süden und die östlichen Landesteile sowie für weite Teile der Mitte
wetterbestimmend. Dort scheint neben durchziehenden hohen Wolkenfeldern, im
östlichen Bergland und an den Alpen auch neben Quellwolken, häufig die Sonne.
Niedertroposphärisch gelangt von Südwesten her wieder mildere Luft ins
Vorhersagegebiet, die Temperatur in 850 hPa steigt auf 6 Grad im Nordosten und
bis 10 Grad Richtung Alpen. Somit werden Höchstwerte zwischen 17 Grad im
Nordwesten und 24 Grad am Oberrhein und vielleicht auch in der Lausitz erreicht.


In der Nacht zum Donnerstag zieht die Okklusion bzw. Kaltfront von "Ex-DORIAN"
allmählich über den Norden und die Mitte Deutschlands hinweg ostsüdostwärts. Der
frontale Hebungsantrieb wird dynamisch kaum gestützt, zumal die Frontalzone
weiterhin glatt konturiert ist, somit fallen die Niederschläge in der Nordhälfte
und im Nordwesten mit maximal wenigen mm sehr spärlich aus. Dazu kann sich die
von Frankreich nach Süddeutschland gerichtete Hochdruckbrücke mit dem Vordringen
eines Höhenkeils nach Frankreich und in den westlichen Alpenraum weiter
verstärken, was vor allem über der Mitte Deutschlands noch zusätzlich
frontolytisch wirkt. Dennoch dringen die dichten Wolkenfelder auch bis dorthin
vor, so dass es nur noch im Süden teils gering bewölkt bleibt. Dort kann sich
erneut Nebel bilden.
An den Küsten bleibt es windig, wobei der Wind nach Frontpassage von Westen her
allmählich abnimmt. Morgens reicht es dann auch dort kaum mehr für warnrelevante
Böen. Auf dem Brocken könnte das noch etwas länger der Fall sein.

Donnerstag ... reicht die glatte, kaum mehr mäandrierende Frontalzone von
Neufundland über den gesamten Nordatlantik bis weit nach Nordeuropa. Am
diffluenten rechten Jetausgang gelegen, dominiert über dem Vorhersagegebiet
innerhalb des leicht antizyklonal konturierten Strömungsmuster NVA. Der von der
Biskaya über Frankreich bis in den westlichen Alpenraum gerichtete Höhenkeil
stützt nach wie vor die Hochdruckzone über der Südhälfte Deutschlands.
Vorderseitig einer in die Frontalzone eingebetteten frontalen Welle, die aus dem
ehemaligen Tropensturm "GABRIELLE" hervorgeht und im Tagesverlauf auf die
Britischen Inseln übergreift, führt WLA sogar zu einem leichten Aufwölben dieser
Hochdruckzone Richtung Norddeutschland. Folglich löst sich die in der Mitte des
Landes angelangte Kaltfront von "Ex-DORIAN" nun endgültig auf. Vor allem am
Vormittag können hier und da noch ein paar Tropfen fallen, ebenso ganz im
Norden, an den Küsten, wo es - nahe der Frontalzone gelegen - eventuell für ein
paar schwache Schauer reicht.
Warntechnisch bleibt der Tag aber ruhig, der lebhafte Westwind an den Küsten
erreicht wohl keine Warnschwellen mehr. Vor allem im Süden und Südwesten scheint
häufig die Sonne, aber auch sonst sind durchaus auch mal größere Wolkenlücken
mit am Start. Die Luftmasse kann sich folglich auch besonders im Süden weiter
erwärmen, wobei auch die advektive Komponente eine Rolle spielt - die Temperatur
in 850 hPa steigt dort auf teilweise über 10 Grad. Die Höchstwerte bewegen sich
entsprechend zwischen 18 Grad an den Küsten und 25, vielleicht sogar 26 Grad am
Oberrhein.



Modellvergleich und -einschätzung
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Die Niederschlagsprognosen für die kommende Nacht haben sich zwar etwas
angeglichen, dennoch treten noch größere Diskrepanzen auf, die die Ausgabe von
Warnungen erschwert. Im Hinterkopf sollte man bei dieser Gelegenheit auch ein
wenig den Impact-Gedanken behalten: In den meisten Regionen ist der Regen
äußerst willkommen und es erscheint dann etwas lächerlich, dass, wenn mal an
einigen Stationen das Starkregenkriterium (20 mm in 6 Stunden) gerissen wird,
gleich großflächig "eingeockert" wird.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff