DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

06-09-2019 17:30
SXEU31 DWAV 061800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 06.09.2019 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Bis in die erste Nachthälfte in Schleswig-Holstein Starkregengefahr, an der
Nordsee Sturmböen. Am Wochenende im Westen und Norden einzelne Gewitter. Ab
Sonntag im Süden und Osten einsetzende länger anhaltende Niederschläge, mit
großen Unsicherheiten vereinzelt bis in den roten Warnbereich.

Synoptische Entwicklung bis Montag 12 UTC
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Aktuell ... befindet sich Deutschland knapp vorderseitig eines umfangreichen
Langwellentroges, dessen Achse bis Mitternacht nach Ostfrankreich vorankommt.
Daran gekoppelt ist ein Bodentief über dem Skagerrak. Seine Okklusion erreicht
den Nordwesten des Landes ab den Abendstunden und kommt im Laufe der Nacht unter
Abschwächung zögernd landeinwärts voran.

Daneben findet sich in der Höhenkarte noch ein weiterer flacher Kurzwellentrog
auf der Trogvorderseite. Dies ist ein Relikt eines eigenständiges Höhentief, das
durch Amplifizierung des Haupttroges wieder in die Strömung eingebunden wird.
Dieser Trog ist für die dichten Wolken im Süden und Südosten verantwortlich, die
sich auch gut im Feuchtefeld widerspiegeln.

Ein Blick auf die 12 UTC Soundings verrät auch den Grund für die
Aufgleitvorgänge. Bedingt durch den Bodenhochkeil, der sich bis nach
Süddeutschland erststreckt, herrschen bis in mittlere Troposphärenniveaus
östliche Winde vor, die darüber auf Südwest drehen (durch die Lage auf der
Trogvorderseite). Im Laufe der Nacht soll die Region mit der Winddrehung noch
etwas weiter in tiefere Schichten absinken. Kurzum ergibt sich eine
Rechtsdrehung mit der Höhe.

Die resultierenden Aufgleitniederschläge sind allerdings nicht warnwürdig. Die
12h-Summen bis Samstagmorgen bewegen sich zwischen 3 und 10 l/qm, in Staulagen
sind lokal auch bis 20 l/qm zu erwarten.

Deutlich interessantere sind da schon die Niederschläge, die an die Okklusion
gebunden sind, insbesondere im Nordwesten des Landes. Dynamisch gesehen ist die
Lage auf der rechten Jeteingangsseite doch ziemlich gut, um synoptikskalig gute
Hebungsimpulse zu liefern.

Die Labilität nimmt ab den Abendstunden mit weiterer Trogannäherung und damit
auch mit zunehmender Höhenkaltluft deutlich zu. Gleichzeitig zeichnet sich die
Okklusion auch als Feuchtschliere im Feld der spezifischen Feuchte aus. Damit
ergeben sich immerhin wenige hundert J/kg an CAPE in der Nähe der Nordsee, wo
das Meerwasser hilft einer tagesgangbedingten Abkühlung der bodennahen
Luftschichten entgegen zu wirken. Kurzum sind im Bereich der Nordsee ausgreifend
bis in das schleswig-holsteinische Binnenland eingelagerte kurze Gewitter
denkbar.

Das Maximum an Scherung ist etwas weiter stromabwärts der potentiellen
Gewittergebiete zu finden. Eine leichte Überlappung ist aber durchaus vorhanden.
Somit kann ein einzelnes besser organisiertes Gewitter nicht ausgeschlossen
werden. Selbiges gilt für ein geringes Tornadorisiko bei recht guter Scherung
zwischen 0 und 1 km und niedrigen HKNs. Auch das Sounding von Schleswig 12 UTC
deutet dies an, mit einer Winddrehung von Süd auf West im unteren Niveau.

Abgesehen von dem marginalen Gewitter- und Tornadorisiko, sollte das
Hauptaugenmerk auf den Niederschlagsereignissen liegen. Demnach bilden sich, wie
jetzt auch schon sichtbar recht kräftige Schauerstraßen. Dieses Potential lässt
sich auch im Feld der Feuchtflusskonvergenz wiederfinden, die insbesondere von
der Nordsee über die Nordfriesische Inseln bis nach Dänemark ein gut
ausgebildetes Maximum zeigt. Zudem liegen die ppw-Werte bei 25 mm. Wenn nun über
längere Zeit Schauer und Gewitter über die gleiche Region ziehen, sind markante
Mengen im 6 h Zeitraum wahrscheinlich. Nicht ausgeschlossen, dass lokal auch die
Unwettermarke geknackt werden kann.

In der zweiten Nachthälfte nimmt dieses Risiko deutlich ab. Die
Okklusionsniederschläge kommen weiter landeinwärts voran, schwächen sich aber
deutlich ab.

Bleibt zuletzt noch der Wind zu erwähnen, dieser weht bis in die erste
Nachthälfte hinein an der Nordsee noch teils stürmisch und lässt nach
Frontenpassage wieder deutlich nach. An der Ostsee treten in der Nacht einzelne
Böen Bft 7 auf.

Samstag ... befindet sich der Vorhersageraum komplett unter Trogeinfluss. Dabei
zeigt der Südteil des Troges Abtropfungstendenzen. Dies drückt sich zum einen in
einem Auseinanderziehen der Isohypsen aus, sodass sich die Höhenströmung
deutlich abschwächt. Zum anderen führen diese Vorgänge dazu, dass der Trog nur
noch langsam ostwärts vorankommt.

Selbiges gilt auch für die Okklusion. Diese wird zur Mittagszeit etwa in einem
Streifen von der Pfalz bis nach bis nach Zingst erwartet, bringt aber keine
größeren Niederschlagsmengen mehr. Zum Nachmittag lässt sich dann kaum noch ein
klares Niederschlagsband ausmachen. Stattdessen bilden sich postfrontal über dem
Norden und Westen des Landes in der nachfolgenden Höhenkaltluft wiederholt
Schauer und auch einzelne kurze Gewitter. Diese sollten sich vornehmlich im
gelben Bereich abspielen. Zum einen nimmt der Höhenwind wie angesprochen
deutlich ab (keine stärkeren Windböen), zum anderen sind die Gewitter wenig
organisiert (Mangel an Scherung) und die ppw-Werte liegen bei 20 mm. Ein
geringes Risiko besteht aufgrund der geringen Zuggeschwindigkeit bezüglich des
markanten Starkregens.

Wofür aber morgen durchaus Potential besteht, ist die Möglichkeit für Typ-II
Tornados (Landspouts/Waterspouts) in der zweiten Tageshälfte. Die Bedingungen
dafür sind recht gut. Zum einen liegen die Höhenwinde zwischen 500 und 850 hPa
zum Teil nur noch um 5 kn. Zum anderen deuten die Bodenwind auch in Verbindung
mit der komplexen Orographie bzw. den Reibungseffekten entlang der Küsten die
Ausbildung von Bodenkonvergenzen an. Als drittes wird das HKN bei etwa 800 m
vorhergesagt.
Kurzum, auch wenn sich soetwas schwierig im Warnwesen umsetzen lässt, sollte man
zumindest nicht überrascht sein, wenn es am morgigen Tag die ein oder andere
Meldung geben sollte.

Im Südosten fällt vor allem in der ersten Tageshälfte noch etwas Regen, in der
zweiten Tageshälfte sind die Aufgleitbedingungen dann nicht mehr so ideal,
sodass die Niederschläge abnehmen.

In der Nacht auf Sonntag beginnt sich der Trog über Zentraleuropa vollends
abzuschnüren und kommt gleichzeitig nicht weiter ostwärts voran. Entsprechend
kommt die ganze Konstellation zum Erliegen. Damit gibt es vor allem in der
Westhälfte und im Norden weitere konvektiv geprägte Niederschläge und auch kurze
Gewitter, während es nach Osten häufig trocken bleibt.

Gleichzeitig induziert der nach Süden abtropfende Trog Zyklogenese über
Norditalien. Dadurch kommt ausgangs der Nacht über dem äußersten Südosten der
Niederschlag auch langsam wieder in Gang (vornehmlich Berchtesgadener Land).

Sonntag ... bewegt sich das Zentrum des abgeschnürten Höhentiefs langsam in
Richtung Norditalien. Das dort liegende Bodentief kann sich entsprechend im
Tagesverlauf verstärken.

Vor allem die Westhälfte liegt noch im Einflussbereich des Troges mit
entsprechenden Schauern und auch kurzen Gewittern. Allerdings werden die
Schwerpunkte von den verschiedenen Modellen unterschiedlich gesetzt. Dies liegt
vor allem an der genauen Lage des Zentrums des Höhentiefs, dass von EZ und GFS
weiter nördlich vorhergesagt wird, während ICON den Schwerpunkt schon fast über
dem Alpenraum sieht.

Während bei ICON der Osten in Sachen Niederschlag nahezu außen vor wäre, würden
davon nach GFS und EZ auch Teile des Ostens betroffen sein, während es im
Nordwesten eher trocken bliebe.

Mit der Zyklogenese über Norditalien, kommen auch die Niederschläge im Südosten
und Süden immer mehr in Gang. Nicht überraschend in Anbetracht der geschilderten
Lage des Höhentiefs, sind die Niederschläge bei ICON am weitesten nach Norden
ausgreifend und auch am intensivsten prognostiziert. Demnach würde der Alpenrand
in 12h bereits an der markanten Warnschwelle kratzen. Bei EZ wäre zunächst nur
der äußerste Südwesten betroffen, während bei GFS Deutschland noch fast außen
vor wäre.

In der Nacht auf Montag nimmt die Entwicklung dann aber langsam Fahrt auf. Das
abgetropfte Höhentief kommt weiter südostwärts voran und kann sich auch noch
etwas vertiefen.

ICON folgend sollen die Niederschläge den gesamten Süden erfassen und nordwärts
bis in den Süden Sachsen-Anhalts vorankommen. Die Europäer zeigen das
nordwärtige Vorankommen auch, lassen die Entwicklung aber weiter östlich
ablaufen, sodass hauptsächlich der Südosten Bayerns bis nach Südbrandenburg
betroffen wäre. GFS 6z lässt die Entwicklung noch weiter östlich ablaufen,
sodass Deutschland nahezu nicht betroffen wäre.

Dahingehend lässt ich also noch keine klare Aussage treffen. Es besteht aber
durchaus Potential für markante Niederschlagsmengen in den Staulagen der Alpen
und auch im Bereich des Erzgebirges.

Davon abzusehen ist noch der Wind zu erwähnen. Durch die Zyklogenese über
Norditalien angetrieben, legt dieser in den Hochlagen im Südosten und in den
Alpen zu, und erreicht Böen Bft 7 bis 8 aus Nordwest.

Montag ... schwächt sich das Höhentief zwar insgesamt ab, nimmt aber nun langsam
Kurs in Richtung Nordost bis Nord und damit Richtung Tschechien.

Daran gekoppelt soll sich ein Bodentief von Tschechien auf VB-ähnlicher Zugbahn
auf seiner Vorderseite nordwärts Richtung Polen verlagern und sich dabei auch
langsam vertiefen.

Diese Entwicklung wird prinzipiell von allen Globalmodellen gezeigt, fraglich
ist indes, wie weit westlich die Zugbahn verläuft. ICON folgend würde sich das
Bodentief über Deutschland nordwärts bewegen (Brandenburg), bei EZ wäre die
Zugbahn entlang der Landesgrenzen zu Polen und bei GFS noch etwas weiter östlich
über Polen.

Diese Unsicherheit wirkt sich natürlich auch auf die prognostizierten
Niederschläge aus, die bei ICON am weitesten nach Westen ausgreifen. Sowohl
ICON, als auch EZ zeigen dabei bis zum Abend 12 h Mengen, bis in den
Unwetterbereich und auch in der Nacht auf Dienstag würde der Regen weiter
anhalten. Nach GFS wäre allenfalls ein wenig Regen zu erwarten.

Nun kann man aus jetziger Sicht noch nicht sagen, welche Version sich
durchsetzen wird. Die Erfahrung (aus der ähnlichen Fällen in der Vergangenheit)
lehrt aber zumindest, dass Vb-artige Entwicklungen in aller Regel weiter östlich
ablaufen, als zuvor prognostiziert. Dies würde dann eher die GFS Variante
stützen (der sich in der 12 z Vorhersage übrigens treu bleibt). Die Entwicklung
sollte und muss also aufmerksam in den neuen Modellläufen verfolgt werden.

Der Wind bleibt in den Hochlagen der östlichen Mittelgebirge und Alpen weiter
lebhaft mit starken bis stürmischen Böen.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die grundlegende Entwicklung der Kurzfrist lassen sich in allen
Vorhersagemodellen wiederfinden. Wie im Haupttext erwähnt ergeben sich aber
größere Unsicherheiten bei der genauen Lage und Zugbahn des sich abschnürenden
Höhentiefs sowie des resultierenden Bodentiefs (am Montag). Daraus folgen
größere Unsicherheiten bei der genauen Niederschlagsverteilung und Intensität.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Marcus Beyer