DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

04-09-2019 17:01
SXEU31 DWAV 041800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 04.09.2019 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Leicht unbeständig und kühler als bisher. An den Küsten zeitweise stürmische
Böen. Vor allem Donnerstag in Norddeutschland einzelne kurze Gewitter mit Böen
Bft 8 möglich.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 12 UTC
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Aktuell ... steht eine Wetterumstellung hin zu einer schon herbstlich anmutenden
Witterung ins Haus. In den kommenden Tagen rückt uns ein Höhentrog über
Nordwesteuropa mehr und mehr auf die Pelle, wird durch von Nordwesten an der
Ostflanke eines umfangreichen und kräftigen Höhenhochs nördlich der Azoren
hereinlaufende kurzwellige Anteile immer wieder regeneriert und beendet somit
die bisherige Großwetterlage "Brücke Mitteleuropa", von der vor allem der Süden
und die Mitte des Landes in den vergangenen Tagen profitierten. Momentan
befindet sich das Drehzentrum des Troges nordnordöstlich von Schottland und
erreicht Donnerstagfrüh bereits Südwestnorwegen.
Ein erster kurzwelliger Troganteil zieht abends und in der ersten Nachthälfte
unter deutlichem Konturverlust rasch über das nördliche Mitteleuropa (und
Nordwestdeutschland) hinweg nach Skandinavien, die Achse eines weiteren, ebenso
relativ kurzwelligen Troges erreicht unter Amplifizierung morgens die Deutsche
Bucht. Dieser ist positiv geneigt, die Achse hängt somit nach Südwesten,
Richtung Frankreich, zurück.
Das mit dem Trog korrespondierende und mit einem Dipol ausgestattete Bodentief
kommt nach Westen voran, wobei das östliche Drehzentrum morgens bereits
Mittelschweden erreicht, während der nach Südwesten zurückhängende Dipol dann
mehr oder weniger als Trog ohne abgeschlossenes Drehzentrum auf die Deutsche
Bucht übergreift. Die Kaltfront des Tiefs erreicht in den Abendstunden auf den
Nordwesten Deutschlands über und zieht bis Donnerstagfrüh in etwa zu einer Linie
Schwarzwald - Ostvorpommern. Sie erweist sich aktuell noch als einigermaßen
wetteraktiv mit Regenfällen teils mäßiger Intensität im unmittelbar präfrontalen
Bereich über der Deutschen Bucht und Nordfriesland. Im Laufe der Nacht wird sie
aber zunehmend von KLA überlaufen, wodurch der PVA-induzierte Hebungsantrieb
deutlich gedämpft wird. Somit schwächen sich die Regenfälle mit dem Vorankommen
der Front nach Südosten rasch ab, meist kommen im Laufe der Nacht nur noch
wenige mm zusammen.
Postfrontal gelangt in mehreren Staffeln zunächst erwärmte Polarluft in den
Norden und Westen Deutschlands. Diese ist anfangs stabil geschichtet, so dass
nach Kaltfrontpassage die Wolken erst einmal auflockern und es - mal abgesehen
über den warmen Küstengewässern - kaum mehr Schauer gibt.
Mit Annäherung des weiteren kurzwelligen Troganteils, der morgens die Deutsche
Bucht erreicht, gelangt dann eine höhenkältere (-23 Grad in 500 hPa, +4 Grad in
850 hPa) und somit recht hochreichend labil geschichtete Luftmasse in den
äußersten Nordwesten des Landes. Mit Annäherung des Bodentroges und einer darin
eingelagerten Kaltfront verstärken sich im Nordseeumfeld die schauerartigen
Regenfälle ausgangs der Nacht wieder, bei 200 bis 400 J/kg ML-Cape sind auch
kurze Gewitter zu erwarten. Vor allem EURO4 gibt Signale für Starkregen (aber
eher über der offenen Nordsee). Bei PPW-Werten von knapp über 20 mm ist
Starkregen aber wohl nur bei wiederholter Schauertätigkeit über mehrere Stunden
hinweg zu erwarten.
Warntechnisch von Relevanz bleibt aber der Wind. Mit Passage der ersten
Kaltfront schwächt er sich in den Abend- und Nachtstunden auch an den Küsten
vorübergehend ab, mit Annäherung des Bodentroges und der damit einhergehenden
Gradientverschärfung frischt er morgens allerdings im Nordseeumfeld wieder auf,
zunächst aus Südwest, und es kann erste steife Böen (Bft 7) geben.
Im Südosten bleibt es im präfrontalen Bereich zunächst noch teils gering
bewölkt, ehe auch dort die Wolken dichter werden. Somit fällt die
Wahrscheinlichkeit für Nebel recht gering aus und es bleibt mit Tiefstwerten
zwischen 14 und 8 Grad etwas milder als in den Vornächten.


Donnerstag ... zieht der Kurzwellentrog unter Konturverlust rasch nordostwärts
ab. Ein weiterer verlagert sich von der nordwestlichen Nordsee bis zum Abend
nach Dänemark und Norddeutschland.
Der über Frankreich zurückhängende Troganteil kommt kaum weiter nach Osten voran
und tropft zum Tagesende über Südostfrankreich aus.
Im Bodenfeld kommen beide Kaltfronten südostwärts voran, die erste hat bis zum
Nachmittag fast das gesamte Vorhersagegebiet überquert, wird aber durch den
Abtropfprozess am Alpenrand zurückgehalten und verwellt dort. Die nachfolgende
zieht über den Norden und Osten des Landes hinweg bis zum Abend nach Polen ab.
Mit dem Verwellen erstgenannter Kaltfront wird am Alpenrand eine Gegenstromlage
induziert mit Nord- bis Nordwestwind am Boden und zunächst noch süd- bis
südwestlichen Winden in der Höhe (oberhalb von etwa 600 hPa). Dadurch verstärken
sich die Aufgleitprozesse und somit auch die Niederschläge im Frontbereich bzw.
knapp nördlich davon. Im Zeitraum zwischen 12 und 00 UTC simulieren die Modelle
an den Alpen und im südlichen Alpenvorland recht unisono Mengen zwischen 10 und
20 mm, gebietsweise auch mehr. Kleinräumig- in erster Linie in exponierten
Staulagen direkt am Alpenrand - könnten die Warnschwellen für Dauerregen (mehr
als 25 mm/12 h) gerissen werden. In der Fläche ist das aber wohl eher nicht der
Fall und entsprechend springt die Probabilistik auch kaum darauf an. Eine
Dauerregenwarnung drängt sich somit zumindest nach aktueller Modellsicht nicht
auf.
Mit dem Trog kommt die höhenkalte Luftmasse über Norddeutschland noch ein wenig
nach Süden voran. Die Temperatur sinkt in 500 hPa auf Werte zwischen -25 Grad im
nördlichen Schleswig-Holstein und -21 Grad etwa am Nordrand der Mittelgebirge,
in 850 hPa sinken die Werte nach Passage der zweiten Kaltfront im
Einflussbereich der maritimen Polarluft auf etwa +2 bis +3 Grad. Die Folge sind
Schauer und auch kurze Gewitter im Norden und Nordwesten Deutschlands, die
meisten sicherlich in Küstennähe. Wie weit diese nach Süden vorankommen, ist
noch unklar. ICON-EU agiert sehr zurückhaltend, die konvektiven Modelle
simulieren in etwa nördlich einer Linie Hunsrück - Ostvorpommern Konvektion
(AROME sogar noch etwas weiter südlich). Als Begleiterscheinung der Gewitter
steht vor allem der Wind im Fokus, bei etwa 25 bis maximal 30 kn in 850 hPa ist
mit Böen Bft 7, vereinzelt 8 zu rechnen. Auch Graupel kann eventuell auftreten,
wohingegen die Wahrscheinlichkeit für Starkregen bei PPW-Werten zwischen 15 und
18 mm nur sehr gering ist.
Auch außerhalb der Schauer und Gewitter weht vor allem mit Passage des
Bodentroges und der dazugehörigen Kaltfront bzw. postfrontal lebhafter, auf
Nordwest drehender Wind. Bis weit ins norddeutsche Binnenland gibt es steife
Böen (Bft 7), in Schauernähe auch stürmische Böen (Bft 8), im Nordseeumfeld und
nachmittags auch an der Ostsee treten die stürmischen Böen häufiger auf, auf dem
Brockenplateau kann es auch für einzelne Sturmböen (Bft 9) reichen.
Zwischen dem Regengebiet im Süden und den Schauern im Norden/Nordwesten steht
ein aufgelockert, teils auch gering bewölkter Tag ins Haus und es bleibt
weitgehend trocken. Die Höchstwerte liegen zwischen 17 und 23 Grad, mit den
höchsten Werten in der Lausitz. An den Alpen bleibt es bei Dauerregen teils
kühler.

In der Nacht zum Freitag zieht der Kurzwellentrog rasch weiter zur mittleren
Ostsee, ein weiterer erreicht morgens den Nordwesten der Britischen Inseln.
Dazwischen verlagert sich ein flacher Höhenrücken über die Nordsee ins nördliche
Mitteleuropa. Das Cut-Off-Tief über Südostfrankreich kommt nur noch wenig
ostsüdostwärts voran. An dessen Nordflanke weitet sich ein Höhenrücken von Osten
her nach Süddeutschland aus, so dass die Gegenstromlage zum Erliegen kommt und
im Laufe der zweiten Nachthälfte die Regenfälle dort rasch nachlassen. Die
Bodenkaltfront kommt allerdings kaum nach Süden voran und bleibt über den Alpen
hängen.
Mit Annäherung des Höhenrückens geht auch in Norddeutschland in den Abend- und
Nachtstunden eine rasche Wetterberuhigung einher, die Schauer klingen zumindest
im Binnenland ab, während es über den relativ warmen Küstengewässern noch
einzelne kurze Schauer oder gar Gewitter geben kann. Ausgehend vom kräftigen
Hoch nördlich der Azoren schiebt sich von Frankreich her ein Hochkeil in die
Mitte des Vorhersagegebietes. Somit fächert der Gradient im Binnenland zwar
deutlich auf, an den Küsten bleibt er aber noch relativ scharf ausgeprägt. Dort
kann es weiterhin steife Böen (Bft 7) aus westlichen Richtungen geben, während
der Wind im Binnenland bereits in den Abendstunden rasch nachlässt.
Mit Passage des Höhenrückens verstärkt sich wieder die WLA über Norddeutschland,
die im Nordwesten nach Abzug des Rückens noch durch etwas PVA im diffluent
konturierten Geopotenzialfeld unterstützt wird. Der daraus resultierende
Hebungsantrieb reicht innerhalb der sehr feuchten niederen Troposphäre im Laufe
der zweiten Nachthälfte für ein leichtes Aufleben der Niederschlagstätigkeit im
Nordseeumfeld. Die Mengen bleiben aber gering (maximal wenige mm auf den
vorgelagerten Inseln).
Während es im Süden und Norden überwiegend stark bewölkt bis bedeckt bleibt,
klart der Himmel in einem breiten Streifen dazwischen gebietsweise auf und es
kann sich Nebel bilden. Unter den dichten Wolken liegen die Tiefstwerte zwischen
11 und 7 Grad (an den Küsten teilweise darüber), bei längerem Aufklaren kühlt es
auf 9 bis 2 Grad ab, Bodenfrost in einigen Mittelgebirgstälern nicht
ausgeschlossen.

Freitag ... zieht der Trog über den Britischen Inseln unter deutlicher
Amplifizierung bis zum Abend zur Nordsee. Das korrespondierende Bodentief
verlagert sich vom Seegebiet bei den Färöer-Inseln Richtung Südwestnorwegen (Kap
Svinöy). Dessen okkludiertes Frontensystem überquert die Nordsee ostsüdostwärts
und erreicht abends die Deutsche Bucht. Im Vorfeld der Front kann aufgrund
zunehmender PVA vor allem nachmittags und abends dynamische Hebung generiert
werden. Somit setzen im Tagesverlauf im Nordseeumfeld und in Nordfriesland
verstärkt schauerartige Regenfälle ein, die bei simulierter ML-Cape von wenigen
100 J/kg auch von einigen Gewittern durchsetzt sein können und bis zum Abend
noch etwas landeinwärts (etwa bis zu einer Linie Emsland - Lübecker Bucht)
vorankommen. Bei PPW-Werten um 25 mm und wiederholt auftretender
Schauertätigkeit ist lokal eng begrenzt auch (mehrstündiger) Starkregen denkbar.

Mit Annäherung der Okklusion und der damit einhergehenden Gradientverschärfung
frischt der Wind im Nordwesten im Tagesverlauf erneut aus Südwest auf. An der
Nordsee gibt es recht verbreitet stürmische Böen, im küstennahen Binnenland und
über der Ostsee steife Böen.
In der Mitte und im Süden steht dagegen ein wettertechnisch ruhiger Tag ins
Haus. Allerdings wird mit Annäherung des Troges der nach Süddeutschland
gerichtete flache Höhenkeil abgebaut und schwache dynamische Hebungsprozesse,
die vom weiterhin sehr trägen Cut-Off-Tiefs über dem Golf von Genua ausgehen,
können über die Alpen etwas nach Norden ausgreifen. Somit wird die Front über
den Alpen wieder etwas aktiviert. Die dichten Wolken über Süddeutschland weiten
sich wieder ein wenig nach Norden aus, an den Alpen und im südlichen
Alpenvorland setzt am Nachmittag oder Abend leichter Regen ein.
Ansonsten wird der inzwischen über die Mitte Deutschlands bis ins östliche
Mitteleuropa reichende Bodenhochkeil nur langsam abgebaut bzw. etwas nach Süden
abgedrängt. Somit scheint in einem breiten Streifen vom südlichen NRW,
Rheinland-Pfalz bzw. Nordbaden über die mittleren Landesteile hinweg bis nach
Brandenburg und Sachsen meist die Sonne. Bei Temperaturen um 6 Grad in 850 hPa
liegen die Höchstwerte, je nach Sonne, zwischen 16 und 22 Grad.

In der Nacht zum Samstag kommt der Trog über der Nordsee unter weiterer
Amplifizierung nur sehr zögernd Richtung Mitteleuropa voran. Morgens reicht
dessen Achse über die östliche Nordsee bis nach Benelux. Trogvorderseitig wird
das Cut-Off-Tief südlich der Alpen wieder "eingefangen" und zieht als Randtrog
allmählich nordostwärts. An dessen Nordostflanke verstärken sich die Hebungs-
bzw. Aufgleitprozesse über dem Südosten Deutschland noch etwas und von den Alpen
greifen Regenfälle meist leichter, teils auch mäßiger Intensität noch etwas
nordnordostwärts aus, nach aktuellem ICON-EU-Lauf (nicht unähnlich dem IFS-Lauf
von 00 UTC) bis etwa zu einer Linie Bodensee - Oberpfälzer Wald. Warnrelevante
Mengen stehen dabei mit 5 bis 15 mm in 12 Stunden, gebietsweise auch mehr, nicht
auf der Karte. GFS zeigt diese Entwicklung dagegen nicht.
Das mit dem Trog korrespondierende Bodentief zieht bis Samstagfrüh in etwa zum
Oslofjord. Aufgrund höhenströmungsparalleler Exposition kommt die Okklusion nur
langsam südostwärts voran und überquert morgens den Nordwesten Deutschlands. Im
Vorfeld weiten sich die schauerartigen Niederschläge etwa bis zur Pfalz bzw.
Ostvorpommern aus, schwächen sich aber ab, da die Front vor allem im Nordteil
durch KLA überlaufen wird, während weiter südwestlich etwas PVA noch
Hebungsantrieb bietet. Mehr als 5 mm werden aber auch dort nicht simuliert.
Postfrontal gelangt erneut ein Schwall höhenkalter Luft in den Nordwesten des
Landes, vor allem im Nordseeumfeld entwickeln sich erneut kurze Schauer,
eventuell auch Gewitter. Der Gradient fächert allerdings etwas auf, so dass der
West- bis Nordwestwind im Laufe der Nacht zögernd nachlässt.

Samstag ... kommt der Trog unter weiterer Amplifizierung noch etwas nach
Mitteleuropa voran und wird durch einen von Nordwesten hereinlaufenden
Kurzwellenanteil regeneriert. Das korrespondierende Bodentief füllt sich auf und
zieht Richtung Mittelschweden. Die Okklusion kommt weiterhin nur sehr zögerlich
nach Südosten voran. Die Niederschläge im Frontbereich halten sich mangels
Hebungsantrieb weiterhin in Grenzen. Auch im Südosten klingen die Regenfälle mit
Abzug des Randtroges im Tagesverlauf wieder ab.
Vor allem der Westen und Nordwesten geraten mehr und mehr in den Einflussbereich
hochreichend labil geschichteter Meereskaltluft mit Temperaturen um 4 Grad in
850 hPa und -23 Grad in 500 hPa. Mit etwas Einstrahlung können dort mehrere 100
J/kg ML-Cape generiert werden und mangels Deckel entwickeln sich dort recht
verbreitet Schauer und auch kurze Gewitter. Die PPW-Werte liegen meist knapp
über 25 mm, bei wiederholter Schauertätigkeit kann somit ein- oder mehrstündiger
Starkregen erneut nicht ausgeschlossen werden. Über größeren Wasseroberflächen
(Nordsee, Bodensee) sind aufgrund der dort erhöhten Labilität bei wenig bis gar
nicht vorhandener hochreichender Geschwindigkeitsscherung im Bereich
kleinräumiger Bodenkonvergenzen auch Wasserhosen (Typ 2-Tornados) nicht
ausgeschlossen. Ansonsten spielt der Wind warntechnisch keine Rolle mehr.
Insgesamt steht ein eher bewölkter Tag ins Haus, sonnige Abschnitte gibt es am
ehesten an den Küsten und im Nordosten. Die Höchsttemperaturen erreichen Werte
zwischen 16 und 21 Grad.


Modellvergleich und -einschätzung
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Bis auf kleinere Differenzen, vor allem die Niederschlagsprognosen in der Nacht
zum und am Samstag betreffend, simulieren alle Modelle im Kurzfristzeitraum eine
sehr ähnliche Wetterentwicklung. Prognose- und warnrelevante Unterschiede sind
kaum auszumachen.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff