DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

01-09-2019 08:30
SXEU31 DWAV 010800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 01.09.2019 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Zunehmend BM

Heute im Osten und Südosten teils heftige Schauer und Gewitter mit Starkregen
und Hagel (teils unwetterartig) und einzelnen Sturmböen. Im Verlauf der Nacht
zum Montag am Alpenrand einsetzender markanter Dauerregen, bis in die Nacht zum
Dienstag anhaltend. Ausgangs der Nacht zum Montag und Montagvormittag über der
Deutschen Bucht einzelne Gewitter. Dort in der Nacht zum Dienstag einzelne
stürmische Böen aus Südwest.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 24 UTC
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Sonntag... liegt Deutschland auf der Vorderseite eines breiten Höhentroges in
einer südwestlichen Höhenströmung. Dieser liegt aktuell über Schottland und
zieht bis zum Abend ostwärts über die offene Nordsee. Östlich der Färöer wurde
in der 03 UTC-Analyse ein kleinräumiges, aber mit einem Kerndruck von etwas
unter 985 hPa und einem stärkeren Gradienten entlang seiner Südwestflanke doch
recht kräftiges Tiefdruckgebiet analysiert, das okkludierend nach Nord zieht.
Daran gekoppelt ist eine Kaltfront, die um 03 UTC über Benelux und
Nordwestfrankreich zu finden war und in der Folge schleppend nach Osten
vorankommt (von Kaltluftadvektion bereits überlaufen, mit einer geringen
cross-frontalen Windkomponente und hauptsächlich vom hereinschwenkenden
Höhentrog ostwärts gedrückt). Präfrontal ist eine niedertrop. Windkonvergenz
vorhanden, die um 03 UTC grob knapp vor Rostock gelegen bis zu den Vogesen
reichte. Diese Konvergenz trennt die Reste einer subtropisch warmen und feuchten
Luftmasse über dem Osten und Südosten Deutschlands von postfrontal hinter der
Kaltfront einfließenden maritimen Polarluft. Zu erwähnen ist noch eine scharfe
Temperaturinversion in rund 950 hPa östlich der Konvergenz, die die
Konvektionsentwicklung am Vormittag noch zumeist unterdrückt.
Somit verläuft der Vormittag deutschlandweit meist noch ruhig, einzig am
Alpenrand kann sich im Zuge der Konvergenzpassage (mit dem schärfsten
Windsprung+ orografischer Hebung) das eine oder andere Gewitter bilden.
Ansonsten scheint im Osten häufig die Sonne, im Westen ziehen dichte
Wolkenfelder durch. Abgesehen von einzelnen Schauern bleibt es aber im Großen
und Ganzen noch trocken.
Im Zuge diabatischer Erwärmung der Grenzschicht und einem neutralen bis leicht
labilen vertikalen Temperaturgefälle baut sich im Osten und Südosten zum Mittag
und Nachmittag Labilität von 500 bis 1000 J/kg MLCAPE auf, wobei die
Spitzenwerte in Sachsen/Südbrandenburg erwartet werden. Geringe hochreichende
vertikale Windscherung (um 10 m/s) und unverfälschte PPWs zwischen 30 und 35 mm
deuten auf langsam ziehende und pulsierende Konvektion mit hohem
Niederschlagspotential hin. Auffällig ist dabei zwischen dem Erzgebirge und der
Lausitz, dass die Vorhersagehodographen einen Faktor zwischen der 0-1 km und 0-6
km Windscherung von 1:2 zeigen, lokal sicherlich durch die Orografie bzw. die
Eigenbewegung der Gewitter sogar noch verringert. Neben der langsamen
Verlagerung kann somit temporär rückwärtiges Anbauen der Zellen nicht
ausgeschlossen werden, sodass erneut primär der Starkregen bis in den
Unwetterbereich bzw. punktuell bis in den extremen Unwetterbereich erwartet
werden kann. Lokal sind Hagel und Sturmböen (abwindgetrieben) nicht
ausgeschlossen. Im Verlauf des Nachmittags und Abend wachsen die Gewitter zu
einem größeren Cluster zusammen, der abends allmählich auf das westliche Polen
übergreift. Sollte sich in der Tat ein solcher Cluster ausbilden wäre die
Sturmböengefahr in dessen Umfeld etwas erhöht (cold pool Dynamik).

Ein ähnliches Bild, jedoch mit geringerer Labilität und noch schwächerer
Windscherung (um oder unter 5 m/s in allen Niveaus) zeigt sich im Südosten, wo
ab den Vormittagsstunden mit sich rasch verclusternden Gewittern am Alpenrand
gerechnet werden muss, die schwerpunktmäßig südlich einer Linie München-Passau
auftreten sollten. Starkregen bis in den Unwetterbereich ist hier lokal möglich,
teils mit kleinem Hagel und stürmischen Böen (abwindgetrieben).
Rückseitig der Konvergenz erfolgt die eigentliche Kaltfrontpassage über dem
Südwesten, Westen und Norden Deutschlands ohne größere Vorkommnisse. Die
präfrontal noch vorherrschende teils dichte Bewölkung mit einem geringen
Schauerrisiko lockert postfrontal im Nachmittagsverlauf von Westen wieder auf.
Der Wind frischt bei Kaltfrontpassage vorübergehend etwas auf, allerdings ist
das Erreichen der Bft 7, wenn überhaupt, dann im Nordosten mit einem etwas
kräftigeren isallobarischen Gradienten nicht ausgeschlossen.
Die Höchstwerte liegen im Osten zwischen Berlin und Erzgebirge um 31 Grad (Oder
bis 34 Grad), östlich einer Linie Südpfalz-Harz-Rügen je nach Sonnenscheindauer
zwischen 24 und 28 Grad und postfrontal im Westen und Norden zwischen 19 und 24
Grad. Der Wind weht abseits der Konvektion schwach bis mäßig aus West bis
Nordwest und frischt über der Deutschen Bucht und im Ostseeumfeld zeitweise
leicht böig auf.

In der Nacht zum Montag richtet sich der Fokus auf den Alpenrand, wo sich eine
überschaubare (markante) Dauerregenlage entwickelt. Auslöser dafür ist die von
Westen hereinziehende Kaltfront, die sich zunehmend an die Alpen legt.
Gleichzeitig zieht über die Schweiz nach Norditalien ein Kurzwellentrog, sodass
der Luftdruck südlich der Alpen leicht fällt. Gleichzeitig weitet sich
grenzschichtnah ein Azorenhochkeil durch KLA gestützt über die Mitte
Deutschlands nordostwärts aus. Die daraus resultierende niedertrop.
nordwestliche Strömung wird überlagert von einer zyklonal geprägten
südwestlichen Höhenströmung und zusammen mit frontaler und synoptisch-skaliger
Hebung (inklusive Orografie) sind die Bedingungen für ein skaliges
Niederschlagsereignis am Alpenrand gegeben.
Dabei gehen die Gewitter des Abends sukzessive in schauerartig verstärkten Regen
über. Fließend muss dieser Übergang nicht sein und das Einsetzen des skaligen
Niederschlags wird noch etwas variabel zwischen Mitternacht und ausgangs der
Nacht zum Montag angedeutet. Daher kann sich zwischen der abziehenden Konvektion
und dem einsetzenden skaligen Niederschlag ein Zeitfenster über mehrere Stunden
ergeben, wo es vergleichsweise wenig Niederschlag gibt. Aktuell wird der Beginn
einer markanten Dauerregenwarnung nichtsdestotrotz im Verlauf der ersten
Nachthälfte angesetzt, um noch die Reste der sich abschwächenden Gewittercluster
abzudecken und den unscharfen zeitlichen Beginn der skaligen Niederschläge ab
Mitternacht abzufangen. Mit nachlassendem MUCAPE nimmt im Verlauf der Nacht der
konvektiv verstärkte Niederschlagsanteil weiter ab. 12-std. Niederschlagsmengen
liegen zwischen 15 und 30 l/qm, wobei strichweise und allgemein am direkten
Alpenrand noch etwas höhere Mengen nicht ausgeschlossen werden können.
Vom Saarland bis zur Ostsee ist der Himmel postfrontal locker bewölkt oder klar
und es bleibt trocken, lokal wird es dunstig bzw. bilden sich örtlich
Nebelfelder (durch den geringen Feuchteinput des Tages wird jedoch keine
warnwürdige Nebellage erwartet).
Anders gestaltet sich das Wetter über der Nordsee und Umgebung, wo unter der
Trogachse vorhandene kalte Höhenluft über der 15-19 Grad warmen Nordsee
zahlreiche Schauer und einzelne Gewitter hervorruft, die im Verlauf der Nacht
auch die küstennahen Bereiche mit einzelnen Windböen erreichen. Reibungsbedingte
küstennahe bzw. -parallele Konvergenzen ermöglichen örtlich die Entwicklung der
einen oder anderen Wasserhose. Die Tiefstwerte liegen zwischen 15 Grad im Osten
und 7 Grad im Westen.

Montag... schiebt sich der Höhentrog zunehmend mit seiner Achse über
Deutschland. Gleichzeitig zieht eine weitere Kurzwelle durch seine Südwestflanke
über Benelux in Richtung Schwarzwald und forciert mit tieferem Luftdruck südlich
der Alpen und dem weiterhin vorherrschenden schwachen Azorenhochkeil über
Deutschland ein cross-alpines Nord-Süd-Gefälle des Luftdrucks (inkl. der
vorhandenen Gegenstromlage). Somit dauern die skaligen Niederschläge am
Alpenrand den ganzen Tag unvermindert an. 12-std. Niederschlagsmengen liegen
zwischen 5 und 20 l/qm mit den höchsten Mengen am direkten Alpenrand (z.B.
Berchtesgadener Land). Punktuell kann somit in prädestinierten Staulagen 24-std.
auch die Unwetterschwelle von 50 l/qm erreicht werden, dies jedoch nur örtlich,
weswegen von der Ausgabe einer Unwetterwarnung abgesehen wurde.
Über dem Nordwesten zieht der thermische Höhentrog bereits im Vormittagsverlauf
zügig in Richtung Dänemark ab. Bei einer allgemeinen Erwärmung der mittleren
Troposphäre nimmt der vertikale Temperaturgrasdient sukzessive ab und somit auch
die Gewittertätigkeit (allerdings mit anhaltender Schauertätigkeit im gesamten
Nordwesten bis weit in den Nachmittag). Vom Saarland bis zur Ostsee bleibt es
weiterhin locker bewölkt oder sonnig und trocken. Die Höchstwerte liegen im
Dauerregen bei rund 16 Grad und sonst je nach Sonnenschein zwischen 18 und 24
Grad. Der Nordwestwind weht schwach, im Küstenumfeld zeitweise mäßig.

In der Nacht zum Dienstag zieht der Höhentrog ostwärts ab und bei nun
einsetzendem Druckanstieg südlich der Alpen sowie einer auch in der Höhe auf
Nordwest kippenden Strömung klingen die skaligen Niederschläge am direkten
Alpenrand allmählich ab. Große Niederschlagsmengen werden keine mehr erwartet
und liegen 12-std. zwischen 1 und 10 l/qm. Ansonsten verläuft die Nacht unter
schwachem Hochdruckeinfluss überwiegend klar und trocken. Im Verlauf der Nacht
allerdings verdichtet sich die Bewölkung über dem Nordwesten und ausgangs der
Nacht können bereits die ersten Tropfen im Umfeld der Deutschen Bucht fallen
(Warmfrontaufzug). Diese Warmfront ist an eine sich über der zentralen Nordsee
vorübergehend leicht vertiefende und ost- bis nordostwärts ziehende Welle
geknüpft. Diese sorgt neben der Warmfront auch über der Deutschen Bucht für
einen zunehmenden Luftdruckgradienten, sodass dort Windböen, auf Helgoland auch
stürmische Böen aus Südwest auftreten können. Die Tiefstwerte liegen am
Alpenrand (noch dichte Bewölkung) und in Küstennähe zwischen 15 und 12 Grad und
gehen sonst auf 10 bis 5 Grad zurück. Lokal kann die 2m-Temperatur in
geschützten lagen der westlichen Mittelgebirge sogar etwas tiefer absinken und
allgemein muss im 5cm-Niveau von Südwest nach Ost mit Werten im unteren
einstelligen Bereich gerechnet werden.

Dienstag... weitet sich der Azorenhochkeil besonders in der Höhe wieder
kräftiger nach Mitteleuropa aus (gestützt durch hochreichende WLA), sodass die
Warmfront aus der Nacht nur wenig Boden nach Süden gutmacht und zumeist den
Norden mit etwas Regen und vor allem dichter Bewölkung überquert. Über dem Süden
und der Mitte scheint die Sonne von einem meist wolkenlosen Himmel, einzig am
Alpenrand kann sich mit dem Tagesgang lokal ein abendlicher Schauer entwickeln.
Der Wind weht meist schwach bis mäßig aus West. Im Küstenumfeld sind einzelne
Windböen 7 Bft zu erwarten und auf den Inseln kann die eine oder andere
stürmische Böe nicht ausgeschlossen werden. Im Süden weht der Wind schwach aus
Ost. Die Höchstwerte liegen deutschlandweit zwischen 19 und 25 Grad, mit den
höchsten Werten entlang des Oberrheins.

Die Nacht zum Mittwoch verläuft abgesehen von dichten Wolkenfeldern im Norden
unter Hochdruckeinfluss klar und trocken zwischen 13 und 7 Grad. Der Südwestwind
weht meist schwach, im Norden zeitweise auch mäßig. Südlich der Donau bildet
sich lokal Nebel.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Globalmodelle tragen die beschriebene Entwicklung während der Kurzfrist alle
mit. Unschärfen beim Beginn des Dauerregens sind nicht auf die groß-skalige
synoptische Entwicklung, sondern eher auf geringe Unsicherheiten bei der
zeitlichen Verlagerung der Kaltfront zurück zu führen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Helge Tuschy