DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

29-08-2019 17:01
SXEU31 DWAV 291800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 29.08.2019 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Bis Samstag (hoch)sommerlich mit regionaler Gewitterneigung (Unwettergefahr
durch heftigen Starkregen). Ab Sonntag Wetterumstellung mit teils schweren
Gewittern im Süden und Osten.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 12 UTC
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Aktuell ... befindet sich Deutschland an der Südostflanke eines noch recht breit
"gelatschten", ostatlantischen Langwellentroges unter einer schlappen, nach
Süden zu kaum mehr nachweisbaren südwestlichen Höhenströmung. Darin eingebettet
lässt sich, zumindest, wenn man das Geopotenzialfeld hinreichend fein auflöst,
ein Kurzwellentrog analysieren, der von der Nordsee weit nach Südwesten bis
knapp westlich der Iberischen Halbinsel zurückhängt. Er wird flankiert von zwei
Rücken. Einer wölbt sich vom westlichen Mittelmeerraum Richtung südöstliches
Mitteleuropa auf und bildet etwa im Dreieck Österreich-Ungarn-Slowakei eine
eigenständige Höhenantizyklone aus. Ein anderer stößt, ausgehend von den Azoren
über die Biskaya Richtung Ärmelkanal vor. Eingeklemmt zwischen den beiden Rücken
wird der Kurzwellentrog immer mehr in die Länge gezogen, schafft es gerade so,
nach Deutschland herein zu schwenken. Klingt, als wäre da viel los in der oberen
Troposphäre, doch aufgrund der flachen Verteilung ergibt sich keine nennenswerte
Vorticityadvektion und damit auch kaum Antriebe.
Im Bodenniveau ist der Gradient ebenfalls sehr schwach, immerhin konnte sich
aber die Kaltfront eines Tiefs über dem Nordmeer in den Nordwesten mogeln. Da
sich im Verlauf, ausgehend von einem leicht nach Norden verschobenen Azorenhoch,
ein Hochkeil nach Mitteleuropa schiebt, wird die Front bis Freitagfrüh diagonal
über Deutschland quasi stationär. Hinter der Kaltfront kann sich etwas kühlere,
trockenere und stabilere Meeresluft durchsetzen, sodass sich der Abend im Norden
und Westen schon verbreitet ruhig und recht freundlich präsentiert. Präfrontal
bleibt die uns schon seit Tagen traktierende, sehr feuchte und instabil
geschichtete Subtropikluft (den Ursprung kann man schon gar nicht mehr so genau
ausmachen) dagegen wetterbestimmend. Durch den kaum vorhandenen synoptisch
skaligen Antrieb, musste die der Kaltfront vorgelagerte Konvergenz bzw. die
Orographie als Trigger für die Konvektion herhalten, die sich heute Abend
folglich auf einen Streifen von der südlichen Mitte nach Osten konzentriert. Ein
Blick auf die Zutaten (PPWs zwischen 30 und 40 mm, schlappe Strömung,
vernachlässigbare Scherung) ließ langsam ziehende, pulsierende Einzelzellen mit
der Gefahr (extrem) heftigen Starkregens erwarten, was tatsächlich auch so
eingetroffen ist. Im Gegensatz zum Vortag lässt sich in den Prognosesoundings
keine ausgeprägte trockene Grundschicht mehr ausmachen, dennoch sind bei relativ
hohen HKNs zwischen 1200 und 2000 m Downbursts (zumindest bis Stärke Bft 9)
nicht ausgeschlossen. Hagel spielt nur eine untergeordnete Rolle.
Da die Unterstützung aus der Dynamik nur schwach ist, sollte die
Gewittertätigkeit tagesgangbedingt in der Nacht nachlassen. Am zähesten dürfte
sich die Konvektion im Osten und Südosten herausstellen, wo vielleicht doch eine
gewisse Unterstützung des Kurzwellentroges diagonal über Deutschland vorhanden
ist. Dabei muss weiterhin Starkregen ins Kalkül gezogen werden, die
Unwettergefahr ist aber nur noch gering.
In den meisten Regionen bleibt es im Verlauf niederschlagsfrei, wobei es teils
klar, teils wolkig ist (Quellbewölkung degeneriert gebietsweise in
Sc-Bewölkung). Gebietsweise bildet sich bei sehr schwachem Wind Nebel, der
punktuell sogar warnwürdig werden könnte.



Freitag ... sorgt südwärts gerichtete Kaltluftadvektion über dem offenen
Nordatlantik für eine Regeneration des Langwellentroges. Die Strömung über
Mitteleuropa steilt folglich wieder etwas auf. Der schmale Trog diagonal über
Deutschland wird mehr und mehr zugeschüttet und tropft über Frankreich und
Spanien ab, sodass aus den beiden o.e. Rücken miteinander fusionieren und eine
von Südwesteuropa über Norddeutschland bis ins östliche Mitteleuropa reichende
Geopotenzialbrücke bilden. Diese stützt eine Hochdruckbrücke, die mit Achse quer
über Mitteleuropa. Darin eingebettet liegt die Luftmassengrenze, weiterhin quasi
stationär quer über Deutschland.
Die feucht warme, instabil geschichtete Subtropikluft lässt sich grob südöstlich
einer Linie Vorderpfalz-Rhön-Lausitz abgrenzen. Zwar wird etwas trockenere Luft
eingemischt, die spezifische Feuchte liegt aber immer noch in einem Bereich
zwischen 11 und 13 g/kg, was zusammen mit lapse rates um -0.6 K zu MLCAPE
zwischen 500 und etwas mehr als 1500 J/kg führt. Mit der Orographie als Trigger
und dem Erreichen der Auslösetemperatur (eine mesoskalige Konvergenzlinie ist
selbst in höher aufgelösten Modellen kaum auszumachen) sollte wieder
gebietsweise mit Gewittern gerechnet werden. Als Schwerpunkte kristallisieren
sich das südliche Bergland (Schwarzwald, Schwäbische/Fränkische Alb), die
ostbayerischen Mittelgebirge sowie Thüringer Wald und Erzgebirge heraus. Auch
der unmittelbare Alpenrand könnte noch dazu kommen. Aufgrund fehlender Scherung
dürfte als Zellmodus wieder nur die pulsierende Einzelzelle in Frage kommen. Es
erübrigt sich fast zu erwähnen, dass bei sehr geringer Zuggeschwindigkeit wieder
der Starkregen bis in den Unwetterbereich (>25 mm/h) im Fokus steht, auch wenn
bei nicht mehr ganz so hohen PPWs zwischen 25 und 35 mm extreme Mengen im
Vergleich zum Vortag etwas unwahrscheinlicher werden. Sturmböen können in
Downbursts genauso wenig ausgeschlossen werden wie Hagel, dennoch spielen beide
Begleiterscheinungen eher eine untergeordnete Rolle.
Abseits der Gewitterzonen wird es ein freundlicher Tag mit viel Sonnenschein,
vor allem natürlich in der stabileren, trockeneren Luft im Norden und Westen.
Das Temperaturniveau bleibt durchweg sommerlich bei 25 bis 31 Grad (Oberrhein,
Rhein-Necker, Rhein-Main und Lausitz ganz vorne dabei). Kühler ist es nur an der
See und natürlich nach Gewittern.

In der Nacht zum Samstag setzt sich die Meridionalisierung der Strömung fort.
Die Hauptachse des sich amplifizierenden Langwellentroges nähert sich den
Britischen Inseln. Der über Frankreich abgetropfte. o.e. Kurzwellentrog wird in
die Südwestströmung integriert. Vorderseitig bildet sich aus der
Geopotenzialbrücke eine eigenständige Antizyklone mit Schwerpunkt über Polen
heraus. Diese stützt ein Hoch über dem Baltikum, während über die Brücke über
West- und Mitteleuropa durch Luftdruckfall auf der Trogvorderseite "gekappt"
wird. In der Folge stellt sich über Deutschland eine Süd- bis Südostströmung
ein, in der die warme Subtropikluft wieder Boden nach Norden gut macht.
Antriebe aus der Höhe sind weiter keine auszumachen, sodass die Gewitter vom
Tage wohl recht schnell in sich zusammenfallen. Über bleiben allenfalls ein paar
Stratocumulusfelder, oft ist es aber auch klar. Vereinzelt bildet sich Nebel.


Samstag ... überquert die Hauptachse des Langwellentroges die Britischen Inseln
und erreicht die Nordsee. Der an die Südwestströmung wieder angegliederte
Kurzwellentrog über Frankreich erreicht am Abend Benelux. Dieser korrespondiert
mit einem Bodentrog, der möglicherweise den äußersten Westen Deutschlands am
Abend tangiert. Derweil bleibt die blockierende Antizyklone über Polen bzgl. Der
Position des Schwerpunktes fast unverändert, genauso wie das korrespondierende
Bodenhoch.
In der vorherrschenden Südströmung kommt Deutschland wieder landesweit in den
Genuss der warmen bis heißen Subtropikluft. ICON6 simuliert flächig MLCAPE der
Größenordnung 500 bis 1000, im Süden bis knapp 2000 J/kg. Die Tatsache, dass
dennoch kaum Konvektion gerechnet wird, ist wahrscheinlich dem Umstand
geschuldet, dass die Grenzschichtfeuchte ("nur" um 10 g/kg) wohl nicht ausreicht
bzw. die Auslösetemperatur wenige Grad zu hoch liegt. Zudem zeigen sich in
Prognosesoundings in mittleren Troposphärenniveaus trockene Einschübe, sodass
etwaige Konvektionsbemühungen durch Entrainment in Fehlversuche münden würden.
Dabei ist aber Vorsicht geboten, kleine Änderungen reichen aus, hinreichende
Bedingungen für hochreichende Konvektion zu schaffen. Aus heutiger Sicht scheint
aber ein großer Beitrag der Orographie nötig zu sein, sodass sich etwaige,
lokale Hitzegewitter wohl auf das Bergland und/oder den unmittelbaren Alpenrand
beschränkt sein dürften. Am ehesten sind einzelne Überentwicklungen noch am
Abend ganz im Westen nahe des Bodentroges (inkl. möglicher Konvergenz) auch
abseits des Berglandes in Erwägung zu ziehen. Im Falle des (gering
wahrscheinlichen) Falles muss aber durchaus mit heftigem Starkregen (PPWs 25-35
mm, weiter eher langsame Verlagerung), Sturmböen und Hagel gerechnet werden.
Für die meisten wird es aber ein sonniger, heißer Tag. Es ist wahrscheinlich das
letzte Mal für dieses Jahr, dass man sich landesweit derart kombiniert auf
sonnige und hochsommerlich heiße Bedingungen (29 bis 35 Grad) einstellen muss.


In der Nacht zum Sonntag werden erste kurzwellige Anteile des Langwellentroges
über Deutschland nordostwärts geführt. Diese schieben den Bodentrog mitsamt
Konvergenz nach Deutschland. Die nachfolgende Kaltfront bleibt wahrscheinlich
noch außen vor. Insgesamt verbessern sich die Voraussetzungen für hochreichende
und sogar organisierte Konvektion (schwacher, aber messbarer Input aus der Höhe
+ konvergentes Windfeld, hochreichende Scherung). Die Numerik ist zwar
zurückhalten, die Entwicklung eines Gewittersystems vor der Kaltfront im
Westen/Nordwesten (dann mit Starkregen, schweren Sturmböen und Hagel) sowie
einzelne Entwicklungen an der Konvergenz sind definitiv nicht auszuschließen.


Sonntag ... wird der Langwellentrog (der eigentlich gar nicht mehr so langwellig
ist) in seinem Westteil regeneriert, sodass seine Hauptachse kaum westwärts
vorankommt, in etwa von der Nordsee nach Frankreich gerichtet ist. Deutschland
liegt daher unter einer mit kurzwelligen Troganteilen ausgestatteten
südwestlichen Höhenströmung. Die Kurzwellentröge "drücken" den Bodendruck nach
Polen und Tschechien, sodass sich am Boden nach und nach eine westnordwestliche
Strömung einstellt. Entsprechend schwenkt die Kaltfront rasch nach Deutschland
herein und erreicht am Abend den Süden und Osten. Dabei kommt es zu einem
deutlichen Luftmassenwechsel von präfrontaler, potenziell instabiler und sehr
warmer Subtropikluft hin zu postfrontaler, merklich kühlerer Meeresluft polaren
Ursprungs.
Im Süden und Osten, wo sich die Luft nochmal aufheizen (um oder knapp über 30
Grad) und somit auch hinreichend Labilität aufgebaut werden kann, sind wohl
schon vormittags an der Konvergenz, nachmittags dann unmittelbar vor und an der
Kaltfront mit teils schweren Gewittern zu rechnen. Scherung und Labilität
überlappen sich in der Numerik zwar noch nicht optimal, trottdem dürfte sich die
Konvektion linienhaft oder in Form von Multizellen(-clustern) organisieren.
Neben heftigem Starkregen könnte somit auch Hagel und Gewitterböen unwetterartig
ausfallen. Nach Norden und Westen zu verläuft der Kaltfrontdurchgang
unspektakulärer, aber immerhin könnte sich eine nette Druckwelle formieren, die
für warnwürdige Böen (Bft 7) gut ist. Mit Annäherungen des Troges labilisiert es
im Nordwesten im Tagesverlauf, sodass auch dort dann Schauer und Gewitter drin
sind, allerdings der Marke "Kaltluft" und damit weitaus weniger
schadensträchtig.




Modellvergleich und -einschätzung
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Die großräumigen Strukturen werden von allen vorliegenden Modellen sehr ähnlich
simuliert. Bezüglich der für das Warnmanagement interessanten kleinräumigen
konvektiven Erscheinungen zeigt sich aber ein eher heterogenes Bild. Die
"Gewitterwarnerei" ist und bleibt eine Herausforderung, der man sich vornehmlich
im Nowcast stellen muss.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Adrian Leyser