DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

27-08-2019 17:01
SXEU31 DWAV 271800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 27.08.2019 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Am Mittwoch vor allem im Nordosten, Osten und in den Mittelgebirgen kräftige
Gewitter mit Unwetterpotenzial aufgrund von Starkregen. Am Donnerstag und
Freitag dann nur noch in der Südhälfte.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 12 UTC
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Aktuell ... fällt beim Blick auf die Karten des 500 bzw. 300 hPa Geopotenzials
erst einmal ein ausgeprägtes Omega-Muster ins Auge. Ein breiter Höhenrücken, der
sich aus dem südosteuropäischen Raum bis nach Nordskandinavien erstreckt, stehen
Langwellentröge über dem Nordostatlantik und über Nordwestrussland gegenüber.
Während der Höhenrücken mit seiner Achse quasistationär bleibt, kommt die Achse
des nordwesteuropäischen Troges über dem nahen Ostatlantik allmählich Richtung
Britische Inseln voran. Deutschland befindet sich auf der Vorderseite des
Troges, noch recht nahe am Rücken, allerdings im Einflussbereich einer
zyklonalen Einbuchtung bzw. Potenzialrinne, die aus einem ehemaligen Höhentief
hervorging. Mit allmählicher Annäherung des Troges wird sie zunehmend von diesem
absorbiert, was mit einem Kontur- und Wellenlängenverlust vonstattengeht.
Mittwochfrüh ist sie nur noch als kurzwelliger Randtrog mit Achse über dem
Nordosten Deutschlands auszumachen. Dahinter folgt ein in die schwache
südwestliche Höhenströmung eingebetteter flacher Höhenrücken, der sich morgens
vom Erzgebirge nordwestwärts bis zur Elbmündung erstreckt, während auf den
Westen und Südwesten erneut ein nur sehr flacher, nur in hoher gpdm-Auflösung
auszumachender Kurzwellentrog übergreift. Von all diesen Gebilden geht nach wie
vor kaum ein dynamischer Hebungsantrieb aus, lediglich ein schwaches IPV-Maximum
ist vor allem noch in der ersten Nachthälfte über dem Nordosten des Landes zu
erkennen, ein weiteres greift morgens auf den Westen über.
Bodennah bleibt nach wie vor die von Südosten her eingeflossene sehr warme und
feuchte labil geschichtete Luftmasse wetterbestimmend. Rückseitig des ersten
Randtroges konnte sie durch schwaches Absinken über dem Westen und Süden
Deutschlands etwas abtrocknen, was sich in einem Rückgang der PPW-Werte
bemerkbar macht (meist unter 30 mm, teilweise unter 25 mm). Dort hat es bereits
tagsüber kaum mehr Gewitter gegeben, ebenso wenig im Nordwesten. Ansonsten hat
sich aber erneut eine recht rege Gewittertätigkeit eingestellt. Ohne dynamischen
Trigger und vorderseitig des Rückens fällt diese Konvektion vor allem in den
mittleren Landesteilen somit im Laufe des Abends rasch in sich zusammen.
Lediglich im Nordosten, in der Nähe des oben erwähnten IPV-Maximums, dauert es
noch etwas länger, bei den nach wie vor hohen PPW-Werten dort (über 35 mm) und
einer MU-Cape von über 1000 J/kg sowie kaum vorhandener Scherung muss zumindest
in der ersten Nachthälfte noch mit kräftigen Gewittern gerechnet werden, die
sich eventuell auch zu einem oder zwei kleinräumigen Multizellenclustern
organisieren können. Hauptunwetterkriterium bleibt der Starkregen. In der
zweiten Nachthälfte sollten die Gewitter dann weitgehend nordostwärts abgezogen
sein.
Ansonsten verläuft die Nacht ruhig, vor allem dort, wo es geregnet hat, kann
sich wieder Nebel bilden. Der Trog, der morgens auf den Westen übergreift,
trifft einerseits auf eine bodennah nicht mehr ganz so feuchte Luftmasse und
dazu noch zur falschen Tageszeit ein, so dass nur vereinzelt mit Auslöse zu
rechnen ist. C-D2 (von 12 UTC) simuliert immerhin ganz im Südwesten, von
Südbaden bis nach Oberschwaben, in den Frühstunden Gewitter, EURO4 zeigt
schwache Signale am Oberrhein, SuperHD und AROME haben dagegen gar nichts auf
der Agenda. Die Tiefstwerte liegen meist zwischen 20 und 12 Grad.

Mittwoch ... schwenkt der flache Höhenrücken rasch über den Osten und Norden
Deutschlands hinweg nordostwärts, gefolgt vom Kurzwellentrog, der sich abends
mit seiner Achse über dem Nordosten des Landes befindet. Ihm folgt erneut ein
flacher Rücken, der abends die mittleren Landesteile erreicht. Von beiden Trögen
geht nach wie vor kaum ein dynamischer Hebungsimpuls aus, zugleich wirkt der
flache Höhenrücken nur schwach dämpfend. Somit ergibt der Blick auf die
Simulationen der Konvektion zulassenden Modelle ein relativ heterogenes Bild.
Schwerpunkt der Konvektion dürfte aber erneut im Norden und Nordosten liegen, wo
der flache Trog (bzw. der von ihm ausgehende schwache Hebungsimpuls) zur
günstigsten Tageszeit eintrifft. Auch sonst ist die Deckelung bzw. die Dämpfung
durch den Höhenrücken meist zu schwach, um zumindest orographisch getriggerte
Konvektion komplett zu vermeiden. Am ehesten "gewitterfrei" könnte es im
Südosten sowie zunächst auch im Westen/Südwesten bleiben (nach Abklingen
eventueller morgendlicher und vormittäglicher Konvektion).
Die Umgebungsbedingungen ähneln denen der Vortage. Die feuchteste Luftmasse
befindet sich im Norden und Nordosten, wo auch im Bodenfeld eine flache Rinne
auszumachen ist, die sich allmählich ostwärts verlagert. Die PPW-Werte erreichen
dort wieder über 35 mm (sonst meist 25 bis über 30 mm), dazu können meist 500
bis 1500 J/kg, im Nordosten und Norden gebietsweise an die 2000 J/kg ML-Cape
generiert werden. Scherung ist nach wie vor kaum vorhanden, lediglich etwas
Richtungsscherung in den unteren Kilometern, allerdings nehmen die südwestlichen
Höhenwinde aber etwas zu, so dass sich die Zuggeschwindigkeit der Zellen ein
wenig erhöhen könnte. Somit muss mit ähnlichen Begleiterscheinungen der Gewitter
wie an den Vortagen gerechnet werden: Starkregen, kleiner Hagel und - je nach
Grundschichtprofil - auch mit Sturm-, ganz vereinzelt (bei hohem Spread in
Bodennähe) mit schweren Sturmböen. Unwetterpotenzial besteht in erster Linie
aufgrund von Starkregen, eventuell auch aufgrund größerer Hagelansammlungen, mit
der etwas zunehmenden Verlagerungsgeschwindigkeit der meist als Einzelzellen
oder kleiner Multizellensysteme auftretenden Gewitter dürfte die
Wahrscheinlichkeit für extreme Unwetter noch etwas geringer sein als an den
Vortagen.
Am häufigsten dürfte die Sonne im Westen und Süden scheinen, an den Temperaturen
ändert sich im Großen und Ganzen (regional kann das - je nach Gewittertätigkeit
- anders aussehen) kaum etwas: Die Höchstwerte liegen zwischen 27 und 34 Grad
(bei etwas auffrischendem Südostwind dürfte der Hitzestau an den Stationen
Lingen und Burnburg schwächer ausfallen, so dass diese Stationen in der
Endabrechnung nicht mehr so aus dem Rahmen fallen).

In der Nacht zum Donnerstag überquert eine erste kurzwellige Achse des
Nordostatlantiktroges rasch die Britischen Inseln und erreicht morgens die
mittlere Nordsee bzw. Benelux. Auf der diffluenten Trogvorderseite kann aufgrund
recht kräftiger PVA vor allem über Benelux und der Nordsee markante Hebung
generiert werden, die abgeschwächt auch den Westen und Nordwesten Deutschlands
erfasst. Eventuell kann es bereits in den Abendstunden für erste Gewitter im
west- und südwestdeutschen Mittelgebirgsraum reichen.
Im Bodenfeld macht sich die Hebung in Form einer recht flachen Tiefdruckrinne
bemerkbar, die (inklusive Konvergenz) in der zweiten Nachthälfte auf den Westen
und Nordwesten des Landes übergreift. Mit der Feuchteanreicherung im Bereich der
Konvergenz steigen die PPW-Werte wieder auf 35 bis 40 mm, gebietsweise auch
darüber, dazu dürfte noch Einiges an MU-Cape zur Verfügung stehen. Somit sind
die Zutaten bereitet für Konvektion, die sich mit der deutlich zunehmenden
hochreichenden Scherung (um 06 UTC im Grenzgebiet zu Benelux um 20 m/s, bodennah
immerhin um 10 m/s) kann sie sich womöglich auch zu einem MCS organisieren. Im
Detail ist das Ganze natürlich noch mit Unsicherheiten behaftet, EURO4 und
SuperHD simulieren allerdings im Laufe der zweiten Nachthälfte und morgens rege
Konvektion (SuperHD sogar mit einer Art Bow Echo über dem nordwestlichen
Niedersachsen) im Westen/Nordwesten des Landes. Als Begleiterscheinung stehen
natürlich wieder der Starkregen (örtlich Unwetter, trotz höherer
Zuggeschwindigkeit), sowie der kleinkörnige Hagel, aber vor allem auch Sturmböen
auf der Agenda. Bei organisierten Strukturen (siehe SuperHD mit dem Bow Echo)
sind auch schwere Sturmböen oder mehr nicht ausgeschlossen, allerdings spricht
die ungünstige Tageszeit eher dagegen.
Im übrigen Land bekommt man von all dem nur wenig mit. Die abendliche Konvektion
dürfte im Laufe der ersten Nachthälfte mehr und mehr in sich zusammenfallen und
vor allem im Osten und Südosten bleibt es gering bewölkt. Örtlich kann sich
Nebel bilden. Mit 19 bis 12 Grad kühlt es auf ähnliche Werte ab wie in der
Vornacht.

Donnerstag ... zieht der Kurzwellentrog unter Konturverlust rasch über den
Nordwesten und Norden Deutschlands hinweg nordostwärts. Rückseitig dreht die
Höhenströmung auf Westsüdwest und der Potenzialgradient fächert vor allem über
Süddeutschland wieder deutlich auf. Nennenswerte dynamische Hebungsantriebe
können unter diesen Bedingungen nicht mehr generiert werden.
Im Bodenfeld zieht die flache Tiefdruckrinne samt Konvergenz bis mittags rasch
über die Nordhälfte Deutschlands hinweg ostwärts. Die nachfolgende Kaltfront
eines Tiefs über dem Europäischen Nordmeer greift nachmittags auf den Westen und
Nordwesten Deutschlands über, kommt aber mangels Schubkomponente nur sehr
zögerlich nach Südosten voran. Ihr folgt etwas kühlere, vor allem aber deutlich
stabilere erwärmte subpolare Meeresluft. Die Südhälfte bleibt dagegen weiterhin
im Einflussbereich der feuchtwarmen und potenziell instabil geschichteten
Luftmasse.
Mit der Rinne verlagern sich die Schauer und Gewitter, eventuell organisiert als
MCS, am Vormittag und Mittag rasch über den Norden und die Mitte des Landes
hinweg ostwärts. Die Begleiterscheinungen sollten meist markanten Kriterien
genügen. Dahinter setzt rasch Wetterberuhigung ein. Die Luftmasse bleibt
allerdings noch ab der Mitte ost- und südwärts weiterhin labil geschichtet, so
dass im Vorfeld der Kaltfront die Gewittertätigkeit vor allem vom zentralen
Mittelgebirgsraum ausgehend noch einmal aufleben könnte. Das höchste
Gewitterpotenzial besteht allerdings in den Regionen, die nicht von der
Konvergenz tangiert werden, also in ganz Süddeutschland sowie eventuell auch
noch im Süden der Osthälfte. Dort können - etwas Einstrahlung vorausgesetzt -
erneut 500 bis 1000 J/kg, gebietsweise mehr ML-Cape generiert werden bei
PPW-Werten zwischen 30 und 40 mm. Zwar fehlt erneut weitestgehend der dynamische
Trigger, dennoch reicht die Orographie nach Erreichen der Auslösetemperatur
mangels Deckelung aus. Die neu entstehenden Gewitter weisen ähnliche
Begleiterscheinungen wie an den Vortagen auf. Mit der auffächernden
Höhenströmung verringert sich die Zuggeschwindigkeit der Zellen, Starkregen
steht also als Begleiterscheinung erneut im Fokus. Die Unwetterschwelle ist
sicherlich wieder rasch erreicht, violett, also extremes Unwetter punktuell
nicht ausgeschlossen, wenngleich die Umgebungsbedingungen vielleicht nicht mehr
ganz so ideal sind wie an den Vortagen (die diabatische Komponente fällt
schwächer aus, vereinfacht gesagt: Es wird nicht mehr so warm wie an den
Vortagen).
Gewitterfrei bleiben der Westen und Norden, wo die Wolken postfrontal wieder
auflockern.
Die Temperatur in 850 hPa sinkt bis zum Abend auf Werte zwischen 8 Grad im
Nordwesten und 15 Grad im Südosten. Somit liegen die Höchstwerte im Norden und
Westen zwischen 23 und 28 Grad, im Nordseeumfeld etwas darunter, im Süden und
Osten meist zwischen 26 und 32 Grad.

In der Nacht zum Freitag bleibt das Vorhersagegebiet an der Südflanke des
umfangreichen Höhentroges über Nordwesteuropa, wobei das Geopotenzialfeld vor
allem nach Süden zu eine zunehmend antizyklonale Kontur annimmt, morgens
erstreckt sich ein flacher Höhenrücken über Süddeutschland hinweg bis ins
östliche Mitteleuropa. Dieser wird allerdings noch von einem kurzwelligen
Troganteil überlaufen (der letztendlich über dem Osten Österreichs austropft),
auf dessen Vorderseite auch etwas dynamischer Hebungsantrieb über dem Süden und
Südosten des Landes generiert werden kann.
Die Kaltfront kommt mangels Schubkomponente über der Mitte Deutschlands nicht
weiter nach Süden voran, so dass die Südhälfte im Einflussbereich der instabilen
Luftmasse bleibt. Mit dem gebotenen dynamischen Hebungsantrieb kann die
konvektive Aktivität noch bis weit in die Nacht hinein am Leben erhalten werden,
verlagert sich aber mehr und mehr in den Südosten Bayerns, vielleicht sind auch
noch das Vogtland, das Erzgebirge und Ostsachsen betroffen, im Detail gehen die
Modelllösungen noch etwas auseinander.
Im übrigen Land hat sich postfrontal eine deutlich stabilere Luftmasse
durchgesetzt, die PPW-Werte sinken auf unter 20 mm. Mit Annäherung des flachen
Rückens steigt auch der Bodendruck und ein Keil des Azorenhochs weitet sich bis
ins Vorhersagegebiet aus. Somit lockern die Wolken auf, teilweise ist es gering
bewölkt und gebietsweise kann sich Nebel bilden. Mit Tiefstwerten zwischen 15
und 8 Grad - an den Küsten etwas darüber - fällt die Nacht in weiten Teilen des
Landes deutlich frischer als die Vornächte aus. Im Süden und Südosten bleibt es
mit 18 bis 13 Grad dagegen noch milder.

Freitag ... kann sich der ins südliche Mitteleuropa gerichtete Höhenrücken durch
schwache WLA noch geringfügig verstärken, während Norddeutschland an der
Südflanke des sich immer wieder regenerierenden und deshalb nicht weiter nach
Osten vorankommenden umfangreichen Höhentroges über Nordwesteuropa unterhalb
einer relativ schwachen südwestlichen Höhenströmung verbleibt.
Im Bodenfeld weitet sich der nach Mitteleuropa gerichtete Azorenhochkeil noch
etwas weiter nach Norden und Osten aus. Nach wie vor fungiert die kaum
wetterwirksame quasistationäre Kaltfront über der Mitte Deutschlands als
Luftmassengrenze und trennt eine feuchtlabile Luftmasse in der Südhälfte von
deutlich stabilerer Luft weiter nördlich. Zwar wirkt der Höhenrücken dämpfend,
dennoch ist im Süden Deutschlands orographisch getriggerte Konvektion im
Tagesverlauf erneut denkbar. Insgesamt trocknet auch dort die Luftmasse ein
wenig ab, PPW-Werte um oder knapp über 30 mm und gebietsweise über 500 J/kg
ML-Cape genügen aber für zumindest markante Entwicklungen, die mangels
Zuggeschwindigkeit bzgl. Starkregens punktuell auch schnell mal
Unwetterkriterien erreichen. Insgesamt sollte die Konvektion aber isolierter als
an den Vortagen auftreten, lediglich ganz im Südosten, vom ostbayerischen
Alpenrand über Ostbayern bis zum Erzgebirge, könnte am Nordrand des
kleinräumigen und flachen Höhentiefs über der Mitte Österreichs mit etwas
dynamischen Hebungsantrieb eventuell für verbreiteter auftretende Gewitter
reichen.
Im übrigen Land steht dagegen ein weitgehend störungsfreier und recht sonniger
Tag ins Haus. Niedertroposphärisch wird auch in den Norden und Nordwesten wieder
wärmere Biskayaluft advehiert, so dass die Temperatur in 850 hPa am Abend Werte
zwischen 11 Grad im Norden und 15 Grad im Süden erreicht. Die Höchstwerte
bewegen sich somit zwischen 24 und 31 Grad mit den höchsten Werten entlang des
Oberrheins, an den Küsten, insbesondere im Nordseeumfeld, bleibt es etwas
kühler.



Modellvergleich und -einschätzung
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Alle vorliegenden Modelle simulieren im Kurzfristzeitraum eine sehr ähnliche
Wetterentwicklung. Mit den typischen Differenzen behaftet sind die Vorhersagen
der konvektiven Niederschläge, beginnend z.B. schon für die kommende Nacht im
Westen/Südwesten (siehe Text).


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff