DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

21-08-2019 17:01
SXEU31 DWAV 211800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 21.08.2019 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Großwetterlage BM (Brücke Mitteleuropa) ohne signifikante Wettererscheinungen.
Allenfalls an den Alpen, am Samstag auch im östlichen Bergland tagsüber eine
gewisse Gewitterneigung.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 12 UTC
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Aktuell ... hat sich die Wetterlage in weiten Teilen Mitteleuropas und mithin
auch in Deutschland gedreht. Nach konvektiven Kapriolen, Dauerregen usw. der
vergangenen Tage ist inzwischen Ruhe eingekehrt und das Pendel in Richtung HPI
(High-Pressure-Influence) ausgeschlagen. HPI meint in diesem Fall das
Großwetterlagenmuster BM (Brücke Mitteleuropa), die nun für einige Tage andauern
wird. Von den Azoren bis zum nahen Osteuropa reich die Hochdruckbrücke mit dem
Namen CORINA, die dabei mitten über Deutschland verläuft mit etwas über 1025
hPa. Zwar mangelt es derzeit noch etwas an Unterstützung aus der Höhe, doch auch
daran wird gearbeitet.
Aktuell befinden wir uns noch auf der Vorderseite eines leicht merkwürdig
konturierten Höhentrogs. Während dieser nämlich in seinem Nordteil (über
Westeuropa) sehr breit ist und kaum Amplitude aufweist, steht er weiter südlich
(Südfrankreich, Iberische Halbinsel) kurz vorm Abtropfen. Bis Donnerstag früh
sollte der Cut-Off erfolgt und ein eigenständiges Höhentief unweit der Balearen
geboren sein. Gleichzeitig greift der breite Trog auf den Vorhersageraum über,
ohne dabei irgendwelchen "zyklonalen Schaden" anzurichten.
So stehen wir deutschlandweit vor einer ruhigen, überwiegend gering bewölkten
oder klaren Nacht. Gerade im Süden, wo die Grundschicht durch den vorherigen
Regen feuchter ist als in den übrigen Gebieten, bildet sich stellenweise Nebel.
Direkt an den Alpen halten sich noch ein paar stärkere Restwolken, es bleibt
aber trocken. Auch im Nordwesten tauchen ein paar hohe Wolkenfelder auf, die
leichter WLA vorderseitig eines Sturmtiefs geschuldet ist, welches das Seegebiet
südlich Islands langsam ostwärts passiert. Am mildesten mit 14 bis 17°C bleibt
es unmittelbar am noch recht warmen Wasser von Nord- und Ostsee, sonst stehen
meist 13 bis 6°C, in einigen Mittelgebirgstälern sogar etwas unter 5°C auf der
Karte.

Donnerstag ... kräftigt sich die Brücke noch etwas, was auch an einer sich von
Westen aufbauenden, zonal exponierten Potenzialbrücke liegt. Derweil ömmelt das
Cut-Off-Tief ganz betulich von Malle nach Korsika, wo sich bekanntlich ja auch
gut Urlaub machen lässt. Relevanter als die Urlaubsziele von Höhentiefs ist aber
die Tatsache, dass ausgehend von dem Tief ein Randtrog nach Norden bis in die
Alpen reicht. Dabei hält er die dort lagernde feuchte und potenziell instabile
Warmluft am Köcheln, was sich in Form einzelne Schauer und Gewitter
widerspiegelt. Diese treten vornehmlich auf der Südseite sowie im inneralpinen
Raum auf, was die Wahrscheinlichkeit für konvektive Umlagerungen am deutschen
Alpenrand gering erscheinen lässt. Trotzdem kann nicht gänzlich ausgeschlossen
werden, dass sich nicht auch mal ein oder zwei Gewitter auf deutsches
Hoheitsgebiet verirren. Laut Numerik ist die Situation grenzwertig; wenn ein
Gewitter auftreten sollte, dann gilt es das Augenmerk vornehmlich auf den
Starkregen zu legen. Möglicherweise bleibt es aber auch trocken und es bildet
sich lediglich dichtere Quellbewölkung.
Im ganz großen Rest der Republik muss man sich über diese Frage keine Gedanken
machen. Abgesehen von einigen meist dünnen Wolkenfeldern im hohen Norden
(schwache WLA auf der Nordflanke der Brücke) scheint verbreitet die Sonne.
Tagesgangbedingt entwickelt sich aufgelockerte Cumulusbewölkung, die nach oben
hin durch eine zwischen 800 und 850 hPa positionierte Absinkinversion gedeckelt
ist. Bei schwachem bis mäßigem Wind aus Ost bis Süd legt die Temperatur sowohl
advektiv (Anstieg T850 bis zum Abend auf 8 bis 11°C) als auch diabatisch
getriggert zu. Am Nachmittag werden landesweit 23 bis 28°C, vereinzelt
vielleicht sogar schon 29°C erreicht. Etwas verhaltener das thermische Niveau im
höheren Bergland sowie an Küstenabschnitten mit längerer Zeit auflandiger
Windkomponente (am ehesten an der Nordsee).

In der Nacht zum Freitag ändert sich nichts Substanzielles an der GWL. Bei
geringer bis gar keiner Bewölkung bildet sich hier und da etwas Nebel. Die
Temperatur sinkt auf 15 bis 8°C, in den Mittelgebirgen (Senken, Mulden, kleine
Täler) sowie in einigen Trockengebieten Norddeutschlands auch noch etwas
darunter. Dafür bleibt es direkt an der See milder.

Freitag ... setzt das o.e. Höhentief seinen Urlaub auf (besser über) Korsika
fort, wobei der zugehörige Randtrog weiterhin nach Norden Richtung Alpen
gerichtet ist. Gegenüber Donnerstag greift er nun über den Hauptkamm hinweg bis
in den äußersten Süden Deutschlands aus, was dort die Gewitterwahrscheinlichkeit
etwas ansteigen lässt. Die Modelle sehen das übrigens auch so und simulieren bis
ins südliche Vorland etwas ML-CAPE (100 bis maximal 300 J/kg), das mit
orografischer Unterstützung trotz leichter Deckelung vielleicht in konvektive
Umlagerungen umgesetzt werden kann. Wahrscheinlicher ist aber ein Szenario,
wonach vereinzelte Zellen von österreichischer Seite den virtuellen Schlagbaum
überwinden und den Weg ins südliche Bayern finden. Wenn dem so ist, was
keinesfalls sicher ist, steht bei PPWs von 25 bis 35 mm und extrem pomadiger
Verlagerungsgeschwindigkeit einmal mehr Starkregen ganz weit oben auf der Agenda
begleitender Parameter. Dass dabei ganz schnell auch mal das WU-Kriterium von 25
mm/h überschritten werden kann, ist - ohne an dieser Stelle schon Kassandra zu
bemühen - kein Geheimnis.
Ansonsten ist die Freitagsgeschichte ganz schnell erzählt: weiterhin
Hochdruckbrücke mit Potenzialunterstützung => viel Sonnenschein, mit Ausnahme
südlich der Donau nur wenige Quellungen (Inversion 850 bis 900 hPa), im
äußersten Norden vielleicht ein paar dichtere Cirren - that´s it. Mit
850-hPa-Temperaturen um 12°C (18 UTC) präsentiert sich die untere Troposphäre
relativ barotrop. Im 2 m Höhe bedeutet das Tageshöchstwerte von 25 bis 30°C, in
der Mitte lokal sogar 31°C, bei Seewind entsprechend weniger warm.

In der Nacht zum Samstag weitet sich der Randtrog von Süden her bis in die
mittleren Landesteile aus, wo er wahrscheinlich die Potenzialbrücke kappt und
Fühlung zu einem größeren Trog über dem nahen Ostatlantik aufnimmt. Damit wird
die feuchte und potenziell instabile Luft aus dem alpennahen Raum über Teile
Oberbayerns bis zum Bayerischen Wald verteilt. Einige Modelle wie z.B. GFS und
ICON jeweils von 06 UTC nehmen das zum Anlass, in den genannten Gebieten auch in
der Nacht ein paar wenige konvektive Prozesse anzubieten, was aufgrund der
ungünstigen Tageszeit und fehlender synoptischer Antriebe aber mehr als fraglich
ist. Vielleicht reicht es aber, in Süddeutschland etwas mehr Bewölkung zu
generieren, was wiederum die Nebelneigung geringhalten würde.
Fakt ist, dass im größten Teil des Landes trotz leichten Druckfalls und marginal
schwächelnder Brücke auch diese Nacht meist klar oder nur mit dünnen Wolken
abläuft. Mit 18 bis 10°C (nur in einigen Mittelgebirgen etwas weniger) bleibt es
aber wärmer als in den Nächten zuvor.

Samstag ... verbleiben die Mitte und der Süden unter dem schwachen Randtrog,
während sich über dem Norden zunächst noch ein nach Westen gerichteter Keil
eines Höhenrückens über dem nahen Osteuropa zeigt. Trog hin, Keil her, die
Potenzialgegensätze sind extrem gering, so dass aus dynamischer Perspektive an
diesem zweiten Spieltag der Fußballbundesliga nicht viel bis gar nichts geht
(hoffentlich sieht es auf den Spielfeldern anders aus, wobei man besonders auf
den abendlichen Auftritt der "neuen" Bayern auf Schalke gespannt sein darf).
Vom Fußball zurück zur Meteorologie, wo es zu erwähnen gilt, dass durch die
Ausweitung des Troges nach Norden der Luftdruck noch geringfügig fällt. Aus der
ehemaligen Brücke wird jetzt eher eine breite Hochdruckzone, deren Schwerpunkt
sich mit immer noch rund 1027 hPa zur südöstlichen Ostsee respektive zum
Baltikum verlagert. Daraus ergibt sich bei uns eine überwiegend schwache
östliche Grundströmung, mit der warme (T850 bis zum Abend auf 12 bis 15°C
steigend), in den Süden und Südosten recht feuchte und potenziell instabile Luft
advehiert wird (PPWs z.T. deutlich über 30 mm, spezifische Feuchte bis zu 13
g/kg => ML-CAPE bis zu 1000 J/kg, lokal darüber). Klingt verheißungsvoll, so man
denn der Anhängerschaft konvektiven Spektakels angehört, aber genau jetzt wird
von der Seite reingegrätscht und das große Aber ausgepackt. Was nutzt ein
zumindest solider Treibstoff, wenn die Zündkerzen nix taugen oder gar nicht
vorhanden sind? Oder mit fachlichen Worten, wer oder was soll das durchaus
vorhandene Potenzial für konvektive Umlagerungen auslösen? Ernsthafte
synoptische Strukturen sind nicht erkennbar (der bloße Präsenz des schwachen
Randtrogs reicht normalerweise nicht), auch konvergente Windfelder sind
zumindest derzeit nicht auszumachen. Was aber fast immer geht, ist die
Orografie, die auch am Samstag wieder als Trigger herhalten muss. Vor allem vom
östlichen Bergland über die fränkischen Mittelgebirge und den Bajuwarischen Wald
bis zu den Alpen, mit geringer Wahrscheinlichkeit auch noch im Schwarzwald
könnte es zur Auslöse einzelner Zellen kommen, die dann Richtung West-Nordwest
ziehen. Begleitende Elemente kommen sowohl Starkregen, als auch kleinkörniger
Hagel (für größere Körner mangelt es an Scherung) als auch stürmische Böen 8 Bft
in Frage. Noch mal zur Klarstellung, Stand heute dürfte es sich um isolierte
Einzelentwicklungen und nicht um eine größere Gewitterlage handeln.
So bleibt abschließend nur noch festzuhalten, das weite Teile des Landes einen
trockenen, sonnenscheinreichen und sehr warmen bis heißen Sommersamstag vor der
Brust haben, an dem die Temperatur auf 25 bis 32°C steigt (abzüglich der
üblichen Verdächtigen an der See und auf dem Berg).


Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modellcommunity weist bei den Basisfeldern eine hohe Kongruenz auf.
Unschärfen ergeben sich wie so oft, wenn Konvektion ins Spiel kommt, allerdings
halten sich auch auf diesem Sektor die Unterschiede in Grenzen.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann