DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

16-08-2019 17:01
SXEU31 DWAV 161800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 16.08.2019 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
W/SW z - wechselhaft!
In der Nacht und am Samstag an der Nordsee und auf Berggipfeln stürmische Böen
oder Sturmböen.
Zum Sonntag im Zuge einer Frontalwelle teils kräftige Regenfälle, in der
Südosthälfte teils schwere Gewitter, zuvor im Südosten nochmal heiß.
Am Montag

Synoptische Entwicklung bis Montag 12 UTC
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Aktuell ... kommt der Motor der nordhemisphärischen Westdrift vorübergehend
etwas ins Stottern. Eins vorweg: dem überwiegend zyklonal geprägten
Wettergeschehen in Deutschland tut dies keinen Abbruch, einzig gemäß der
"Anströmung" sollte aus West eher Südwest zyklonal werden. Verantwortlich dafür
ist ein umfangreicher Langwellentrog vor den Toren Nordwesteuropas, der in
seinem West- und Nordwestteil fortwährend Regenerationstendenzen zeigt und sich
amplifiziert, sodass er sich mit seiner Hauptachse nur sehr zögerlich dem
europäischen Kontinent nähert. Folglich kann sich über Mitteleuropa über einige
Tage eine südwestliche Höhenströmung etablieren, in der auch die Frontalzone
eingebettet ist.

Aber eins nach dem anderen: Zunächst schwenkt der flache Rücken, der am heutigen
Freitag von Westen her für eine Wetterberuhigung gesorgt hat, ostwärts durch.
Dahinter setzt sich auf der Vorderseite des Troges die angesprochene
West-/Südwestströmung durch, in der im Laufe der Nacht ein erster kurzwelliger
Anteil über Deutschland gesteuert wird. Das mit dem Langwellentrog
korrespondierende, zunehmend als Zentraltief fungierende Sturmtief bleibt zwar
mit seinem Kern weit draußen über dem Seegebiet zwischen Island und Irland, sein
Frontensystem wird durch den Kurzwellentrog aber nach Osten gedrückt und greift
schon Laufe der Nacht von Nordwesten über. Dabei schwenkt die Warmfront rasch
über den Nordwesten und Norden durch, die Kaltfront liegt bis zum Morgen aber
wohl noch über "BeNe". PVA, WLA und frontale Hebungsprozesse sorgen für leichten
bis mäßigen Regen, der bis Samstagfrüh etwa bis zu einer Linie
Rheinland-Lübecker Bucht vorankommt. Nach Süden und Osten zu bleibt es bei
langsam hereindriftender mehrschichtiger Bewölkung trocken.
Kräftiger Luftdruckfall sorgt für eine Gradientverschärfung, warnwürdige Böen
beschränken sich aber zunächst auf das Nordseeumfeld (Bft 7-8, nordfriesische
Inseln vielleicht sogar mal die Bft 9) und exponierte Berggipfel (Brocken,
Feldberg, Bft 8-9).



Samstag ... zieht der Kurzwellentrog nach Südskandinavien ab. Dahinter steilt
die südwestliche Höhenströmung durch Amplifizierung des Langwellentroges über
Deutschland etwas auf. Die eingelagerte Kaltfront orientiert sich quasi
strömungsparallel, verliert somit an Schubkomponente und schleift in der Folge
irgendwo über dem Norden und Nordwesten. Strom auf lässt sich vor der Bretagne
bereits eine Welle analysieren, die sich unter kräftiger Höhendivergenz am
rechten Eingang eines für die Jahreszeit imposanten, über England zur Nordsee
gerichtete Jetstreaks entwickeln kann. Die thermischen Gegensätze an der
Kaltfront weichen im Vorfeld der Welle vorübergehend auf und auch aus der recht
glatten Höhenströmung lassen sich keine wirklich signifikanten Hebungsantriebe
ausmachen. Dennoch sollte es im Umfeld und hinter der Front, wo ein bisschen
Labilität erzeugt wird, nach Abzug des Regens nach Nordosten gebietsweise zu
Schauern kommen. Die Konvektion ist voraussichtlich nicht hochreichend genug, um
"elektrisch" zu werden. Im Süden und Südwesten kommt im Tagesverlauf schon weit
im Vorfeld der Welle vor der Bretagne bereits wieder etwas stärkere WLA auf,
sodass es dort zeitweise regnen kann. Weitestgehend trocken bleibt es in weiten
Teilen des Ostens und Südostens, wo sich zwischen dichteren Wolkenfelder auch
zeitweise die Sonne zeigt, am Alpenrand durch leichten Föhn auch längere Zeit.
Die in der niedertroposphärischen südwestlichen Strömung herangeführte Luftmasse
kommt von der Biskaya und erreicht auf 850 hPa 9 bis 14 Grad, was zumindest mit
Sonnenunterstützung für 25 Grad plus x gut sein sollte. Der Gradient weicht
tendenziell im Tagesverlauf wieder etwas auf, was aber durch turbulente
Durchmischung wieder wettgemacht wird. Somit sind auch im Tiefland starke bis
steife Böen möglich, wenngleich das Ganze wohl allenfalls im Bergland und in
prädestinierten Leelagen warnwürdig wird. Definitiv warnwürdige sind die steifen
bis stürmischen Böen an der Nordsee sowie die Sturmböen auf einigen exponierten
Berggipfeln.

In der Nacht zum Sonntag wird die o.g. Welle in der noch etwas aufsteilenden
Südwestströmung rasch Richtung Mitteleuropa gesteuert. Die Vorhersage von
schnelllaufenden Frontalwellen bereitet den Modellen naturgemäß Schwierigkeiten,
so ist auch in diesem Fall Ausprägung, Zugbahn und Timing der Welle noch relativ
unklar. Tendenziell scheint die Störung nicht optimal mit der Höhendivergenz am
rechten Eingang des Jets zu interagieren, sodass alle vorliegenden Modelle eine
durchweg offene, sich allenfalls nur wenig vertiefende Welle simulieren, die bis
Sonntagabend irgendwo über die nördliche Mitte des Landes hinwegzieht. Am
stärksten entwickelt und mit eigenständigem Kern ist sie bei IFS (<1005 hPa),
dadurch aber auch am langsamsten (Sonntagfrüh mit Kern über Belgien). Bei ICON
und GFS weist die Welle keinen eigenständigen Kern mehr auf und befindet sich
Sonntagfrüh schon über Deutschland.
Wie auch immer, frontale Prozesse und kräftige WLA sorgen im Umfeld der Welle
für mäßige Regenfälle, die sich von Südwesten und Westen auf weite Teile der
Nordwesthälfte ausweiten. Strichweise, vor allem im Bereich des Wellenkopfes
sowie in Staulagen der westlichen Mittelgebirge, könnte mehrstündiger Starkregen
(20-25 mm/6 h) zum Thema werden. Im Warmsektor im Süden klart es auf und es
bleibt im Verlauf der Nacht trocken und auch ganz im Osten kommt wohl noch kein
Regen an.
Warnwürdige Böen (Bft 7, exponiert 8) treten an der Südflanke der Welle auf,
beschränken sich in der Nacht aber noch auf das höhere Bergland.



Sonntag ... rückt die Hauptachse des Langwellentroges zur Biskaya vor. Dies
lässt die leicht flatternde Strömung weiter aufsteilen. Die Frontalwelle, wie
auch immer sie am Ende aussehen wird, zieht folglich über die nördliche Mitte
nach Nordosten und damit auch die eher skaligen Regenfälle am Wellenkopf. Die
Frontalzone bleibt aber auch nachfolgend schleifend diagonal über Deutschland.
Während es unmittelbar an der Front schauerartige Regenfälle gibt, besteht am
Südrand der Front im Tagesverlauf erhöhtes Unwetterpotenzial aufgrund teils
schwerer Gewitter. Denn zum einen erfolgt am Südrand der Welle ein Einschub
instabiler Subtropikluft, die im Zusammenspiel mit sehr hoher spezifischer
Feuchte am Südrand der Front in 500 bis 1000 J/kg MLCAPE resultiert. Zum anderen
entwickelt sich unter der starken südwestlichen Höhenströmung im Umfeld der
Luftmassengrenze begünstigt durch hohe Baroklinität ein Low-Level-Jet (GFS z.B.
mit bis zu 50 kn auf 850 hPa vom Südwesten bis zur Mitte, IFS immerhin mit rund
45 kn), der sowohl für hochreichende, als auch für bodennahe Scherung sorgt.
Alles in allem sind die Bedingungen für organisierte Konvektion bis hin zu
Superzellen vor allem im besagten Streifen vor der Front vom Südwesten über die
Mitte bis in den Osten gegeben. Alle Begleiterscheinungen (Regen, Wind, Hagel)
können dabei unwetterartig ausfallen, wenngleich größerer Hagel und Böen bis Bft
10 oder gar 11 wohl im Fokus stehen. Die konvektionserlaubenden Modelle
reagieren mit entsprechenden Strukturen bereits darauf, was das
Unwetterpotenzial unterstreicht. Allerdings bleibt festzuhalten, dass aufgrund
der Unschärfen rund um das Wellentief noch lange nicht sicher ist, ob sich die
Zutaten wirklich so gut überlappen.
Noch fraglicher ist, ob es auch weit abgesetzt von der Front im äußersten Süden
sowie Südosten zu isolierten (dann aber ebenfalls unwetterträchtigen) Gewittern
kommt. Durch die Überströmung der Alpen setzt dort aber eine Abtrocknung der
Luftmasse ein, sodass sich recht viel CIN aufbauen kann. Die Auslöse ist also
eher unwahrscheinlich.
Eher ein Nebenkriegsschauplatz: In Postfrontal einfließender, kühlerer aber
leicht labiler Meeresluft treten im Norden und Nordwesten ein paar schwache
Schauer auf.
Die Windentwicklung abseits der Konvektion - also rein aus dem Gradient heraus -
steht und fällt mit der Vertiefung der Welle. Wenn IFS recht behält, muss an der
Südflanke für einige Stunden verbreitet mit stürmischen Böen oder Sturmböen
gerechnet werden, was zu dieser Jahreszeit durchaus Schadenspotenzial entfaltet.
Ansonsten (ICON, GFS) bleibt es beim klassischen "Bft 7 exponiert 8". Steife
Böen sind auch an der See zu erwarten, das haut dort aber keinen vom Hocker.
Bei den Temperaturen stellt sich ein veritables Südost-Nordwestgefälle ein.
Niederbayern wartet mit Höchstwerten jenseits der 30 Grad (32 oder 33 Grad) auf,
Nordfriesland gerade mal mit knapp 20 Grad.

In der Nacht zum Montag greift die Hauptachse des Troges auf Nordfrankreich
über, wobei sich über dem nahen Ostatlantik eine erneute Regenerierung des
Troges abzeichnet. Somit bleibt über dem Vorhersagegebiet die südwestliche
Strömung bestehen, so dass sich die Kaltfront weiterhin schleifend nur somit nur
sehr zögernd ein wenig nach Südosten verlagert. Der sich von Westen annähernde
Haupttrog bringt kräftigere Hebung mit ins Spiel. Die Gewitter dürften mehr und
mehr Verclustern und in einen Streifen mit kräftigen, schauerartigen Regenfälle
übergehen. Damit verschiebt sich das höchste Gefahren-/Unwetterpotenzial in
Richtung Starkregen (PPWs bei 35 bis 40 mm). Starke Einzelentwicklungen mit
größerem Hagel sind am ehestem noch am Südrand des Niederschlagsbands zu
erwarten. Außen vor könnte noch der äußerste Südosten Bayerns bleiben.
In den anderen Gebieten, d.h. über die Mitte hinweg weiter nord- und westwärts,
lässt postfrontales Absinken die Bewölkung auflockern. Die auch in Bodennähe
vorhandene südwestliche Strömung hält in diesen Gebieten die Nebelneigung
gering. An der Küste können sich Schauer entwickeln, zudem sind an der See Wind-
und in exponierten Lagen an der Nordsee auch stürmische Böen möglich. Ansonsten
fächert der Gradient mit Abzug der Welle deutlich auf, sodass mit Ausnahme der
Berggipfel von Gewitterböen abgesehen keine warnwürdigen Böen mehr auftreten.



Montag ... bildet der Langwellentrog durch die an seiner Westflanke
stattgefundene Regenerierung eine neue Hauptachse aus, die bis zum Abend
ausgehend von den Britischen Inseln über die Biskaya etwa zum Kap Finisterre
reicht. Deutschland bleibt somit in der Südwestströmung, in der der o.e.,
ehemalige Haupttrog als Kurzwellentrog unter Konturverlust nach Nordosten über
das Land hinweggesteuert wird. Kaltluftadvektion lässt den Druck ansteigen,
sodass sich am Boden ein Azorenhochkeil bis nach Süddeutschland erstreckt.
Dadurch wird die Kaltfront weiter nach Südosten gedrückt, ohne aber deutschen
Boden vollends zu verlasen. Im Süden und Südosten kommt es somit zu weiteren
schauerartigen, teils gewittrigen Regenfällen, die bei dem hohem
Flüssigwassergehalt in der Atmosphäre zu Starkregen (auch mehrstündig) bis in
den Unwetterbereich führen können. Starke Einzelentwicklungen (dann auch mit
größerem Hagel und Sturmböen, die Scherung ist immer noch relativ stark) gibt es
am ehesten präfrontal im äußersten Südosten, sofern es hier mal länger
auflockert und hinreichend MLCAPE aufgebaut werden kann.
Leidlich zyklonal gestaltet sich das Wetter auch im Nordwesten, wo etwas
höhenkältere Luft einfließt und es im Verlauf wieder zu Schauern kommt. Auch der
Wind ist dort am Rande des nun mit Kern über der Norwegischen See befindlichen
Zentraltiefs noch spürbar und wohl auch warnwürdig (Bft 7-8). Dazwischen
erstreckt sich ein breiter Streifen vom Südwesten und Westen bis in den
Nordosten, wo es neben meist harmlosen Quellwolken auch mal längere Zeit
Sonnenschein gibt.
Die Temperaturgegensätze weichen im Vergleich zum Vortag deutlich auf, da selbst
im Südosten nur mit Unterstützung der Sonne nochmal um die 25 Grad drin sind. *



Modellvergleich und -einschätzung
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Die vorliegenden Modelle zeigen eine weitgehend ähnliche Entwicklung, auch wenn
sich im Detail noch Unsicherheiten ergeben. Insbesondere die Entwicklung der
Frontalwelle Samstag auf Sonntag wird noch unterschiedlich behandelt (siehe
Text).


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Adrian Leyser