DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

07-08-2019 17:01
SXEU31 DWAV 071800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 07.08.2019 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Nachts im Südosten rasch abklingende Schauer- und Gewittertätigkeit. Richtung
Küsten nachts und am Donnerstag einzelne Gewitter mit Böen Bft 7 bis 8. Am
Freitag und in der Nacht zum Samstag vor allem im Südwesten und Süden erneut
kräftige Gewitter mit Unwetterpotenzial.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 12 UTC
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Aktuell ... befindet sich Deutschland im Einflussbereich eines langwelligen,
aber flachen Troges mit einem hochreichenden zentralsteuernden Tief, dessen
Drehzentrum sich von der nördlichen Nordsee allmählich Richtung Südwestspitze
Norwegens verlagert. Ein in die westsüdwestliche Höhenströmung über Deutschland
eingebetteter flacher Kurzwellentrog zieht rasch über die Nordhälfte des Landes
hinweg ostwärts. Dahinter ist die Höhenströmung vor allem über dem Süden und der
Mitte recht glatt konturiert, über Norddeutschland bleibt dagegen mit Annäherung
der Haupttrogachse eine leicht zyklonale Krümmung erhalten.
Mit Passage des Randtroges kommt auch die Kaltfront über dem Südosten
Deutschlands in der ersten Nachthälfte rasch ostwärts voran und verdrängt die
dort aktuell noch lagernde, sehr feuchte und potenziell instabile Luftmasse
endgültig. Somit klingen die Schauer und Gewitter bzw. die teils auch
ungewittrigen Starkregenfälle dort im Laufe der ersten Nachthälfte von
Nordwesten her mehr und mehr ab.
Der Kaltfront folgt ein Bodenhochkeil, der sich über Süddeutschland
"breitmacht", dabei dominiert zunehmend Absinken und die Wolken lockern sowohl
im Süden als auch in der Mitte verstärkt auf. Dabei kann sich örtlich Nebel
bilden.
Über Norddeutschland schwenkt im Laufe der Nacht lediglich ein flacher Rücken
hinweg, bereits im Laufe der zweiten Nachthälfte gerät das Nordseeumfeld in den
Einflussbereich eines zur Deutschen Bucht schwenkenden Bodentroges. Mit
Annäherung des Höhentroges kann ganz im Norden etwas höhenkältere Luft wirksam
werden (-19 Grad in 500 hPa) und sorgt vor allem über den relativ warmen
Meeresoberflächen von Nord- und Ostsee für zusätzliche Labilisierung. Somit lebt
im Laufe der Nacht zunächst an der Nordsee, später auch an der Ostsee die
Schauertätigkeit etwas auf, auch kurze Gewitter können dabei sein. Die MU-Cape
steigt gebietsweise auf 500 J/kg, so dass als Begleiterscheinungen lokal eng
begrenzt Starkregen (PPW bei 25 mm) und stürmische Böen in Frage kommen.
In der eingeflossenen Meeresluft subpolaren Ursprungs (8 bis 12 Grad in 850 hPa)
sinken die Temperaturen auf 15 bis 9 Grad, an den Küsten bleibt es etwas milder.


Donnerstag ... schwenkt die Hauptachse des flachen Höhentroges, der sein
Drehzentrum zum Skagerrak verlagert, allmählich über Norddeutschland hinweg
ostwärts. Ansonsten sorgt WLA vorderseitig eines markanten Troges über dem nahen
Ostatlantik in West- und im westlichen Mitteleuropa für Potenzialanstieg, bis
zum Abend verlagert sich ein Höhenrücken nach Frankreich bzw. zu den Britischen
Inseln.
Das Bodentief zieht bis zum Abend über Südnorwegen allmählich nach
Mittelschweden und füllt sich etwas auf. Damit korrespondierend, schenkt auch
der flache Bodentrog über den äußersten Norden des Landes hinweg ostwärts.
Innerhalb der labilen Luftmasse im Trogbereich (weiterhin -19 Grad in 500 hPa)
entwickeln sich bei einer ML-Cape von 200 bis 600 J/kg (die bei aufgelockerter
Bewölkung wohl auch generiert werden kann) vor allem Richtung Küsten weitere
Schauer und kurze Gewitter. Bei PPW-Werten von etwa 25 mm bleibt lokal eng
begrenzt Starkregen Thema, auch stürmische Böen können auftreten. Nachmittags
klingen die Schauer trogrückseitig zunächst im Nordseeumfeld wieder allmählich
ab. Auch außerhalb der Schauer kann der Gradient zusammen mit dem Tagesgang an
exponierten Küstenabschnitten für einzelne Böen Bft 7 aus Südwest ausreichen.
Der Mitte und der Süden Deutschlands bleiben im Einflussbereich des Hochkeils,
der seinen Schwerpunkt allmählich nach Südosten verlagert. Dort scheint zunächst
die Sonne bzw. bilden sich flache Quellwolken. Direkt an den Alpen können die
Quellwolken auch höher reichen, eventuell gibt es nochmals vereinzelte Gewitter,
die meisten aber wohl eher inneralpin.
Von Westen her macht sich aber zunehmend die WLA mit dichteren mittelhohen
Wolkenfeldern vor allem in den westlichen und mittleren Landesteilen bemerkbar,
die korrespondierende Warmfront greift abends auf Benelux über. Bis auf einzelne
Tropfen sollte es aber im Westen Deutschlands noch trocken bleiben.
Von Südwesten her wird auch niedertroposphärisch allmählich wieder wärmere Luft
ins Vorhersagegebiet advehiert. Die Temperatur in 850 hPa steigt bis zum Abend
auf Werte zwischen 15 Grad in Südbaden und 8 Grad auf Sylt. Somit erreichen die
Höchsttemperaturen Werte zwischen 20 Grad im Küstenumfeld und 29 Grad in
Südbaden.

In der Nacht zum Freitag zieht der Höhentrog weiter zur mittleren Ostsee, so
dass die Schauertätigkeit auch im Ostseeumfeld allmählich zum Erliegen kommt.
Der Höhenrücken über Westeuropa kommt - aufgrund der kräftigen WLA unter
Amplitudengewinn - ebenfalls weiter nach Osten voran und erreicht morgens den
Westen Deutschlands bzw. die Nordsee, während der nachfolgende Höhentrog mit
seinem Drehzentrum das Seegebiet südwestlich von Irland erreicht. Die Warmfront
des korrespondierenden Bodentiefs überquert Benelux nordostwärts und greift
morgens auf den Nordwesten des Vorhersagegebietes über. Die mit ihr
korrespondierenden Regenfälle am Niederrhein und im Westmünsterland halten sich
aber in Grenzen, meist bleibt es trocken.
Das Bodenhoch verlagert seinen Schwerpunkt Richtung Ostalpenraum bzw.
Südosteuropa, sorgt aber im Großteil des Landes für eine ruhige Nacht. Mit der
WLA ziehen aber recht verbreitet hohe und mittelhohe Wolkenfelder auf, nur im
Nordosten und im Südosten bleibt es meist noch gering bewölkt oder klar. Die
Tiefstwerte liegen zwischen 17/18 Grad in den Ballungszentren Westdeutschlands
und 9 Grad im ost- und südostdeutschen Mittelgebirgsraum bzw. in einigen
Alpentälern.

Freitag ... schwenkt der sich noch etwas amplifizierende Höhenrücken allmählich
über Deutschland hinweg ostwärts. Damit gerät das Vorhersagegebiet auf die
Vorderseite des westeuropäischen Langwellentroges, dessen Drehzentrum am Abend
auf die Irische See übergreift. Das Geopotenzialfeld vorderseitig des Troges ist
diffluent konturiert und vor allem über Frankreich bzw. Benelux wird aufgrund
von PVA recht markante Hebung generiert, die zunehmend auch auf das
Vorhersagegebietes übergreift.
Das mit dem kräftigen Trog korrespondierende Bodentief weist mit unter 985 hPa
einen für diese Jahreszeit und die Gegend beachtlichen Kerndruck auf und zieht
bis zum Abend zur Südküste Irlands. Die Warmfront überquert Norddeutschland
allmählich nordostwärts, die Kaltfront greift am Abend auf den Nordwesten über,
wird aber aufgrund leichter Wellenbildung etwas eingebremst. Vor allem im Westen
und Norden (mit Ausnahme des äußersten Nordens und Nordostens) bis in den
zentralen Mittelgebirgsraum setzen mit zunehmender Hebung im Warmfrontbereich
und auch postfrontal im Warmsektor verbreitet Niederschläge ein, die aufgrund
mitteltroposphärischer Hebungsprozesse vor allem nach Süden zu, also im Westen
und in den mittleren Landesteilen, konvektiv verstärkt ausfallen können.
Eventuell reicht es auch für eingelagerte Gewitter. Dann muss regional mit
Starkregen, auch mehrstündig, gerechnet werden (Unwetterpotenzial aus heutiger
Sicht aber eher gering). Die zur Verfügung stehenden Globalmodelle simulieren
meist - noch mit unterschiedlicher räumlicher Verteilung - Mengen zwischen 5 und
10 mm in 12 Stunden, gebietsweise bis 15 mm (ICON-EU z.B. im westlichen
Bergland).
Im Warmsektor gelangt sehr warme bis heiße Subtropikluft vor allem in den Süden
und Südosten des Landes, dort steigen die Temperaturen in 850 hPa bis zum Abend
auf 16 bis 21 Grad, während sie im Nordwesten und Norden im Bereich der
schleifenden Front bei 14 Grad verharrt. Die Luftmasse ist zudem zunehmend labil
geschichtet und weist hohe PPW-Werte von 35 bis über 40 mm auf (lediglich am
Alpenrand liegen sie bei voraussichtlich leichtem Föhn deutlich darunter). Die
Frage stellt sich, ob nach Durchschwenken des Höhenrückens durch die
Einstrahlung noch genügend Cape generiert werden kann, zudem ist der dynamische
Hebungsantrieb zunächst noch sehr gering und nimmt erst am späteren Abend von
Westen her deutlich zu. Gewitter sind in der Südhälfte also zunächst am ehesten
orographisch getriggert, also vor allem vom südwestdeutschen Mittelgebirgsraum
ausgehend, denkbar. Mit zunehmender hochreichender Scherung können diese sich
zum Abend hin auch organisieren und langlebiger ausfallen. Dann treten als
Begleiterscheinungen neben dem Starkregen und Hagel auch Sturmböen in den Fokus,
je nach generierter Cape auch bis in den Unwetterbereich.
Während ICON-EU bzgl. der Verlagerung der Warmfront eine recht progressive
Variante fährt mit Niederschlägen auch bis weit in die Osthälfte des Landes,
lassen es IFS (von 00 UTC) und GFS dort noch bis zum Abend trocken, im Südosten
sowieso. Vor allem dort kommt auch noch einmal länger die Sonne raus, nach IFS
auch in der Lausitz. Die Höchsttemperaturen erreichen somit im Süden und
Südosten Werte zwischen 28 und 33 Grad, während es sonst - je nach Bewölkung -
mit 22 bis 29 Grad, an den Küsten um 20 Grad nicht ganz so heiß wird.

In der Nacht zum Samstag kommt der Langwellentrog weiter Richtung
Kontinentaleuropa voran, dessen Achse erreicht morgens Frankreich bzw. den
Ostausgang des Ärmelkanals. Auf der nach wie vor diffluent konturierten
Trogvorderseite wird nach wie vor recht markante Hebung simuliert, vor allem im
Vorfeld der Kaltfront des über Irland und Schottland zur nordwestlichen Nordsee
ziehenden und sich kaum auffüllenden Sturmtiefs. Morgens erreicht die Kaltfront
die mittleren Landesteile. Der Süden und Südosten befinden sich somit präfrontal
noch im Einflussbereich potenziell instabiler Luftmassen mit sehr hohen
PPW-Werten zwischen 40 und 45 mm und jetzt auch hinreichend vorhandener MU-Cape.
Die am Abend einsetzende Gewittertätigkeit weitet sich somit voraussichtlich
wohl auf weite Teile Süd- und Südostdeutschlands aus, mit zunehmender
hochreichender Geschwindigkeits-, in Frontnähe auch zunehmender bodennaher
Richtungsscherung können diese organisiert als MCS, eventuell auch als linearer
MCS in Form eines Bow Echos auftreten. Dann sind neben Starkregen (aufgrund der
hohen PPW-Werte bis in den Unwetterbereich) und Hagel auch schwere Sturm- bis
hin zu Orkanböen (vor allem in der ersten Nachthälfte) in Betracht zu ziehen.
Postfrontal gelangt mäßig warme Meeresluft subpolaren Ursprungs nach Nord- und
Westdeutschland, innerhalb derer sich vor allem Richtung Küsten noch weitere
Schauer oder auch kurze Gewitter entwickeln. Mit Annäherung des Bodentiefs
verschärft sich der Gradient und der Wind frischt im Nordwesten bzw. Nordwesten
auch außerhalb der Schauer auf. In exponierten Lagen bzw. im Nordseeumfeld gibt
es einzelne steife Böen (Bft 7) aus Südwest.
Zwischen den Schauern im Norden und den kräftigen Gewittern im Süden setzt vor
allem im Westen und in der Mitte des Landes Wetterberuhigung ein, die Wolken
lockern auf und es bleibt meist trocken.

Samstag ... erreicht das Drehzentrum des Langwellentroges die Nordsee, dessen
Achse greift im Tagesverlauf auch auf das Vorhersagegebiet über. Der inzwischen
weite Teile Nordwesteuropas abdeckende Trogkomplex wird durch rückseitig
einlaufende kurzwellige Anteile, von denen einer zum Abend hin von Nordwesten
her auf Irland übergreift, immer wieder regeneriert. Daraus resultiert nach wie
vor eine kräftige südwestliche Höhenströmung über dem Vorhersagegebiet mit einem
eingelagerten Jetstreak (in 300 hPa), der im Tagesverlauf über die Nordhälfte
Deutschlands allmählich ostwärts schwenkt.
Das korrespondierende Sturmtief im Bodenfeld hat zwar mit nahezu
achsensenkrechter Position zum Höhentief den Höhepunkt seiner Entwicklung
überschritten, füllt sich aber kaum auf und zieht mit einem Kerndruck von nach
wie vor unter 990 hPa bis zum Abend über die Nordsee hinweg zur Südwestspitze
Norwegens. Die Kaltfront des Tiefs überquert bereits bis zum Mittag auch den
Südosten Deutschlands, so dass die anfangs noch recht kräftigen und teils
gewittrigen schauerartigen Regenfälle dort bis zum Nachmittag weitgehend
aufhören. Dabei schiebt sich postfrontal von Westen her ein Hochkeil nach
Süddeutschland.
Der Kaltfront folgt mäßig warme Meeresluft subtropischen Ursprungs, die
Temperaturen in 850 hPa gehen auf Werte zwischen 8 Grad über der Nordsee und 13
Grad im Südosten zurück. Der Westen und Norden des Landes geraten mehr und mehr
in das Sturmfeld des Tiefs über der Nordsee. Innerhalb der vor allem in
Küstennähe recht labil geschichteten Luftmasse entwickeln sich einzelne Schauer
und kurze Gewitter, die meisten im Nordseeumfeld. Im Fokus der Warntätigkeit
steht aber - man mag es angesichts der Jahreszeit kaum glauben - eindeutig der
Wind. Bis weit ins Binnenland West- und Norddeutschlands hinein kann es -
unterstützt durch den Tagesgang - stürmische Böen (Bft 8), im (vielleicht sogar
erweiterten) Nordseeumfeld und in höheren Lagen auch Sturmböen (Bft 9) aus
Südwest geben und selbst über eine schwere Sturmböe (Bft 10) auf Borkum oder
Helgoland müsste man sich nach aktueller Modelllage (ICON) nicht wundern.
Südlich und östlich daran anschließend gibt es immerhin noch steife Böen (Bft
7), im Südosten und äußersten Osten spielt der Wind zumindest in den Niederungen
warntechnisch wohl keine Rolle.
Während es im Südosten hinter der abziehenden Kaltfront noch eher bewölkt bleibt
und auch Richtung Küsten die Wolken überwiegen, setzt sich sonst neben lockeren
Quellwolken auch häufiger die Sonne durch und es bleibt weitgehend trocken. Mit
22 bis 27 Grad, im Nordseeumfeld um 20 Grad bewegen sich die Höchstwerte im
angenehmen Bereich.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die großräumige Verteilung der Druck- und Geopotenzialgebilde wird im
Kurzfristzeitraum von allen Modellen sehr ähnlich simuliert. Im Detail ergeben
sich selbstredend noch Differenzen, vor allem, was die konvektive Aktivität im
Vorfeld der Kaltfront am Freitagabend bzw. in der Nacht zum Samstag angeht. Ob
hier tatsächlich eine Unwetterlage ansteht, muss noch abgewartet werden. Das
Sturmtief am Samstag wird sowohl vom IFS (00 UTC-Lauf) als auch vom aktuellen
GFS um etwa 5 hPa schwächer simuliert als vom ICON.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff