DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

04-08-2019 17:01
SXEU31 DWAV 041800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 04.08.2019 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Übergang zu einer wechselhaften aber warmen West-Südwestlage mit Regenfällen und
teils kräftigen Gewittern.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 12 UTC
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Aktuell ... neigt sich der Sonntag langsam aber sicher dem Ende entgegen, was -
by the way und ganz nebenbei gesagt - auch auf den aktuell noch wirksamen
Zwischenhocheinfluss zutrifft. Leichter Druckfall zeigt an, dass das flache
Bodenhoch ZELLA auf dem Weg ist, seine Zelte bei uns abzubrechen, um sich gen
Osten zu verabschieden. In die gleiche Richtung tendiert der korrespondierende
und stützende Höhenrücken, der sich vom Haupthoch über dem Nordmeer löst und
dabei kontinuierlich an Amplitude verliert. Das ist insofern von Bedeutung, als
dass von Westen her nicht nur leichte WLA relativ problemlos auf den
Vorhersageraum übergreifen kann, sondern am frühen Morgen auch noch ein flacher,
vor allem in 300 hPa erkennbarer Randtrog den Westen des Landes erreicht.
Mit anderen Worten, im Laufe der Nacht setzt von Frankreich und Benelux schwache
dynamische Hebung ein, die zunächst mehrschichtige Bewölkung, in den frühen
Morgenstunden dann sogar etwas unorganisierten Regen (eher im Schauerformat) in
den westlichen Landesteilen initiiert.

Montag ... setzt sich die zuvor schon eingeleitete Zonalisierung der
großräumigen Strömung weiter fort. Dabei gelangt Deutschland auf die diffluente,
zunächst aber noch leicht antizyklonal konturierte Vorderseite eines flachen und
sehr breiten Troges über dem Ostatlantik, der auf der kalten Seite ein
hochreichendes, inzwischen achsensenkrechtes Tief (XAVER) beherbergt. Knapp
nordwestlich von Irland gelegen kann dem guten XAVER durchaus der Status eines
steuernden Zentraltiefs attestiert werden, was u.a. durch seine geringe
Verlagerungstendenz unterstrichen wird.
Zentraltief hin, Zonalisierung her, Fakt ist, dass am Montag eine erste
Gammelokklusion unser Land (vornehmlich den Norden und die Mitte) langsam
ostwärts passiert, bevor in der Folgenacht, vor allem aber am Dienstag selbst
eine Kaltfront von Nordwesten her übergreift. Mit der Okklusion wird trotz
Winddrehung von südlichen auf westliche Richtungen kein nennenswerter
Luftmassenwechsel vollzogen, das thermische Süd-Nord-Gefälle mit T850 um 16°C
südlich der Donau und rund 10°C im äußersten Norden bleibt weitgehend erhalten.
Trotzdem gestaltet sich der Wetterablauf unter dem Strich deutlich wechselhafter
als heute. So stellt sich von West nach Ost in weiten Landesteilen wechselnde
bis starke Bewölkung ein, aus der schauerartiger Regen fällt, der von dem einen
oder anderen Gewitter begleitet sein kann (Auslöse frontal, aber auch diabatisch
durch Erreichen der recht niedrigen Auslösetemperatur sowie orografisch). Obwohl
Scherung vorhanden ist (im Süden mehr als im Norden), zeichnen sich nicht
wirklich organisierte Strukturen (z.B. in Form einer definierten Gewitterlinie)
ab. Was aber sein kann, dass manch Zelle etwas länger lebt, was für das
Warnmanagement wünschenswert wäre - zumal die Gewitter im Gegensatz zu den
meisten Lagen der jüngsten Vergangenheit eine gewisse
Verlagerungsgeschwindigkeit in Richtung Osten aufweisen.
Zwar steigt das PPW verbreitet auf 30 bis 35 mm, vereinzelt im Nordwesten sogar
etwas darüber, trotzdem dürfte Starkregen von mehr als 25 mm innert kurzer Zeit
(Unwetter) aufgrund der angesprochenen Verlagerungstendenz der Zellen die
Ausnahme bilden. In der Basis sollte man von markanten Gewittern mit den
Komponenten Starkregen (markant), kleinerer Hagel (ML-CAPE nur kleinräumig mal
etwas über 500 J/kg) und Böen 7-8 Bft ausgehen, wobei eine genaue zeit-räumliche
Zuordnung auch 15 bis 24 h vor dem Ereignis immer noch schwerfällt. Immerhin
zeichnet sich etwa ab dem späten Nachmittag eine gewisse Stabilisierung von
Westen her ab.
Den meisten Sonnenschein wird es zu Wochenbeginn im Süden und Südwesten geben,
wo immer noch Reste des heutigen Zwischenhochs spürbar sind und wo am Ende des
Tages mit 26 bis 31°C auch die höchsten Temperaturen registriert werden. Mit 23
bis 28°C wird es trotz Wolken auch in den übrigen Gebieten sommerlich warm,
lediglich in den Hochlagen der Mittelgebirge sowie an Küstenabschnitten mit
auflandigem Wind gilt es die üblichen Einbußen hinzunehmen.

In der Nacht zum Dienstag läuft ein kurzwelliger Anteil in den breiten Höhentrog
über dem nahen Ostatlantik, was diesem eine geringe, aber sichtbare
Amplitudenvergrößerung beschert. Stromab führt dies zu einem leichten Rückdrehen
der Höhenströmung auf West-Südwest mit Folgen für die o.e. Kaltfront. Diese
greift von der Nordsee und Benelux kommend auf Nordwestdeutschland über, wo sie
aber durch ihre zunehmend strömungsparallele Exposition mehr und mehr ins
Schleifen gerät. Ihre Wetterwirksamkeit hält sich zunächst stark in Grenzen, was
einzelne, durch das relativ! warme Oberflächenwasser geförderte Schauer oder
Gewitter über und an der Nordsee nicht ausschließt.
Ansonsten gilt noch zu konstatieren, dass die anfänglich insbesondere im Osten
und Nordosten noch präsenten schauerartigen Regenfälle und Gewitter mehr und
mehr dem Tagesgang zum Opfer fallen respektive nach Osten abziehen. Dafür nimmt
die Schauer- und Gewitterneigung an den Alpen, im südlichen Vorland sowie an der
Grenze zur Schweiz etwas zu, was u.a. dem leichten Rückdrehen der Höhenströmung
sowie dem Anzapfen feuchterer Luft aus dem alpinen Raum geschuldet ist.

Dienstag ... trogt es über dem nahen Atlantik noch ein ganz bisserl aus, was bei
uns die Höhenströmung aber nur noch geringfügig rückdrehen lässt. Am Ende steht
eine relativ glatte West-Südwestströmung zu Buche, aus der keine oder wenn, nur
geringe dynamische Hebungsimpulse abgeleitet werden können. Das erklärt in
zweifacher Hinsicht auch, warum die Kaltfront erstens von Nordwesten her nur
noch wenig südostwärts vorankommt und zweitens vergleichsweise wenig Wetter
produziert - wobei man sagen muss, dass IFS und GFS diesbezüglich der Kaltfront
etwas mehr zutrauen als unser ICON.
So könnte es insbesondere im Westen und in Teilen der Mitte, also in den
Regionen, die die Front ansteuert, im Tagesverlauf zu schauerartig geprägten
Regenfällen und auch einzelnen eingelagerten Gewittern kommen. Eine
Feuchtemaximierung im Frontbereich sowie unmittelbar davor scheint unstrittig
(PPWs z.T. über 35 mm, spez. Feuchte bis zu 12 g/kg), labil genug ist die
Luftmasse auch, so dass es gar nicht mal so großer Anstrengungen bedarf, hier
was auszulösen. Wenn ja, ist selbst ohne Blitz und Donner schnell das
Starkregenkriterium von 15 l/qm/h erreicht oder überschritten.
Eine zweite Zone mit allerdings potenziell hochreichender Konvektion
kristallisiert sich im Süden, grob südlich der Donau sowie im Bereich
Südschwarzwald/Schwäbische Alb heraus. Die dort aus dem Alpenraum sowie
Frankreich angezapfte sehr warme bis heiße Luftmasse wird immer labiler und
feuchter, was eine Zunahme an ML-CAPE zur Folge hat. Das steigt gebietsweise aus
1000 bis 1500 J/kg, punktuell (vor allem Richtung Osten) auch etwas darüber. Die
Auslösetemperatur von 24 bis 28°C sollte problemlos erreicht werden, so dass mit
Hilfe der Orografie ein paar markante Zellen in den Himmel schießen dürften. Da
etwas Scherung vorhanden ist, besteht durchaus die Chance, dass die eine oder
andere Zelle etwas länger lebt. Die genannten Rahmenbedingungen deuten auf die
Gefahr großen Hagels hin, aufgrund der trockenen Grundschicht (trotz allgemeiner
Feuchteakkumulation inverse V-Struktur) sind aber auch (schwere) Sturmböen ins
Kalkül zu ziehen. Über Starkregen (markant oder WU) braucht man sich angesichts
PPWs von rund 35 mm nicht unterhalten, auch wenn die Zellen mit einem gewissen
Drive ausgestattet sind.
Bliebe noch ein Blick hinter die Kulissen bzw. hinter die Kaltfront. Der
postfrontale Luftmassenwechsel im Norden und Nordwesten ist weniger thermisch
(T850 bleibt mit 9 bis 11°C weitgehend stabil) als vielmehr durch einen
deutlichen Rückgang der Feuchte und der Labilität geprägt. So geht z.B. die
Grundschichtfeuchte stellenweise bis auf nahe 7 g/kg zurück, und auch das
gesamttroposphärische PPW unterschreitet vielfach die 25mm-Schwelle. Von daher
ist es absolut nachvollziehbar, dass die Numerik den genannten Regionen -
nachdem die Front durch ist - einen trockenen Tag verspricht. Besonders in
Küstennähe stehen dabei die Chancen auf längeren Sonnenschein nicht schlecht,
aber auch im Binnenland lockert die Bewölkung zeitweise auf. Die meisten Wolken
wird es ohnehin im Frontbereich, also im Westen und in Teilen der Mitte geben.
In der präfrontalen Warmluft steigt die Temperatur auf 26 bis 31°C, sonst auf 20
bis 26°C.

In der Nacht zum Mittwoch erreicht das hochreichende Tief XAVER Schottland.
Dadurch rückt der nach Süden abgehende Höhentrog etwas dichter an den
Vorhersageraum voran, was wiederum eine leichte Rückdrehung der Höhenwinde zur
Folge hat. Folgerichtig hat die Kaltfront weiterhin schlechte Karten,
nennenswerten Boden nach Südosten hin gutzumachen. Im Gegenteil, es kann sogar
passieren, dass sie leicht rückläufig wird, vor allem dann, wenn wie
verschiedentlich signalisiert eine kurze Welle von Südwest nach Nordost abläuft.
Diese würde im Fall der Fälle - ebenfalls von SW nach NO - eine vorübergehende
Intensivierung der schauerartig verstärkten und mit Gewittern durchsetzten
Regenfälle bringen (=> Starkregengefahr).
Präfrontal kommen die konvektiven Umlagerungen im Süden trotz ungünstiger
Tageszeit nicht gänzlich zum Erliegen, wobei die Modelle aber noch uneins
darüber sind, wie stark das Ganze konvektive Feuer tatsächlich am Lodern bleibt.
Die Gefahr großen Hagels jedenfalls würde auf Kosten der Komponente "Starkregen"
in den Hintergrund treten.
Postfrontal bleibt die Nacht im Norden und Nordwesten vielfach ruhig. Allerdings
kann es bevorzugt über und an der Nordsee, die zwar immer noch kein
Karibikambiente versprüht (wird sie wohl auch trotz Klimawandels nie tun),
inzwischen aber über eine passable Oberflächenwassertemperatur verfügt, die es
erlaubt, bei entsprechend labiler Schichtung den einen oder anderen diabatischen
Impuls für konvektive Umlagerungen bereitzustellen.

Mittwoch ... arbeitet sich Tief XAVER bis zur nördlichen Nordsee voran, wobei
sein Kerndruck etwas unter 1000 hPa liegen wird. Über dem südnorwegischen
Festland hat sich mittlerweile ein zweiter Tiefkern etabliert, was aber bezogen
auf unser Wettergeschehen nicht viel zur Sache tut. Wichtiger sind die weiterhin
recht glatt konturierte südwestliche Höhenströmung vorderseitig des nur wenig
progressiven Höhentrogs sowie die dadurch weiterhin irgendwo über Deutschland
schleifende Kaltfront, deren genauer Aufenthaltsort mit zunehmender
Prognosedauer aber immer unschärfer wird.
Das trifft freilich auch auf die Auswirkungen der Front zu (Welle ja/nein, und
wenn ja, wie intensiv), die am Mittwoch - wenn man allein nur mal den
Niederschlagsprognosen der verschiedenen Modelle Glauben schenken mag - durchaus
nicht ohne sind. Nehmen wir mal ganz schematisch an, was man guten Gewissens und
ohne ins Reich der Fabel abzugleiten tun kann, dass die Front irgendwo von
Südwest nach Nordost exponiert über Deutschland liegt. Dabei trennt sie
potenziell instabile und ziemlich feuchte Warmluft im Südosten (T850 um 14°C)
von etwas weniger warmer und trockenerer, aber nicht wirklich stabiler Luft im
Nordwesten (T850 um 10°C). Während auf es auf der warmen Seite vermehrt zu
hochreichenden und z.T. organisierten (Scherung ist vorhanden) konvektiven
Umlagerungen bis in den Unwetterbereich kommt (größerer Hagel, Starkregen),
treten Schauer und Gewitter postfrontal dezenter und weniger häufig auf. Ob im
Frontbereich ein schauerartig verstärktes mesoskaliges Regengebiet von SW nach
NO durchzieht, ist derzeit noch völlig offen.
So gesehen kann für Mittwoch auf Basis konzeptioneller Überlegungen zwar ein
halbwegs passables Prognoseschema geformt werden, das es mit Hilfe der nächsten
Modellläufe aber noch mit reichlich Substanz zu füllen gilt. Dabei zeichnet sich
gegenüber den Vortagen zwar ein leichter Temperaturrückgang ab, angesichts rund
20°C an der Nordsee und bis zu 28°C im Südosten Bayerns kann von Kühle
respektive Kälte aber keine Rede sein.


Modellvergleich und -einschätzung
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Auch wenn sich die Modelle dahingehend einig sind, dass uns ab Dienstag eine
schleifende und mitunter auch wellende Kaltfront traktierten wird, bleiben noch
zahlreiche Fragen offen. Sie betreffen u.a. die genaue Lage der Front und deren
Auswirkungen sowohl präfrontal als auch postfrontal als auch an der Front
selbst. Entsprechend wurde im Text mit wachsendem Prognosehorizont zunehmend
konzeptionell und mit Allgemeinplätzen argumentiert. Man darf gespannt sein, wie
die Details in den kommenden Tagen tatsächlich aussehen werden.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann