DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

30-07-2019 17:30
SXEU31 DWAV 301800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 30.07.2019 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Unbeständiger Wetterabschnitt mit verbreitet Schauern und Gewittern, aber
wahrscheinlich nur lokale Unwetter.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 12 UTC
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Aktuell ... herrscht über dem Nordosten und Osten rege Schauer- und
Gewittertätigkeit. Zwar sorgte ein sich vom zentralen Mittelmeerraum über die
Osthälfte Deutschlands nach NNO aufwölbender Rücken für etwas Stabilisierung,
die aber nicht ausreichte, um Konvektion in der nach wie vor sehr feuchten und
warmen Luft (Temperaturen in 850 hPa allgemein zwischen 13 und 16 Grad,
spezifische Feuchte auf 200 m im Nordosten zwischen 12 und 14 g/kg) gänzlich zu
unterdrücken. Dabei steht bei PPWs zwischen 35 und 45 mm und schwacher
Höhenströmung (geringe Scherung, geringe Zuggeschwindigkeit) insbesondere der
Starkregen im Fokus, der punktuell Unwetterwarnschwellen überschreitet.
Während unter schwachem Zwischenhocheinfluss sonst nicht mehr viel tut, macht
sich auch im äußersten Westen und Südwesten bereits zyklonaler Einfluss in Form
von schauerartigem Regen bemerkbar. Hier greift die diffluente Vorderseite eines
Troges, der sich mit einem gut ausgeprägten Drehzentrum über England befindet,
über. Die Niederschläge konzentrieren sich auf die teil-okkludierte Kaltfront
des korrespondierenden, sich fast achsensenkrecht unter dem Höhentief
befindlichen Bodentiefs. Da sich die Schichtung mit Annäherung des Troges wieder
etwas labilisiert, können auch erste eingebettete Gewitter nicht ausgeschlossen
werden. Diese erreichen in der nicht ganz so feuchten Biskayaluft (<10 g/kg
spez. Feuchte in 200 m, PPWs 25-30 mm) aber in Bezug auf etwaigen Starkregen
wohl maximal nur eine markante Ausprägung.
Schwache KLA, die der Front herauseilt, führte indes zu einer Druckwelle, durch
die der Wind vom Südwesten und Westen bis zur Mitte auffrischte und für Böen bis
Bft 6 sorgte. Einzelne Böen Bft 7 können bis in die erste Nachthälfte hinein
nicht ausgeschlossen werden.
In der Nacht erweist sich das großräumige Muster als leicht progressiv: Das
Höhentief mitsamt sich langsam auffüllenden Bodentief wandert zur Nordsee, die
korrespondierende Front liegt bis zum Morgen längs über der Mitte Deutschlands.
Zwar wird sie weiter durch Kaltluftadvektion überlaufen, insgesamt wird an der
Front (ageostrophisch) aber genügend Hebung initiiert, dass es verbreitet zu
schauerartigem Regen kommt. Zwar hält sich die Labilität in Grenzen (MUCAPE
meist zwischen 100 und 200 J/kg), gewittrige Verstärkungen sind aber durchaus
denkbar und können mit Starkregen einhergehen. Für Unwetter reicht es aber
wahrscheinlich nicht.
Im Nordosten sieht das etwas anders aus. Hier könnte die Gewittertätigkeit sogar
wieder aufleben, da der Rücken nun nach Osten abwandert und es über der immer
noch nicht ausgeräumten feuchtwarmen Luft mit Annäherung des Troges wieder
labilisiert. Die große Unwetterlage steht zwar sicherlich nicht an, dass
vereinzelt nochmal die rote Karte gezogen werden muss, kann man aber nicht
ausschließen.

Mittwoch ... liegt Deutschland an der Südwestflanke des nun kaum mehr
vorankommenden Höhentroges über der Nordsee unter einer südwestlichen
Höhenströmung, in der ein Kurzwellentrog nordostwärts gesteuert wird. Die
Kaltfront kommt langsam weiter ostwärts voran, erreicht den Nordosten aber erst
am späten Abend. Der Norden und Osten befinden sich demnach nicht nur länger auf
der Trogvorderseite, sondern auch noch im Bereich vergleichsweise feuchter (10
bis 12 g/kg spez. Feuchte) und warmer Luft (10 bis 12 Grad auf 850 hPa).
Folglich werden vor allem nordöstlich einer Linie Deutsche Bucht - Erzgebirge
einige Hundert bis knapp 1000 J/kg CAPE aufgebaut. Zudem zieht auch die
hochreichende Scherung etwas an, sodass die Konvektion nicht nur verbreiteter,
sondern auch etwas organisierter als am Vortag auftreten dürfte. Neben
Starkregen stehen daher auch Sturmböen und Hagel auf der Agenda. Da die
Verlagerungsgeschwindigkeit der Zellen nach Nordosten zu abnimmt, die PPWs
dagegen zu (30 bis 40 mm), ist mit einer nach Nordosten zunehmenden Gefahr vor
heftigem Starkregen zu rechnen. Auch größerer Hagel ist nicht ganz
ausgeschlossen.
Schauer und Gewitter sind auch postfrontal ein Thema, bevorzugt im Nordwesten
unter dem Höhentrog sowie im Südosten. In der etwas kühleren (7 bis 10 Grad in
850 hPa) und nicht mehr ganz so feuchten Luft sollte die Unwettergefahr aber
eher geringer ausfallen. Absinken rückseitig des Troges sowie ein Einschub
ziemlich trockener Luft sorgt in einem Streifen vom Südwesten bis zur Mitte für
einen fast gänzlich trockenen und recht freundlichen Tag.
In der Nacht zum Donnerstag verliert das Höhentief gänzlich den Kontakt zum
nordatlantischen Höhentiefkomplex und zieht als "autonomes" Tief ganz langsam
zur mittleren Nordsee, darunter das sich weiter auffüllende Bodentief. Der über
Deutschland nordostwärts gesteuerte Kurzwellentrog wird immer mehr in die Länge
gezogen und erreicht mit seiner fast zonal orientierten Achse Polen. Folglich
befindet sich der Norden unter einem "Schlauch" relativ tiefen Geopotentials und
vergleichsweise höhenkalter Luft, sodass es hier zu weiteren, mit Abdrängen der
feuchtesten Luft aber nicht mehr unwetterartigen Schauern und einzelnen
Gewittern kommt. Auf der Südostflanke des Bodentiefs weht der Wind im
Nordseeumfeld lebhaft, aber nicht warnwürdig. Ansonsten verläuft die Nacht unter
dem Einfluss eines sich von Westen hereinschiebenden Hochkeils ruhig, auch wenn
das ein oder andere dichte Nebelfeld nicht ausgeschlossen werden kann.

Donnerstag ... bildet sich aus dem alten Trog heraus über Südskandinavien ein
Höhentief, das langsam Tuchfühlung mit dem Höhentiefkomplex über
Nordwestrussland aufbaut. Dadurch bildet sich ein neuer Langwellentrog, der von
Nordwestrussland über Dänemark hinweg zum Höhentief über der Nordsee reicht.
Dieser beeinflusst vor allem die nördlichen Landesteile, wo sich in feucht
warmer und leicht instabiler Luft (um 9 Grad in 850 hPa, um 10 g/kg spez.
Feuchte) Schauer und einzelne Gewitter bilden. Als Begleiterscheinung steht zum
wiederholten Male der Starkregen im Fokus, mindestens markanter Ausprägung.
Geringe Zuggeschwindigkeiten lassen einzelne, lokale Unwetter möglich
erscheinen. Die übrigen Landesteile "erfreuen" sich unter einer westlichen,
leicht antizyklonal konturierten Höhenströmung an der Südflanke des
Langwellentroges leichten Hochdruckeinflusses. Die Konvektion aus der
Grenzschicht bleibt flach, ist allenfalls an den Alpen für Schauer gut. Die
Luftmasse erwärmt sich schon wieder auf 10 bis 14 Grad im 850-hPa-Niveau.
In der Nacht zum Freitag wird die Schauertätigkeit vor allem im Nordwesten
aufrecht erhalten, wo sich das Höhentief mitsamt Bodentief nun doch langsam der
Küste nähert.

Freitag ... Am Freitag zieht das o.e. Höhentief mit Tief am Boden nach
Norddeutschland und sorgt dort in feuchter, mäßig warmer und instabiler Luft für
viele Schauer mit Gewitter mit erhöhtem Starkregenpotenzial. Auch länger
anhaltender, ungewittriger Starkregen ist denkbar. An der Süd- und Westflanke
des Bodentiefs könnte zudem der Wind auffrischen und durchaus in den
warnwürdigen Bereich (Bft 7) gelangen. Auch nach Süden zu werden die
Verhältnisse wieder zyklonaler, denn ein kleiner Randtrog wird von der Biskaya
nach Frankreich gesteuert und nachfolgend in die Zirkulation des Höhentiefs über
Norddeutschland eingebunden. Trotzdem hält sich die Schauertätigkeit wohl in
Grenzen, da es an ausreichend Feuchte in der Luftmasse fehlt. Am ehesten treten
sie - auch in gewittriger Form - an den Alpen und im angrenzenden Vorland auf.
Das seichte Süd-Nord-Gefälle bei der Temperatur bleibt bestehen (850er um 9 Grad
im Norden, bis 13 Grad im Süden).


Modellvergleich und -einschätzung
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Die vorliegenden Modelle simulieren die Entwicklung der Wetterlage sehr ähnlich,
gravierende Unterschiede sind insbesondere im Hinblick auf warnwürdige
Wettererscheinungen nicht auszumachen.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Adrian Leyser