DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

30-07-2019 09:01
SXEU31 DWAV 300800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 30.07.2019 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
HFz

Tagsüber im Nordosten Gewitter. In der Nacht von Südwesten her teils gewittrige
Schauer, dabei auflebender Wind. Ab Mittwoch im Nordwesten auflebender, aber
nicht warnwürdiger Wind.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 24 UTC
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Dienstag... liegt der größte Teil des Nordostens noch unter einem Höhenrücken in
500 hPa, der sich vom Balkan und der Adria nach Dänemark erstreckt und dort in
eine Geopotentialbrücke übergeht, die sich bis zum Nordmeer erstreckt. Dabei
verläuft die Achse des Rückens heute um 12 UTC etwa vom Erzgebirge bis zur
Lübecker Bucht. Flankiert wird der Rücken von zwei Trogsystemen, wovon eines
über den Britischen Inseln, das andere über dem Nordwesten Russlands zu finden
ist. Erkennbar ist, dass mit den Trogsystemen mehr oder weniger klar konturierte
Tiefdruckgebiete korrelieren, einmal ein recht kleinräumiges über England,
welches zu einer langgestreckten Tiefdruckzone gehört, die sich von England in
Richtung Nordwesten bis zur Südspitze Grönlands zieht, zum anderen eines über
Nordwestrussland. Dazwischen ist die Druckkonstellation bodennah etwas diffus,
zwar schiebt sich ein Hochkeil von Norden in Richtung Kattegat und Skagerrak,
andererseits ist von Polen her noch eine Tiefdruckrinne zu erkennen, die über
die Oder hinweg bis in den Nordosten Deutschlands reicht und bodennah für eine
leicht konvergente Strömungskonfiguration sorgt. In diesen Gebieten (von der
Ostsee im Norden bis zum Erzgebirge bzw. nach Ostbayern im Süden) liegt
weiterhin sehr feuchte Luft mit PPW-Werten bis zu 45 mm laut ICON-EU, wobei
andere Modelle diese Einschätzung stützen (z. B. COSMO-D2 bis 42 mm, GFS über 40
mm). Die Luftmasse dort ist unter dem Keil nicht sehr labil geschichtet, dennoch
kann sich im Tagesverlauf dort wieder etwas CAPE aufbauen. Laut ICON-EU liegen
diese Werte punktuell über 500 J/kg, CSOMO-D2 schwingt sich an der Warthemündung
bis auf 600 J/kg hoch, und GFS bringt es sogar bis in eine Größenordnung von
knapp 1000 J/kg. Da zudem im Nordosten die Auslösetemperaturen von knapp über 20
Grad bei Höchstwerten von bis zu 27 Grad locker erreicht werden, ist erneut mit
teils kräftigen Gewittern zu rechnen, bei denen der Focus wie schon in den
Vortagen auf dem Starkregen liegt. Dabei sollte der markante Bereich (bis 25
l/qm in kurzer Zeit) immer im Bereich des Möglichen liegen, auch Unwetter mit
Regenmengen von 25-40 l/qm in kurzer Zeit werden zumindest lokal zu erwarten
sein. Die extrem feuchte Luftmasse könnte bezüglich des Regens punktuell auch
wieder für extremes Unwetter mit über 40 l/qm in kurzer Zeit reichen. Da die
Scherungswerte eher mau ausfallen (Deep-Layer-Shear unter 10 m/s,
Low-Level-Shear unter 5 m/s) ist mit größerer Organisation nicht zu rechnen,
allerdings könnte trotzdem kleinerer Hagel mit von der Partie sein. Bezüglich
des Windes kann aber wohl Entwarnung gegeben werden, denn einerseits weisen die
Soundings keine inverse V-Struktur auf, andererseits sind die Höhenwinde
schwach. Abgesehen von den Gewittergebieten bleibt es zumeist trocken, der
Westen präsentiert sich verbreitet sogar gering bewölkt. Dabei steigen die
Temperaturen gebietsweise auf über 30 Grad (speziell vom Emsland bis ins
Rhein-Main-Gebiet.

Am Abend und in der Nacht lassen die Schauer und Gewitter im Nordosten nur
zögerlich nach, teils retten sie sich bis in die zweite Nachthälfte, in
Vorpommern sogar bis in den Morgen, was auch der Tatsache geschuldet ist, dass
von Westen her das Englandtief nach Osten ausgreift und somit der am Tage nur
andeutungsweise zu erkennenden Tiefdruckrinne über dem Nordosten etwas mehr Pepp
verleiht. Zusammen mit dem Englandtief, das im Bereich der schottisch-englischen
Grenze auf die Nordsee zu ziehen beginnt, greift auch der Höhentrog etwas nach
Osten aus. Er generiert schon aus seinem zyklonalen Strömungsmuster heraus, aber
auch durch die diffluente Trogvorderseite Hebung, so dass an der Kaltfront des
Bodentiefs, die bis zum Morgen die Mitte Deutschlands erreicht, erst im
Südwesten, später auch in der Mitte Niederschläge fallen. Bis zum Morgen
erreichen die Niederschläge einen Streifen vom Allgäu/Bodensee im Süden über
Unterfranken und Teile Hessens und Thüringens bis nach Nordfriesland, wobei alle
Modelle (z.B. ICON, GFS, EZMW, EURO4) diesen Steifen herausarbeiten. Die
angesprochene Hebung sorgt in Verbindung mit einer etwas strammeren
Höhenströmung im Vorfeld des Troges auch für ein Aufleben des Windes, so dass
ICON und EZMW in der Nacht an der Front einzelne Böen Bft 7 simulieren.
Rückseitig der Front fließt kühlere Luft ein, so dass im Westen bis zum Morgen
die 850er Temperaturen auf Werte unter 10 Grad fallen. Darüber hinaus ist die
einfließende Luftmasse deutlich trockener und auch etwas stabiler geschichtet
als präfrontale. Somit lassen in der zweiten Nachthälfte nach Durchzug der Front
die Niederschläge im Westen und in Teilen des Südwestens schon wieder nach,
teilweise lockert es auch auf. Dort sinken die Temperaturen in der Frühe lokal
auf Werte unter 20 Grad, sonst liegen sie meist bei 20 bis 24 Grad, vom Emsland
bis nach Mitteldeutschland sogar um 26 Grad. Lokal kann sich, insbesondere im
Nordosten, Nebel bilden.

Mittwoch... schiebt sich der westeuropäische Trog weiter nach Osten, bis zum
Abend greift er auf ganz Deutschland über, wobei der Höhenrücken nach Polen
abgedrängt wird, so dass Deutschland dann komplett unter der Vorderseite des
Trogkomplexes liegt, der darüber hinaus zu diesem Zeitpunkt weite Gebiete des
nördlichen Atlantiks überdeckt. Dadurch geht im Nordosten auch das Absinken und
mithin die schichtungsstabilisierende Wirkung des Rückens verloren, was sich
auch in zögerlich ansteigenden Lapse-Rates widerspiegelt. Da diese Gebiete
andererseits noch vorderseitig der Front liegen und somit kein Luftmassenwechsel
stattgefunden hat, liegen die PPW-Werte weiterhin bei deutlich über 30, lokal
bei bis an die 40 mm (Spitzenwerte: ICON-EU: 37 mm, COSMO-D2: 40 mm, GFS: 37
mm). Durch das Fehlen des Rückens wird auch deutlich mehr CAPE aufgebaut als am
Vortag, die Werte erreichen bei ICON-EU bis 1500 J/kg, bei COSMO-D2 bis 1200
J/kg und bei GFS knapp über 1000 J/kg. In Verbindung mit nun auch höheren
Scherungswerten (Deep-Layer-Shear bei ICON-EU bis knapp 20 m/s) sind nicht nur
Unwetter wahrscheinlicher als am Vortag, sondern auch (größerer) Hagel und
Sturmböen. Dabei gilt allerdings wie am Vortag: Wenn, dann werden die
Unwetterkriterien bezüglich des Starkregens gerissen und nicht bezüglich der
Hagelgröße oder des Windes. Abgesehen von wahrscheinlichen, auch schweren
Gewittern im Bermuda-Dreieck östliches Schleswig-Holstein - Vorpommern -
Erzgebirge kann es auch im Nordwesten einzelne Gewitter geben. Dort macht sich
die Höhenkaltluft des Troges (unter -17 Grad in 500 hPa) und seine kräftige
Krümmung bemerkbar. Rund um die Nordsee sind allerdings sowohl die
Scherungswerte als auch die CAPE-Werte (bis 300 J/kg nach ICON-EU) sehr
verhalten. Für schwere Gewitter in diesem Bereich sprechen zwar die noch immer
recht hohen PPW-Werte von bis zu 30mm, da aber eine vergleichsweise kräftige
Höhenströmung vorliegt, sollten die Gewitter genug Zug haben, dass es nicht zu
heftigem Starkregen kommt. Zu guter Letzt ist auch der Süden nicht vor kräftigen
Gewittern gefeit. Dies ist dort u.a. der Tatsache geschuldet, dass sich ein Keil
des Azorenhochs bis nach Süddeutschland erstreckt, wodurch die ostwärtige
Verlagerung der Front über Süddeutschland unterbunden wird. Somit herrscht auch
dort über den Tag hinweg ein Regime mit feuchter Luft (PPWs um 30 mm) vor, das
für entsprechend kräftige konvektive Niederschläge sorgen kann. Der
Hebungsantrieb kommt aus der Höhe, allerdings würden, wie auch in den übrigen
Gebieten, die Höchstwerte, die deutlich über den Auslösetemperaturen liegen,
schon für die Gewitterauslöse reichen. Die Scherungswerte liegen dabei im Süden
in einer ähnlichen Größenordnung wie im Nordosten, so dass auch hier Hagel und
Sturmböen zum Starkregen dazu kommen können. Der Hochkeil macht sich im
Tagesverlauf aber insofern bemerkbar, als sich von Südwesten her allmählich
trockenere Luft durchsetzt, so dass man dann zwischen Mosel und Schwäbischer Alb
nix mehr mit Gewittern zu tun haben sollte.

In der Nacht zum Donnerstag löst sich über England das Höhentief vom
nordatlantischen Höhentiefkomplex und zieht als eigenständiges Tief zur Nordsee,
wobei das zugehörige Bodentief ebenfalls nach Osten zieht und am Morgen die
zentrale Nordsee erreicht. Dabei dreht die Höhenströmung über Norddeutschland
auf West-Südwest, wobei der entsprechende Gradient etwas auseinanderzieht und
die Zyklonalität nachlässt. Auf der Südostflanke des Bodentiefs weht der Wind im
Nordseeumfeld lebhaft, aber nicht warnwürdig, allerdings kommt es dort auch die
Nacht hindurch zu Schauern und Gewittern, die der Höhenkaltluft im und dem
Höhentief selbst geschuldet sind. Im Nordosten lassen die Gewitter wie schon in
der Vornacht nur zögerlich nach, in Vorpommern kann es erneut bis weit in die
zweite Nachthälfte hinein blitzen. In der Mitte und dem Süden hingegen bleibt es
in der Nacht ruhig und es klart gebietsweise auf, dort wo am Tage Schauer und
Gewitter die Grundschicht angefeuchtet haben, bildet sich lokal Nebel.

Donnerstag... bilden sich über Südskandinavien mehrere kleinräumige Höhentiefs
aus, die miteinander verschmelzen und insbesondere in der Nacht zu Freitag mit
dem Höhentief über Nordwestrussland eine Liaison beginnen. Dadurch bildet sich
ein neuer Langwellentrog, der von Nordwestrussland über Dänemark hinweg zur
Nordsee reicht. Da in diesen Trog weiterhin das Höhentief über der Nordsee
eingebettet ist, kommt es im Nordseeumfeld zu weiteren Schauern, auch kurze
Gewitter sind dort nicht ausgeschlossen. Das zugehörige Bodentief schwächt sich
ab und nähert sich dabei der Nordseeküste. Da die Front des Tiefs nicht weiter
nach Nordosten vorankommt und damit nordöstlich der Elbe die Luftmasse nicht
ausgeräumt wird, sind dort weiterhin recht hohe PPW-Werte um 26 mm (ICON-EU) und
die höchsten CAPE-Werte (bezogen auf Deutschland, knapp über 500 J/kg) zu
erwarten. Entsprechend kommt es dort erneut zu Gewittern, die wiederum
Starkregenpotential bis in den Unwetterbereich haben. Die Zuggeschwindigkeit ist
dabei recht verhalten, weil der Höhenwind nicht sehr stark ausgeprägt ist. Wie
schon am Vortag sind auch an den Alpen Gewitter möglich, wobei in der dort
lagernden feuchten Luft die Auslöse mehr über die locker erreichte
Auslösetemperatur und die orografische Hebung als über die Dynamik aus der Höhe
zu erwarten ist. In den übrigen Gebieten bleibt es meist trocken, teils ist es
auch freundlich. Da die 850er Temperaturen zwischen 9 Grad im Norden und bis zu
13 Grad im Süden liegen, erreichen die Höchstwerte bei längerer
Sonneneinstrahlung bis zu 27 Grad, bei vielen Wolken dagegen nur 23 Grad.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle simulieren die Abläufe der kommenden Tage recht ähnlich, gravierende
Unterschiede sind nicht auszumachen, insbesondere auch im Hinblick auf die zu
erwartenden warnwürdigen Wettererscheinungen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Martin Jonas