DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

29-07-2019 17:01
SXEU31 DWAV 291800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 29.07.2019 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Im Nordosten auch am Dienstag noch Schauer und einzelne Gewitter. Ab
Dienstagabend von Westen her leicht unbeständig.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 12 UTC
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Aktuell ... befindet sich Deutschland - ganz vereinfacht gesagt - unter leichtem
Zwischenhocheinfluss. In der Höhe hat sich ein schwacher Rücken etabliert, der
am Abend von Südfrankreich bis nach Südschweden reicht und in den nächsten
Stunden sogar leicht retrograd wird. Korrespondierend dazu findet man am Boden
eine nur mäßig konturierte, meridional exponierte Hochdruckzone (Hochdruck ist
angesichts von etwas über 1010 hPa zwar maßlos übertrieben, aber wenn der
Luftdruck in der Umgebung noch niedriger ist, handelt es sich halt um eine
relative Hochdruckzone), die von Frankreich bis zur Nordsee und noch etwas
darüber hinaus reicht. Diese Zone entpuppt sich als wenig beweglich, wie man
überhaupt sagen muss, dass die ganze Wetterlage bei uns ziemlich undynamisch,
antriebslos daherkommt. Klingt langweilig, ist es aber keinesfalls.
Im Gegenteil, der heutige Wochenstart präsentiert(e) sich ziemlich
facettenreich. Der Reihe nach: im Südwesten und Westen konnte sich der
Hochdruckeinfluss am nachhaltigsten in Szene setzen. So schien heute vom
Niederrhein bis hinunter zum Bodensee und dem Hochrhein für längere Zeit die
Sonne. Mit Taupunkten unter 15°C, teils sogar unter 10°C, war die eingeflossene
Warmluft deutlich trockener als noch am Wochenende, was auch der Abkühlungsrate
in der kommenden Nacht zugutekommt. Bei meist klarem Himmel kühlt die Luft
vielfach auf unter 15°C ab, in einigen Tälern und Senken der Mittelgebirge geht
es sogar in den einstelligen Bereich um 8°C runter.
Östlich des genannten Streifens schloss und schließt sich immer noch ein breiter
Streifen mit mehr oder weniger starker Bewölkung an, der etwa von der Deutschen
Bucht bis nach Bayern reicht. Trotz einiger regionaler Auflösungstendenzen wird
sich dieser Streifen auch in der Nacht halten, ohne dass dabei aber
nennenswertes Wetter auftritt. Verantwortlich für den Wolkenstreifen ist
übrigens eine schwach ausgeprägte Luftmassengrenze, die weniger durch ihre
Baroklinität im fühlbaren als vielmehr im pseudopotenziellen respektive latenten
Bereich auffällt. So trennt sie im Grunde die o.e. trockene Luft im Südwesten
von deutlich feuchterer Luft im Nordosten, womit wir in Zone drei angelangt
wären, der Zone, wo am meisten abgeht.
Sie reicht etwa von SH über den größten Teil der östlichen Bundesländer bis
hinunter in den äußersten Osten und Nordosten Bayerns. Zwar hat die
Tiefdruckrinne VINCENT, die schon am Freitag in Südwestdeutschland gestartet ist
und den Warnmeteorologen ein arbeitsreiches Wochenende beschert hat, inzwischen
das Bundesgebiet verlassen (nur noch rudimentäre Reste im Nordosten). In ihrem
Schlepptau hängt aber noch - zäh wie eine Klette - sehr feuchte Warmluft
(pseudopotenzielle Temperaturen von über 60°C, Taupunkte bis zu 21°C, PPWs von
über 40 mm (heute Mittag mit Radiosonde gemessene 44 mm bei Udo Lindenberg)).
Diese Luftmasse ist zwar nicht überbordend labil, durch Einstrahlung hat es aber
gereicht, um veritables MU-CAPE zwischen 1000 und 1500 J/kg (lokal noch etwas
mehr) zu generieren und auch auszulösen, was in zahlreiche Gewitter gemündet
ist. Ähnlich wie am Wochenende handelt es sich um sogenannte Schrottkonvektion,
mehr oder weniger zufällig verteilt, ohne nennenswerte Organisation und ohne
klar erkennbaren Plan, in welche Richtung es gehen könnte. Gemäß dieser
Konstellation stand und steht einmal mehr Starkregen ganz weit oben auf der
Agenda begleitender Parameter, (extreme) Unwetter inclusive. In den nächsten
Stunden schwächt sich das konvektive Geschehen tendenziell zwar ab, so richtig
aufhören tut es aber nicht. Besonders in SH und MV soll s noch längere Zeit
weitergehen, letztlich gilt es aber, die Lage mit den klassischen Methoden des
Nowcastings operativ abzuhandeln. Dabei kann es passieren, dass aufgrund von
Verclusterungen auch mal eine nicht-gewittrige Starkregenwarnung gezogen werden
muss.

Dienstag ... wird es allmählich mal Zeit, sich einem Tief zu widmen, das
aufgrund seiner optischen Erscheinung und seiner Tiefe das Zeug dazu hat, zum
"Sommertief 2019" gekrönt zu werden. WOLFGANG heißt das gute Exemplar, das heute
Mittag mit einem Kerndruck von etwas unter 990 hPa! am Nordrand der Biscaya
detektiert werden konnte, was für einen 29. Juli (Stichwort Hochsommer) eine
echte Hausnummer ist. Bis morgen Mittag steuert der gute WOLFGANG Südengland an,
wobei er eine paar Pfunde zugelegt hat und nur noch einen Kerndruck von etwas
über 1000 hPa auf die Waage bringt. Sich auffüllende Tiefs haben in der Regel
eine senkrechte Achse und so befindet sich auch in diesem Fall das
korrespondieren Höhentief mitten über dem Bodentief. Die Achse des davon nach
Süden weisenden Höhentrogs reicht um 12 UTC (500 hPa) bis zur französischen
Atlantikküste, Tendenz ost-nordostwärts schwenkend. Auch die vorgelagerte, zum
Bodentief gehörende teilokkludierte Kaltfront nähert sich von Westen her, wird
Deutschland zunächst aber noch nicht erreichen.
So steht morgen zumindest in der Westhälfte ein durch leichten
Zwischenhocheinfluss geprägter Dienstag ins Haus, an dem nicht nur für längere
Zeit die Sonne scheint, sondern auch die Temperatur noch mal einen Sprung nach
oben auf 26 bis 32°C macht. Ab dem späten Nachmittag heißt es im Westen und
Südwesten etwas aufmerksamer die Remote-Sensing-Systeme zu schauen. Mit auf
Südwest drehendem Wind wird allmählich etwas labilere Luft advehiert, die
zunächst aber noch ziemlich trocken ist. Gleichwohl sind vereinzelte Schauer,
vielleicht sogar ein einsames Gewitter aus dem Bergland heraus nicht kategorisch
auszuschließen, auch wenn die Numerik sehr defensiv agiert.
Etwas anders sieht es weiter östlich aus, vor allem zwischen Ostholstein und
Erzgebirge sowie in den ostbayerischen Mittelgebirgen. Zwar stabilisiert sich
die dort lagernde Warmluft weiter (nahezu indifferente Schichtung) bei
gleichzeitiger Abnahme des Feuchtegehalts (PPW meist auf unter 40 mm), und auch
der darüber liegende Höhenrücken verstärkt sich etwas. Trotzdem muss auch morgen
noch mit Schauern und einzelnen Gewittern gerechnet werden, wenn auch nicht mehr
so hochfrequent und verbreitet wie heute. Natürlich sinkt auch die
Unwettergefahr, gleichwohl kann in ganz vereinzelten Zellen, die nicht so
richtig wissen wo sie hinsollen und deswegen einfach stehenbleiben, schnell mal
die 25mm-Marke überschritten werden. Trotz mehr Bewölkung, auch in der Osthälfte
wird es mit 25 bis 31°C sehr warm bis heiß, einzig in höheren Lagen sowie an
Küstenabschnitten mit Seewind bleiben die Werte darunter.

In der Nacht zum Mittwoch greifen Kaltfront und Höhentrog (besser gesagt dessen
diffluente Vorderseite) von Westen her auf den Vorhersageraum über. Vorderseitig
kommt es zunehmend zu geordneter Hebung, die ein meridional exponiertes Band mit
schauerartig verstärktem Regen und einzelnen Gewittern entstehen lässt. Dieses
Band erreicht bis zum Morgen den Süden und die Mitte, während der Norden
zumindest nach Lesart von ICON ausgespart bleiben soll - eine durchaus exclusive
Meinung, die von den externen Modellen nicht geteilt wird. Wie das Ganze am Ende
en detail aussehen wird, sollten -hoffentlich - die hochauflösenden Modelle am
morgigen Dienstag beantworten.
Unabhängig von der geschilderten Entwicklung zeichnet sich im Osten und
Nordosten ein allmähliches Ende der Konvektion ab. Bei auflockernder Bewölkung
kann sich hier und da meist flacher Nebel bilden.

Mittwoch ... erreicht das hochreichende Tief WOLFGANG die südwestliche Nordsee,
wo der Kerndruck am Mittag nur noch wenig unter 1010 hPa beträgt. Der zugehörige
Höhentrog kommt noch etwas weiter nach Osten voran, was über dem Süden eine
westliche, im Norden und Osten eher südliche, aber durchweg zyklonal gekrümmte
Höhenströmung zur Folge hat. Die Kaltfront respektive Okklusion schwenkt weiter
durch und erreicht den Osten bzw. Nordosten, wo die Reste der vorherigen
feuchten, nun auch wieder labiler geschichteten Warmluft aktiviert werden. Die
Folge ist eine rege konvektive Aktivität in Form zahlreicher Schauer und
Gewitter, die aufgrund etwas vorhandener Scherung zumindest teilweise
organisiert sein können. ML-CAPE bis zu 1000 J/kg, dazu PPWs in den "Dreißigern"
und etwas Dynamik deuten auf markante Gewitter mit Starkregen, Hagel und
Sturmböen hin, allerdings können einzelne Unwetter (Hagel, Starkregen) nicht
ausgeschlossen werden, auch wenn die ganz großen Regenmengen nicht mehr
auftreten dürften.
Rückseitig der Front strömt eine Portion weniger warme (T850 um 10°C), aber
keinesfalls kühle Meeresluft in die westlichen Landesteile ein, die im
Tagesverlauf sukzessive abtrocknet. Leichte KLA sorgt für den Aufbau eines
Bodenhochkeils, der sich von Frankreich her bis nach Süddeutschland ausweitet.
Bei auflockernder Bewölkung bleibt es weitgehend trocken, nur im äußersten
Nordwesten, wo etwas höhenkalte Luft des Tiefs vorhanden ist, reicht es für
einzelne Schauer oder auch ein kurzes Gewitter.
Die Tageshöchsttemperatur liegt zwischen 21 und 26°C, im Osten und Nordosten bis
zu 28°C.

Die Nacht zum Donnerstag dauert die Schauer- und Gewittertätigkeit im Nordosten
an, und auch über sowie um die Nordsee herum sind noch ein paar Schauer oder
kurze Gewitter drin. Ansonsten weitet sich der Hochkeil aus dem Süden nordwärts
auf, was auflockernde Bewölkung und ein paar flache Nebelfelder zur Folge hat.

Donnerstag ... zieht der alternde WOLFGANG - gemeint ist das Tief über der
Nordsee - nur noch wenig in Richtung Ost-Nordost. Obwohl schon ganz schön in die
Jahre gekommen, reicht seine Substanz noch aus, Nordwestdeutschland ein paar
Schauer oder kurze Gewitter zu bescheren. Die treten an den Resten der dort
festgefahrenen Okklusion auch im Nordosten auf.
Ansonsten sorgt unter einer zunehmend zonalen Höhenströmung leichter
Hochdruckeinfluss für unterschiedliche Bewölkung mit längeren sonnigen
Abschnitten vornehmlich im Südwesten. An den Alpen nimmt die
Gewitterwahrscheinlichkeit etwas zu, sonst bleibt es meist trocken. Die
Tageshöchstwerte liegen zwischen 22 und 28°C.


Modellvergleich und -einschätzung
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Der grundlegende Kurs passt, die Feinheiten (vor allem Niederschlag/Gewitter)
gilt es noch zu verbessern.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann