DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

28-07-2019 07:01
SXEU31 DWAV 280800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 28.07.2019 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
HNF z
Schwachgradientige Tiefdrucklage über Mitteleuropa. Gewitter mit teils
unwetterartigem Starkregen, aber auch gewitterloser Starkregen bis hin zum
Unwetter. Zunächst im Westen und Südwesten, im Tagesverlauf dann vermehrt in der
Mitte und im Osten und am Montag im Nordosten und im östlichen
Mittelgebirgsraum. Am Dienstag auch dort wie bereits in den anderen Gebieten
Stabilisierung.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 24 UTC
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Sonntag... liegt Deutschland unter einem Höhentiefkomplex. Dieser besteht aus
einem Trog, der vom nahen Ostatlantik nach Westeuropa reichend, mittlerweile
nach Oberitalien ausgetropft ist und zum anderen aus einem Kaltlufttropfen, der
von Westpolen über Nordostdeutschland hinweg gemäß der bodennahen östlichen
Strömung an der Südflanke eines Nordmeerhochs westwärts gesteuert wird. Dieser
Kaltlufttropfen wird von dem o.g. Trog "eingefangen", gleichzeitig bringt das
sich zur Adria verlagernde Cut-Off-Tief über Südeuropa eine Zyklogenese in Gang.
An der Vorderseite des sich entwickelnden Tiefs wird feuchtwarme Luft aus dem
Mittelmeerraum östlich an den Alpen vorbei nach Mitteleuropa geführt. Im Bereich
einer flachen Tiefdruckrinne, die sich vom östlichen Mittelgebirgsraum in den
Nordwesten erstreckt, können sich in der labil geschichteten Luft erneut
Gewitter entwickeln, wobei Unwettergefahr hauptsächlich durch heftigen
Starkregen (auch mehrstündig und ohne Gewitter) besteht. Die Konvektionszellen
verlagern sich kaum und können längere Zeit (durchaus auch einige Stunden)
stationär bleiben. Die mitteltroposphärische Dynamik ist dermaßen schwach
ausgeprägt, so dass hiervon kein nennenswerter Hebungsantrieb ausgeht. Hierdurch
ist auch kaum Scherung vorhanden. Vielmehr muss hierfür die Tiefdruckrinne sowie
die Orografie herhalten. CAPE wird hauptsächlich durch die gesamttroposphärische
Feuchte (Gehalt an niederschlagbarem Wasser bis über 40 mm) und die
Grenzschichtfeuchte generiert, die Labilität ist nicht allzu hoch.
Im Norden und Nordosten macht sich zunächst noch der Einfluss des Nordmeerhochs
in Form von bodennah ausfließender trockenerer Luft bemerkbar, so dass dort
vorerst die Gewittertätigkeit noch nicht in Gang kommt. Dort sich auch noch
längere sonnige Abschnitte vorstellbar. Aber auch im Westen und Südwesten setzt
mit der allmählichen Verlagerung der Tiefdruckrinne nach Nordosten eine
allmähliche Stabilisierung ein.
Im Westen und Südwesten sowie in weiten Teilen Süddeutschlands bewegen sich die
Temperaturen zwischen 20 und 26 Grad. Im Norden und Osten sind noch einmal 26
bis 32 Grad zu erwarten, wobei es von Vorpommern bis zur Lausitz am wärmsten
wird.
In der Nacht zum Montag beginnt über Mitteleuropa zwischen dem nach Osten
abziehenden Cut-Off-Tief und dem sich vor der Biskaya regenerierenden Trog das
Geopotential zu steigen. Schwache Kaltluftadvektion bewirkt die Aufwölbung eines
Bodenhochkeils, der sich von Frankreich bis in den Westen Deutschlands
ausweitet. Die Tiefdruckrinne wird unter beginnender Auffüllung über die Mitte
in den Norden und Nordosten Deutschlands gedrückt, wobei in deren Bereich
weitere, teils heftige Gewitter mit Starkregen bis hin zum Unwetter (aber auch
nicht gewittriger Starkregen) zu erwarten ist. Ein Augenmerk gilt dabei auch dem
(östlichen) Alpenrand, wo durch Stau bedingt länger andauernder (und anfangs
noch gewittriger) Niederschlag auftritt, wo ebenfalls Niederschlagssummen
oberhalb der Unwetterschwelle möglich sind. Probabilistische Verfahren (und auch
hochauflösende Modelle) halten am Alpenrand durchaus 12-std. Niederschlagssummen
von mehr als 100 mm für vorstellbar.
Ansonsten dürfte sich doch im Westen und Süden zusehends stabilere Luft
durchsetzen. In den westlichen Landesteilen können sich dort, wo es zuvor viel
geregnet hat, flache Nebelfelder bilden.

Montag... wird der auf die Biskaya übergreifende Trog für unser Wettergeschehen
relevant. Der sich bis zur Iberischen Halbinsel ausweitende Trog induziert vor
der Bretagne eine heftige Zyklogenese mit einem für die Jahreszeit
ungewöhnlichen Sturmtief. Kompensierendes Absinken bewirkt eine weitere
Kräftigung des bis in den Westen und Südwesten Deutschlands reichenden
Hochkeils. Hierdurch wird die Tiefdruckrinne vollends in den Nordosten
Deutschlands gedrückt. Da nach wie vor das über dem Nordmeer liegende Bodenhoch
dagegenhält, wird die Luftmasse horizontal gestaucht, was den Gehalt an
niederschlagbarem Wasser in diesen Gebieten auf mehr als 45 mm steigen lässt.
Das Niederschlagsgeschehen konzentriert sich daher auf den Bereich vom östlichen
Schleswig-Holstein bis in den östlichen Mittelgebirgsraum sowie die Gebiete
östlich davon, wobei analog zu heute auch wieder heftiger Starkregen als
Unwetterkriterium in Frage kommen dürfte.
Im Westen und Süden wird die Schichtung zusehends stabiler, vor allem westlich
des Rheins sorgt Absinken für längere sonnige Abschnitte. Gegenüber heute ändern
sich die Temperaturen nur unwesentlich.
In der Nacht zum Dienstag stellt sich an der Vorderseite des nunmehr auf die
Bretagne übergreifenden Troges eine vorerst schwache südwestliche Strömung ein.
Der Bodenkeil erreicht dann das Vorhersagegebiet, wodurch die Tiefdruckrinne
(oder was von dieser übrig geblieben ist) vollends nach Polen abgedrängt wird.
Spätestens in der zweiten Nachthälfte sollte dann auch ganz im Nordosten die
Gewitter- und Starkregentätigkeit zum Erliegen kommen. Aufgrund der
gradientschwachen Lage können sich im Westen und Süden sowie in Teilen der Mitte
flache Nebelfelder bilden.

Dienstag... verstärkt sich mit Annäherung des westeuropäischen Troges die
süd-südwestliche Strömung. Mit dieser gelangt in den Westen und Südwesten
Deutschlands erneut labil geschichtete Luft. Da diese Luftmasse von der Biskaya
herangeführt wird, ist der Flüssigwassergehalt, der nur wenig über 30 mm
erreicht (und damit auch das Potential für unwetterartige Entwicklungen)
geringer als bei der Luftmasse, die am Wochenende zuvor wetterbestimmend war.
Dennoch können Unwetter (vor allem durch heftigen Starkregen, aber auch durch
Hagel) nicht ganz ausgeschlossen werden. Immerhin nimmt ja die dynamische
Komponente zu und auch die Scherung ist nicht mehr vernachlässigbar. Vor allem
auf den Westen und die Gebiete westlich des Rheins können im Tagesverlauf erneut
Gewitter übergreifen.
Der zuvor wetterbestimmende Keil wird in den Nordosten Deutschlands abgedrängt,
behält aber weitgehend seinen Einfluss auf unser Wettergeschehen. Lediglich im
Nordosten macht sich noch Restbewölkung bemerkbar. Ansonsten sorgt großräumiges
Absinken für längere sonnige Abschnitte. Im Westen und Süden erfolgt dann auch
wieder ein Temperaturanstieg auf 27 bis 31 Grad, wogegen es im Norden und
Nordosten mit 21 bis 26 Grad nicht ganz so warm wird wie bisher.
In der Nacht zum Mittwoch greift der Trog auf Ostfrankreich über.
Trogvorderseitige Hebung lässt dann die Gewitter, die nur sehr zögernd abklingen
und weiterhin mit dynamischen Antrieb versorgt werden, auf Teile der Mitte und
den Süden vordringen. Bedingt durch die nachlassende Wirkung des Tagesganges
werden Unwetter jedoch zusehends weniger wahrscheinlich.
Nach Norden und Nordosten hin hält sich der Einfluss des nunmehr abschwächenden
Hochkeils. Dort kann es verbreitet aufklaren, wobei sich gebietsweis flache
Nebelfelder bilden können.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die vorliegenden Modelle zeigen eine weitgehend ähnliche Entwicklung. Anhand der
synoptischen Basisfelder lassen sich kaum prognoserelevante Unterschied
ableiten. Unsicher ist noch, wie rasch die Tiefdruckrinne nach Nordosten
abgedrängt wird. Hier zeigt EZMW(12) eine deutlich verzögerte Variante, demnach
würde auch in der Nacht zum Mittwoch in einem Bereich von Ostholstein bis in die
Niederlausitz hinein sowie östlich davon die Gewittertätigkeit noch nicht so
recht zum Erliegen kommen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Thomas Schumann