DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

27-07-2019 08:01
SXEU31 DWAV 270800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 27.07.2019 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Hoch Fennoskandien zyklonal (HFz)
Von Südwesten her schwere Gewitter mit hoher Unwettergefahr durch Starkregen. Im
Verlauf des Wochenendes nach Nordosten ausweitend.

Synoptische Entwicklung bis Montag 24 UTC
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Samstag... übernimmt zunehmend ein Trog die Regie über das Wetter in
Deutschland. Dieser stößt von der Biskaya südostwärts ins westliche Mittelmeer
vor, so dass Deutschland prinzipiell in den Bereich einer südöstlichen
Höhenströmung gerät, die aber nur schwach ausgeprägt ist. Zudem wird ein
Höhentief über Polen eingefangen, das am Abend Vorpommern erreichen soll. Diesem
umfangreichen Trogsystem steht ein Höhenhoch gegenüber, dessen Schwerpunkt über
Skandinavien und dem Nordmeer zu finden ist, wo es auch ein Bodenhoch stützt.
Über Deutschland ist das maßgebliche Drucksystem eine Tiefdruckrinne über dem
Südwesten, die im Tagesverlauf nur sehr langsam nordostwärts vorankommt und am
Abend in etwa eine Linie unterer Niederrhein-Vogtland erreichen soll. Nördlich
dieser Rinne hat sich im Übergangsbereich ein recht starker Gradient aufgebaut,
in dem der Ostwind teils mäßig bis frisch weht, so dass es insbesondere an
ost-exponierten Küstenabschnitten verbreitet zu steifen Böen kommt, vereinzelt
auch im nördlichen Binnenland. Vereinzelt kann es an den Küsten auch stürmische
Böen geben. Mit diesem Ostwind gelangt weiterhin trockene und warme bis heiße
Luft in den Norden Deutschlands, so dass sich dort wieder ein sonniger Tag
einstellt und die Temperatur abgesehen von den Küsten vielfach auf um oder etwas
über 30 Grad ansteigt. Zum Abend hin sorgt das Höhentief im Nordosten für etwas
Labilisierung, so dass dort einzelne Gewitter möglich werden. In den Süden
fließt dagegen mit leichtem Westwind eine zwar weiterhin warme, aber sehr
feuchte Luftmasse ein, in der heute die Bewölkung überwiegt, so dass die
Temperatur abgesehen vom Osten kaum noch 30 Grad erreicht, meist eher 25 bis 29
Grad. Dort werden CAPE-Werte von teils 500 bis 1000 J/kg erwartet, die weniger
durch einen hohen vertikalen Temperaturgradienten zu Stande kommen, sondern
vielmehr durch sehr hohe Feuchte. So werden vielfach 12 bis 14 g/kg spezifische
Feuchte erwartet und niederschlagbares Wasser oft jenseits der 40 l/qm. Für
Auslösung der (bereits vorhandenen) Gewitter sorgt in erste Linie die Rinne, in
die mitunter mehrere Konvergenzen eingelagert sein können. Zudem kann es südlich
der Rinne auch Auslösung an den Bergen geben, diese wird dort durch Hebung durch
den Trog über Frankreich unterstützt. Mangels Scherung ist der Organisationsgrad
der Gewitter gering, sie würden sich damit primär im Bereich markanter Gewitter
ansiedeln mit kleinem Hagel und markanten Starkregen sowie Sturmböen, für die
die größte Gefahr im nördlichen Bereich der Rinne liegt, wo die Luft noch etwas
trockener und aufgeheizter ist. Einzelne stärkere Entwicklungen können auch
größeren Hagel (um 2 cm) bringen, die Hauptgefahr geht aber vom Starkregen aus,
da die Gewitter teils praktisch an Ort und Stelle stehen, was wir ja auch
gestern und in der Nacht schon gesehen haben. Dann kann es schnell bis in den
extremen Unwetterbereich gehen. Deswegen wurde auch bereits eine
Vorabinformation ausgegeben.

In der Nacht zum Sonntag stößt der Haupttrog weiter ins zentrale Mittelmeer vor,
während unser Höhentief über dem Norden Deutschland westwärts zieht und dort in
der Nacht weiterhin für einzelne Gewitter sorgt. Bei den Gewittern im Süden
ändert sich nicht viel. Sie werden tagesgangsbedingt etwas schwächer, hören aber
keineswegs auf. Die sie auslösende Rinne verschiebt sich nur wenig nach Norden
und erreicht bis zum Morgen etwa eine Linie Rheinland-Erzgebirge. An ihrer
Nordflanke wird der Wind wieder schwächer, so dass keine Windwarnungen mehr
nötig sind. Von der Schweiz und dem Hochrhein her bis ins Alpenvorland
entwickeln sich neue Gewitter, durch die vom südlich der Alpen liegenden Trog
generierten Hebung begünstigt. Zwischen dem äußersten Süden und der Rinne stellt
sich ein Gewitterminimum ein. Von der nördlichen Mitte bis zum Norden stellt
sich abgesehen von den bereits erwähnten Gewittern oft eine klare Nacht ein. Die
Tiefstwerte liegen landesweit bei 20 bis 15 Grad.

Sonntag... zieht das nördliche Höhentief weiter nach Westen zur Nordsee, im
Südteil des Troges spaltet sich ein Höhentief ab, das zur nördlichen Adria
wandert. Dazwischen sollte es vor allem über der Mitte Deutschlands etwas
kompensierendes Absinken geben. In genau diesen Bereich fällt allerdings die
bodennahe Rinne, die weiter bis zu einer Linie Münsterland-Lausitz vorankommt.
Auf ihrer Südflanke gelangt weniger warme Luft in den Südwesten, was dort für
Druckanstieg sorgt und damit für auflebenden West- bis Nordwestwind. Nördlich
der Rinne lässt dagegen der Wind weiter nach, da das Hoch "Vincent", das uns
zuerst die Hitzewelle beschert hat, sich jetzt selbst in der Arktis Abkühlung
verschafft und damit an Einfluss verliert. Natürlich ist auch das nördliche
Höhentief an dem weiteren Druckfall im Norden beteiligt. Insgesamt breitet sich
die sehr feuchte Luft am Sonntag fast in das ganze Land aus, einzig und allein
im Nordwesten bleibt die Luft etwas trockener und im Südwesten trocknet sie im
Tagesverlauf etwas ab. Die größte Labilität findet sich im Norden und Osten,
dort werden dann auch die meist markanten Gewitter wieder zahlreich auftreten,
wobei sowohl Wind als Hagel weiterhin nicht so im Fokus stehen. Allenfalls bei
den Gewittern ganz im Norden im Bereich des Höhentiefs könnte dies der Fall
sein, da dort sowohl das CAPE ein Maximum erreicht und auch die Scherung größer
ist. Ansonsten steht vor allem im weiten Bereich der Rinne, also in der gesamten
Mitte und im Osten wieder Starkregen an, lokal wieder aufgrund stehender Zellen
bis in den Unwetterbereich. Im Süden, wo die Labilität in der einfließenden
kühleren Luftmasse weniger wird, kann es auch nicht-gewittrigen Starkregen
geben, der vor allem durch Hebung des Höhentiefs im Süden generiert wird und
durch etwas Stau an den Alpen noch verstärkt wird. Dabei kann es dann durchaus
innerhalb grob 12 Stunden gebietsweise 30 bis 50 l/qm geben, allerdings eher als
Starkregen als als Dauerregen. Eventuell sind dann auch Unwetterwarnungen nötig,
auch wenn der "Impact" eher positiver Natur sein dürfte. Noch ein Wort zur
Temperatur: Die liegt landesweit meist bei 25 bis 30 Grad. In der kühlsten Luft
im Süden und Südwesten sind es meist nur noch 20 (bei längerem Regen) und 25
Grad. Dagegen kann es im Westen, wo die Luft trockener ist und die Sonne wieder
länger scheint, einen heißen Tag geben, damit die Menschen von Tönisvorst bis
Lingen ihre liebgewonnene Hitze nicht missen müssen.

In der Nacht zum Montag entfernen sich die beiden Höhentiefs weiter von
Deutschland und hinterlassen eine eher antriebslose Atmosphäre mit nur noch
schwachem Geopotenzialminimum zwischen nördlichem Hoch und einem sich über
Südfrankreich entwickelnden Rücken. Auch die Bodenrinne schwächt sich
gradientmäßig ab, vor allem im Westen, während der tiefste Druck sich ostwärts
verlagert und seinen Schwerpunkt dann in Ungarn hat. Damit drehen fast
landesweit die Winde auf West, sind aber abgesehen vom Süden eher schwach. Dort
schiebt sich ein Hochkeil herein, der vor allem in Ostbayern noch für etwas
stärkeren Wind sorgt. Generell verbleibt über der gesamten Nordosthälfte
Deutschlands eine sehr feuchte Luftmasse, die Gewitterei soll sich aber
allmählich immer mehr in Richtung östliches Bergland zurückziehen. Örtliche
Unwetter durch Starkregen dürften dabei weiterhin inklusive sein.

Montag... wölbt sich der oben erwähnte Keil über Frankreich weiter auf und
schwenkt mit seiner Achse im Tagesverlauf über uns ostwärts hinweg. Ein
kräftiges Tief westlich der Biskaya sorgt dort schon wieder für eine Austrogung.
Im Bodendruckfeld setzt sich ein Zwischenhoch durch, dessen Schwerpunkt über
Frankreich verbleibt, womit weiterhin meist Westwind herrscht. Dieser bringt
warme und vergleichsweise trockene Luft in den Südwesten Deutschlands, während
sich über dem Nordosten sehr feuchte (spezifische Feuchte um 15 g/kg; ppws teils
bis 50 l/qm) hält. Der Schwerpunkt der Gewittertätigkeit dürfte dann ganz im
Nordosten liegen, bei nur langsam ziehenden Zellen wieder bis in den extremen
Unwetterbereich durch Starkregen. Zumindest ist aber Rinne weg, die die
Auslösung verstärkt hat und die Gewitter quasi gefangen gehalten hat. Auch
ansonsten können sich in der Nordosthälfte noch einzelne Schauer und Gewitter
bilden, meist wird aber kein allzu hohes CAPE mehr simuliert. Im Südwesten
dominiert dagegen leichtes Absinken, dort scheint die Sonne etwas häufiger und
es dürfte weitgehend trocken bleiben. Die leichten Temperaturunterschiede über
Deutschland werden von der Bewölkung kompensiert, so dass sich landesweit meist
25 bis 30 Grad einstellen.

In der Nacht zum Dienstag gibt es keine allzu großen Änderungen. Im Nordosten
liegt weiterhin die sehr feuchte Luftmasse, so dass dort die Gewittertätigkeit
allenfalls tagesgangsbedingt nachlässt, weiterhin muss aber mit Starkregen bis
in den Unwetterbereich gerechnet werden. Im Südwesten liegt dagegen weiterhin
das Zwischenhoch und sorgt für eine ruhige Nacht mit Tiefstwerten teils unter 15
Grad.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die synoptischen Basisfelder werden weitgehend gleich simuliert. Allerdings
fällt auf, dass IFS am Montag einen Kaltlufttropfen in den Südwesten ziehen
lässt, den die anderen Modelle nicht auf der Karte haben. Er scheint zwar nicht
viel Hebung zu simulieren, zumindest kann er dem Zwischenhoch nichts anhaben. Er
könnte aber allein durch etwas Labilisierung für Schaueraktivität im Süden
sorgen. Dieses ist auch in den IFS-Niederschlagsprognosen zu finden.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Peter Hartmann