DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

26-07-2019 17:01
SXEU31 DWAV 261800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 26.07.2019 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Ende der Hitze, dafür aber kräftige Gewitter mit lokalen Unwettern durch
Starkregen und Hagel.

Synoptische Entwicklung bis Montag 12 UTC
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Aktuell ... geht die extreme Hitzewelle langsam aber sicher zu ende. Ebenso wie
der Hochkeil über Mitteleuropa wird auch die Heißluftblase abgebaut. Von Osten
her verlagert sich ein Höhentief nach Nordwestpolen und auch der Trog über
Westeuropa weitet sich nach Spanien und Frankreich aus, so dass das Geopotential
in 500 hPa und die Temperaturen in der unteren Troposphäre im Sinken begriffen
sind.
Aus dem Höhenkeil ist inzwischen eine hochreichende Antizyklone über
Skandinavien entstanden. Sie bremst die Ausbreitung der Bodentiefdruckrinne, die
sich von Westdeutschland zum Alpenrand formiert hat, nach Norden, so dass dort
weiter unter antizyklonalem Einfluss eine trockene östliche Strömung dominiert.
Das Höhentief über Polen steuert höchstens ein paar Wolken in den Nordosten, die
aber keine Schauer bringen dürften. Der Gradient zwischen der Rinne und dem Hoch
im Norden hat nun soweit zugenommen, dass an der See (Nordsee und westl.
Ostseeküste) die ein oder andere steife Böe auftritt.

Anders sieht es dagegen im Bereich der sich noch vertiefenden Rinne aus. Hier
kommt es auch über die Nacht hinweg zu Schauern und Gewittern, die teilweise
verclustern und sich im Laufe der Nacht auch immer wieder neu bilden können.
Betroffen davon sollte etwa der Bereich vom Niederrhein bis zum Bayerischen Wald
und südlich davon sein.
Durch die markante Feuchteflusskonvergenz steigt die spezifische Feuchte in der
Rinne bodennah auf 12 bis 13 g/kg bei PPW Werten bis 40 mm, auch MU Cape von
1000 bis 1500 J/kg ist nach wie vor gegeben. Ebenso wie der nötige
Hebungsantrieb. Bei den Gewittern liegt der Focus auf heftigem Starkregen (bis
extremes Unwetter), anfangs auch noch Hagel, während der Wind nicht die große
Rolle spielen dürfte, da kaum Scherung bzw. nennenswerte Oberwinde da sind.
Allerdings ist hier Vorsicht geboten. Bei teilweise trockener unterer
Troposphäre sind durch Downbursts Sturmböen nicht ausgeschlossen.
Die Nacht bleibt in der feuchteren Luft warm bei 23 bis 17 Grad, im Nordosten
sind stellenweise 15 Grad möglich.

Samstag ... zieht das Höhentief von Polen Richtung Nordostdeutschland, während
sich der Trog über Westeuropa zum westlichen Mittelmeer und Alpenraum ausweitet.
Die Tiefdruckrinne plustert sich auf und mutiert zu einer Art Tiefdrucksumpf
über Deutschland.
Die eingelagerte Konvergenz verläuft dabei vom Niederrhein über Nordhessen zum
Grenzbereich Thüringen/Bayern. Sie trennt die trockene Luft im Norden von der
deutlich feuchteren und instabilen Luft im Süden.

In der feuchten Luft bilden sich im Tagesverlauf zahlreiche Schauer und
Gewitter. Bei weiter nicht vorhandener Strömung bzw. Scherung, aber noch
steigendem Wassergehalt (13 bis 14 g/kg spez. Feuchte und PPW bis 45 mm) sowie
ML Cape zwischen 500 und 1500 J/kg sind die Gewitter von teils sehr heftigem
Starkregen (extr. WU) und Hagel begleitet, aber weniger von heftigen
Windereignissen. Wobei auch hier wieder Vorsicht angesagt ist. Gerade am
nördlichen Rand der Gewitter, im Übergangsbereich zur trockenen Luft kann es
Sturmböen, teilweise schwere Sturmböen geben. Auch wenn sich die Gewitter durch
ihre Eigendynamik organisieren sollten, sind (schwere) Sturmböen durchaus
denkbar. Alles in allem steigt die Unwettergefahr und nach der Frühkonferenz ist
die Ausgabe einer Vorabinformation sicher angebracht. Die Temperaturen bleiben
meist unter 30 Grad, allerdings wird es sehr schwül.

In der trockeneren Luft im Norden passiert naturgemäß wenig bis nichts. Hier
frischt lediglich der Wind durch den gut ausgeprägten Gradienten etwas auf mit
einigen 7er Böen aus Ost bis Nordost an den Küsten, etwas ausgreifend ins
Binnenland, sowie in Schleswig-Holstein. Auch scheint vielfach die Sonne und die
Temperatur steigt auf 27 bis 33 Grad.

Eine Ausnahme bildet der Nordosten. Das Höhentief steuert von der Ostsee
feuchtere Luft ein und labilisiert die Schichtung, was in Vorpommern, vielleicht
bis in den Nordosten Brandenburgs hinein örtliche Schauer und Gewitter möglich
macht, die aber kein Unwetterpotential besitzen.

In der Nacht zum Sonntag zieht das Höhentief im Norden, mehr und mehr
eingefangen vom westlichen Trog, Richtung Schleswig-Holstein, während der Trog
im Süden zu den Westalpen hin abtropft. Die Höhenströmung dreht dabei über uns
auf südliche Richtungen und die feuchtere Luft kann sich vor allem nach Osten zu
nordwärts ausbreiten. Die Rinne verschiebt sich in die mittleren Landesteile, wo
es zu weiteren schauerartigen, von Gewittern begleiteten Regenfällen kommt. Auch
im Süden treten zunächst Gewitter auf, allerdings setzt bodennah von Südwesten
her Kaltluftadvektion ein und die Schichtung stabilisiert zusehends. Weiter
besteht Unwettergefahr vor allem durch den heftigen Starkregen, was aber nicht
nur in kurzen Zeiträumen zu sehen ist, sondern auch mehrstündig.

Sonntag ... zieht das Höhentief von den Westalpen zur nördlichen Adria, das
andere Höhentief zieht nordwestwärts ab, so dass wir weiterhin in einer zyklonal
geprägten südlichen Höhenströmung liegen, die schwach ausfällt. Die Rinne kommt
vor allem im Westen nordwärts voran und erreicht zum Abend die Nordsee. Im Osten
ist sie dagegen weniger stark ausgeprägt und kommt nur bis zur Lausitz
nordwärts.

In ihrem Bereich breitet sich die Gewittertätigkeit nordwärts aus, wobei sich im
Vergleich zum Vortag wenig ändert. Die Labilitätsenergie kommt vor allem durch
Feuchte zustande und kaum durch den Temperaturgradienten. Die Scherung ist
gering, sodass wir mit Starkregenfällen zu tun haben, wobei das
Unwetterpotenzial durch langsame Zuggeschwindigkeit weiter gegeben ist.

Südlich der Rinne dringt von Westen kühlere Luft in den Süden vor, so dass es
dort zu einem verstärkten Druckanstieg kommt und der West- bis Nordwestwind
auffrischt. Dort verstärken sich die gewittrigen Regenfälle aufgrund von über
die Alpen ausgreifender Hebung weiter, verlieren aber allmählich ihren
konvektiven Charakter, da die Schichtung von Westen stabiler wird. Zudem kommt
an den Alpen durch die leicht nördliche Windkomponente noch etwas Stau dazu, so
dass es vor allem an den Alpen und im Vorland zu Starkregenfällen kommt, die
auch unwetterartig ausfallen können.
Insbesondere ICON zeigt nachmittags und in der Nacht zum Montag im Alpenvorland
6-stündige Regensummen von 50 bis 80 l/qm. Bei so viel Regen und Gewittern und
damit Bewölkung geht das Temperaturniveau weiter zurück und im Südwesten wird
teils noch nicht mal mehr ein Sommertag erreicht.

Ansonsten bleibt es sommerlich-schwülwarm und vor allem im Norden zeigt sich vor
Aufzug der Gewitter die Sonne.
In der Nacht zum Montag zieht das südliche Höhentief weiter Richtung Balkan und
weitet damit das Trogsystem weiter ostwärts aus. Das Höhenhoch zieht sich ins
Nordmeer zurück, übrig bleibt ein leichtes Potenzialmaximum im Bereich der
Ostsee. Insgesamt dreht der Höhenwind weiter Richtung Ost. Die von Süden
ausgehende Hebung greift weiterhin über die Alpen hinweg bis in den Südosten
aus. Damit konzentrieren sich die Gewitter und schauerartigen Regenfälle in der
Nacht zunehmend auf eine Region von der Lausitz bis zum östlichen Alpenrand. Mit
Starkregen im Ockerbereich muss weiterhin gerechnet werden, vor allem in
Ostbayern vielleicht großräumiger und eventuell bis in den Unwetterbereich, die
exorbitanten Niederschlagssummen des ICON werden schließlich von den anderen
Modellen nicht mitgetragen.
Zudem frischt zwischen Bayerwald und Alpen der Wind auf, so dass dort auch
außerhalb von Gewittern mit steifen Böen aus West gerechnet werden muss.

Montag ... liegen wir im Bereich geringer Geopotential- und Druckunterschiede.
Die Rinne mit der instabilen Luft wird dabei weiter nach nordostwärts geführt
und vor allem im Osten und Norden kommt es zu weiteren teils auch kräftigen
Schauer und Gewittern, die bei großem Wassergehalt der Luft und nahezu
ungedeckeltem Cape nahe 2000 J/kg vor allem mit Starkregen und Hagel verbunden
sein können.

Von Südwesten her setzt sich allerdings schwacher Hochdruckeinfluss und leichtes
Absinken durch verbunden mit der Zufuhr trockener, mäßig warmer Luftmassen (T850
um 10 Grad) von Westen her. Im Tagesverlauf breitet sich diese Luft zögernd in
den Osten aus, so dass abends nur noch der äußerste Norden und Nordosten von der
instabilen Warmluft beeinflusst wird.

Richtung Oder und Neiße liegen die Temperaturen nochmal um 30 Grad, sonst werden
meist 23 bis 28 Grad erwartet.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die grundsätzliche Entwicklung steht außer Frage. Die Details vor allem die
Konvektion betreffend sind dafür bis zuletzt unsicher. Fraglich sind auch die
Regenmengen am Sonntagabend und in der Nacht zum Montag im Südosten. Aber auch
wenn ICON übers Ziel hinausschießt, sind unwetterartige Starkregenfälle am
Alpenrand und in SE Bayern, sowie markante Regenfälle nach Norden anschließend
durchaus plausibel. Hier können aber auch noch ein paar Modellläufe ins Land
gehen.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Bernd Zeuschner