DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

25-07-2019 07:01
SXEU31 DWAV 250800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 25.07.2019 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
HFa, Übergang zu HFz
Andauer der Hitzewelle mit teils extremer Wärmebelastung. Am Freitag im
Südwesten vereinzelte, am Samstag häufigere Gewitter mit Unwetterpotenzial
aufgrund von Hagel und Starkregen.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 24 UTC
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Donnerstag... befindet sich Deutschland weiterhin im Einflussbereich eines
markanten Höhenrückens, der sich von Nordafrika bzw. dem zentralen
Mittelmeerraum über Mitteleuropa bis nach Nordskandinavien erstreckt, dort nach
Osten "abknickt" und noch weite Teile Nordwestrusslands erfasst hat. Flankiert
wird der Rücken von einem Höhentief über Osteuropa, das als Dipol zwei
Drehzentren aufweist (eines südlich des Ladogasees, welches bis zum Abend nach
Weißrussland zieht, und eines über dem Norden der Ukraine) sowie von einem
Höhentrog über dem nahen Ostatlantik knapp westlich der Britischen Inseln.
Dieser weitet sich im Tagesverlauf nach Süden, Richtung Iberischer Halbinsel,
aus, so dass die Höhenströmung über Westeuropa etwas aufsteilt. Der Rücken
verliert dabei ein wenig an Wellenlänge, da er vor allem von Osten her etwas
"angeknabbert" wird, bestimmt aber nach wie vor das Wetter im Vorhersagegebiet.
Die Achse des Rückens wird allerdings ein wenig nach Westen gedrückt und
verläuft abends über die Westhälfte Deutschlands hinweg nordwärts.
Im Bodenfeld befinden wir uns an der Südwestflanke eines umfangreichen
Hochdruckgebietes, das sich vom östlichen Mitteleuropa bis nach Skandinavien
erstreckt. Dabei wird niedertroposphärisch von Südsüdwesten her nach wie vor
außergewöhnlich heiße Luft aus dem südspanischen Raum ins Vorhersagegebiet
advehiert. Die Temperatur in 850 hPa erreicht zum 18 UTC-Termin - unterstützt
durch das großräumige Absinken im Keil und durch die diabatische Komponente -
Werte zwischen 24 Grad ganz im Westen und 18 Grad an Oder und Neiße.
Entsprechend muss somit auch heute erneut mit rekordverdächtigen Höchstwerten
gerechnet werden. MOSMIX simuliert Höchstwerte zwischen 29 Grad im Nordosten und
40 Grad vielerorts vom südlichen Emsland bis nach Nordbaden. Sporadisch taucht
auch mal wieder die 41 Grad auf, vor allem an den Nordrändern von Eifel, Hohem
Venn und Hunsrück, aber auch am Westrand des Pfälzer Waldes. Diese Werte sind -
volle Einstrahlung vorausgesetzt - durchaus realistisch, allerdings könnten
dichtere Cirrus-Felder und auch ein wenig Saharastaub (wenngleich weniger
simuliert wird als es noch gestern der Fall war) dämpfend wirken. Die
"Rekordjagd" geht also weiter. Am Rande sei noch erwähnt, dass mit dem spürbaren
Ostwind die Temperaturen an auflandigen Küstenabschnitten entlang der Ostsee
nicht über 22 bis 26 Grad hinauskommen, ähnliches gilt für Helgoland.
Mit der bodennahen Überhitzung setzt über Frankreich, Benelux und West- sowie
Süddeutschland Druckfall ein. Vorderseitig des Troges entwickelt sich eine
Tiefdruckrinne, die von Südfrankreich bis nach Nordengland reicht, sich also
weiter westlich befindet als gestern. Dennoch geraten der Westen und Süden
Deutschlands zunehmend in den Einflussbereich potenziell sehr instabiler und
labiler Luftmassen. Die Cape-Prognosen fallen auch innerhalb der Konvektion
erlaubenden Modellwelt noch sehr unterschiedlich aus, regional tauchen aber
immer mal Werte über 2000 J/kg auf. Dazu ergeben sich (wohl aufgrund bodennahen
Einschubs feuchterer Nordseeluft) für den Nordwesten sehr hohe PPW-Werte bis
über 35 mm. Allerdings wirkt der Keil stark dämpfend, entsprechend wird
teilweise eine CIN von über 100 J/kg simuliert. Auslöse ist am ehesten noch am
unmittelbaren Alpenrand denkbar (die Keilachse befindet sich weiter westlich),
mit geringerer Wahrscheinlichkeit auch ganz im Westen; aktuell sind über
Nordfrankreich zumindest Castellani erkennbar. Sollte es für Gewitter reichen,
stehen als Begleiterscheinung neben Starkregen und Hagel vor allem im Westen
aufgrund des großen Spreads auch Sturmböen im Fokus.

In der Nacht zum Freitag wird der Rücken sowohl von Westen als auch von Osten in
die Zange genommen und es schnürt sich ein Höhenhoch über dem mittleren
Skandinavien ab. Die Achse des nur noch schmalen Keils verläuft aber nach wie
vor über Westdeutschland, während das Geopotenzialfeld ganz im Osten sogar eine
leicht zyklonale Kontur annimmt, da der nördliche Dipol des Höhentiefs ein wenig
nach Westen vorankommt.
Im Bodenfeld wird dadurch niedertroposphärisch nicht mehr ganz so warme Luft in
die Osthälfte Deutschlands advehiert. Die Tiefdruckrinne über dem westlichen
Mitteleuropa kommt etwas nach Osten voran und erreicht morgens Zentral- bzw.
Nordwestfrankreich sowie die westliche Nordsee. Vor allem AROME simuliert auch
Konvektion im Bereich dieser Rinne. Das Vorhersagegebiet bleibt davon aber nach
wie vor außen vor, eventuelle Gewitter am Abend ganz im Westen bzw. an den Alpen
fallen rasch wieder in sich zusammen. Allerdings ziehen vor allem über die
Westhälfte vermehrt hohe, vielleicht auch mittelhohe Wolkenfelder hinweg. Erneut
steht vielen Regionen eine unangenehm warme Nacht bevor, die Temperaturen sinken
im Westen/Nordwesten vor allem in Ballungszentren sowie an Kuppen- bzw.
Hanglagen nur auf 24 bis 20 Grad, sonst liegen die Tiefstwerte zwischen 19 und
13 Grad.

Freitag... wird die noch verbleibende Potenzialbrücke über Westdeutschland
weiter abgebaut. Das Höhentief über Osteuropa greift mit seinem westlichen Dipol
auf Polen über, während sich der Höhentrog über Westeuropa Richtung Biskaya und
Südwestfrankreich ausweitet. Dennoch ist über dem Vorhersagegebiet zunächst noch
kaum dynamischer Hebungsantrieb auszumachen.
Im Bodenfeld kommt die Tiefdruckrinne bis zum Nachmittag bzw. Abend allmählich
nach West- und Süddeutschland voran, während in den Norden und Osten von Osten
her allmählich stabil geschichtete und trockene Festlandluft advehiert wird.
Dort steht erneut ein sonniger Tag ins Haus. Die Temperatur in 850 hPa geht vor
allem im Nordosten etwas zurück und bewegt sich nachmittags/abends zwischen 13
Grad an Oder und Neiße und 22 Grad im Westen und Südwesten. Vor allem der Westen
und Süden verbleiben im Einflussbereich labiler Luftmassen und dieses Mal fallen
die Cape-Prognosen auch einheitlicher aus. Erneut werden dort gebietsweise 1500
bis über 2000 J/kg ML-Cape simuliert bei PPW-Werten von 25 bis 30 mm, regional
darüber. Die Potenzialbrücke wirkt nicht mehr so dämpfend wie der Rücken vom
Vortag, entsprechend wird auch weniger CIN simuliert. In erster Linie
orographisch getriggert dürfte es somit wohl zur Auslöse reichen, am ehesten an
den Alpen, im Schwarzwald sowie im westlichen Bergland. Die Gewitter zeichnen
sich durch eine nur geringe Zuggeschwindigkeit aus, so dass einerseits der
Starkregen im Fokus steht, durchaus bis in den Unwetterbereich. Andererseits
muss angesichts der Cape auch mit größerem Hagel bzw. zumindest mit großen
Hagelansammlungen gerechnet werden und wegen des durchaus vorhandenen größeren
Spreads kann es auch Sturmböen (oder mehr) geben. Mangels dynamischer Komponente
dürften die Gewitter wohl nur vereinzelt auftreten, was auch so von den
Konvektion erlaubenden Modellen simuliert wird; ob das Ganze für eine
Vorabinformation reicht, muss also erst einmal abgewartet werden.
Während es im Westen und Südwesten schon von Anfang an gebietsweise locker
bewölkt bleibt, scheint sonst verbreitet die Sonne, in weiten Teilen des Landes
auch bis zum Abend. Die Höchsttemperaturen erreichen nicht mehr ganz die Werte
des Vortages, im Nordosten werden auch etwas abseits der Küste die 30 Grad nicht
mehr erreicht. Ansonsten bleibt es aber mit 30 bis 39 Grad heiß, falls im Westen
die Sonne doch mal gebietsweise länger scheint, ist dort eine "gequälte" 40 Grad
(also 39,5 +x) nicht ausgeschlossen. An auflandigen Küstenabschnitten
insbesondere der Ostseeküste werden dagegen kaum 25 Grad erreicht.

In der Nacht zum Samstag kommt das Höhentief über Polen noch ein wenig nach
Westen voran, der Höhentrog weiter westlich weitet sich etwas nach Osten aus.
Somit schreitet der Potenzialabbau über dem Vorhersagegebiet weiter voran, wenn
auch nur sehr zögerlich.
Am Bodendruckfall ändert sich nur wenig, die Tiefdruckrinne über
Südwestdeutschland kommt zunächst kaum nach Nordosten voran, da das Hoch über
Skandinavien blockierend wirkt. Von Südwesten her kommt etwas mehr dynamische
Hebung ins Spiel, bereits ab den Abendstunden deuten einige Modelle eine Zunahme
der Gewittertätigkeit an. Somit könnte dem Südwesten des Landes durchaus eine
unruhige Nacht bevorstehen. Die PPW-Werte steigen auf über 30, teilweise über 35
mm, dazu wird eine MU-Cape von über 1000 J/kg simuliert. Vor allem Starkregen,
aber auch größere Hagelansammlungen stehen im Fokus, durchaus auch bis in den
Unwetterbereich.
Nördlich der Rinne, also in den mittleren Landesteilen sowie im Norden und
Osten, verläuft die Nacht dagegen wettertechnisch ruhig und meist auch gering
bewölkt oder klar. Vor allem im Westen und Südwesten bleibt es mit Tiefstwerten
teils um 20 Grad recht warm, sonst sinken die Werte auf etwas angenehmere 18 bis
13 Grad.

Samstag... erreicht das Höhentief Mecklenburg-Vorpommern, während sich der
westeuropäische Höhentrog weiter Richtung Süd- und Ostfrankreich ausweitet. Von
einer Potenzialbrücke ist somit nichts mehr zu erkennen, die Höhenantizyklone
über Skandinavien bleibt dagegen kräftig ausgeprägt und verlagert ihren
Schwerpunkt ein wenig nach Westen. Somit stellt sich eine "High over
Low"-Konstellation ein, wobei trogvorderseitig über West- und Süddeutschland
gebietsweise recht markante Hebung simuliert wird.
Im Bodenfeld nimmt die Tiefdruckrinne eine zunehmend zonale Ausrichtung an,
kommt aber aufgrund der Blockadewirkung durch das Skandinavienhoch nur wenig
nach Norden, bis etwa zu den mittleren Landesteilen, voran. Somit steht dem
Norden und Osten des Landes erneut ein recht sonniger Tag bevor, lediglich in
den äußersten Nordosten können mit dem Höhentief ein paar lockere Wolkenfelder
driften. GFS simuliert dort sogar einzelne Schauer, allerdings als einziges
Modell.
Ganz anders im Südwesten bis in die mittleren Landesteile (in etwa bis zu einer
Linie Niederrhein - Ostsachsen). Dort bleibt die potenziell instabile Luftmasse
wirksam mit PPW-Werten über 35 mm, teils auch über 40 mm. Bereits morgens gibt
es dort gebietsweise Schauer und Gewitter, örtlich auch schauerartig verstärkten
Regen (inklusive mehrstündigen Starkregens). Nach Durchschreiten des
vormittäglichen "Konvektionsminimums" (auch dann kann es aber noch einzelne
Schauer und Gewitter geben) lebt die Gewittertätigkeit mittags und nachmittags
wieder auf. Vor allem dort, wo die Sonne vorübergehend mal länger scheint und
die von den Modellen simulierten 500 bis kleinräumig über 1000 J/kg simulierte
ML-Cape generiert werden kann, sind auch kräftige Gewitter zu erwarten. Bzgl.
des Starkregens sind aufgrund der geringen Zuggeschwindigkeit schnell die
Unwetterkriterien erreicht, auch extreme Entwicklung liegen durchaus im Bereich
des Möglichen. Hagel sollte natürlich ebenfalls in Betracht gezogen werden,
ebenso wie Sturmböen. Wo die Schwerpunktregionen der Gewittertätigkeit liegen
werden, ist aktuell noch schwer abschätzbar.
Insgesamt geht die Temperatur in 850 hPa aufgrund des zunehmend zyklonalen
Geschehens zurück auf Werte zwischen 12 Grad an der Ostsee und etwa 17 Grad in
der Mitte Deutschlands (im Bereich der Rinne). Die Höchsttemperaturen erreichen
somit Werte zwischen 26 und 33 Grad, mit den höchsten Werten am Nordrand der
Rinne von der Lausitz bis ins Emsland.


Modellvergleich und -einschätzung
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Alle vorliegenden Modelle simulieren im Kurzfristzeitraum eins ehr ähnliches
Szenario ohne großartig warn- und prognoserelevante Unterschiede. Wo die
Schwerpunktregionen der Gewittertätigkeit vor allem am Samstag liegen werden,
ist natürlich noch schwer abschätzbar.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff